Schadensersatz nach Verkehrsunfall: Reinigungskosten zulässig
In einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall wurde entschieden, dass der Kläger von der Beklagten einen Schadensersatz in Höhe von 62,47 € für die Reinigung seines Fahrzeugs erhalten kann.
Haftung und Streitpunkt
Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Streit betrifft die Reinigungskosten in Höhe von 62,47 €, die der Kläger für die Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs zahlen musste. Die Beklagte wendet ein, dass die Reinigungskosten unüblich und bereits in den Vorbereitungsarbeiten des Lackierbetriebs enthalten seien.
Rechtliche Grundlagen
Nach den §§ 249ff. BGB kann der Geschädigte vollständige Wiederherstellung des Zustands verlangen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dabei sind die Kosten, die einem verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen angemessen erscheinen, erstattungsfähig. Der Geschädigte muss zudem den Schaden nach Möglichkeit mindern (§ 254 Abs. 2 BGB).
Gerichtliche Entscheidung
Das Gericht befand, dass die Reinigungskosten erforderlich waren und adäquat kausal durch das Unfallereignis verursacht wurden. Da nicht alle Werkstätten solche Reinigungen kostenlos durchführen, war es für den Kläger nicht erkennbar, dass die bezahlte Vergütung unüblich ist. Das Gericht hielt den aufgewendeten Betrag von 52,50 € netto für angemessen.
Zinsentscheidung und Kostenentscheidung
Die Zinsentscheidung beruht auf § 288 BGB, da der Beklagte sich seit dem 10.10.2015 in Verzug befindet. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, da der Beklagte unterlegen ist.
Urteil im Volltext
AG Rastatt – Az.: 16 C 279/15 – Urteil vom 01.03.2016
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 62,47 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszins seit dem 10.10.2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis zum 07.01.2016 auf 63,48 €, ab dann auf 62,47 € festgesetzt.
Tatbestand
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.
1.
Dem Kläger steht ein Schadensersatz gegen die Beklagte in Höhe von 62,47 € gem. §§ 7, 17 StVG, 823 BGB zu. Der Kläger hat nach dem Unfallereignis in Gaggenau-Hörden am 01.07.2015 gegen 19:00 Uhr sein Fahrzeug reparieren lassen. Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Streit stehen Reinigungskosten des klägerischen PKW in Höhe von 62,47 € brutto, welche der Kläger anlässlich der Reparatur seines verunfallten PKW zu zahlen hatte.
Die Beklagte wendet ein, die Reinigungskosten seien in der Höhe unüblich, nicht angefallen, gehörten – falls sie angefallen seien – zu den Gemeinkosten, seien jedenfalls in der Vorbereitungszeit des Lackierbetriebs bereits enthalten.
Der Umfang der Schadensersatzpflicht wird gem. §§ 249ff. BGB bestimmt. Im Grundsatz gilt, dass der Geschädigte vollständige Wiederherstellung des Zustands verlangen kann, der bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (sog. Totalreparation). Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2014, 1947). Weiter obliegt es dem Geschädigten, den Schaden nach Möglichkeit zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB). Zu fragen ist also, was würde der Geschädigte zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen aufwenden.
Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH NJW 2014, 1947). Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Reparaturmöglichkeit ausfindig zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, Rn. 17).
Ein Geschädigter genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung der von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Kfz-Werkstatt. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH NJW 2014, 1947).
Soweit der Beklagte zunächst bestreitet, dass Reinigungskosten überhaupt erforderlich gewesen seien, kann das Gericht dem Vortrag nicht folgen. Es liegt auf der Hand, dass nach Instandsetzungs- sowie Lackierarbeiten am Fahrzeug, das Fahrzeug sowohl innen wie auch außen vor Rückgabe an den Kunden endgereinigt werden muss. Die Reinigung ist auch adäquat kausal durch das Unfallereignis verursacht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Beklagten in Bezug genommen Ausführungen der Firma C. Erstens werden keine Ausführungen zu Reinigungsarbeiten im Inneren des Fahrzeuges gemacht. Zweitens ergibt sich aus der Stellungnahme der Firma C. selbst, dass nur eine Vielzahl von Werkstätten eine Reinigung des Kundenfahrzeuges kostenlos als Serviceleistung vornehmen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht alle Werkstätten eine solche Reinigung kostenlos vornehmen.
Eine Preisvereinbarung zwischen dem Kläger und der Werkstatt ist nicht getroffen worden. Auswirkungen auf die Ersatzfähigkeit der Reinigungskosten ergeben sich jedoch nicht. Der Beklagte kann dem Kläger nicht § 632 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Diese Norm greift im Verhältnis zwischen Kläger und Werkstatt. Auswirkungen auf den Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten ergäben sich nur, wenn für den Kläger zu erkennen gewesen wäre, dass die bezahlte Vergütung unüblich ist. Für den Kläger, der sich privat eines Sachverständigen bedient hat, welcher zum Ergebnis gekommen ist, dass 52,50 € netto an Reinigungskosten für die Wiederherstellung des klägerischen PKW erforderlich sind, ist es somit nicht zu erkennen gewesen, dass hier ein Posten in unüblicher Höhe abgerechnet wird. Vor dem Hintergrund, dass die von der Beklagten-Seite bemühte Firma C., eine unterschiedliche Praxis am Markt selbst dokumentiert, kann jedenfalls dem Laien hier kein Vorwurf gemacht werden. Im Gegenteil kann sogar so argumentiert werden, dass der Kläger sich gerade über die Beauftragung eines Sachverständigen über den erforderlichen Reparaturaufwand informiert hat. Auf die Feststellungen seines Sachverständigen hat der Kläger vertrauen dürfen.
Selbst wenn man dies anders sähe und annähme, es sei nur die übliche Vergütung im Rahmen des § 632 Abs. 2 ZPO geschuldet, hält das Gericht im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO, den für die Reinigung aufgewendeten Betrag von 52,50 € netto für angemessen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Endreinigung sowohl eine Außenreinigung als auch eine Innenreinigung umfasst. Soweit man für die Außenreinigung den Preis einer Waschstraße mit ca. 10,00 € bis 15,00 € ansetzt, dem Vortrag der Beklagten also folgt, sind zusätzlich Arbeitsstunden und Materialaufwand für die Innenreinigung anzusetzen. Das Gericht hält hier eine halbe Stunde Arbeitsaufwand mit einem Stundenlohn von etwa 80,00 € bis 100,00 € für realistisch.
Die Zinsentscheidung beruht auf § 288 BGB. Der Beklagte befindet sich seit 10.10.2015 in Verzug. Der Kläger hat mit Schreiben vom 29.09.2015 eine Zahlungsfrist bis 09.10.2015 gesetzt.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Beklagte ist unterlegen.
3.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. §§ 3ff. ZPO, 45ff. GKG festgesetzt.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind in diesem Urteil relevant:
- Verkehrsrecht / Straßenverkehrsgesetz (StVG): Das Straßenverkehrsgesetz ist in diesem Fall relevant, da es um einen Verkehrsunfall und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche geht. §§ 7 und 17 StVG regeln die Haftung bei Schäden, die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen entstehen.
- Schadensersatzrecht / Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Das Schadensersatzrecht ist ebenfalls betroffen, da die Parteien über Schadensersatzansprüche nach dem Verkehrsunfall streiten. Die §§ 823 und 249ff. BGB legen die Grundlagen für Schadensersatzansprüche und die Bestimmung des Umfangs der Schadensersatzpflicht fest. Darüber hinaus regelt § 254 Abs. 2 BGB die Schadensminderungspflicht des Geschädigten.
- Zivilprozessrecht / Zivilprozessordnung (ZPO): Das Zivilprozessrecht ist in diesem Fall relevant, da es sich um ein zivilrechtliches Verfahren handelt, in dem die Parteien über Schadensersatzansprüche streiten. Die §§ 91, 287, 708 Nr. 11 und 713 ZPO sind für die Kostenentscheidung, die Schätzung der Schadenshöhe, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Streitwertfestsetzung maßgeblich.