LG Berlin – Az.: 41 S 72/17 – Urteil vom 08.05.2018
Das Urteil des Amtsgerichts Mitte vom 28.03.2017 – Aktenzeichen: 3 C 3107/16 – wird abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 84 ff. d. A.) wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Im Übrigen ist zweitinstanzlich Folgendes zu ergänzen:
Das Amtsgericht Mitte hat die Beklagte den Anträgen der Klägerin entsprechend zur Zahlung von 1.211,64 EUR, sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 90,90 EUR jeweils nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin auch bei qualitativ guter Reparatur in Eigenregie weiterhin einen Anspruch auf den Ersatz der vom Privatsachverständigen festgestellten Nettoreparaturkosten habe. Die Klägerin müsse sich dabei nicht auf die von der Beklagten benannten Referenzwerkstatt verweisen lassen. Dessen Qualitätsstandard, habe die Beklagte nicht hinreichend nachgewiesen. Schließlich seien der Klägerin auch die Kosten der Reparaturbestätigung zu ersetzen, da diese bei einem weiteren Unfall den Nachweis führen müsse, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß repariert worden sei.
Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 05.04.2017 zugestellte Urteil, hat die Beklagte am 18.04.2017 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Fragen der fiktiven Schadensberechnung, des Nachweises einer kostengünstigeren Reparaturwerkstatt und der Ersatzfähigkeit der Kosten einer Reparaturbestätigung verkannt. Insbesondere sei zu den Qualitätsstandards der benannten Referenzwerkstatt Beweis zu erheben gewesen.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 28.03.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Mitte, Az. 3 C 3107/16, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen O. Sxxx. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 17.04.2018 (Bl. 135 ff. d. A.) verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 511 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 1.211,64 EUR (1.), noch auf den Ersatz der Kosten der Reparaturbestätigung in Höhe von 74,38 EUR (2.).
1.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist die Klage nicht bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihr Fahrzeug gemäß der von ihr zur Akte gereichten Reparaturbestätigung (Bl. 4 d. A.) in guter Qualität hat Instand setzen lassen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Aktenzeichen VI ZR 24/13. Dort lag der Fall so, dass der Kläger das von ihm zur Ermittlung der fiktiven Reparaturkosten eingeholte Privatsachverständigengutachten dadurch selbst in Frage gestellt hat, dass er die Möglichkeit einer vollständigen und fachgerechten, aber preiswerteren Reparatur wahrgenommen und selbst dargelegt hatte, indem er die entsprechende Rechnung zu den Akten reichte. Eine vollständige und fachgerechte Reparatur wurde vorliegend hingegen nicht von der Klägerin vorgetragen und auch nicht vom Privatsachverständigen bestätigt. Eine Darlegungspflicht der Klägerin, die ihr tatsächlich entstanden Reparaturkosten offenzulegen, besteht insoweit nicht (vgl. dazu KG, Az.: 22 U 73/17, unter ausdrücklicher Aufhebung der früheren Rechtsprechung).
b) Jedoch muss sich die Klägerin ihm Rahmen ihrer fiktiven Schadensberechnung die von der Beklagten benannte günstigere Reparaturmöglichkeit entgegenhalten lassen.
Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH, Urteil vom 15.7.2014 – VI ZR 313/13, m. w. N.). Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss. Andernfalls würde die ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet (BGH, Urteil vom 20. 10. 2009 – VI ZR 53/09, m. w. N.).
aa) Dieser Nachweis ist der Beklagten zur Überzeugung des Gerichts gelungen. Sie hat bereits erstinstanzlich ausführlich zu den Qualitätsstandards der von ihre benannten günstigeren Reparaturmöglichkeit vorgetragen. Hierüber hat das Amtsgericht zu Unrecht keinen Beweis erhoben.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die von ihr benannte Referenzwerkstatt, die Karosseriewerkstatt O. Sxxx, nur 2,6 km vom Wohnsitz der Klägerin entfernt lege und darüber hinaus über einen Hol- und Bringservice verfüge. Es handele sich um einen meistergeführten Betrieb in dem modernste Arbeitsmittel und –methoden angewendet würden. Die Reparaturarbeiten würden nach den Herstellervorgaben von Opel mit Originalteilen durchgeführt. Der Zeuge Sxxx als Firmeninhaber sei Mitglied des Meisterprüfungsausschusses und die Karosseriewerkstatt von der Dekra zertifiziert. Die von der Beklagten zur Berechnung der Reparaturkosten angesetzten Stundenverrechnungssätze (85,00 EUR netto bzw. 126,20 EUR für Lackierungskosten inklusive Materialkosten) seien auch jedermann zugänglich.
Dieser Vortrag wurde vom Zeugen Sxxx in seiner Vernehmung (Bl. 135 ff. d. A.) vollumfänglich bestätigt. Er führte darüber hinaus gehend aus, dass sein Betrieb auch Mitglied im Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik sei und dass seine Mitarbeit mehrmals im Jahr – je nach Angebot – an Fortbildungen teilnehmen würden. Gründe an der Glaubwürdigkeit des Zeugen oder an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu Zweifel ergeben sich für das Gericht nicht. So gab er auf Nachfrage freimütig an, dass er für die Dekra-Zertifizierung im Jahr 3.000,00 EUR zahle und dass zwischen ihm und der Beklagten ihn Kaskofällen die Vereinbarung bestehe, dass diese ihren Kunden seine Werkstatt empfehle. Eine Tendenz des Zeugen, seinen Betrieb übermäßig anzupreisen oder eine Gefälligkeitsaussage für die Beklagte zu leisten, war für das Gericht daher nicht erkennbar.
bb) Umstände die ihr eine Reparatur in der Karosseriewerkstatt O. Sxxx unzumutbar machen würden, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Solche liegen etwa bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren vor. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (BGH, Urteil vom 20. 10. 2009 – VI ZR 53/09).
Für einen derartigen Ausnahmefall gibt es aber vorliegende keine Anhaltspunkte.
2.
Auch auf den Ersatz der Kosten der Reparaturbestätigung hat die Klägerin keinen Anspruch.
Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten einer Reparaturbestätigung für sich genommen nicht ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig (BGH, Urteil vom 24.1.2017 – VI ZR 146/16).
Nach diesen Grundsätzen hat die fiktiv abrechnende Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der im Rahmen der konkret durchgeführten Reparatur angefallenen Kosten für die Reparaturbestätigung. Bei diesen handelt es sich nicht um Kosten, die nach der gewählten fiktiven Berechnungsweise zur Wiederherstellung des Unfallfahrzeugs erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB waren. Es handelt sich vielmehr um eine Position, die ursächlich auf der freien Entscheidung der Klägerin beruht, ihr Fahrzeug nicht in einem Fachbetrieb, sondern in Eigenregie reparieren zu lassen. Auf die Motivation der Klägerin, im Hinblick auf eine mögliche spätere Veräußerung des Fahrzeugs oder einen eventuellen weiteren Unfallschaden an derselben Fahrzeugstelle den Nachweis einer ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur vorzuhalten, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
3.
Mangels Hauptanspruch hat die Klägerin gegen die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch auf den Ersatz weitere vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 90,90 EUR.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).