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Verkehrsunfall mit Personenschaden – Berechnung Haushaltsführungsschaden bei Haustierhaltung

OLG Koblenz – Az.: 12 U 1297/20 – Urteil vom 01.03.2021

I. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 07.08.2020, Az. 3 O 74/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.411,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2016, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,43 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2016 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehenden Berufungen der Klägerin und der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 65 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 35 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 85 % und die Klägerin 15 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Verkehrsunfall mit Personenschaden – Berechnung Haushaltsführungsschaden bei Haustierhaltung
(Symbolfoto: JC_STOCKER/Shutterstock.com)

Aufgrund des rechtskräftigen Grund- und Teilurteils des Landgerichts vom 29.09.2017 steht fest, dass die Beklagten der Klägerin im Umfang von 50 % dem Grunde nach schadensersatzpflichtig sind (§ 7 StVG, § 115 Abs. 1 VVG).

Der ersatzfähige Schaden der Klägerin beläuft sich auf insgesamt 5.411,00 € (4.000,00 € Schmerzensgeld zuzüglich 1.411,00 € Haushaltsführungsschaden).

Bezüglich der einzelnen Schadensersatzpositionen gilt Folgendes.

Haushaltsführungsschaden

Das Landgericht ist, gestützt auf die überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen … in dessen Gutachten vom 28.10.2019 und dessen Ergänzungsgutachten vom 06.04.2020 zu dem Ergebnis gelangt, dass auf Seiten der Klägerin in dem hier zu beurteilenden Zeitraum von folgender unfallbedingter Minderung der Haushaltsführungstätigkeit auszugehen war: 12.07.2015 bis 08 12.2015 : 20 %; 09.12.2015 bis 19 01.2016: 100 %; 20.01.2016 bis 20.03.2016: 20 %. Dieses Ergebnis, was auch der Überzeugung des Senats entspricht, greifen die Beklagten mit ihrer Berufung nicht an.

Die Beklagten vertreten allerdings im Berufungsverfahren die Auffassung, haushaltsspezifische Beeinträchtigungen von maximal 20 % müssten bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens generell unberücksichtigt bleiben, da vom Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht zu verlangen sei, dass er derartige Beeinträchtigungen durch technische Hilfsmittel, sowie durch Umorganisation und Umverteilung der Haushaltstätigkeiten auf andere Mitglieder des Haushalts kompensieren müsse. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass über eine generelle Unbeachtlichkeit von entsprechenden Beeinträchtigungen allenfalls bei einer abstrakten Minderung der Haushaltsführungstätigkeit in einer Größenordnung von 10 % nachgedacht werden kann. Selbst bei einer solchen geringfügigen Beeinträchtigung ist aber jeweils eine entsprechende Betrachtung des Einzelfalles anzustellen (OLG Koblenz 12 U 1052/07, Urteil vom 18.05.2009; OLG Koblenz 12 U 1109/11, Urteil vom 04.05.2015; siehe auch: OLG Karlsruhe in OLGR 1998, 213; OLG Oldenburg in r+s 1993, 101).

Was die Höhe des Haushaltsschadens angeht, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats an der Klägerin, folgende Umstände darzulegen und im Falle des Bestreitens der Gegenseite unter Beweis zu stellen und zu beweisen: Die konkreten/individuellen Lebens- und Wohnverhältnisse, wie die Größe des Hauses, die Ausstattung des Hauses, die Zahl der zu versorgenden Personen und eine eventuelle Berufstätigkeit. Weiter ist der genaue Umfang der Haushaltstätigkeit vor dem Unfall darzulegen. Was wurde täglich erledigt, was nur wöchentlich, was eventuell monatlich. Dem gegenüberzustellen ist der Umfang der (noch möglichen) Haushaltstätigkeiten nach dem Unfall (Frage: Was ist noch möglich?).

Auch nach der Überzeugung des Senats ist die Klägerin ihrer Darlegungslast im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.11.2018 ausreichend nachgekommen. Sie hat ihre Wohn- bzw. Lebensverhältnisse dargelegt und aufgeführt, welche Haushaltsführungstätigkeiten in welchem Umfang sie vor dem Unfallereignis durchgeführt hat und welche Haushaltsführungstätigkeiten sie nach dem Unfall noch erledigen konnte. Soweit das Landgericht diese Darlegung der Klägerin als belastbar eingestuft hat, schließt sich der Senat dieser Einschätzung an. Aus der Aufstellung der Klägerin ergibt sich, dass sie vor dem Unfallereignis Haushaltsführungstätigkeiten (ohne Berücksichtigung der Versorgung der Tiere) im Umfang von 8,5 Stunden erledigt haben will.

Wie bereits oben ausgeführt ist es aber auch an dem Geschädigten, im Falle des Bestreitens der Gegenseite den entsprechenden Sachvortrag (Umfang der Haushaltstätigkeiten vor und nach dem Unfall) zu beweisen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 angegeben, sie habe pro Tag (nur) drei bis vier Stunden auf die Führung des Haushaltes verwendet (“… wenn ich alles mit rein rechne kochen etc. drei bis vier Stunden für den Haushalt“). Der Zeugen …, der Ehemann der Klägerin, hat gar keine Angaben bezüglich der pro Tag von der Klägerin im Haushalt aufgewendeten Stunden gemacht. Nach der Überzeugung des Senats konnten bei der Berechnung des der Klägerin zustehenden Haushaltsführungsschadens damit aber lediglich vier (bewiesene) Stunden täglich in Ansatz gebracht werden.

Was den „Sonderfall“ der Versorgung der Tiere der Klägerin bzw. der Familie der Klägerin angeht, will es der Senat nicht generell ausschließen, die Versorgung insbesondere eines im Haushalt des Geschädigten lebenden Haustieres bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens zu berücksichtigen. Vorliegend gelten aber folgende Besonderheiten, die in dem hier zu entscheidenden Einzelfall nicht zu einer Ersatzfähigkeit der entsprechenden von der Klägerin geltend gemachten Positionen führen. Gemäß ihrer Aufstellung in dem Schriftsatz vom 19.11.2018 hat die Klägerin ihren Hund bzw. den Hund der Familie vor dem Unfall 90 Minuten (morgens, mittags, abends) ausgeführt. Nach dem Unfall erfolgte dies in einem Umfang von (immerhin noch) 75 Minuten. Der Senat erkennt nicht, wo insoweit ein ersatzfähiger Schaden auf Seiten der Klägerin bestehen soll. Die Klägerin legt auch nicht nachvollziehbar dar, weshalb es ihr nicht möglich sein soll, auch nach dem Unfall weitere 15 Minuten mit dem Hund zu gehen bzw. dass der Hund durch die fehlenden 15 Minuten „einen Schaden erleiden soll“. Hierbei war auch zu beachten, dass der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 angegeben hat, er würde den Hund ebenfalls abends, teilweise auch nachts ausführen. Eine Kompensation findet somit statt.

Was die Versorgung der Fische und der Hasen angeht, handelt es sich nach der Überzeugung des Senats im Ergebnis um eine reine „Liebhaberei“ der Klägerin bzw. der Familie der Klägerin, die nicht zu einer Ersatzfähigkeit im Rahmen des Haushaltsführungsschadens führt, allerdings bei der Bemessung des Schmerzensgeldes durchaus zu berücksichtigen sein kann. Im übrigen ist es für den Senat aber auch nicht ersichtlich, weshalb entweder der Ehemann der Klägerin, oder aber die im Haushalt lebende Tochter nicht in der Lage sein soll, die Hasen und auch die Fische zu versorgen.

Was schließlich die Versorgung des Pferdes angeht, befindet sich dieses nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 in „Vollpension“. Insoweit hätte sich allenfalls die Frage gestellt, ob die für diese „Vollpension“ aufgewendeten Kosten einen ersatzfähigen materiellen Schaden der Klägerin darstellen. Mangels Darlegung der entsprechenden Kosten musste diese Frage von dem Senat vorliegend nicht beantwortet werden.

Im Ergebnis verbleibt es damit bei einem bewiesenen Aufwand der Klägerin in einer täglichen Höhe von vier Stunden. Was die Höhe des Stundensatzes angeht, bringt der Senat ab Einführung des Mindestlohnes diesen durchgängig zur Anwendung (OLG Koblenz 12 U 798/14, Urteil vom 11.05.2015, juris = DAR 2015, 462). Der Mindestlohn betrug im fraglichen Zeitraum 8,50 €.

Die obigen Ausführungen des Senats zugrunde gelegt, ergibt sich auf Seiten der Klägerin folgender Haushaltsführungsschaden:

12.07.2015 bis 08.12.2015: 496,40 € (146 Tage x 4 Stunden x 8,50 € = 4.964,00 €; davon 20 % = 992,80 €; davon 50 % (Mitverschulden) = 496,40 €)

08.12.2015 bis 19.01.2016: 714,00 €  (42 Tage x 4 Stunden x 8,50 € = 1.428,00 €; davon 50 % (Mitverschulden) = 714,00 €)

20.01.2016 bis 20.03.2016: 200,60 €  (59 Tage x 4 Stunden x 8,50 € = 2.006,00 €, 20 % = 401,20 €; davon 50 % = 200,60 €).

Im Ergebnis ergibt sich somit ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von insgesamt 1.411,00 €.

Schmerzensgeld

Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass bei der Klägerin der Grad der Behinderung von 50 sowie die Pflegestufe 1 festgestellt worden sei. Sie, die Beklagten, hätten dies ausdrücklich in Abrede gestellt.

Nach der Überzeugung des Senats kann es dahinstehen, ob bei der Klägerin tatsächlich von einem Grad der Behinderung von 50 sowie dem Vorliegen der Pflegestufe 1 auszugehen war. Bereits aufgrund der unstreitig von der Klägerin bei dem Unfall erlittenen Beeinträchtigungen ist die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4 000,00 € nicht zu beanstanden

Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es muss dabei der Höhe nach unter umfassender Berücksichtigung aller den Einzelfall prägenden Umstände, wie etwa Alter, Geschlecht, Beruf und persönliche Neigung des Geschädigten, festgesetzt werden und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzungen und der erlittenen Schmerzen stehen (mit zahlreichen Nachweisen Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Auflage, § 253 Rdnr. 4 ff.).

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Aufgrund der insoweit von den Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat sich die Klägerin infolge des Unfallereignisses vom 12.07.2015 eine HWS-Zerrung, eine leichte Schulterzerrung sowie eine Verletzung im rechten Sternoclaviculargelenk (SC-Gelenk) zugezogen. Besonders ins Gewicht fällt hierbei die Verletzung im SC-Gelenk, da insoweit nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen hier von einem Dauerschaden auszugehen ist. Die Folge hieraus war ebenfalls eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Klägerin. Weiter ist vorliegend von einer maßgeblichen Verschlimmerung/Beschleunigung der ACG-Arthrose auszugehen, was sich insbesondere aus dem Vergleich mit der vom Unfall nicht betroffenen linken Schulter ergibt. Die Klägerin musste sich aufgrund der erlittenen Unfallverletzungen einer Operation unterziehen und war über einen Zeitraum von sechs Wochen in ihrer Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Der Senat hat weiter bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, dass die Klägerin nach ihren nachvollziehbaren und überzeugenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 auch in ihrer Freizeitgestaltung erheblich unfallbedingt eingeschränkt war und ist. So ist es ihr nicht mehr möglich, ihr Pferd selbst zu versorgen, dieses insbesondere auszuführen. Auch die von ihr und ihrem Mann betriebene „Fischzucht“ ist ihr in dem vorherigen Umfang unfallbedingt nicht mehr möglich.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und unter weiterer Berücksichtigung des hälftigen Mitverschuldens der Klägerin, hält auch der Senat ein Schmerzensgeld in einer Höhe von 4.000,00 € für einen angemessenen aber auch ausreichenden Ausgleich für die von der Klägerin durch den Unfall erlittenen Beeinträchtigungen.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes hat die Klägerin schließlich auch Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz der angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Ausgehend von einem berechtigten Schadensersatzbetrag in oben festgestellter Höhe von 5.411,00 € ergeben sich insoweit vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,43 €.

Die ausgeurteilten Zinsforderungen rechtfertigen sich aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 8.000,00 € festgesetzt.

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