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Verkehrsunfall – Kollision eines Linksabbiegers mit einem überholenden Kfz

LG Wuppertal – Az.: 5 O 124/15 – Urteil vom 05.07.2018

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.987,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 40 % des ihr ab dem Jahr 2018 infolge des Verkehrsunfalls vom 16.12.2014 gegen 17.00 Uhr auf der V Straße in T entstandenen Rückstufungsschadens aus ihrer Vollkaskoversicherung bei der Q AG bezüglich des Pkw Porsche Cayenne, amtliches Kennzeichen XXXX, zu ersetzen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von der außergerichtlichen Gebührenforderung des Prozessbevollmächtigten i.H.v. 255,85 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 90,6 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 9,4 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Zusammenfassung

Es geht um einen Verkehrsunfall, der sich am 16.12.2014 in T, Ortsteil H, auf der V Straße in Höhe des Hauses 257 ereignet hat. Die Klägerin war mit einem geleasten Porsche Cayenne unterwegs und wollte nach links in eine Andienungsstraße abbiegen, als es zur Kollision mit einem Ford Focus kam, der auf der linken Seite vorbeifuhr. Der Porsche wurde links im Frontbereich beschädigt, der Ford rechts an Kotflügel und Beifahrertür. Die Klägerin hat danach einen Schaden i.H.v. 21.109,00 EUR geltend gemacht und zudem Mietwagen– und Nutzungsausfallschaden sowie eine Auslagenpauschale eingefordert. Die Beklagten wehren sich dagegen und behaupten, die Klägerin sei beim Abbiegen unachtsam gewesen. Es gibt unterschiedliche Aussagen zum Unfallhergang. Es wurden mehrere Gutachten und Zeugenbefragungen eingeholt, um den Sachverhalt zu klären. Die Klägerin hat die Hauptforderung aus dem Klageantrag reduziert, da sie mittlerweile die Selbstbeteiligung und einen Rückstufungsschaden berücksichtigt hat. Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin mangels Eigentümerstellung.[…]

Tatbestand

Die Klägerin ist Leasingnehmerin des Pkw Porsche Cayenne mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX, vollkaskoversichert bei der Q AG. Unter Ziffer XI 3. der Leasingbedingungen heißt es:

„Der Leasingnehmer ist – vorbehaltlich eines Widerrufs durch den Leasinggeber – ermächtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadensfall gerichtlich und außergerichtlich im eigenen Namen und auf eigene Kosten zu Gunsten des Leasinggebers geltend zu machen.“

Das Fahrzeug gehört nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin, die beruflich selbstständig ist.

Am 16.12.2014 ereignete sich gegen 17.00 Uhr in T, Ortsteil H, auf der V Straße in Höhe des Hauses 257 ein Verkehrsunfall. Beteiligt waren die Klägerin als Fahrerin des vorgenannten PKW Porsche Cayenne und der Beklagte zu 1) als Halter und Fahrer des Pkw Ford Focus mit dem amtlichen Kennzeichen ### , haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2). Die Klägerin befuhr die V Straße in Richtung Wuppertal, kommend von T-Mitte, und beabsichtigte, in Höhe des von ihr bewohnten Hauses Nr. 257 nach links in eine Andienungsstraße abzubiegen. Diese Straße bedient neben dem vorgenannten Haus noch weitere dort gelegene Objekte. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Unfallörtlichkeit wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder (Bl. 9, 90, 109 GA) und den Beschluss vom 17.03.2016 (Bl. 118 GA) Bezug genommen.

Bei dem Abbiegevorgang kollidierte das Klägerfahrzeug mit dem auf dessen linker Seite passierenden Beklagtenfahrzeug. Dabei wurde das Klägerfahrzeug im Frontbereich links beschädigt, das Beklagtenfahrzeug rechts an Kotflügel und Beifahrertür. Das Klägerfahrzeug war infolge des Unfalls nicht mehr fahrbereit.

Am 17.12.2014 gab die Klägerin ein privates Schadensgutachten im Auftrag, welches vom 19.12.2015 datiert. Mit Schreiben vom 29.12.2014 nahm sie wegen des Unfallschadens ihren Vollkaskoversicherer, die Q AG, in Anspruch. Dieser erteilte am 12.01.2015 eine Reparaturfreigabe, worauf die Reparatur erfolgte und die Klägerin das Fahrzeug am 21.01.2015 abholen konnte. Von den Reparaturkosten i.H.v. 13.320,25 EUR brutto gemäß Rechnung von 10.02.2015 zahlte der Vollkaskoversicherer nach Abzug des Selbstbehalts von 500,00 EUR an die Klägerin einen Betrag von 12.820,25 EUR.

Parallel zu den vorgenannten Vorgängen machte die Klägerin mit Schreiben vom 29.12.2014 bei der Beklagten zu 2) Ansprüche aus dem Unfall unter Fristsetzung von 10 Tagen geltend. Mit Schreiben vom 09.01.2015, eingegangen am 19.01.2015 erklärte sich die Beklagte zu 2), sie rechne dem Beklagten zu 1) ein 30%-iges Mitverschulden an und lehnte Ersatz für eine Wertminderung gänzlich ab. Nach weiterer Korrespondenz wurde der Beklagten mit Schreiben vom 20.02.2015 eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gesetzt. Eine Zahlung erfolgt nicht.

Die Klägerin meint, bei der Andienungsstraße handele es sich um eine Stichstraße bzw. Seitenstraße und keine Grundstückseinfahrt, da diese – unstreitig – mehrere Grundstücke anbinde und weiter ins hintere Gebiet reiche. Zum Unfallhergang behauptet die Klägerin, sie habe zunächst den linken Blinker rechtzeitig eingeschaltet. Sie habe mit den linken Rädern an der Mittellinie angehalten, um vor dem Abbiegen Gegenverkehr passieren zu lassen, und so für eine gewisse Zeit dort gestanden. Danach habe sie noch einmal kurz zurückgeschaut und sei dann angefahren. Der Beklagte zu 1) habe zwar bemerkt, dass sie auf der Fahrbahn gestanden habe, dennoch sei er nach Passieren des Gegenverkehrs „im Schwung“ um ihren Wagen herumgefahren. Dies sei für sie erst in allerletzter Sekunde zu erkennen gewesen, als sie bereits der zweiten Rückschaupflicht nachgekommen gewesen sei. Für sie sei der Unfall unabwendbar gewesen.

In der Klageschrift vom 08.04.2015 hat die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1. einen Schaden i.H.v. 21.109,00 EUR geltend gemacht, dies auf Basis einer alleinigen Haftung der Beklagten und unter Einstellung der Reparaturkosten in die Schadensberechnung. Des Weiteren hat sie für den Zeitraum vom 16.12.2014 bis zum 21.01.2015 für 15 Tage Mietwagenkosten i.H.v. 1.695,75 EUR geltend gemacht, sowie für weitere 22 Tage einen Nutzungsausfallschaden i.H.v. 2.618,00 EUR (119 EUR pro Tag). Hinzu kommt eine Auslagenpauschale i.H.v. 25,00 EUR.

Mit Blick auf die Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.08.2017 (Bl. 250 GA), zugestellt am 17.08.2017, die Hauptforderung aus dem Klageantrag zu 1. auf 7.840,48 EUR reduziert. Anstelle der Reparaturkosten bringt sie nunmehr ihre Selbstbeteiligung i.H.v. 500,00 EUR in Ansatz sowie zusätzlich einen Rückstufungsschaden für die Jahre 2016 und 2017 i.H.v. 524,35 EUR. Bei ihrer Berechnung geht sie nunmehr von einer eigenen Haftungsquote von 20 % aus. Wegen der Einzelzeiten der Schadensberechnung wird auf den Schriftsatz vom 08.08.2017 (dort S. 2, Bl. 251 GA) Bezug genommen.

Zur Schadenshöhe trägt die Klägerin vor, das Fahrzeug gehöre in die Mietwagenklasse 10. Die Reparatur sei im Hinblick auf die Weihnachtsfeiertage, das Abwarten der Reparaturfreigabe und Verzögerungen bei der Ersatzteilbeschaffung nicht schuldhaft verlängert worden. Insbesondere habe sie nicht ohne Weiteres einen Reparaturauftrag von über 10.000 EUR erteilen können und nicht innerhalb von zwei Tagen Kreditquellen erschließen können.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 7.840,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2015 zu zahlen,

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner außerdem zu verpflichten, die Klägerin von der außergerichtlichen Gebührenforderung des Prozessbevollmächtigten i.H.v. 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2015 freizustellen,

3.

die Beklagten außerdem als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr anteilig auch die Kosten der Rückstufung ab 2018 zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie rügen zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin mangels Eigentümerstellung. Auch Ziff. XI 3. des Leasingsvertrags setze gerade keine Befugnis voraus, eine Zahlung an sich selbst oder andere Dritte zu verlangen.

Zum Unfallhergang behaupten sie, die Klägerin habe ihr Fahrzeug erst einmal zum rechten Fahrbahnrand gelenkt und sei auf dem dortigen Fahrradstreifen zum Stillstand gekommen. Der nachfolgende Beklagte zu 1) habe sich daraufhin entschieden, das stehende Fahrzeug links zu passieren. Er habe den linken Blinker gesetzt und sei am Klägerfahrzeug vorbeigefahren. Auf einmal sei das Klägerfahrzeug wieder angefahren und in habe einem Linksbogen in den Abbiegevorgang gelenkt, ohne dass der linke Blinker gesetzt worden wäre. Angesichts dieses überraschenden Abbiegens habe der Beklagte zu 1) eine Kollision nicht mehr vermeiden können.

Die Beklagten behaupten, der merkantile Minderwert des Klägerfahrzeuges betrage nach der sog. Marktrelevanz-und-Faktoren-Methode lediglich 1.300 EUR. Zudem gehöre das Fahrzeug in die Mietwagenklasse 9, was einen Tagespreis von 74 EUR ergebe. Abzuziehen seien ersparte Eigenaufwendungen i.H.v. 5 %. Des Weiteren hätten nach dem Unfall umgehend eine Reparatur an dem Klägerfahrzeug sowie eine Schadensmeldung an die Vollkaskoversicherung erfolgen können. Auch habe die Klägerin – was unstreitig ist – den „nagelneuen“ Porsche Cayenne mit Zulassung 2014 selbst finanziert, sodass sie ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, Reparaturkosten i.H.v. 1/10 des Fahrzeugwertes in Auftrag zu geben. So könne allenfalls ein Zeitraum von zehn Tagen als Ausfallzeitraum anerkannt werden, nicht aber ein zusätzlicher Nutzungsausfall über die geltend gemachten Mietwagenkosten hinaus.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom 10.03.2016 (Bl. 113 GA), vom 06.06.2017 (Bl. 233 ff. GA) und vom 26.01.2018 (Bl. 274 GA) durch Vernehmung der Zeugin Y, durch Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens sowie durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.03.2016 (Bl. 112 ff. GA), das unfallanalytische Gutachten des Herrn Diplom-Ingenieur S vom 31.10.2016 (Bl. 179 ff. GA) sowie auf das weitere Gutachten des Herrn S2 vom 19.03.2018 (Bl. 279 ff. GA) Bezug genommen.

Ferner hat das Gericht die Unfallörtlichkeit am 13.03.2016 in Augenschein genommen; insofern wird auf den Beschluss vom 17.03.2016 (Bl. 118 GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist auch in der mit Schriftsatz vom 08.08.2017 geänderten Form jedenfalls gem. § 267 ZPO zulässig.

Mit dem Klageantrag zu 1. ist sie teilweise begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 1.987,64 EUR aus § 7 Abs. 1 StVG zu.

Der Anspruch ist dem Grunde nach gegeben, da die Beschädigung des Klägerfahrzeugs beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) gehaltenen Fahrzeugs verursacht worden ist. Die Haftung des Beklagten zu 1) ist auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht ist.

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Der Unfall hat sich jedoch auch beim Betrieb des Pkw der Klägerin ereignet, sodass auch sie selbst dem Grunde nach gem. § 7 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen einzustehen hat. Auch sie kann sich nicht auf höhere Gewalt gem. § 7 Abs. 2 StVG berufen. Somit hängt gem. § 17 Abs. 1 u. 2 StVG der Umfang des von dem Beklagten zu 1) zu leistenden Schadensersatzes von den Umständen und insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Zu berücksichtigen ist hierbei auch der Grad eines etwaigen Verschuldens der Beteiligten, soweit die hierfür maßgeblichen Umstände von der jeweils belasteten Partei selbst vorgetragen sind, soweit sie unstreitig sind oder feststehen.

Hierbei ist zunächst die Haftung weder für die Klägerin noch für den Beklagten zu 1) gem. § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Denn keine Partei hat den ihr obliegenden Nachweis erbracht, dass der streitgegenständliche Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis darstellte. Unabwendbar ist ein Ereignis, dass selbst durch äußerst mögliche Sorgfalt vom überdurchschnittlichen Fahrer (sog. Idealfahrer) nicht abgewendet werden kann, d.h. durch sachgemäßes und geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen Maßstab hinaus (BGH NJW 1991, 1171).

Vorliegend steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass sich die Kollision ereignete, als sich die Klägerin im Bereich der Mittellinie mit gesetztem linkem Blinker zum Abbiegen eingeordnet hatte und von dort aus anfuhr.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S lassen sich die vorliegenden Anknüpfungstatsachen wie Schadensbild und Örtlichkeit zwanglos mit der klägerischen Darstellung des Unfallgeschehens in Einklang bringen, unter Berücksichtigung eines fahrbahnparallel überholenden Beklagtenfahrzeugs. Insbesondere ergibt sich aus dem von ihm festgestellten Schadensbild an den Fahrzeugen, dass deren Längsachse zum Zeitpunkt der Kollision einen Winkel von etwa 15 bis 20° eingeschlossen haben muss. Deutlich größere Winkel, wie sie bei einem vom rechten Fahrbahnrand aus eingeleiteten Abbiegevorgang der Klägerin zu erwarten gewesen wären, hätten stärke Deformationen und auch einen – hier nicht feststellbaren – Schadensbereich am Beklagtenfahrzeug zur Folge gehabt, der weiter in die Front gereicht hätte. Des Weiteren muss ein starker Lenkeinschlag nach links am klägerischen Pkw vorgelegen haben. Nach alledem ist eine Kollisionslage, bei dem sich das Klägerfahrzeug im Zeitpunkt des Anfahrens an der Mittellinie befand und dort vom Beklagten zu 1) überholt wurde, für den Sachverständigen ohne Weiteres plausibel, nicht hingegen eine Kollision, die sich bei einem Linksabbiegen der Klägerin vom rechten Fahrbahnrand ereignet hätte.

Dass die Klägerin im Kollisionszeitpunkt in der Fahrbahnmitte stand, bestätigt auch die Aussage der Zeugin Y. Diese war bei dem Unfall Beifahrerin der Klägerin und war daher zur Wahrnehmung des unmittelbaren Unfallgeschehens in der Lage. Bei ihrer Vernehmung am 10.03.2016 hat sie angegeben, das Klägerfahrzeug müsse sich in der Nähe der Mittellinie befunden haben; jedenfalls habe sie die Linie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sehen können. Nach alledem kann den Angaben des Beklagten zu 1) aus seiner persönlichen Anhörung nicht gefolgt werden. Dies gilt selbst dann, wenn er entgegen der Dokumentation aus der zur Gerichtsakte gereichten Unfallanzeige (Bl. 95 GA) gegenüber der Polizei nicht angegeben haben sollte, die Klägerin sei auf der Fahrbahn stehen geblieben. Aus diesem Grunde bedurfte es der Vernehmung des klägerseitig benannten Zeugen L nicht mehr.

Weiterhin steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin den linken Blinker gesetzt hatte. Hierzu hat die Zeugin Y angegeben, dies sei der Fall gewesen, da sie den Blinker habe ticken hören. Ernstliche Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit dieser Aussage bestehen nicht. Selbst wenn es sich hierbei um einen gewöhnlichen Vorgang handelt, der sich bei ordnungsgemäßem Fahren vor jedem Abbiegen abspielt, ist nicht davon auszugehen, dass er von der Zeugin als gegeben unterstellt wurde, obwohl er sich im konkreten Fall nicht ereignete.

Unter diesen Umständen hätten beide Parteien den Unfall vermeiden können.

Ein Idealfahrer aus Sicht des Beklagten hätte das blinkende, mittig positionierte Klägerfahrzeug erkannt und hätte, wozu er nach den Feststellungen des Sachverständigen auch in der Lage gewesen wäre, zur Vermeidung einer Kollision zunächst hinter diesem bis zum Stillstand abgebremst, um dessen Abbiegevorgang abzuwarten; allenfalls hätte er das Fahrzeug in dieser Situation – was die Unfallörtlichkeit zuließ – rechts überholt.

Ein Idealfahrer aus Sicht der Klägerin hätte bei Wahrnehmung seiner Rückschaupflicht, ggf. sogar durch ein drittes Hinsehen, das herannahende Beklagtenfahrzeug mit Sicherheit erkennen können und hätte seinen Abbiegevorgang zurückgestellt, bis er sich hätte sicher sein können, dass dieses keinen Überholvorgang einleiten würde, etwa wegen eines erkennbaren Abbremsens. Dass das Beklagtenfahrzeug auch vom Idealfahrer nicht hätte rechtzeitig erkannt werden können, steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Insofern hat der Sachverständige ausgeführt, dass das Beklagtenfahrzeug, eine Annäherung im Rahmen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unterstellt, im Zeitpunkt des Abbiegebeginns der Klägerin noch ca. 30 bis 35 m vom Unfallort entfernt gewesen und somit für die Klägerin bei der notwendigen letzten Rückschau erkennbar gewesen ist, zumal die Straße im Unfallbereich nahezu geradlinig verlaufe und damit über 100 m nach hinten einsehbar gewesen ist. Von diesen Annahmen abweichende Umstände sind nicht feststellbar. Eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit kann gerade nicht nachgewiesen werden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es dunkel und diesig gewesen sein mag, steht dies aufgrund des geradlinigen Straßenverlaufs einer Erkennbarkeit des Beklagtenfahrzeugs nicht entgegen, zumal weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass dieses mit ausgeschalteter Beleuchtung gefahren wäre. Da hiernach nicht zu erklären ist, warum die Klägerin den herannahenden Beklagten zu 1) nicht rechtzeitig hätte erkennen können, vermag auch die Aussage der Zeugin Y, die angegeben hat, diesen bei einem eigenen Schulterblick ebenfalls nicht gesehen zu haben, nicht zu einer anderweitigen Überzeugung zu führen, da sich auch ihr Nichterkennen des Beklagtenfahrzeugs durch Unaufmerksamkeit erklären lässt, die ihr als bloße Beifahrerin auch zuzubilligen ist.

Die somit nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge und des beiderseitigen Verschuldens führt zu einer Haftungsquote der Klägerin von 60 % und des Beklagten zu 1) von 40 %.

Hierbei war einerseits die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch ein Verschulden erhöht. Denn dem Beklagten zu 1) fällt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 7 S. 1 StVO zur Last. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, rechts zu überholen. Dieses Gebot hatte der Beklagte zu 1) nach den obigen Feststellungen zum Unfallhergang zu beachten, da sich die Klägerin in Abbiegeabsicht und unter Setzen des linken Blinkers zur Fahrbahnmitte eingeordnet hatte. Die Platzverhältnisse ließen ein Überholen auf der rechten Seite nach den Feststellungen des Sachverständigen zur Unfallörtlichkeit, insbesondere einer Fahrbahnbreite von insgesamt 6,75 m und einer Breite der beiderseits fahrbahneben angrenzenden Radwege von je 1,4 m auch zu. Ob im konkreten Fall auch ein Rechtsüberholen mangels ausreichender Fahrbahnbreite auf der rechten Seite gem. § 2 Abs. 1 StVO unzulässig gewesen wäre, kann dahinstehen, da dies das Gebot des § 5 Abs. 7 S. 1 StVO hätte entfallen lassen.

Andererseits war auch die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs durch ein Verschulden erhöht. Der Klägerin fällt nämlich ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 4 StVO zur Last. Hiernach hat der Abbiegende vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; ihn trifft mithin eine sog. doppelte Rückschaupflicht. Zur Rückschau sind sowohl der Innen- als auch der Außenspiegel zu benutzen; zur Überbrückung eines toten Winkels muss sich der Abbiegende ggf. zusätzlich auf andere Weise, beispielsweise durch Rückschau durch das Seitenfenster, vergewissern, ob der Abbiegevorgang ohne Gefährdung nachfolgender Verkehrsteilnehmer durchgeführt werden kann (LG Bonn, Urt. v. 25.01.2017, 1 O 134/16, juris Rn. 28). Dies gilt gem. § 9 Abs. 1 S. 4 Hs. 2 StVO nur dann nicht, wenn eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen werden kann. Dies ist nur anzunehmen, wenn ein Überholen durch den nachfolgenden Verkehr technisch unmöglich ist oder auch unter Berücksichtigung grober Fahrfehler nicht erwartet werden kann (LG Bonn a.a.O.) Dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen gewesen wäre, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechend der vorstehenden Ausführungen zu § 17 Abs. 3 StVG nicht mit der notwendigen Gewissheit festgestellt werden, insbesondere da die Erkennbarkeit des herannahenden Beklagtenfahrzeugs und der Einleitung eines Überholvorgangs für die Klägerin nach dem Umständen nicht ausgeschlossen werden kann.

Bei der Kollision eines Linksabbiegers mit dem nachfolgenden Verkehr streitet nach verbreiteter Rechtsprechung, der auch die Kammer folgt, der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Linksabbiegers (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2014, 1 U 32/13, juris Rn. 4 m.w.N.; OLG München, Urt v. 25.04.2014, 10 U 1886/13, juris Rn. 4 m.w.N.; LG Bonn, Urt. v. 25.01.2017, 1 O 134/16, juris Rn. 28).

Diesen Anscheinsbeweis hat die Klägerin nicht widerlegt. Insbesondere verbleiben nach der Aussage der Zeugin Y Zweifel an der Wahrung der doppelten Rückschaupflicht. Diese lediglich insofern lediglich ausgesagt, sie wisse noch, dass die Klägerin dass die Klägerin den Spiegelblick durchgeführt sowie über die Schulter zurückgesehen habe. Dass die Klägerin diese Rückschaukombination zweimal vollzogen hätte, hat sie allerdings nicht angegeben. Auch hat sich die Zeugin dabei nicht festgelegt, ob die Rückschau noch vor dem Anhalten an der Fahrbahnmitte, vor dem Passierenlassen des Gegenverkehrs erfolgt sein soll, oder unmittelbar vor dem Anfahren zum Abbiegen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin angegeben hat, auch ihrerseits nach hinten geschaut zu haben, und andererseits die Mittellinie nicht mehr sehen gekonnt zu haben, was sie dies durch einen Blick durch die Heck- bzw. Frontscheibe des Fahrzeugs beobachtet haben muss. Bei alledem lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie genau sie hierbei das Verhalten der Klägerin beobachtet hat. Hinzu kommt, dass es nach den Feststellungen des Sachverständigen überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass bei nochmaliger Rückschau unmittelbar vor dem Anfahren das Beklagtenfahrzeug erkennbar gewesen wäre, was ebenfalls geeignet ist, die Wahrung der Pflicht zur zweiten Rückschau zumindest infrage zu stellen.

Hierbei hat die Klägerin sogar eine erhöhte Sorgfaltspflicht nach dem Maßstab des § 9 Abs. 5 StVO verletzt.

Nach dieser Vorschrift hat sich ein Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Was unter einem Grundstück i.S.d. § 9 Abs. 5 StVO zu verstehen ist, ist umstritten. Nach einer Auffassung sind Grundstücke in diesem Sinne alle nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten Flächen, in erster Linie private Grundflächen und Privatwege (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jannke/Burmann, StVR, 25. Aufl. 2018, § 9 StVO Rn. 53 m.w.N.). Hingegen sind nach einem funktionellen Grundstücksbegriff alle öffentlichen oder privaten Verkehrsflächen umfasst, die nicht dem fließenden Verkehr dienen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.12.1992, 5 Ss 363/90, NZV 1993, 198, 199; jurisPK-StVR/Scholten, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO Rn. 46).

Die an der Unfallörtlichkeit gelegene, zum Haus Nr. 257 führende Andienungsstraße fällt nur nach der letztgenannten Auffassung unter den Grundstücksbegriff. Denn einerseits handelt es sich nach den zur Gerichtsakte gereichten und den vom Sachverständigen angefertigten Licht- und Luftbildern um eine öffentlich zugängliche Straße, deren Benutzung mangels entgegenstehender Anhaltspunkte jedermann zu jeder Zeit offensteht, ohne dass die Anlieger dies beschränken könnten. Zudem ist die Straße befestigt und jedenfalls im Einmündungsbereich zur Durchgangsstraße breit ausgebaut. Andererseits dient sie nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin als Zuwegung für mehrere gegenüber der Durchgangsstraße zurückliegende Grundstücke. Das Befahren dieser Stichstraße dient damit in erster Linie dem Aufsuchen der dort gelegenen und hierdurch erschlossenen Grundstücke, um dort das Fahrzeug abzustellen, nicht aber, wie beim Befahren der Durchgangsstraße, dem Bestreben nach einer zügigen Ortsveränderung. Dies hat auch die Inaugenscheinnahme durch die Kammer bestätigt. Zudem ließ sich feststellen, dass der Bordstein lediglich abgesenkt war und insbesondere keine vorfahrtsregelnden Verkehrsschilder vorhanden waren, was ebenfalls deutlich gegen eine Zuordnung zum fließenden Verkehr spricht.

Letztgenannter Auffassung ist zu folgen. Zuzugeben ist dabei, dass der systematische Vergleich mit der Vorschrift des § 10 StVO eher für die erstgenannte Auffassung streiten mag. Denn diese differenziert ausdrücklich zwischen Grundstücken und anderen Straßenteilen, die nicht dem fließenden Verkehr dienen, aber gerade keine Grundstücke sein sollen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 08.11.2013, 9 U 88/13, NZV 2014, 262; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.04.1993, 2 Ss (OWi) 4/93, NVZ 1993, 360). In teleologischer Hinsicht ist jedoch zu berücksichtigen, dass die erhöhte Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 5 StVO darin begründet liegt, dass der fließende Verkehr mit dem Abbiegen in ein Grundstück weniger rechnet und daher dem Abbiegevorgang ein erhöhtes Gefährdungspotential innewohnt. Hierfür kann es jedoch nicht entscheidend darauf ankommen, ob und in welchem Umfang die Fläche, auf die sich der Abbiegende begibt, der Öffentlichkeit gewidmet ist, denn auf den möglichen Überraschungseffekt für die anderen Verkehrsteilnehmer hat dies keinen Einfluss. Entscheidend ist vielmehr, ob der Verkehrsteilnehmer aus dem fließenden Verkehr ausschert. Selbst wenn man das Abbiegen in eine Andienungsstraße wie die vorliegende aus systematischen Gesichtspunkten nicht dem Tatbestands des § 9 Abs. 5 StVO zuordnen wollte, rechtfertigt es jedoch das wegen des Verlassens des Fließverkehrs vergleichbare Gefährdungspotential dieses Vorgangs, jedenfalls im Rahmen des § 1 Abs. 2 ZPO eine dem Maßstab des § 9 Abs. 5 StVO gleichkommende Rücksichtnahmepflicht anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.06.2016, 1 U 158/15, Rn. 91; jurisPK-StVR/Scholten, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO Rn. 49 m.w.N.).

In Abwägung aller Umstände führt dies zu einer Haftungsquote von 60 % aufseiten der Klägerin und 40 % aufseiten der Beklagten. Hierbei gilt nach Auffassung der Kammer in der Regel, dass die Betriebsgefahr desjenigen, der unter Außerachtlassung der von § 9 Abs. 5 StVO verlangten äußersten Sorgfalt abbiegt, doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2014, 1 U 32/13, juris Rn. 10). Im vorliegenden Fall ist diese Quote leicht zugunsten der Klägerin zu korrigieren, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Beklagte zu 1), als er von hinten herannahte, die eindeutige Verkehrslage erkennen musste, dass sich die Klägerin jedenfalls ordnungsgemäß zur Fahrbahnmitte eingeordnet und blinkend, mithin in erkennbarer Abbiegeabsicht, vor ihm befand, was seinem Verschulden ein geringfügig höheres Gewicht verleiht.

Der ersatzfähige Schaden der Klägerin beträgt 1.987,64 EUR.

Die Klägerin kann den nach Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung verbleibenden Schaden in vollem Umfang verlangen, soweit es sich um sog. quotenbevorrechtigte Positionen handelt. Dies betrifft im vorliegenden Fall die Selbstbeteiligung und die merkantile Wertminderung. Die sonstigen Schadenspositionen hingegen sind nur in Höhe der vorgenannten Haftungsquote zu ersetzen.

Die Selbstbeteiligung i.H.v. 500,00 EUR haben die Beklagten nicht bestritten.

Mietwagenkosten kann die Klägerin für 15 Tage i.H.v. 588,52 EUR (40 % von 1.471,30 EUR) verlangen. Die Höhe der angemessenen Kosten hat die Kammer gem. § 287 Abs. 1 ZPO auf Grundlage des Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2014 des Fraunhofer-Instituts geschätzt. Die dort ermittelten „Normaltarife“ bilden den durchschnittlichen Mietpreis für den hiesigen Regionalmarkt realistisch ab und sind insofern anderen Markterhebungen wie der sog. „Schwacke-Liste“ vorzuziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.04.2015, 1 U 114/14, juris Rn. 8). Dahinstehen kann, in welche Mietwagenklasse der hier betroffene Pkw des Typs Porsche Cayenne im Sinne der den Tabellen aus der Anlage B4 (Bl. 100 GA) zugrunde liegenden Schwacke-Klassifikation fallen würde. Denn jedenfalls lässt sich das Fahrzeug nach dem vollständig gerichtsbekannten Marktpreisspiegel 2014 eindeutig in die Mietwagenklasse „X“ im Sinne der ACRISS-Klassifikation einordnen, was aus der dortigen Übersicht auf S. 84 hervorgeht. Für ein solches Fahrzeug liegt der durchschnittliche Mietpreis im Postleitzahlenbereich 42- für sieben Tage bei 716,72 EUR und, hieraus berechnet, für einen Tag bei 102,39 EUR. Für 15 Tage belaufen sich die Mietwagenkosten mithin auf 1.535,83 EUR. Wegen ersparter Eigenbetriebskosten ist hiervon ein Abzug i.H.v. 5 % des Nettobetrags der erstattungsfähigen Mietwagenkosten zu machen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.04.2015, 1 U 114/14, juris Rn. 16 m.w.N.), d.h. 5 % von 1.290,61 EUR, also  64,53 EUR. Danach verbleiben 1.471,30 EUR.

Ein Nutzungsausfallschaden ist der Klägerin i.H.v. 679,38 EUR (40 % von 1.698,45 EUR) zu ersetzen.

In zeitlicher Hinsicht steht ihr eine Entschädigung für 21 Tage zu. Diese Zeit verbleibt, nachdem vom Gesamtausfallzeitraum des Unfallfahrzeugs vom 17.12.2014 bis einschließlich zum 21.01.2015 (36 Tage) jene 15 Tage abgezogen wurden, an denen ein Mietwagen zur Verfügung stand. Hinsichtlich der Dauer des Ausfalls ist kein Mitverschulden der Klägerin gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB feststellbar. Der Geschädigte ist im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nämlich grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen; etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn der Geschädigte sich ohne Schwierigkeit den Kredit beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine Verhältnisse belastet wird (BGH, Urt. v. 16.11.2005, IV ZR 120/04, juris Rn. 37; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.05.2011, 1 U 220/10, juris Rn. 22). Die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Kreditaufnahme ist dabei ein Umstand, den die Beklagten darzulegen und zu beweisen hatten; allenfalls kam der Klägerin insofern eine sekundäre Darlegungslast zu, da es sich um Umstände aus ihrer Sphäre handelt (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 19.02.2004, 4 U 146/03, Rn. 43 f.). Dieser ist die Klägerin vorliegend hinreichend nachgekommen, indem sie dargelegt hat, sie habe die Reparaturkosten nicht „aus der Portokasse“ zahlen können und nicht innerhalb weniger Tage eine entsprechende Finanzierung beschaffen können. Dies ist nicht zu widerlegen. Insbesondere begründet die Möglichkeit, für den laufenden Unterhalt eines überdurchschnittlich kostenintensiven Fahrzeugs aufzukommen, für sich genommen noch keine Vermutung dahingehend, dass auch für außergewöhnliche Investitionen wie eine größere Reparatur stets hinreichende Liquidität besteht. Des Weiteren hat die Klägerin das Fahrzeug nicht gekauft, sondern im Wege des Leasings finanziert, weswegen gerade nicht der volle Kaufpreis eines derartigen Fahrzeugs in einem Zuge von ihr aufgebracht werden musste. Auch traf die Klägerin keine Obliegenheit, zur Finanzierung der Reparatur zunächst ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, sodass die zeitliche Verzögerung bis zu der von dieser erteilten Reparaturfreigabe ihr nicht angelastet werden kann.  Vielmehr genügt im Rahmen der Beurteilung des Nutzungsausfallschadens der Verkehrsunfallgeschädigte im Regelfall seiner Schadensminderungspflicht, wenn er die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung rechtzeitig darauf hinweist, dass ohne Vorfinanzierung ein Reparaturauftrag nicht erteilt werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.05.2011, 1 U 220/10, Rn. 25). Einen Verstoß gegen diese Obliegenheit ist jedoch von den darlegungsbelasteten Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Einzig festzustellen ist, dass die Klägerin mit ihrem Regulierungsbegehren erst mit Schreiben vom 29.12.2014 an die Beklagte zu 2) herangetreten ist, obwohl sie nach Vorliegen des vom 19.12.2014 (einem Freitag) datierenden Schadensgutachtens, zuzüglich einer üblichen Postlaufzeit über das Wochenende hierzu, möglicherweise am 22.12.2014 hierzu in der Lage gewesen sein mag. Ob und in welchem Umfang gerade diese Verzögerung nachweislich zu einer Verlängerung der Nutzungsausfallzeit geführt haben soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Höhe nach schätzt die Kammer die Nutzungsausfallentschädigung für 21 Tage gem. § 287 Abs. 1 ZPO auf 1.698,45 EUR. Dies entspricht dem vorstehend im Rahmen der Mietwagenkosten ermittelten Durchschnittsmietpreis für 21 Tage (2.150,16 EUR), abzüglich pauschaler 5 % wegen ersparter Eigenaufwendungen und weiterer 20 % wegen des in den Mietpreisen üblicherweise enthaltenen Unternehmergewinns, jeweils auf die Nettomietkosten, also 25 % von 1.806,86 EUR.

Weiterhin zuzusprechen ein Betrag von 10,00 EUR, nämlich 40 % von der Auslagenpauschale von 25,00 EUR.

Ferner ist ein Rückstufungsschaden i.H.v. 209,74 EUR (40 % von unbestrittenen 524,35 EUR) zu ersetzen.

Hinsichtlich des vorgenannten Schadens ist die Klägerin als Leasingnehmerin ohne Weiteres aktivlegitimiert. Denn aufgrund ihres aus dem Leasingvertrag folgenden Rechts zum Besitz ist sie jedenfalls Trägerin des sogenannten Nutzungsschadens, d.h. insoweit beeinträchtigt, als es um das Interesse an der Sachnutzung geht (vgl. OLG Karlsruhe, 23.11.2013, 1 U 27/13, Rn. 21 m.w.N.; LG München I, Schlussurteil vom 02.11.2012, 17 O 769/11, BeckRS 2013, 00158; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.06.2016, 1 U 158/15, juris Rn. 46). Dieses Interesse umfasst auch die Kosten einer Reparatur, da diese nicht nur die Beseitigung des grds. vom Eigentümer zu tragenden Substanzschadens zum Gegenstand haben, sondern auch die Wiederherstellung der Nutzbarkeit, jedenfalls dann, wenn – wie hier – das Fahrzeug unfallbedingt nicht fahrfähig ist. Ferner gehören dazu die Mietwagenkosten sowie die Auslagenpauschale für die von der Klägerin auf eigene Kosten angestrengte Schadensregulierung. Hinsichtlich des Rückstufungsschadens ist bereits deswegen die Klägerin und nicht die Leasinggeberin aktivlegitimiert, da dieser Schaden die eigens von der Klägerin abgeschlossene Vollkaskoversicherung betrifft.

Nicht ersatzfähig ist indes ein merkantiler Minderwert. Insofern kann eine Aktivlegitimation der Klägerin nicht festgestellt werden. Wertbeeinträchtigungen im Hinblick auf eine potentielle Veräußerung betreffen grundsätzlich das Eigentum, das hier bei der Leasinggeberin liegt, sie mindern jedoch nicht die im Interesse des Besitzers liegende Möglichkeit der tatsächlichen Sachnutzung. Es handelt sich um einen sog. Substanzschaden. Dieser kann durch den berechtigten Besitzer, hier dem Leasingnehmer, im eigenen Namen geltend gemacht werden, sofern er dem Eigentümer gegenüber für die eingetretene Beschädigung einzustehen hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.06.2016, 1 U 158/15, juris Rn. 46 m.w.N.). In diesem Fall hat er einen eigenen sog. Haftungsschaden. Derartige Vertragsgestaltungen, etwa eine Verpflichtung gegenüber der Leasinggeberin zum Ausgleich des merkantilen Minderwerts bei Vertragsende (vgl. hierzu Hohloch, NZV 1992, 1, 7), hat die Klägerin nicht dargelegt. Trotz mehrfacher Hinweise auf  Bedenken gegen ihre Aktivlegitimation hat sie lediglich auszugsweise auf ihren Leasingvertrag verwiesen, nach dessen Ziff. XI. 3. sie berechtigt ist, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadensfall im eigenen Namen und auf eigene Kosten zugunsten des Leasinggebers geltend zu machen. Nach interessengerechter Auslegung (§§ 133, 157 BGB) kann dem allenfalls eine Ermächtigung hinsichtlich einer Prozessstandschaft entnommen werden. Insbesondere deutet bereits der Wortlaut „zugunsten des Leasinggebers“ darauf hin, dass die betreffenden Leistung an zur Zahlung an die Leasinggeberin geltend zu machen sind. Ohne abweichende Anhaltspunkte liegt es daher nahe, dass die Parteien des Leasingsvertrags kein Interesse an einer (umständlicheren) Einziehung von Forderungen durch die Leasingnehmerin mit anschließender Weiterleitung an die Leasinggeberin hätten. Wenn die Klägerin zudem zur Geltendmachung der Wertminderung gegenüber Dritten sogar verpflichtet ist, lässt auch dies nicht zwingend darauf schließen, dass sie ihrerseits der Leasingnehmerin für diese einzustehen hätte.

Ein Zinsanspruch auf die mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Hauptforderung steht der Klägerin i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jedenfalls seit dem 19.01.2015 zu (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

Der mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin aus § 249 Abs. 1 BGB i.H.v. 255,85 EUR zu. Hierbei war ein Gegenstandswert von 1.987,64 EUR zugrunde zu legen, welcher der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 05.12.2017, VI ZR 24/17, Rn. 7 f.). Ein Zinsanspruch hierauf besteht nicht.  Ein Freistellungsanspruch stellt nämlich keine Geldschuld i.S.d. § 288 Abs. 1 BGB dar, da er gegenüber dem Gläubiger keine Zahlungs-, sondern eine Handlungspflicht begründet (Erman/Hager, BGB, 15. Aufl. 2017, Rn. 6; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, Neubearb. 2014, § 288 Rn. 8 jeweils m.w.N.).

Der Klageantrag zu 3. war nach dem hiermit ersichtlich von der Klägerin verfolgten Interesse als Antrag auf Feststellung dahingehend auszulegen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin 80 % ihres Rückstufungsschadens aus der Vollkaskoversicherung ab dem Jahr 2018 zu ersetzen. Die Höhe des Anteils ergab sich dabei ersichtlich aus der in der Begründung zugrunde gelegten Haftungsquote von 80 %.

Dieser Feststellungsantrag ist zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus dem Umstand, dass im Hinblick auf den Rückstufungsschaden des laufenden Jahres sowie der Zukunft die Schadensentwicklung noch fortdauert.

Der Antrag ist nach den Ausführungen zum Klageantrag zu 1. in Höhe eines Anteils von 40 % begründet.

Wegen der vorstehenden Ansprüche haftet die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer der Klägerin neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldnerin, § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 u. 4 VVG.

Das Vorbringen der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.06.2018 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 u.4 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 17.08.2017 auf 21.109,00 EUR festgesetzt, für die Zeit danach auf 8.340,48 EUR (Klageantrag zu 1.: 7.840,48 EUR, Klageantrag zu 3.: 500,00 EUR).

 

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