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Verkehrsunfall mit Auslandsberührung – Regulierungsfrist der gegnerischen Haftpflichtversicherung

OLG Zweibrücken – Az.: 1 W 16/21 – Beschluss vom 05.07.2021

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.04.2020 gegen den Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 03.04.2020, Az. 4 O 20/20, den Beklagtenvertretern zugestellt am 17.04.2020, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.717,38 € festgesetzt.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken aus nach Aktenlage nicht erkennbaren Gründen erst mit Verfügung des Landgerichts vom 22.06.2021 – d.h. über ein Jahr nach der Nichtabhilfeentscheidung – vorgelegt worden. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Parteien streiten um die Frage, welcher Prüf- und Regulierungszeitraum der gegnerischen Haftpflichtversicherung für die Schadensbearbeitung nach einem Verkehrsunfall zuzubilligen ist bzw. ab welchem Zeitpunkt nach Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens sie sich mit der Zahlung von Schadensersatz in Verzug befindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beträgt diese – keinesfalls starre, sondern von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängende – Frist in der Regel 4 bis 6 Wochen (Beschluss vom 19.03.2021, Az. 1 W 7/21; Beschluss vom 06.06.2014, Az. 1 W 1/14). Eine solche Prüf- und Regulierungsfrist liegt im Interesse der Gesamtheit der pflichtversicherten Kraftfahrzeughalter, die über ihre Prämien die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben, weshalb das durchaus anzuerkennende, allerdings schon durch die Verzinsung bereits berücksichtigte Interesse des Geschädigten an einer möglichst schnellen Schadenregulierung insoweit zurückzutreten hat.

Die Annahme einer vier- bis sechswöchigen Prüf- und Regulierungsfrist entspricht aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss vom 28.10.2020, Az. 7 U 58/20; OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 4 W 640/20; OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2020, Az. 12 W 326/20; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.07.2019, Az. 4 W 11/19; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.12.2014, Az. 7 W 64/14; OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2012, Az. 24 W 69/11; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010, Az. 3 W 15/20; jeweils Juris). Soweit erwogen wird, diese Frist angesichts des technischen Fortschritts in der Schadensbearbeitung (deutlich) zu verkürzen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 22 W 2/18), vermag sich der Senat dem in dieser Pauschalität nicht anzuschließen (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 4 W 640/20, Juris). Postlaufzeiten, die durch der elektronischen Kommunikation mit den Beteiligten ggfl. verkürzt werden, spielen insofern keine nennenswerte Rolle. Der maßgebliche Aufwand liegt in der Prüfung selbst, die indes – namentlich wegen der immer weiter ausdifferenzierenden Vorgaben zu einzelnen Schadenspositionen und Abrechnungsvarianten – immer aufwändiger wird. Dass dabei die elektronische Aktenführung bei der Versicherung das Verfahren in nennenswerter Weise beschleunigt, vermag der Senat – gerade auch angesichts eigener Erfahrungen mit der elektronischen Gerichtsakte – nicht zu erkennen.

Eingedenk des Vorstehenden war die Prüf- und Regulierungsfrist hinsichtlich des Unfalls am 14.11.2019, qualifiziert erstmals geltend gemacht beim Beklagten mit Schreiben vom 04.12.2019, entgegen der Auffassung der Vorderrichterin bei Klageerhebung am 14.01.2020 noch nicht abgelaufen. Denn es handelte sich um keinen einfachen, rein innerdeutschen Verkehrsunfall. Bei einer – wie im Streitfall einschlägigen – Auslandsberührung muss dem Versicherer ein längerer Prüf- und Regulierungszeitraum zugebilligt werden, da ausländische Versicherungen und Regulierungsbeauftragte kontaktiert und in die Entscheidung einbezogen werden müssen (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2020, Az. 12 W 326/20; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.12.2016, Az. 4 W 19/16; jeweils Juris). Hinzu kommt, dass die Prüfung im Wesentlichen im Zeitraum des Jahreswechsels 2019/2020 lag; auch insoweit ist dem Versicherer anerkanntermaßen ein längerer Prüfzeitraum zuzubilligen, da an Feiertagen nicht gearbeitet und über den Jahreswechsel vermehrt Urlaub genommen wird, also auch die Sachschadensabteilungen der Versicherungen regelmäßig nicht voll besetzt sind (OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 4 W 640/20). Letztlich ist auch die vom Versicherer als erforderlich angesehene Einsicht in Ermittlungsakten von Einfluss auf die Dauer der Prüf- und Regulierungsfrist (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.05.2004, Az17 W 18/04; a.A. OLG München, Beschluss vom 29.07.2010, Az. 10 W 1789/10; jeweils Juris). Eine solche Einsicht dient gerade der Sachverhaltsermittlung und vor allem -bewertung. Eine gerichtliche Beurteilung der Erforderlichkeit der Akteneinsicht ex post verbietet sich; etwas anderes gilt lediglich dann, wenn aus Sicht ex ante die Akteneinsicht (namentlich aufgrund der eindeutigen Einstandspflicht des Schädigers) offensichtlich irrelevant für die Schadensregulierung ist; nur in diesem Fall bleiben berechtigte Interessen des Geschädigten an einer zügigen Regulierung des Schadens ohne triftigen Grund unberücksichtigt (Beschluss des Senats vom 06.06.2014, Az. 1 W 1/14).

Die vorgenannten Umstände hat die Vorderrichterin mit der Zubilligung einer weiteren Woche für Prüfung und Regulierung nicht hinreichend berücksichtigt. Allein schon die Zeit des Jahreswechsels schlägt üblicherweise mit 2 Wochen zu Buche. Dementsprechend wären dem Beklagten zumindest 6 Wochen zuzubilligen gewesen. Eingedenk dessen hat der Kläger die Klage am 14.01.2020 zu früh erhoben. Allerdings hat der Beklagte erst am 21.02.2020 die Klageforderungen ausgeglichen. Er hat damit zwar keine Veranlassung zur Klage gegeben, aber nicht rechtzeitig nach Klagezustellung reguliert. Erhebt der Geschädigte vor Ablauf dieser Prüffrist Klage, kann der Versicherer noch ein sofortiges Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast (§ 93 ZPO) abgeben oder bei fristgerechter Regulierung und anschließender Klagerücknahme oder übereinstimmender Erledigungserklärung auf eine ihm günstige Kostenentscheidung vertrauen; andernfalls hat er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.12.2016, Az. 4 W 19/16; KG, Beschluss vom 30.03.2009, Az. 22 W 12/09; jeweils Juris). Von einer fristgerechten Regulierung ist nicht auszugehen; diese erfolgte erst mehr als 11 Wochen nach der qualifizierten Schadensmeldung. Dass die Ermittlungsakte erst am 17.02.2020 bei dem Beklagten eingegangen sein soll, der Kläger indes bereits am 08.01.2020 darüber informiert wurde, dass die Ermittlungsakte eingesehen werden müsse, entlastet den Beklagten nicht. Zum einen handelt es sich insoweit um rein interne Vorgänge auf Schädigerseite, auf die der Geschädigte keinerlei Einfluss hat und die ihn nicht belasten dürfen. Zum anderen hätte sich der Beklagte – in Kenntnis der nicht selten langwierigen Informationsbeschaffungen – so organisieren müssen, dass unverzüglich nach Eingang der Schadensmeldung ggfl. für erforderlich gehaltene Unterlagen angefordert werden; der Beklagte hat sich hierfür – ohne nachvollziehbaren und anzuerkennenden Grund – indes mehr als einen Monat Zeit gelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren errechnet sich aus den Verfahrenskosten der ersten Instanz (Gerichtskosten, 2x Verfahrensgebühr als Rechtsanwaltskosten).

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