Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Verkehrsunfälle mit Landwirtschaftsfahrzeugen: Rechtliche Konsequenzen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche besonderen Sorgfaltspflichten gelten für Fahrer landwirtschaftlicher Fahrzeuge im Straßenverkehr?
- Wie wird die Haftungsverteilung bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen berechnet?
- Welche Versicherungen greifen bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen?
- Ab wann ist bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ein Anwalt notwendig?
- Welche Beweismittel sind bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen besonders wichtig?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Regensburg
- Datum: 20.07.2021
- Aktenzeichen: 23 S 132/20
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Verkehrsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Forderte Schadensersatz sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Verkehrsunfall. Er argumentierte, dass die Beklagten eine höhere Haftungsquote tragen sollten (60 % statt der zugesprochenen 35 %), weil sie ein landwirtschaftliches Fahrzeug führten, das eine besondere Sorgfaltspflicht erfordert.
- Beklagte: Widersetzten sich der Forderung des Klägers und argumentierten, dass die Haftungsverteilung Sache des Tatrichters sei, und dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch einen Vorfahrtsverstoß erhöht worden sei. Zudem bestritten sie die Erstattungsfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger forderte Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, wobei die Haftungsfrage strittig war. Insbesondere bestritt er die vom Amtsgericht festgelegte Haftungsquote von 35 % zu 65 % zu seinen Lasten.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war die angemessene Haftungsverteilung zwischen Kläger und Beklagten bei einem Verkehrsunfall und ob die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig seien.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht änderte das Urteil des Amtsgerichts teilweise ab. Der Kläger erhielt zusätzlich die Erstattung anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, wogegen die übrigen Forderungen abgelehnt wurden.
- Begründung: Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Kläger vorgerichtlich wurde als erforderlich angesehen, da der Unfallhergang streitig war und rechtliche Probleme vorlagen. Die Haftungsquote von 35 % zu 65 % zu Lasten des Klägers wurde als angemessen bestätigt, basierend auf der Verursachungsanteile und festgestellten Umstände.
- Folgen: Der Kläger erhielt 1.278,22 EUR samt Zinsen sowie 201,71 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Die Beklagten tragen 60 % der Berufungsverfahrenskosten und der Kläger 40 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und festigt die geltende Rechtslage zur Haftungsverteilung und Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei Verkehrsunfällen.
Verkehrsunfälle mit Landwirtschaftsfahrzeugen: Rechtliche Konsequenzen im Fokus
Verkehrsunfälle mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen stellen eine besondere Herausforderung im Straßenverkehr dar. Diese Fahrzeuge, oft als landwirtschaftliche Gespanne unterwegs, können aufgrund ihrer Größe und langsamen Fahrweise eine erhöhte Betriebsgefahr mit sich bringen. Dies führt häufig zu Fragen bezüglich der Verkehrssicherheit, der Haftungsfragen bei Unfällen und den damit verbundenen Versicherungsaspekten. Unfälle, bei denen landwirtschaftliche Maschinen beteiligt sind, haben in der Verkehrsunfallstatistik oft spezifische Ursachen, die eine sorgfältige Analyse erfordern, um die Unfallursachen genau zu verstehen.
Umso wichtiger ist es, geeignete Sicherheitsvorkehrungen im Straßenverkehr zu treffen und das Fahrverhalten bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu berücksichtigen. In der folgenden Betrachtung werden wir einen konkreten Fall beleuchten, der wichtige verkehrsrechtliche Aspekte und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen aus einem Verkehrsunfall mit einem landwirtschaftlichen Gespann aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Verkehrsunfall mit Landwirtschaftsgespann: Landgericht Regensburg regelt Schadensersatz

Ein Verkehrsunfall zwischen einem PKW und einem landwirtschaftlichen Gespann an einer T-Kreuzung führte zu einem Rechtsstreit über die Schadensersatzansprüche. Das Landgericht Regensburg entschied in seinem Urteil vom 20. Juli 2021, dass die Beklagten dem Kläger 35 Prozent des entstandenen Schadens erstatten müssen.
Vorfahrtsverstoß trifft auf mangelndes Rechtsfahren
Der Unfall ereignete sich am 20. September 2019, als der Zeuge im Fahrzeug des Klägers die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ missachtete. Nach den Feststellungen des Sachverständigen fuhr der Zeuge nicht mit der gebotenen Schrittgeschwindigkeit an die Sichtkante heran und verstieß damit gegen Paragraf 8 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung. Der Fahrer des landwirtschaftlichen Gespanns wiederum befand sich zum Unfallzeitpunkt links der gedachten Fahrbahnmitte, obwohl es nach Einschätzung des Sachverständigen technisch möglich gewesen wäre, weiter rechts zu fahren. Die Kollision fand auf der Fahrspur des klägerischen Fahrzeugs statt.
Besondere Sorgfaltspflicht für landwirtschaftliche Fahrzeuge
Das Gericht betonte die besondere Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht des Beklagten als Führer eines landwirtschaftlichen Gespanns. Auch wenn sich sein Vorfahrtsrecht grundsätzlich auf die gesamte Fahrbahn erstreckte, hätte er weiter rechts fahren müssen. Das Landgericht verwies darauf, dass sich der Benutzer einer T-Kreuzung nicht auf die Beachtung des Vorfahrtsrechts durch von links herannahende Verkehrsteilnehmer verlassen darf.
Schadensteilung und Anwaltskosten
In der Abwägung der Verschuldensanteile bewertete das Gericht den Vorfahrtsverstoß als schwerwiegender als das nicht ausreichende Rechtsfahren. Dies führte zu einer Schadensteilung von 65 zu 35 Prozent zu Lasten des Klägers. Die Beklagten wurden zur Zahlung von 1.278,22 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zusätzlich sprach das Gericht dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 Euro zu. Die Einschaltung eines Anwalts wurde als erforderlich erachtet, da es sich aufgrund des streitigen Unfallhergangs und der rechtlichen Probleme nicht um einen einfach gelagerten Fall handelte.
Rechtliche Grundlagen der Kostenentscheidung
Das Gericht verpflichtete die Beklagten als Gesamtschuldner zur Übernahme von 60 Prozent der Kosten des Berufungsverfahrens, während der Kläger 40 Prozent zu tragen hat. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 2.194,35 Euro festgesetzt, wobei sich dieser aus 916,13 Euro für die Berufung und 1.278,22 Euro für die Anschlussberufung zusammensetzt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht zentrale Prinzipien bei der Haftungsverteilung nach Verkehrsunfällen. Während ein Vorfahrtsverstoß schwer wiegt, können auch andere Faktoren wie mangelndes Rechtsfahren die Haftungsquote beeinflussen. Das Gericht bestätigt zudem, dass vorgerichtliche Anwaltskosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, wenn die Einschaltung eines Anwalts als erforderlich angesehen werden kann. Besonders bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen besteht eine erhöhte Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt werden, müssen Sie nicht automatisch den gesamten Schaden alleine tragen – selbst wenn Sie die Vorfahrt missachtet haben. Auch das Verhalten der anderen Unfallbeteiligten wird bei der Schadensverteilung berücksichtigt. Sie können außerdem die Kosten für einen Anwalt ersetzt bekommen, wenn dessen Einschaltung vor einem Gerichtsverfahren sinnvoll erschien. Dies ist besonders dann der Fall, wenn rechtliche und tatsächliche Fragen strittig sind. Bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen können Sie zudem eine besondere Sorgfaltspflicht des anderen Unfallbeteiligten geltend machen.
Gerade bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist die Rechtslage oft komplex. Die Haftungsverteilung hängt von vielen Faktoren ab, die im Einzelfall sorgfältig geprüft werden müssen. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Rechte nach einem Verkehrsunfall durchzusetzen und eine gerechte Schadensregulierung zu erreichen. Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und die bestmöglichen Handlungsoptionen zu ermitteln.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche besonderen Sorgfaltspflichten gelten für Fahrer landwirtschaftlicher Fahrzeuge im Straßenverkehr?
Fahrer landwirtschaftlicher Fahrzeuge unterliegen im Straßenverkehr besonderen Sorgfaltspflichten, die über die allgemeinen Verkehrsregeln hinausgehen. Diese Pflichten ergeben sich aus der Größe, dem Gewicht und der eingeschränkten Manövrierfähigkeit dieser Fahrzeuge.
Geschwindigkeitsanpassung und Rücksichtnahme
Landwirte müssen ihre Geschwindigkeit deutlich reduzieren, insbesondere bei Ortsdurchfahrten. Wenn Sie mit einem landwirtschaftlichen Fahrzeug unterwegs sind, sollten Sie stets der Situation angepasst fahren und die Sicherheit in den Vordergrund stellen. Bedenken Sie, dass Ihre Fahrweise erheblichen Einfluss auf den übrigen Verkehr hat.
Besondere Sorgfalt beim Abbiegen
Beim Abbiegen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist besondere Vorsicht geboten. Sie müssen eine doppelte Rückschaupflicht beachten:
- Schauen Sie in den Rückspiegel, bevor Sie sich zum Abbiegen einordnen.
- Werfen Sie unmittelbar vor dem Abbiegevorgang erneut einen Blick nach hinten.
Diese Maßnahme ist besonders wichtig, da viele Unfälle beim Linksabbiegen von Traktoren passieren, wenn überholende Fahrzeuge übersehen werden.
Sichtbarkeit und Beleuchtung
Als Fahrer eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs müssen Sie für ausreichende Sichtbarkeit sorgen. Dazu gehört:
- Fahren mit eingeschaltetem Abblendlicht, auch tagsüber.
- Überprüfung und Sicherstellung der korrekten Funktion aller Beleuchtungseinrichtungen, einschließlich der Blinker.
- Bei Anbaugeräten, die die Traktorbeleuchtung verdecken, müssen Sie für zusätzliche Beleuchtung sorgen.
Ladungssicherung und Sauberkeit
Wenn Sie landwirtschaftliche Güter transportieren, müssen Sie auf ordnungsgemäße Ladungssicherung achten. Stellen Sie sicher, dass keine Ladung oder Verschmutzungen auf die Straße gelangen können. Dies ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch der Rücksichtnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.
Beachtung von Gewichts- und Größenbeschränkungen
Als Fahrer eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs müssen Sie die zulässigen Maße und Gewichte Ihres Gespanns kennen und einhalten. Überschreiten Sie beispielsweise nicht die maximale Zuglänge von 18,75 m (bzw. 20,75 m bei der Beladung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen). Achten Sie auch auf die Einhaltung der zulässigen Achslasten und des Gesamtgewichts.
Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer
Aufgrund der geringen Geschwindigkeit landwirtschaftlicher Fahrzeuge müssen Sie als Fahrer besonders rücksichtsvoll agieren. An geeigneten Stellen sollten Sie Ihre Geschwindigkeit ermäßigen oder anhalten, um mehreren nachfolgenden Fahrzeugen das Überholen zu ermöglichen.
Durch die Beachtung dieser besonderen Sorgfaltspflichten tragen Sie als Fahrer eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs wesentlich zur Verkehrssicherheit bei und minimieren das Risiko von Unfällen.
Wie wird die Haftungsverteilung bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen berechnet?
Die Haftungsverteilung bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen basiert auf einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Grundlegende Bewertungskriterien
Bei der Berechnung der Haftungsquoten werden die verschuldensunabhängige Betriebsgefahr und das individuelle Verschulden der Unfallbeteiligten gegeneinander abgewogen. Landwirtschaftliche Fahrzeuge weisen dabei bereits aufgrund ihrer technischen Eigenschaften eine erhöhte Betriebsgefahr auf, die selbst bei vorschriftsmäßigem Verhalten zu einer Mithaftung von mindestens 30% führen kann.
Spezifische Einflussfaktoren
Die konkrete Haftungsquote wird durch folgende Aspekte bestimmt:
- Die technischen Merkmale des landwirtschaftlichen Fahrzeugs, insbesondere Masse und Überbreite
- Der tatsächliche Unfallhergang und die Kausalität der Betriebsgefahr
- Die Schwere der Pflichtverletzungen der beteiligten Fahrzeugführer
Praktische Anwendung
In der Rechtsprechung zeigen sich typische Haftungsverteilungen. Bei einem Zusammenstoß zwischen PKW und landwirtschaftlichem Fahrzeug kann die Quote beispielsweise 70:30 zulasten des PKW ausfallen, selbst wenn das landwirtschaftliche Fahrzeug ordnungsgemäß beleuchtet war und äußerst rechts fuhr. Die Haftung kann sich auf 75:25 erhöhen, wenn der PKW-Fahrer ein Überholverbot missachtet.
Besonderheiten der Versicherungsleistung
Ein wichtiger Aspekt ist die Unterscheidung zwischen Transport- und Arbeitsmaschinenfunktion. Die Kfz-Haftpflichtversicherung greift ausschließlich bei Unfällen, die sich während der Nutzung als Transportmittel ereignen. Bei reiner Arbeitsmaschinenfunktion, etwa beim Antrieb einer Feldpumpe, kommt die Betriebshaftpflichtversicherung zum Tragen.
Welche Versicherungen greifen bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen?
Bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen kommen verschiedene Versicherungen zum Tragen:
Kfz-Haftpflichtversicherung
Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist für alle landwirtschaftlichen Zugmaschinen, die am Straßenverkehr teilnehmen, gesetzlich vorgeschrieben. Sie deckt Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab, die Dritten durch den Betrieb des Fahrzeugs zugefügt werden. Wenn Sie als Landwirt einen Unfall mit Ihrem Traktor verursachen, übernimmt Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung die Schäden am gegnerischen Fahrzeug sowie eventuelle Personenschäden.
Kaskoversicherung
Eine Kaskoversicherung ist freiwillig, aber oft sinnvoll. Die Teilkaskoversicherung schützt vor Schäden durch Diebstahl, Brand, Glasbruch, Naturgewalten und Wildunfälle. Wenn Ihr Traktor beispielsweise durch einen Blitzschlag beschädigt wird, kommt die Teilkasko dafür auf. Die Vollkaskoversicherung deckt zusätzlich selbstverschuldete Unfälle und Vandalismus ab. Sollten Sie mit Ihrem Mähdrescher versehentlich gegen einen Baum fahren, würde die Vollkasko den Schaden am eigenen Fahrzeug übernehmen.
Maschinenbruchversicherung
Für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte ist eine spezielle Maschinenbruchversicherung verfügbar. Sie greift bei Schäden, die durch Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit oder technische Defekte entstehen. Wenn beispielsweise Ihr Traktor während der Feldarbeit einen Motorschaden erleidet, könnte diese Versicherung die Reparaturkosten übernehmen.
Betriebshaftpflichtversicherung
Die landwirtschaftliche Betriebshaftpflichtversicherung kann in bestimmten Fällen relevant werden. Sie deckt Schäden ab, die im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb entstehen, aber nicht direkt durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht wurden. Wenn Sie beispielsweise bei der Ernte versehentlich eine öffentliche Straße verschmutzen und dadurch ein Unfall verursacht wird, könnte die Betriebshaftpflicht greifen.
Verkehrsrechtsschutzversicherung
Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung kann sinnvoll sein, um die Kosten für rechtliche Auseinandersetzungen nach einem Unfall abzudecken. Sie übernimmt die Anwalts- und Gerichtskosten, wenn Sie Ihre Ansprüche nach einem Unfall durchsetzen müssen oder sich gegen unberechtigte Forderungen wehren.
Bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist zu beachten, dass oft eine erhöhte Betriebsgefahr besteht. Dies kann sich auf die Haftungsverteilung auswirken. Wenn Sie beispielsweise mit einem breiten Traktor auf einer schmalen Straße unterwegs sind, könnte Ihnen im Falle eines Unfalls eine höhere Mithaftung zugesprochen werden, selbst wenn der Unfallgegner einen Fehler gemacht hat.
Ab wann ist bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ein Anwalt notwendig?
Bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist die rechtliche Situation besonders komplex, da eine erhöhte Betriebsgefahr besteht, die selbst bei vorschriftsmäßigem Verhalten zu einer Mithaftung von mindestens 30% führen kann.
Komplexe Haftungssituationen
Die Beteiligung landwirtschaftlicher Fahrzeuge führt zu besonderen Haftungsfragen, da ihre überdurchschnittliche Masse und Breite ein erhöhtes Gefährdungspotential im Straßenverkehr darstellen. Ein Traktor mit Anhänger kann bis zu 18 Tonnen wiegen und eine Breite von fast 3 Metern erreichen.
Besondere Rechtliche Aspekte
Die Unterscheidung zwischen Transportfunktion und Arbeitsmaschinenfunktion ist entscheidend für die Haftungsfrage. Während bei der Transportfunktion die Kfz-Haftpflichtversicherung greift, fallen Schäden bei der Nutzung als Arbeitsmaschine unter die Betriebshaftpflichtversicherung.
Kritische Situationen
Besonders kritisch wird es bei:
- Unfällen mit Überbreite des landwirtschaftlichen Fahrzeugs
- Kollisionen in der Dunkelheit oder bei schlechten Sichtverhältnissen
- Unfällen mit Personenschäden
- Streitigkeiten über die Haftungsverteilung bei unklarem Unfallhergang
Die Haftungsquoten werden nach einer detaillierten Prüfung der technischen Eigenschaften des Fahrzeugs, des konkreten Unfallhergangs und des Verschuldens der Unfallbeteiligten festgelegt.
Welche Beweismittel sind bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen besonders wichtig?
Bei Unfällen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist eine umfassende fotografische Dokumentation der Unfallsituation von entscheidender Bedeutung. Fotografieren Sie zunächst die Gesamtsituation aus verschiedenen Perspektiven, dann die einzelnen beteiligten Fahrzeuge und anschließend jeden einzelnen Schaden im Detail.
Spezifische Dokumentation
Die Breite des landwirtschaftlichen Fahrzeugs und dessen Position auf der Fahrbahn müssen besonders sorgfältig dokumentiert werden, da diese Faktoren häufig unfallentscheidend sind. Achten Sie besonders auf die Beleuchtungseinrichtungen und deren Funktionsfähigkeit, da technische Mängel in 7% der Fälle zum Unfallhergang beitragen.
Unfallspuren und Umgebung
Spuren auf der Fahrbahn wie Reifenabdrücke oder Verschmutzungen durch landwirtschaftliche Arbeiten sind zu dokumentieren. Erfassen Sie auch die Witterungsverhältnisse, den Straßenzustand und die Verkehrsbeschilderung in der Umgebung.
Technische Beweissicherung
Ein polizeilicher Unfallbericht ist besonders wichtig, da die Polizei den Sachverhalt erforscht und die erforderlichen Beweise sichert. Bei größeren Schäden oder unklarem Unfallhergang ist die Einschaltung eines technischen Sachverständigen für die Rekonstruktion des Unfallablaufs ratsamt.
Persönliche Dokumentation
Erstellen Sie eine detaillierte Unfallskizze mit den genauen Positionen der Fahrzeuge. Notieren Sie die Personalien aller Beteiligten und sammeln Sie Zeugenaussagen. Dokumentieren Sie auch die technischen Daten des landwirtschaftlichen Fahrzeugs, insbesondere Maße und Gewicht, da diese für die spätere Beurteilung der Betriebsgefahr relevant sind.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Landwirtschaftliches Gespann
Ein landwirtschaftliches Gespann besteht aus einem Zugfahrzeug (meist Traktor) und einem oder mehreren Anhängern, die für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Diese Fahrzeugkombination unterliegt besonderen rechtlichen Regelungen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Aufgrund ihrer Größe, Länge und oft langsamen Geschwindigkeit müssen andere Verkehrsteilnehmer besondere Vorsicht walten lassen. Beispiel: Ein Traktor mit Heuwagen oder Güllefass als Anhänger.
Betriebsgefahr
Die Betriebsgefahr beschreibt das allgemeine Risiko, das vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht, auch ohne dass ein Verschulden vorliegt (§ 7 StVG). Bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist diese oft erhöht wegen ihrer Größe, eingeschränkten Manövrierfähigkeit und speziellen Eigenschaften. Die Betriebsgefahr spielt bei der Bemessung der Schadensersatzpflicht nach Unfällen eine wichtige Rolle. Beispiel: Ein technisch einwandfreier Traktor kann allein durch sein hohes Gewicht und seine Ausmaße eine erhöhte Gefahr darstellen.
Gesamtschuldner
Gesamtschuldner sind mehrere Personen, die gemeinsam für eine Schuld haften (§ 421 BGB). Der Gläubiger kann von jedem Gesamtschuldner die gesamte Leistung verlangen, im Innenverhältnis erfolgt dann ein Ausgleich nach den jeweiligen Haftungsanteilen. Im Verkehrsrecht tritt dies häufig bei mehreren Unfallbeteiligten auf. Beispiel: Fahrzeughalter und Fahrer haften gemeinsam als Gesamtschuldner für einen verursachten Schaden.
Streitwert
Der Streitwert ist der Geldbetrag, der den wirtschaftlichen Wert des Streitgegenstands in einem Gerichtsverfahren beziffert (§ 3 ZPO). Nach ihm bemessen sich die Gerichtskosten und Anwaltsgebühren. Der Streitwert wird zu Beginn des Verfahrens festgelegt und kann sich durch Klageerweiterung oder -beschränkung ändern. Beispiel: Bei einer Schadensersatzklage nach einem Verkehrsunfall entspricht der Streitwert meist der Höhe des geltend gemachten Schadens.
Anschlussberufung
Die Anschlussberufung ist ein Rechtsmittel, mit dem sich der Berufungsbeklagte der Berufung des Gegners anschließen kann (§ 524 ZPO). Sie ermöglicht es, auch nach Ablauf der Berufungsfrist noch eigene Anträge zu stellen, solange die Hauptberufung anhängig ist. Beispiel: Wurde einem Unfallbeteiligten nur teilweise Schadensersatz zugesprochen, kann er sich der Berufung der Gegenseite anschließen und seinerseits eine höhere Ersatzquote fordern.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 StVO (Vorfahrt):
Diese Vorschrift regelt die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ und verpflichtet Verkehrsteilnehmer, an unübersichtlichen Kreuzungen und Einmündungen mit Schrittgeschwindigkeit an die Sichtlinie heranzufahren. Der Zweck ist die Vermeidung von Unfällen durch unvorsichtiges Einfahren in eine Kreuzung.
Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass der Zeuge auf Klägerseite diese Pflicht verletzt hat, da er nicht mit der gebotenen Schrittgeschwindigkeit an die Kreuzung herangefahren ist. Dieser Vorfahrtsverstoß wurde als wesentlich unfallursächlich eingestuft. - § 17 StVG (Haftungsverteilung bei mehreren Fahrzeughaltern):
Diese Vorschrift bestimmt, dass bei einem Unfall zwischen mehreren Fahrzeugen die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Betriebsgefahren der Fahrzeuge und individuelle Fehler werden in die Haftungsabwägung einbezogen.
Im Fall wurde auf Basis dieser Regelung eine Haftungsquote von 35 % (Kläger) und 65 % (Beklagte) festgelegt. Der Kläger hatte durch seinen Vorfahrtsverstoß einen erheblichen Anteil an der Unfallverursachung, während die Betriebsgefahr und das Fehlverhalten der Beklagtenseite ebenfalls berücksichtigt wurden. - § 1 Abs. 2 StVO (Rücksichtnahmegebot):
Diese Norm verpflichtet alle Verkehrsteilnehmer, besondere Rücksicht zu nehmen und sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder behindert wird.
Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte zu 2) dafür kritisiert, dass er mit einem landwirtschaftlichen Gespann nicht ausreichend weit rechts gefahren ist. Das Gericht führte aus, dass gerade für solche Fahrzeuge eine erhöhte Sorgfaltspflicht besteht, um anderen Verkehrsteilnehmern keine unnötigen Risiken aufzuerlegen. - § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB (Schadensersatz wegen Verzugs):
Diese Vorschriften regeln, dass ein Schuldner die notwendigen Kosten einer Rechtsverfolgung erstatten muss, wenn er sich im Verzug befindet und der Gläubiger einen Rechtsanwalt hinzuzieht, um seine Ansprüche geltend zu machen.
Das Gericht sah die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts im Streit um die Schadensregulierung als erforderlich und zweckmäßig an. Aufgrund der komplexen rechtlichen und tatsächlichen Fragen durfte der Kläger annehmen, dass die anwaltliche Einschaltung zur Klärung des Falles beiträgt. - § 288 Abs. 1 BGB (Verzugszinsen):
Diese Regelung gewährt dem Gläubiger eines Geldanspruchs Zinsen ab dem Zeitpunkt, ab dem sich der Schuldner im Zahlungsverzug befindet. Der Basiszinssatz wird um 5 Prozentpunkte erhöht.
Im vorliegenden Fall sprach das Gericht dem Kläger Zinsen auf die zugesprochenen Beträge ab dem 06.02.2020 zu, da die Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits in Verzug waren.
Das vorliegende Urteil
LG Regensburg – Az.: 23 S 132/20 – Endurteil vom 20.07.2021
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