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Verkehrsunfall – Mietwagenkosten – Unwägbarkeiten des Einzelfalls durch Erhebung eines Zuschlags

LG Ansbach, Az.: 1 S 1324/09, Urteil vom 11.11.2010

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 30.10.2009, Az. 2 C 729/09, wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 647,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2008 und 120,67 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt 33 % der Kosten des Rechtsstreits, die übrigen Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention trägt der Kläger. Von den Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte 33 %, die übrigen Kosten der Nebenintervention trägt der Nebenintervenient selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz in Form von Mietwagenkosten infolge eines Verkehrsunfalls am 15.10.2008.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 30.10.2009, Az. 2 C 729/09, gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Erstgericht hat dem Kläger die geltend gemachten Mietwagenkosten in nahezu voller Höhe unter Bezugnahme auf die sog. Schwackeliste zugesprochen. Hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten Versicherung. Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass die Schwackeliste als Schätzgrundlage für die Ermittlung des erstattungsfähigen Normaltarifs nicht in Betracht komme. Außerdem sei zwischen dem Kläger und der streitverkündeten Mietwagenfirma kein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen. Dies ergebe sich schon daraus, dass nur der Sohn des Klägers den Mietvertrag unterzeichnet hat. Im Übrigen bestreitet sie die Erforderlichkeit der gesondert abgerechneten Nebenleistungen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zudem führt er aus, dass ihm bzw. seinem Sohn, der das Fahrzeug am Unfalltag benutzt hat, infolge eines besonderen Zeitdrucks kein anderer Tarif zur Verfügung gestanden hätte. Der Sohn habe den Mietwagen benötigt, um mit diesem auf die Arbeit zu gelangen.

Die Beklagte beantragt als Berufungsklägerin: Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Ansbach vom 03.11.2009, Az. 2 C 729/09, wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2010 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und zum Teil begründet.

1)

Der Kläger hat gem. §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG Anspruch auf Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von 1540,15 €.

Hierauf hat die Beklagte bereits eine Betrag in Höhe von 893,00 € gezahlt, so dass ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 647,15 € gegeben ist.

a)

Zu Recht ist das Erstgericht zunächst von einem wirksamen Mietvertrag zwischen dem Kläger und der streitverkündeten Mietwagenfirma ausgegangen. Soweit die Beklagte weiterhin geltend macht, eine Genehmigung des Mietvertrages durch den Kläger liege nicht vor, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung auch konkludent erfolgen kann. Voraussetzung ist lediglich, dass das Verhalten des Zustimmungsberechtigten einem der möglichen Erklärungsempfänger als Zustimmung erkennbar ist (vgl. Palandt-Ellenberger, § 812 BGB Rz. 3). Dies ist vorliegend der Fall. Die Erhebung der Zahlungsklage durch den Kläger erfolgte zwar in der Tat gegenüber der Versicherung und damit gegenüber einer an dem Mietvertrag völlig unbeteiligten Person. Mit Schriftsatz vom 16.04.2009 hat der Kläger jedoch in vorliegendem Verfahren der Mietwagenfirma vor dem Hintergrund einer möglichen vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung den Streit verkündet. Diese Erklärung wollte und mußte die Streitverkündete dergestalt auffassen, als dass der Kläger den von seinem Sohn unterzeichneten Mietvertrag als gültig behandelt und gegen sich gelten läßt.

b)

Die Höhe des vorgenannten Erstattungsbetrags hat die Kammer wie folgt ermittelt:

Der Geschädigte kann nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 160, 377, 383f; zuletzt Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545).

aa) Normaltarif

Dies sind zunächst jene Kosten, die für eine kurzfristige Anmietung eines dem Unfallfahrzeug vergleichbaren Fahrzeugs ohne Rücksicht auf die Besonderheiten einer Unfallsituation erforderlich sind (sog. Normaltarif, vgl. BGH, NJW 2005, 1933).

Im Rahmen der Ermittlung des vorliegend zu Grunde zu legenden Normaltarifs ist die Kammer nicht an die vom Erstgericht herangezogenen Grundlagen gebunden. Sie ist vielmehr berechtigt und verpflichtet, das dem erstinstanzlichen Gericht im Rahmen des § 287 ZPO gesetzlich eingeräumte Ermessen selbst auszuüben. Die Kammer ist daher bei der Festlegung der Höhe eines Schadens gehalten, auf der Grundlage der – gegebenenfalls durch das Erstgericht bindend – festgestellten Tatsachen eine eigene Bemessung vorzunehmen (vgl. BGH NJW 2006, 1589, 1592, für den Fall der Bemessung der Höhe eines Schmerzensgeldanspruches).

Abweichend von ihrer bisherigen Sichtweise zieht die Kammer nunmehr zur Ermittlung des sog. Normaltarifs statt der Schwackeliste (herausgegeben von der EurotaxSchwacke GmbH) den Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 (sog. Fraunhofer-Liste, herausgegeben von dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation) heran.

Der BGH hat wiederholt ausgeführt (zuletzt BGH-Urteil vom 18.05.2010, MDR 2010, 860), dass § 287 Abs. 1 ZPO die Art der Schätzgrundlage nicht vorgibt. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden können. Zwar hat der BGH in der Vergangenheit lediglich ausdrücklich entschieden, dass die Ermittlung des „Normaltarifs“ auf der Grundlage des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft ist. In diesem Zusammenhang erfolgte jedoch der ausdrückliche Hinweis, dass dies nicht bedeutet, eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der sog. Fraunhofer-Liste, oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen wäre grundsätzlich rechtsfehlerhaft.

Die Kammer ist auf Grund von in weiteren Verfahren in einer Vielzahl von Fällen vorgelegten verbindlichen Angeboten, denen jeweils einer Unfallsituation vergleichbare kurzfristige Buchungsanfragen in unmittelbarer Nähe zum tatsächlichen Anmietort zu Grunde lagen, zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die tatsächlich verfügbaren Tarife auch für kurzfristige Anmietungen im Bereich der Fraunhofer-Liste bewegten und weit unter den Angaben der Schwacke-Liste lagen. Letztere stellt deshalb nach der Auffassung der Kammer keine realistische an Angebot und Nachfrage orientierte Einschätzung des gewöhnlichen Mietwagenmarkts (mehr) dar. Teilweise erfolgt bei einigen Mietwagenverleihfirmen die Rechnungstellung schlicht gemäß „Abrechnung nach aktuellem Schwacke-Mietpreisspiegel“. Dies lässt offen, ob überhaupt noch eine eigene betriebswirtschaftliche Kalkulation des Tarifs vorgenommen wird, oder statt dessen abgerechnet wird, was nach Schwacke „gerade noch möglich ist“. Dass die Abfrage der Mietwagenpreise für die Schwackeliste nicht anonym erfolgt, mindert deren Qualität nach Auffassung der Kammer beträchtlich. So ergab eine Überprüfung der jährlich an die Schwackeliste gemeldeten Tarife, dass der Vorwurf zutrifft, nach Bekanntwerden der Entscheidung des BGH vom 05.05.2006 (NJW 2006, 2106f), in der die Ermittlung des Normaltarifs unter Zugrundelegung der Schwackeliste gebilligt wurde, seien die an Schwacke gemeldeten Tarife sprunghaft angestiegen. Allein in der Mietwagengruppe 6 stieg der Wochentarif im Minimum von 462 € auf 634 €. Nachdem sich im hiesigen Landgerichtsbezirk die Rechtsprechung dahingehend gefestigt hatte, dass das arithmetische Mittel bei der Schätzung herangezogen wurde, stieg auch der Wochentarif im Maximum von 725 € auf 824 €.

Auf Grund des anonymen Erhebungsverfahrens ist die Fraunhofer-Liste einer solchen Einflussnahme nicht ausgesetzt. Der von der Klägerpartei vorgebrachte Einwand, die Fraunhofer-Liste sei gleichwohl „parteiisch“, vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Zwar trifft es zu, dass der Preisspiegel des Fraunhofer-Instituts im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) erstellt worden ist. Auf diesen Umstand wird im zweiten Absatz der Einleitung zur Studie ausdrücklich hingewiesen. Indessen rechtfertigt dies allein noch nicht den pauschalen Vorwurf der Parteilichkeit, denn das Fraunhofer-Institut IAO ist ein neutrales und wissenschaftlich anerkanntes Institut der Fraunhofer-Gesellschaft e.V., das angewandte Forschung durchführt. Die der Studie zu Grunde gelegte Methodik wurde nicht vorgegeben, sondern von Fraunhofer selbst entwickelt und sodann transparent dargestellt. Die Dokumentation wurde eigenständig und unter Einsatz eigener Mittel der Fraunhofer-Gesellschaft durchgeführt. Ohne weitere konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächliche Parteilichkeit vermag die Kammer nicht die Auffassung zu gewinnen, dass die in der Studie dargestellten Ergebnisse nicht die neutrale Anwendung wissenschaftlicher Methoden widerspiegeln.

Auch die gegenüber der Fraunhofer-Liste geäußerte Kritik, bei der Befragung der Autovermieter seien mehrheitlich nur sechs große Unternehmen berücksichtigt, örtliche Vermietstationen seien in zu geringem Umfang in die Befragung miteinbezogen worden, vermag die Kammer bei genauer Betrachtung nicht zu überzeugen. Aus den Ausführungen zur Methodik der Fraunhofer-Liste geht hervor, dass durch Fraunhofer zwei getrennte Preiserhebungen durchgeführt wurden, welche auch getrennt voneinander dargestellt werden. Zum einen wurden Internetpreise ermittelt (ca. 750.000 Preise), zum anderen Telefontarife (ca. 10.000 Preise). Bei den Internettarifen wurden in der Tat nur die großen Autovermieter berücksichtigt, da nur diese eine verbindliche Buchung über das Internet ermöglichen. Bei den Telefontarifen wurden die Anbieter berücksichtigt, die unter „Autovermietung“ in „Gelbe Seiten“ oder „Das Telefonbuch“ verzeichnet waren. Für die Darstellung wurden die Daten beider Gruppen zusammengeführt. Dabei wurden alle Anmietstationen von Fraunhofer bei der Preisermittlung gleich gewichtet, was letztlich sogar eine Unterrepräsentation der großen Anbieter im Bereich der Telefontarife bedeutet, da diese laut Marktuntersuchungen Dritter einen Marktanteil von mehr als 60 % aufweisen.

Auch die Kritik hinsichtlich der von der Fraunhofer-Liste zu Grunde gelegten Vorausbuchungsfrist von 1 Woche vermag die Erhebung nicht zu „disqualifizieren“. So ist im Rahmen der Studien 2008 und 2009 extra gesondert untersucht worden, ob und wie sich ein kurzfristigerer Anmietzeitpunkt auf den Mietpreis auswirkt. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass eine sofortige Anmietung im Durchschnitt zu einer Preiserhöhung von lediglich 2,1 % führt und im Einzelfall der Preisanstieg bei bis zu 4,2 % liegen kann.

Gegen eine Schätzung auf der Grundlage der Fraunhofer-Liste spricht nach Auffassung der Kammer bei näherer Betrachtung nicht, dass Fraunhofer (insoweit anders als die Schwackeliste) nicht auf dreistellige, sondern auf zweistellige Postleitzahlengebiete abstellt. Diese Untergliederung erfolgte letztlich bewusst, um statistisch relevante Aussagen treffen zu können. Ziel von Fraunhofer war es, um eine statistische Relevanz sicherzustellen, typischerweise mindestens 30 Werte pro Datenzelle zu berücksichtigen. Bei einer Darstellung nach dreistelligen PLZ-Gebieten ist dies nicht gelungen, da teilweise nicht genug Werte pro Datenzelle vorlagen. Demgegenüber berücksichtigt die Schwackeliste in einigen PLZ-Gebieten nur wenige Nennungen, so dass man sich fragen muss, ob man von statistischer Relevanz sprechen kann. Die Studie von Fraunhofer zeigt darüber hinaus, dass letztlich nur eine geringe Abhängigkeit der Preise von der Region gegeben ist und die Ergebnisse benachbarter PLZ-Gebiete vielfach nah beieinander liegen. Im Übrigen ist auch das PLZ-Gebiet selbst willkürlich gewählt und stellt kein Abbild des Gebrauchtwagen- bzw. Mietwagenmarktes dar.

Auch der Vortrag der Streithelferin, der an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Mai 2010 bei dem Konkurrenzunternehmen xxx für die Vermietstation xxx über Internetabfrage ermittelte 1-Tages-Mietpreis für einen 3er BMW habe zwischen 124 € und 190 € geschwankt, wobei am letzten Tag überhaupt kein derartiges Fahrzeug verfügbar gewesen sei, erschüttert die Daten der Fraunhofer-Liste nicht. Zum einen garantiert auch die Streithelferin keine uneingeschränkte Verfügbarkeit von Wagen aller Klassen. So stand auch im vorliegenden Verfahren ein Mietfahrzeug gleicher Klasse für die gesamte Mietdauer nicht zur Verfügung. Bei dem angemieteten BMW X3 handelte es sich nämlich um ein Fahrzeug der höheren Kategorie, das lediglich zu einem niedrigeren Preis abgegeben wurde. Zum anderen verkennt die Streithelferin, dass sowohl die Fraunhofer-Liste als auch die Schwackeliste lediglich das Ergebnis einer punktuellen Erhebung darstellt, so dass auch Abweichungen nicht vollständig ausgeschlossen sind. Eine „Verfügbarkeitsgarantie“ ist mit keiner der Listen verbunden.

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Die gegen die Fraunhofer-Liste vorgetragenen Einwände wirken sich nach Einschätzung der Kammer zwar zum Teil auf die auf ihrer Grundlage ermittelten Normaltarife aus. Gleichwohl führen sie nach Auffassung der Kammer nicht dazu, dass die Fraunhofer-Liste keine geeignete Grundlage zur Ermittlung des Normaltarifs auf dem hier maßgeblichen regionalen Markt darstellt. Die genannten Bedenken können nach Auffassung der Kammer – anders als bei der Schwackeliste – durch einen Zuschlag ausgeglichen werden.

Dieser Zuschlag berücksichtigt die mit der statistischen Erhebung zusammenhängenden Unwägbarkeiten für den Einzelfall. Er berücksichtigt u.a. mögliche örtliche Schwankungen, einen möglichen Preisanstieg für die sofortige Verfügbarkeit des Mietwagens und einen gegebenenfalls höheren Tarif bei einer telefonischen Buchung.

Die Kammer bemisst diesen Zuschlag auf 20%.

Danach ergibt sich für den vorliegenden Unfallzeitpunkt am 15.10.2008 auf Grundlage der Fraunhofer-Liste 2008 folgende Berechnung:

Postleitzahlengebiet: 91

Dauer der 1. Anmietung: 3 Tage

Fahrzeugklasse: Gruppe 6

Dauer der 2. Anmietung: 12 Tage

Fahrzeugklasse: Gruppe 7

1. Anmietung:

1 x 217,37 € (3-Tage-Preis) = 217,37 €

zzgl. pauschal 20 % (43,47 €) = 260,84 € (inkl. USt.)

2. Anmietung:

1 x 350,22 € (7-Tage-Preis) und

1 x 235,54 € (3-Tage-Preis) und

2 x 98,45 € (1-Tages-Preis) = 782,66 €

zzgl. pauschal 20 % (156,53 €) = 939,19 € (inkl. USt.)

Gesamtsumme der beiden Anmietungen: 1200,03 €

bb) Aufschlag für unfallbedingte Sonderleistungen

Spezifische Leistungen bzw. spezifischer Aufwand des Mietwagenunternehmens bei der Vermietung an Unfallgeschädigte (Forderungsausfallrisiko wegen falscher Bewertung der Haftungsquote, Vorfinanzierung der Mietwagenkosten, Vorhaltekosten, erhöhte Personal- und Zustellungsaufwendungen) können im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO einen pauschalen prozentualen Aufschlag auf den Normaltarif rechtfertigen (vgl. BGH, NJW 2008, 1519; zuletzt BGH, MDR 2010, 622).

Der Höhe nach hält die Kammer einen Zuschlag von 10 % auf den ermittelten Normaltarif für angemessen, aber auch ausreichend.

Die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Zuschlages hält die Kammer vorliegend für gegeben. Das Mietfahrzeug ist noch am Unfalltag angemietet worden, die Übernahme erfolgte in xxx bei der Werkstatt, zu der das Unfallfahrzeug zur beabsichtigten Reparatur verbracht worden war. Die Situation einer unfallbedingten Anmietung mit Inanspruchnahme von unfallspezifischen Sonderleistungen ist damit hinsichtlich der 1. Anmietung unproblematisch gegeben. Hinsichtlich des nachfolgenden Fahrzeugwechsels ist die Situation bei weitem nicht mehr so eindeutig. Immerhin haben sowohl Geschädigter als auch das betroffene Mietwagenunternehmen 3 Arbeitstage Zeit gehabt, sich auf die Situation einzustellen, Haftungsquoten zu (über)prüfen und eine Verfügbarkeit des Mietwagens sicherzustellen. Letztlich ist die Kammer jedoch der Auffassung, dass allein auf Grund des Zeitablaufs von 3 Tagen noch keine völlige Vergleichbarkeit der gleichwohl unfallbedingten Anmietsituation mit der Anmietsituation bei einem Selbstzahler gegeben ist.

Der Zuschlag für die gesamte Mietzeit beträgt vorliegend 120,00 €.

cc) Nebenkosten

Kosten für die gewährte Vollkaskoversicherung sind nicht erstattungsfähig, da sie in den vom Fraunhofer Institut ermittelten und der Schadensberechnung zugrunde zu legenden Mietwagenpreisen bereits enthalten sind. Dort ist eine Selbstbeteiligung von 750,00 € zu Grunde gelegt. Dass das unfallgeschädigte Fahrzeug mit einer niedrigeren Selbstbeteiligung versichert war, ist nicht vorgetragen. Allein aus der Anmietung des Ersatzfahrzeugs zu den in Anspruch genommenen Konditionen ergibt sich die Erforderlichkeit der geringeren Selbstbeteiligung nicht.

Die geltend gemachten Kosten für den Zweitfahrer sind vorliegend erstattungsfähig. Unstreitig wurde das Unfallfahrzeug zum Unfallzeitpunkt von dem Sohn des Fahrzeughalters und Klägers geführt. Dieser hat vorliegend auch unstreitig das Mietfahrzeug übernommen, so dass er als Zweitfahrer zu berücksichtigen war. Die Kammer schätzt die für den Zweitfahrer geltend gemachten Kosten gem. § 287 ZPO als ortsüblich und angemessen ein. Insoweit ergibt sich ein zusätzlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 267,75 € (inkl. USt.).

Kosten für die Zustellung sind nicht erstattungsfähig, da diese unfallspezifische Mehrleistungen darstellen und bereits in dem unter lit. bb) genannten Aufschlag enthalten sind.

dd) kein Nachweis, dass Normaltarif nicht verfügbar

Der Kläger – dem insoweit die Darlegungslast obliegt – kann sich im Übrigen auch nicht darauf berufen, dass dem Geschädigten in der konkreten Unfallsituation kein günstigerer Normaltarif zugänglich gewesen sei. Dass dieser seiner Verpflichtung, sich vor der Anmietung nach dem Mietpreis und günstigeren Angeboten zu erkundigen (vgl. BGH, VersR 2010, 494 und 683), nachgekommen wäre, ist nicht vorgetragen. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass er einen Mietwagen nicht hätte zu günstigeren Bedingungen erlangen können. Gegen diese hypothetische Annahme spricht bereits die durch die o.a. Untersuchungen belegte Tatsache, dass tatsächlich auf dem regionalen Markt günstigere Angebote zu finden sind.

Selbst unter Zugrundelegung des bestrittenen Vortrags des Klägers liegt nach der Auffassung der Kammer eine absolute Not- und Eilsituation, die ausnahmsweise ein sofortiges Anmieten ohne anderweitige Nachfrage gerechtfertigt hätte, nicht vor. Der Unfall ereignete sich am 15.10.2008 gegen 5:30 Uhr. Ausweislich des Mietvertrages wurde das 1. Mietfahrzeug an diesem Tag um 16:00 Uhr in Neusitz bei der Fa. Reichert an den Sohn des Klägers übergeben. Der Kläger und sein Sohn hatten folglich nahezu einen gesamten Arbeitstag Zeit, zumindest 2 Alternativangebote für die Kosten eines Mietwagens einzuholen. Hierzu hätte es lediglich zweier Telefonanrufe bedurft.

Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass am 18.10.2008 ein Fahrzeugwechsel stattfand. Ausweislich des 2. Mietvertrages übernahm der Sohn des Klägers an diesem Tag (also 3 Tage nach dem Unfall) ebenfalls am Sitz der Fa. xxx in xxx einen nach der Schwacke-Liste eine Gruppe höher eingruppierten Mietwagen. Wieso es dem Kläger bzw. seinem Sohn innerhalb dieser Zeit nicht möglich bzw. unzumutbar gewesen sein soll, ein Alternativangebot einzuholen, erschließt sich der Kammer nicht. Bereits die Höhe der eingegangenen finanziellen Verpflichtung selbst (der vereinbarte Mietpreis lag immerhin bei 2.910,00 €; der Wiederbeschaffungswert für das geschädigte Fahrzeug laut SV-Gutachten bei 11.500,00 €) gab Veranlassung, sich zu vergewissern, ob das Angebot der Streithelferin nicht aus dem Rahmen fällt. Auch ein Autofahrer, der noch nie einen Verkehrsunfall hatte, muß als verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch die Überlegung anstellen, dass man bei ein oder zwei Konkurrenzunternehmen die Preise erfragt, ehe man derart hohe Ausgaben veranlaßt (BGH NJW 1985, 2639).

ee) Abzug ersparter eigener Aufwendungen

Die Kammer bewertet die abzuziehende Eigenersparnis mit 3%. Dies entspricht der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg, der sich die Kammer ausdrücklich anschließt (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 528).

ff)

Damit ergibt sich ein Erstattungsbetrag von 1540,15 € (= 1587,78 € abzgl. 3%).

Nachdem von der Beklagten bereits 893,00 € gezahlt worden sind, ergibt sich ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 647,15 €.

2)

Ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht gem. §§ 280Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB in Höhe von 120,67 €.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung hält sich im Rahmen der BGH-Rechtsprechung zur Anwendung von Schätzgrundlagen bei der Bemessung ersatzfähiger Mietwagenkosten. Die Sache hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1945,50 € festgesetzt.

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