LG Essen – Az.: 15 S 59/18 – Beschluss vom 04.04.2018
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer einstimmig beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 22.01.2018 -12 C 235/17 – durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, bei dem ihr vor dem Haus … am 05.02.2017 gegen 18:34 Uhr im absoluten Halteverbot – Zeichen 283, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO – abgestellter VW Passat durch das Beklagtenfahrzeug beschädigt wurde. Der Beklagte zu 2, der nach eigenen Angaben auf der Straße in einer 30 km/h-Zone mit ca. 25 km/h fuhr, sah sich, als er schon auf der Höhe des Klägerfahrzeugs war, durch ein entgegenkommendes schnelleres Fahrzeug zur Vermeidung einer Kollision mit diesem gezwungen, nach rechts auszuweichen und hat so die Kollision verursacht. Die Klägerin berechnet einen Schaden von insgesamt 5.682,88 €, von dem zum einen von der Beklagtenseite die Netto-Reparaturkosten von 4.606,44 € um 511,22 € – 102,18 € bzgl. der Kosten für einen auszutauschenden Reifen und 409,07 € im Zusammenhang mit den angesetzten Stundenverrechnungssätzen – sowie die geltend gemachte Nutzungsentschädigung von 150,00 € und die Kosten für eine Zusatzbegutachtung durch die DEKRA von 95,20 € streitig sind. Die Beklagte zahlte auf den geltend gemachten Schaden einen Betrag von 3.833,13 € unter Zugrundelegung einer Mithaftungsquote der Klägerin von 25% und auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 571,44 € einen Betrag von 413,64 €, sodass als Prozessgegenstand eine Klagehauptforderung von 1.849,75 € und eine Forderung auf Freistellung von restlichen vorgerichtlichen Kosten von 157,80 € verblieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat nicht nur den Beklagten zu 2 zum Unfallhergang angehört sondern auch der … als den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten vernommen, wobei diese Beweisaufnahme unergiebig war.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei für den Unfall seitens der Beklagten zu 1 ausreichend entschädigt worden. Denn es sei zu ihren Lasten von einer Mithaftungsquote von einem Drittel wegen einer deutlich erhöhten Betriebsgefahr ihres verkehrsregelwidrig abgestellten Fahrzeugs auszugehen. Im Übrigen seien aber auch bei der von der Beklagten zu 1 bei ihrer Regulierung zu Grunde gelegten Mitverschuldensquote der Klägerseite von 25% die vorgenommenen Abzüge von der Höhe der Klageforderung gerechtfertigt.
Mit der Berufung rügt die Klägerin die Rechtsanwendung und die Beweiswürdigung des Amtsgerichts und kommt auf ihre erstinstanzlichen Anträge zurück.
II.
Die Berufung verspricht aus folgenden Gründen offensichtlich im Ergebnis keinen Erfolg:
Zutreffend geht das Amtsgericht von einer Mithaftung der Klägerin für den ihr entstandenen Schaden gemäß §§ 823, 254, 249 BGB, 7 Abs. 1 StVG aus, obwohl ihr Fahrzeug am Fahrbahnrand geparkt war. Der Unfall wurde im naturwissenschaftlich-kausalen Sinne hervorgerufen durch die verbotswidrige Parkweise des Klägerfahrzeugs. Hätte das Fahrzeug dort nicht im absoluten Halteverbot gestanden, wäre das Beklagtenfahrzeug zumindest mit diesem nicht kollidiert. Die Klägerin kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass vor ihrem Fahrzeug ein weiteres im absoluten Halteverbot geparkt war. Der Schadensverlauf war nicht nur wahrscheinlich, sondern aus Sicht einer objektiven nachträglichen Prognose geradezu typisch. Es hat sich in dem konkreten Unfallgeschehen genau das verwirklicht, was durch das absolute Halteverbot an dieser für den Begegnungsverkehr in der Breite sonst gerade zu knapp bemessenen Straße verhindert werden sollte (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29. Oktober 2008 – 14 U 72/08 – Rn. 24f, recherchiert bei juris).
Durch das vorschriftswidrige Abstellen des Fahrzeugs an einer nicht für das Parken, sondern für den fließenden Verkehr vorgesehenen Stelle wird das Fahrzeug zum Hindernis für den fließenden Verkehr, mit welchem Kraftfahrzeugführer an dieser Stelle nicht zu rechnen brauchen. Es entstand dadurch eine für den Kraftfahrzeugverkehr typische Gefahren Situation. Das Parken an einer Stelle, an der das Parken untersagt ist, stellt ein schuldhaftes Verhalten des Fahrzeugführers dar, welches sich die Klägerin als Fahrzeughalterin gemäß §§ 7, Abs. 1, 17 Abs.1 S. 2 StVG, 264 BGB zurechnen lassen muss (vgl. die vom Amtsgericht bereits zitierten Rechtsprechung, insbesondere Amtsgericht Frankfurt a. M. Urt. v. 8.5.2015 – 32 C 4486/14 (22), BeckRS 2016, 12318, beck-online).
Dem Klägervertreter ist zuzustimmen, dass bei Unfällen, bei denen ein verbotswidrig geparktes Fahrzeug beteiligt ist wie auch sonst, immer die besonderen Umstände des Einzelfelles berücksichtigt werden müssen. Nicht nur beim verbotswidrigen Parken eines Fahrzeugs an einer uneinsehbaren Kuppe, Kurve oder sonstigen Verursachung eines Sichthindernisses beispielsweise bei einer Ausfahrt, ist eine Mithaftung wegen Mitverschuldens des für das verbotswidrig parkende Fahrzeug verantwortlichen Fahrers, welches dem Halter zugerechnet wird, anzunehmen, sondern immer dann, wenn ein zum Schutze des fließenden Verkehrs aufgestelltes absolutes Halteverbot verletzt wird. Im Rahmen der Abwägung des § 17 StVG trägt die Beklagtenseite zwar das überwiegende Verschulden, wegen des Verstoßes des Beklagten zu 2 gegen § 6 StVO und weil er trotz Dunkelheit zur Unfallzeit die Annäherung des entgegenkommenden Fahrzeugs besser hätte abschätzen und hinter dem verkehrswidrig geparkten Fahrzeug zunächst hätte halten können. Soweit die Klägerin mit der Berufung auf die Schilderung des Beklagten zu 2 verweist, dass nichts passiert wäre, wenn das ihm entgegenkommende Fahrzeug nicht zu schnell gewesen wäre, handelt es sich hierbei nur um die subjektive Einschätzung des Beklagten zu 2, die eventuell in einer Auseinandersetzung mit dem Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs und dessen Versicherung über die entstandenen Schäden Bedeutung haben könnte, die den Mitverursachungsanteil des verbotswidrigen Parkens des Klägerfahrzeugs im hier allein interessierenden Verhältnis zu den Beklagten aber nicht schmälert.
Zu Lasten des Klägerfahrzeugs ist, obwohl es geparkt war, in der Abstellsituation im absoluten Halteverbot auch die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, so dass das Amtsgericht zutreffend von deren Erhöhung ausgeht. Nach der verkehrstechnischen Auffassung der herrschenden Meinung ist die Betriebsgefahr über die allgemeine Bedeutung des ersten Wortteils „Betriebs“ hinaus, nicht nur für alle Kraftfahrzeuge und Anhänger, die sich im öffentlichen Verkehrsraum bewegen, sondern auch bei denen zu berücksichtigen, die in verkehrsbeeinflussender Weise ruhen (Hentschel/König, StraßenverkehrsR, 44. Aufl. 2017, § 7 StVG Rn 5 m.weit. Nachw.).
Ob die vom Amtsgericht angenommene Mithaftungsquote der Klägerin von 1/3 angemessen ist, ist diskussionswürdig. Die recherchierte Rechtsprechung geht von Mithaftungsquoten von 25 % (Amtsgericht Frankfurt, Urteil vom 08. Mai 2015 – 32 C 4486/14 (22) – allerdings beim Halten nur im Bereich des durch Zeichen 286 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO eingeschränkten Halteverbot) bis zu 30% (AG Lörrach, Urteil vom 30. November 2005 – 3 C 1266/05, wo das im absoluten Halteverbot stehende Fahrzeug das Einparken behinderte oder Amtsgericht Duisburg, Urteil vom 05. März 1997 – 35 C 522/96 -, wo durch es die Ausfahrt aus einem Grundstück erschwert wurde) aus. Wichtig ist bei der Bewertung, dass es nicht nur um die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs geht, sondern diese durch den Verkehrsregelverstoß des Fahrers des Klägerfahrzeugs gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1, Zeichen 283, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO erhöht ist, so dass der Haftungsanteil über der regelmäßig für die Berücksichtigung nur der Betriebsgefahr angesetzten 20-25% liegen sollte.
Wollte man hierzu Lasten der Klägerin nur einen Haftungsanteil von 30% ansetzen, der aus dem vorgenannten Grund mindestens zu wählen wäre, dann hätte die Berufung gleichwohl keinen Erfolg. Denn die Beklagte zu 1 hat im Prozess zumindest berechtigt den von der Klägerin bei ihrer Schadensberechnung angesetzten Nutzungsausfall von 150,00 € und die Kosten für die weitere Begutachtung von 95,50 € aus der Schadensberechnung der Klägerin gestrichen. Dass die Beklagte zu 1 vorprozessual einen Teil des Nutzungsausfall beglichen hat, geschah offensichtlich zur Klaglosstellung der Klägerin, bedeutete aber nicht, dass sie diese Teilforderung unstreitig stellen wollte, was sie mit der Klageerwiderung deutlich gemacht hat. Die Klägerin hat anschließend diese Teilforderung nicht schlüssig begründet. Nutzungsausfall kann nur dann ersetzt verlangt werden, wenn dieser tatsächlich entstanden ist. Die Klägerin, die abstrakt abrechnet, hat nicht vorgetragen, wann sie ihr Fahrzeug hat reparieren lassen, so dass wirksam bestritten ist, dass dieser Nutzungsausfall entstanden ist.
Auch die Kosten für die weitere Begutachtung durch den Sachverständigen der DEKRA kann die Klägerin nicht ersetzt verlangen, da es sich hier nicht um einen erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung gehandelt hat. Die Klägerin musste damit rechnen, dass es wegen des gewichtigen Einwands der Mithaftungsquote zum Rechtsstreit kommen würde Dann hätten solche Detailfragen in einem gerichtlich eingeholten Gutachten mit geklärt werden können, wobei der Klägervertreter einfach die von der Beklagten zu 1 vorgenommene Kürzung entsprechend dem Ursprungsgutachten hätte in Frage stellen können. Ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten hätte in diesem Fall auf die Einholung einer ergänzenden, relativ teuren Stellungnahme des Privatgutachters verzichtet. Damit ergäbe sich ein zu ersetzender Schaden von 70 % von 5.437,68, mithin 3.808,38 €. Die Beklagte zu 1) hat aber bereits 3.833,13 € bezahlt.
Nur am Rande sei noch erwähnt, dass die Klägerin hier nicht auf das Autozentrum … in Voerde von der Beklagten wirksam verwiesen wurde. Überprüft man die Entfernung dieser Werkstatt vom Wohnort der Klägerin bei google-maps, dann ergeben sich Fahrwege von 28,5 km bis zu 36,8 km, je nach vorgeschlagener Alternativroute, eine Entfernung, die nicht mehr zumutbar ist.
Da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erfordern, beabsichtigt die Kammer eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege.
III.
Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.