Amtsgericht Winsen (Luhe) – Az.: 24 C 126/21 – Urteil vom 26. Oktober 2021
In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Winsen (Luhe) im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzfrist bis zum 21.10.2021 für Recht erkannt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 2.890,06 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
Am 04.07.2020 befuhr die Beklagte zu 2.) mit einem bei der Beklagten zu 1.) haftpflichtversicherten Pkwin und begann, in die kreuzende Straße „An der Bahn“ nach links einzubiegen, als es zu einer Kollision mit dem von rechts kommenden, vom Kläger geführten und in dessen Eigentum stehenden Pkw kam und beide Fahrzeuge beschädigt wurden.
Der Kläger ließ den Schaden an seinem Fahrzeug durch das KFZ-Sachverständigenbüro welches dem Kläger hierfür € 1.657,06 berechnete, begutachten. Das Gutachten weist unter anderem Reparaturkosten in Höhe von € 17.459,70 netto aus. Wegen des näheren Inhaltes des Sachverständigengutachtens vom 10.07.2020 wird auf die Anlage K1 (Blatt 6ff. d.A.) Bezug genommen.
Ein weiteres, von der Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten der DEKRA vom 05.08.2020 weist Reparaturkosten in Höhe von lediglich € 9.311,27 aus. Wegen des näheren Inhaltes des Gutachtens der DEKRA wird auf die Anlage B1 (BI. 31 ff. d.A.) Bezug genommen.
In der Zeit vom 31.08.2020 bis 18.09.2020 wurde das Fahrzeug des Klägers für € 13.767,25 brutto repariert.
Die Beklagte zu 1.) zahlte an den Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von € 952,00 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.003,40.
Mit Schreiben vom 19.10.2020 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zu 1.) unter Fristsetzung zur Zahlung auf. Mit Schreiben vom 27.10.2020 lehnte die Beklagte dies ab.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger nun von den Beklagten die Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von € 1.657,06, unter Zugrundelegung einer Reparaturdauer von 19 Tagen und einer täglichen Nutzungsausfallentschädigung von € 115,00 weitere € 1.233,00 sowie Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 91,11.
Der Kläger behauptet, er habe das beschädigte Fahrzeug nach dem Unfall bis zum Beginn der Reparatur weiter genutzt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an ihn € 2.890,06 nebst Zin¬sen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2020 zu zahlen; die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 97,11 freizuhalten.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Kläger sei ganz links auf der zweispurigen Straße gefahren, habe mithin das Rechtsfahrgebot verletzt. Die Beklagten behaupten ferner, das zunächst vom Kläger eingeholte Gutachten vom 10.07.2020 sei aufgrund gravierender Mängel unbrauchbar. Die Beklagten meinen, die Kosten eines unbrauchbaren Gutachtens seien nicht zu erstatten.
Die Beklagten meinen, die erstattungsfähigen Gutachterkosten seien im Übrigen auf der
Grundlage der tatsächlichen Schadenshöhe, vorliegend in Höhe von € 13.767,26 zuzüglich einer Wertminderung in Höhe von € 1.100,00 zu bestimmen. Ferner meinen die Beklagten, die verlangten Gutachterkosten seien auch deshalb nicht zu erstatten, weil es an einer wirksamen entsprechenden Honorarvereinbarung fehle, Fahrtkosten nur in Höhe von € 0,30 und eine zweite Ausfertigung des Gutachtens sowie pauschale Nebenkosten des Gutachtens überhaupt nicht zu erstatten seien. Des Weiteren behaupten die Beklagten, der Kläger habe in den zwei Monaten bis zum Beginn der Reparatur keinen Willen zur Nutzung seines Fahrzeugs gehabt, daran habe sich auch während der Reparatur nichts geändert.
Das Gericht hat die Beklagte zu 2.) zum Unfallhergang angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin…. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2021 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auch auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.
I. 1. Der Kläger kann von den Beklagten Zahlung von € 2.890,06 aus §§ 7, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 S.1 Nr. 1 WG verlangen.
a) Gemäß §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1,17 Abs. 1 und 2 StVG hängt die Ersatzpflicht des Fahrzeug-halters und Fahrzeugführers gegenüber dem anderen unfallbeteiligten Fahrzeughalter und Fahrzeugführer davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht wurde. Hierzu müssen in einem ersten Schritt zunächst die jeweiligen Verursachungsbeiträge festgestellt werden. Als Verursachungsbeitrag ist für den Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeugs wechselseitig zumindest die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, wobei diese durch die Eigenart des jeweiligen Fahrzeugs (Fahrzeugart, Größe, Gewicht etc.) erhöht oder ermäßigt sein kann (BeckOGK/Walter, StVG § 17 Rn. 31). Anschließend müssen die festgestellten – also unstreitigen, zugestandenen oder bewiesenen (BGH, Urteil vom 26. April 2005 – VI ZR 228/03 = NJW 2005, 1940) – Verursachungsbeiträge unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gegeneinander abgewogen werden.
aa) Die Beklagte zu 2.) hat die Vorfahrt des Klägers missachtet und hierdurch den Verkehrsunfall herbeigeführt. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO hat an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt, wer von rechts kommt.
bb) Dem Kläger ist ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO nicht vorzu-werfen.
Es ist bereits fraglich, ob der Kläger sich vorliegend an das Rechtsfahrgebot zu halten hatte. So dient das Rechtsfahrgebot nur dem Schutz des erlaubten Gegen- und Überholverkehrs in Längsrichtung, nicht hingegen dem des einbiegenden und kreuzenden Querverkehrs (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – VI ZR 282/10 = NJW-RR 2012, 157; OLG Hamm, Urteil vom 16. August 2019 – 7 U 3/19 = SVR 2020, 269; KG, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 12 U 212/08 = NZV 2010, 255; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Februar 2001 – 10 U 119/00; OLG Nürnberg, Endurteil vom 26. November 1997 – 9 U 2572/97). Erst im weiteren Verlauf eines Einbiegevorgangs ist auch derjenige geschützt, der von links kommend in eine Straße nach rechts einbiegt, da er dann Teilnehmer des Gegenverkehrs wird und an dessen Schutz durch das Rechtsfahrgebot teilnimmt (BGH, VersR 1967, 157). Vorliegend kam es jedoch gar nicht dazu, dass der Kläger eingebogen und sich in die neue Strecke vollständig eingeordnet hat, da sich zuvor bereits die Kollision ereignet hat.
Unabhängig davon hat die Beklagte zu 2.) jedoch auch inhaltlich nicht gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Der den Beklagten insoweit obliegende Beweis ist den Beklagten nicht gelungen. Die Beklagte zu 2.) hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, da sie habe rechts abbiegen wollen, habe sie nicht damit gerechnet, dass dort jemand stehe, deshalb habe ich ihn auch nicht gesehen. Erst auf Nachfrage des Gerichts, ob es die Beklagte richtig verstanden habe, wenn sie sagen wolle, der Kläger sei nicht auf seiner rechten Fahrbahnseite gefahren, sondern zu weit links, erklärte die Beklagte, genau das sagen zu wollen. Diese Angaben sind nicht geeignet, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Kläger gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe.
cc) Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Beklagte zu 2.) gegen das Vorfahrtsrecht des Klägers gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen hat, wohingegen dem Kläger selbst kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen ist, er sich mithin im Rahmen des nach der Straßenverkehrsordnung erlaubten Tuns bewegt hat. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt gegenüber dem groben Verschulden der Beklagten zu 2.) gänzlich zurück.
b) Der dem Kläger noch zu erstattende Schaden beläuft sich auf € 2.890,06.
aa) Die die Kosten eines KFZ-Sachverständigengutachtens in Höhe von € 1.657,06 sind zu ersetzen. Diese gehören zu den Kosten der Wiederherstellung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und sind vom Schädiger in voller Höhe zu erstatten, wenn und soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Es handelt sich um Folgekosten des Unfalles. Voraussetzung für ihre Erstattungsfähigkeit ist allein, dass sie adäquat kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind. Sachverständigenkosten sind auch dann als erforderliche Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig, wenn sie für ein objektiv unbrauchbares Gutachten berechnet wurden (Palandt-Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 58).
Soweit die Beklagten sich gegen die Höhe der Sachverständigenkosten wenden, können sie damit nach Auffassung des Gerichts nicht gehört werden. Denn das Risiko, dass der Sachverständige vom Schädiger eine zu hohe Vergütung verlangt, geht zu Lasten des Schädigers, da der Sachverständige kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist. Mehrkosten, die ohne ei¬gene Schuld des Geschädigten dadurch anfallen, dass der von ihm beauftragte Sachverständige eine zu hohe Vergütung ansetzt, trägt damit grundsätzlich der Schädiger. Es sei denn, dem Geschädigten trifft ein Auswahlverschulden.
bb) Der Kläger kann von den Beklagten auch weitere Nutzungsentschädigung in Höhe von € 1.233,00 verlangen.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger einen Nutzungswillen hatte. So hat die Zeugin auf die Nachfrage des Gerichts, ob das Auto bis zur Reparatur weiter genutzt
wurde, nickt und erklärt, mit ja geantwortet und ausgeführt, sie müssten ja dort rumfahren und ein anderes Auto habe nicht zur Verfügung gestanden. Diese Aussage hält das Gericht für glaubhaft.
II. Der Ausspruch zu den Zinsen folgt aus § 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.
III. Zur Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 97,11 waren die Beklagten nicht zu verurteilen. Der Kläger hat nicht dargelegt, woraus sich der von seinem Prozessbevollmächtigten zugrundegelegte Gegenstandswert in Höhe von € 18.734,32 ergibt. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es insoweit nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, diejenige über die vorläufige Voll-streckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO.