Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Haftungsverteilung bei Radunfällen: Ein komplexer Fall im Straßenverkehr
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche grundsätzlichen Verkehrsregeln gelten für Radfahrer bei der Nutzung von Radwegen und Fahrbahn?
- Wie wird die Haftung zwischen Auto- und Radfahrer bei einem Unfall grundsätzlich verteilt?
- Welche Versicherungen zahlen bei einem Unfall zwischen Auto und Fahrrad?
- Welche Beweise sind nach einem Fahrradunfall besonders wichtig?
- Welche ersten rechtlichen Schritte müssen nach einem Unfall zwischen Auto und Fahrrad eingeleitet werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
- Datum: 23.08.2024
- Aktenzeichen: 3 U 33/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren zur Schadensersatzklage nach Verkehrsunfall
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger, der mit seinem Pedelec auf einem für beide Fahrtrichtungen freigegebenen Geh- und Radweg fuhr und an einem Verkehrsunfall beteiligt war, bei dem er schwer verletzt wurde. Er stellt Ansprüche für materielle und immaterielle Schäden sowie vorgerichtliche Anwaltskosten.
- Beklagte: Der Erstbeklagte ist Fahrer eines Pkw, der in den Unfall verwickelt war, und der Pkw ist bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert. Die Beklagten argumentieren, der Unfall sei aufgrund eines unvorsichtigen Spurwechsels des Klägers unvermeidbar gewesen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger erlitt eine Querschnittslähmung nach einer Kollision mit dem Pkw des Erstbeklagten. Der Unfall geschah, als der Kläger vom Geh- und Radweg auf die Fahrbahn wechselte und dort mit dem Beklagtenfahrzeug kollidierte.
- Kern des Rechtsstreits: Im Mittelpunkt stand die Haftungsverteilung zwischen dem Kläger und den Beklagten. Der Kläger forderte vollständigen Schadenersatz, während die Beklagten die Alleinhaftung des Klägers aufgrund dessen unvorsichtigen Verhaltens beim Wechsel auf die Fahrbahn betonten.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht Saarbrücken änderte das Urteil des Landgerichts teilweise ab und entschied, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, 50 % des dem Kläger durch den Unfall entstandenen Schadens zu ersetzen. Der Kläger erhält vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € zugesprochen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass sowohl den Kläger als auch den Erstbeklagten ein Verschulden trifft. Während der Kläger gegen die Vorgaben der StVO verstoßen hat, indem er die Fahrbahn unvorsichtig betreten hat, reagierte der Erstbeklagte unzureichend auf den in seiner Fahrspur befindlichen Kläger. Die erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten rechtfertigte eine hälftige Haftungsteilung.
- Folgen: Die Beklagten müssen 50 % des Schadens ersetzen und die Anwaltskosten des Klägers zahlen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen.
Haftungsverteilung bei Radunfällen: Ein komplexer Fall im Straßenverkehr
Im dichten Verkehrsgeschehen begegnen sich Verkehrsteilnehmer täglich unter komplexen Bedingungen. Besonders gefährdet sind dabei Radfahrer, die sich zwischen motorisierten Fahrzeugen bewegen und dabei einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen mit Radfahrern ist ein sensibler Bereich des Verkehrsrechts, bei dem zahlreiche Faktoren wie Vorfahrtsregelungen, Verkehrssicherheit und individuelles Verhalten eine entscheidende Rolle spielen.
Die Schadensregulierung nach einem Unfall hängt von vielen Details ab: Wurde ein Fußgängerüberweg beachtet? Befand sich der Radfahrer auf einem ausgewiesenen Radweg? Welche Verkehrsordnungswidrigkeit liegt möglicherweise vor? Diese Fragen sind nicht nur für die Kfz-Haftpflichtversicherung relevant, sondern auch für die Unfallbeteiligten und deren Rechtsanwälte. Der folgende Fall zeigt exemplarisch, wie komplex solche Situationen sein können.
Der Fall vor Gericht
Gericht teilt Haftung bei schwerem Fahrradunfall zu gleichen Teilen

Die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls zwischen einem Pedelec-Fahrer und einem PKW beschäftigten das Oberlandesgericht Saarbrücken. Bei dem Unfall am 4. August 2018 erlitt der Fahrradfahrer eine Wirbelfraktur mit anschließender Querschnittslähmung und ist seitdem dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen.
Unfallhergang nach längerer Beweisaufnahme geklärt
Der Pedelec-Fahrer befuhr zunächst einen für beide Richtungen freigegebenen gemeinsamen Geh- und Radweg auf der linken Straßenseite. Nach den Feststellungen des Gerichts wechselte er auf die rechte Fahrbahn und fuhr dort etwa 15-20 Meter nahe der Mittellinie, bevor es beim Versuch, zur rechten Seite zu wechseln, zur Kollision mit dem von hinten kommenden Peugeot 2008 kam. Eine Zeugin beobachtete, dass der PKW-Fahrer zunächst bremste, dann wieder beschleunigte und schließlich auf das Fahrrad auffuhr.
Mehrere Verstöße gegen Verkehrsregeln festgestellt
Das Gericht sah auf beiden Seiten Fehlverhalten: Der Radfahrer verstieß gegen seine Pflicht, den ausgewiesenen Radweg zu benutzen. Die vom Kläger angeführte Verengung des Wegs durch Vegetation rechtfertigte nach Ansicht des Gerichts nicht die Nutzung der Fahrbahn, da ausreichend Platz zum Passieren blieb. Auch hätte er beim Wechsel auf die Fahrbahn besondere Sorgfalt walten lassen müssen.
Der PKW-Fahrer hingegen reagierte nach Überzeugung des Gerichts völlig unzureichend auf den Radfahrer, der sich bereits längere Zeit deutlich sichtbar auf der Fahrbahn befand. Eine überhöhte Geschwindigkeit wurde ihm nicht vorgeworfen, da er mit maximal 32 km/h deutlich unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fuhr.
Haftung zu gleichen Teilen festgelegt
Das OLG Saarbrücken entschied, dass beide Unfallbeteiligten jeweils zur Hälfte für die Unfallfolgen haften müssen. Das Verschulden des Radfahrers überwog nach Auffassung der Richter nicht die durch das Verschulden des PKW-Fahrers erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs. Die vom Landgericht zunächst angenommene Alleinhaftung des Radfahrers wurde damit aufgehoben.
Schadenersatz und Kostenerstattung
Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 50 Prozent aller materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen. Zusätzlich müssen sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 Euro nebst Zinsen zahlen. Die Prozesskosten wurden zwischen den Parteien aufgeteilt.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil zeigt, dass bei Unfällen zwischen Radfahrern und Autofahrern die Verantwortung geteilt sein kann, selbst bei schweren Verletzungsfolgen. Entscheidend ist das Verhalten beider Verkehrsteilnehmer – der Radfahrer muss beim Spurwechsel besondere Sorgfalt walten lassen, während Autofahrer stets bremsbereit sein und den Verkehrsraum beobachten müssen. Das Gericht entschied hier auf eine 50:50 Haftungsverteilung, da beide Seiten Verkehrsregeln verletzt haben.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Nach einem Verkehrsunfall haben Sie auch dann Anspruch auf Schadenersatz, wenn Sie als Radfahrer eine Mitschuld tragen – Sie müssen also nicht komplett fehlerfrei gehandelt haben. Selbst bei einem Verstoß gegen Verkehrsregeln können Sie noch 50% Ihrer Schäden ersetzt bekommen. Wichtig ist, dass Sie nach einem Unfall alle Beweise sichern und sich rechtlich beraten lassen, da die genaue Haftungsverteilung von vielen Faktoren abhängt. Dies gilt besonders für Fälle mit schweren Verletzungen, bei denen hohe Schadenersatzansprüche im Raum stehen.
Benötigen Sie Hilfe?
Unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt?
Gerade bei Unfällen mit Radfahrern ist die Haftungsfrage oft komplex. Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen und den Ihnen zustehenden Schadenersatz zu erhalten. Dabei berücksichtigen wir alle relevanten Faktoren und erarbeiten die optimale Strategie für Ihren individuellen Fall.
Sichern Sie sich Ihre Ansprüche und lassen Sie uns gemeinsam die rechtlichen Möglichkeiten prüfen. Kontaktieren Sie uns für eine erste unverbindliche Einschätzung Ihrer Situation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche grundsätzlichen Verkehrsregeln gelten für Radfahrer bei der Nutzung von Radwegen und Fahrbahn?
Grundsätzliche Regelung zur Fahrbahnnutzung
Radfahrer müssen grundsätzlich die Fahrbahn benutzen. Dies gilt immer dann, wenn kein benutzungspflichtiger Radweg vorhanden ist. Auf der Fahrbahn müssen Sie einen Sicherheitsabstand von etwa 80-100 cm zum rechten Fahrbahnrand einhalten.
Radwegbenutzungspflicht
Eine Pflicht zur Nutzung von Radwegen besteht ausschließlich dann, wenn diese durch eines der folgenden Verkehrszeichen gekennzeichnet sind:
- Zeichen 237 (Radweg)
- Zeichen 240 (gemeinsamer Geh- und Radweg)
- Zeichen 241 (getrennter Geh- und Radweg)
Wenn der Radweg durch Hindernisse wie Schnee, parkende Autos oder andere Barrieren nicht nutzbar ist, dürfen Sie trotz Benutzungspflicht auf die Fahrbahn ausweichen.
Regelungen für nicht benutzungspflichtige Radwege
Bei Radwegen ohne blaue Beschilderung haben Sie die freie Wahl zwischen Radweg und Fahrbahn. Rechtsseitige Radwege dürfen Sie in diesem Fall benutzen, linksseitige Radwege hingegen nur, wenn das Zusatzschild „Radfahrer frei“ dies ausdrücklich erlaubt.
Besondere Regelungen für bestimmte Personengruppen
Für Kinder gelten spezielle Vorschriften:
- Kinder bis 8 Jahre müssen auf dem Gehweg fahren
- Kinder zwischen 8 und 10 Jahren dürfen zwischen Gehweg und Radweg wählen
- Ab 10 Jahren gelten die allgemeinen Regelungen für Radfahrer
Verhalten bei gemeinsamer Nutzung
Wenn Sie einen gemeinsamen Geh- und Radweg (Zeichen 240) benutzen, müssen Sie besondere Rücksicht auf Fußgänger nehmen. Bei Wegen mit dem Zusatzschild „Radfahrer frei“ dürfen Sie nur mit Schrittgeschwindigkeit (4-7 km/h) fahren.
Nebeneinanderfahren
Sie dürfen mit dem Fahrrad neben anderen Radfahrern fahren, solange Sie den Verkehr dadurch nicht behindern. In Fahrradstraßen ist das Nebeneinanderfahren grundsätzlich erlaubt. Bei geschlossenen Verbänden ab 16 Radfahrern dürfen Sie ebenfalls zu zweit nebeneinander fahren.
Wie wird die Haftung zwischen Auto- und Radfahrer bei einem Unfall grundsätzlich verteilt?
Bei Unfällen zwischen Auto und Fahrrad gilt zunächst eine Grundhaftung des Kraftfahrzeugs von 25-33% aufgrund der sogenannten Betriebsgefahr. Diese Betriebsgefahr ergibt sich aus §§ 7, 18 Straßenverkehrsgesetz und besteht unabhängig von einem Verschulden des Autofahrers.
Geteilte Haftung als Regelfall
Die konkrete Haftungsverteilung richtet sich nach dem Grad des Verschuldens beider Beteiligten. Wenn beide Verkehrsteilnehmer zum Unfall beigetragen haben, kommt es zu einer geteilten Haftung. Ein Gericht kann beispielsweise entscheiden, dass der Radfahrer zu 60% und der Autofahrer zu 40% für den Unfall verantwortlich ist.
Vollständige Haftung des Radfahrers
Bei groben Verkehrsverstößen des Radfahrers kann die Betriebsgefahr des Autos vollständig zurücktreten. Dies ist insbesondere der Fall bei:
- Missachtung einer eindeutigen Vorfahrt
- Verbotswidrigem Befahren des Gehwegs mit unangepasster Geschwindigkeit
- Mehrfachen schweren Verkehrsverstößen gleichzeitig
Vollständige Haftung des Autofahrers
Der Autofahrer haftet vollständig, wenn er den Unfall durch eigenes Fehlverhalten verursacht hat, etwa durch:
- Unachtsames Abbiegen ohne ausreichende Beobachtung des Verkehrs
- Plötzliches Einfahren aus einem Grundstück ohne entsprechende Vorsicht
- Missachtung der besonderen Sorgfaltspflicht gegenüber Radfahrern
Die Haftungsquote wird stets im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände festgelegt. Dabei spielen Faktoren wie Sichtverhältnisse, Geschwindigkeit, Verkehrsregelverstöße und die Möglichkeit zur Unfallvermeidung eine entscheidende Rolle.
Welche Versicherungen zahlen bei einem Unfall zwischen Auto und Fahrrad?
Wenn der Autofahrer den Unfall verursacht hat
Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Autofahrers übernimmt die Schäden am Fahrrad sowie die Personen- und Sachschäden des Radfahrers. Aufgrund der sogenannten Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs haftet der Autofahrer in der Regel mit mindestens 25-33%, auch wenn ihn keine direkte Schuld trifft.
Wenn der Radfahrer den Unfall verursacht hat
Die private Haftpflichtversicherung des Radfahrers kommt für die Schäden am Auto und mögliche Personenschäden des Autofahrers auf. Bei groben Verkehrsverstößen des Radfahrers, wie etwa der Missachtung einer roten Ampel, kann dessen Haftungsanteil auf bis zu 100% steigen.
Bei Unfällen auf dem Arbeitsweg
Die gesetzliche Unfallversicherung greift bei Unfällen auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit. Dies gilt jedoch nur für den unmittelbaren Arbeitsweg – Umwege, etwa zum Einkaufen, sind nicht versichert.
Bei Unfällen ohne Fremdverschulden
Die private Unfallversicherung des Radfahrers leistet bei Stürzen ohne Fremdeinwirkung in der Freizeit. Sie übernimmt beispielsweise Kosten für:
- Rettungsmaßnahmen
- Hilfsmittel wie Rollstühle
- Dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen
Bei geteilter Schuld
In vielen Fällen wird eine Haftungsquote festgelegt. Die typische Verteilung liegt bei zwei Dritteln zu Lasten des Autofahrers und einem Drittel zu Lasten des Radfahrers. Diese Quote kann sich je nach Verschuldensgrad der Beteiligten verschieben.
Welche Beweise sind nach einem Fahrradunfall besonders wichtig?
Sofortige Dokumentation der Unfallstelle
Nach einem Fahrradunfall müssen Sie unmittelbar mit der systematischen Beweissicherung beginnen. Fertigen Sie umgehend Fotos von der gesamten Unfallstelle aus verschiedenen Perspektiven an. Dokumentieren Sie dabei die Positionen aller beteiligten Fahrzeuge, eventuelle Bremsspuren und sämtliche Beschädigungen.
Medizinische Dokumentation
Lassen Sie sich nach dem Unfall ärztlich untersuchen, auch wenn zunächst keine schweren Verletzungen erkennbar sind. Die medizinische Dokumentation umfasst Arztberichte, Atteste und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Führen Sie zusätzlich ein Schmerztagebuch, in dem Sie täglich Ihre Beschwerden und Einschränkungen festhalten.
Zeugen und Polizei
Sprechen Sie gezielt Personen an, die den Unfall beobachtet haben. Notieren Sie deren vollständige Kontaktdaten und bitten Sie die Zeugen, ihre Beobachtungen kurz schriftlich festzuhalten. Neutrale Zeugenaussagen haben vor Gericht besonderes Gewicht.
Bei Personenschäden oder unklarem Unfallhergang sollten Sie die Polizei zur Unfallaufnahme hinzuziehen. Das polizeiliche Unfallprotokoll dient als wichtiges Beweismittel für den späteren Verfahrensverlauf.
Sachschäden
Dokumentieren Sie detailliert alle Beschädigungen an Ihrem Fahrrad, Ihrer Kleidung und anderen Gegenständen. Achten Sie besonders auf Kratzer, Dellen und abgebrochene Teile. Bewahren Sie alle Reparaturrechnungen und Belege auf.
In komplexeren Fällen kann ein Sachverständigengutachten erforderlich sein. Der Sachverständige untersucht dabei den Unfallhergang und die technischen Aspekte, was besonders bei der Beurteilung der Unfallursache wichtig ist.
Falls Sie ein GPS-Gerät oder eine Fahrrad-App verwendet haben, können die aufgezeichneten Daten zu Geschwindigkeit und Route ebenfalls als Beweismittel dienen.
Welche ersten rechtlichen Schritte müssen nach einem Unfall zwischen Auto und Fahrrad eingeleitet werden?
Sofortmaßnahmen am Unfallort
Bei einem Unfall zwischen Auto und Fahrrad müssen Sie zunächst die Unfallstelle absichern und bei Verletzten Erste Hilfe leisten. Die Polizei muss verständigt werden, wenn Personen verletzt wurden oder Uneinigkeit über den Unfallhergang besteht. Bei geringfügigen Sachschäden und Einigkeit über den Unfallhergang kann auf die Polizei verzichtet werden.
Dokumentation und Beweissicherung
Sie müssen unmittelbar nach dem Unfall alle relevanten Daten dokumentieren:
- Personalien aller Beteiligten (Name, Anschrift, Telefonnummer)
- Bei Autofahrern: Führerschein- und Fahrzeugdaten, Kfz-Kennzeichen
- Versicherungsdaten (Kfz-Haftpflicht bzw. private Haftpflichtversicherung)
- Kontaktdaten möglicher Zeugen
- Fotos von Unfallstelle, Schäden und Verletzungen
Rechtliche Pflichten
Als Unfallbeteiligter haben Sie die Pflicht, am Unfallort zu bleiben, bis die Personalien ausgetauscht und der Unfallhergang geklärt sind. Ein vorzeitiges Verlassen der Unfallstelle erfüllt den Straftatbestand der Unfallflucht nach § 142 StGB. Bei Verletzungen besteht zudem die Pflicht zur Hilfeleistung nach § 323c StGB.
Versicherungsmeldung
Nach dem Unfall müssen Sie innerhalb einer Woche die zuständigen Versicherungen informieren:
- Bei Verschulden des Autofahrers: Die Kfz-Haftpflichtversicherung
- Bei Verschulden des Radfahrers: Die private Haftpflichtversicherung
- Bei einem Arbeitswegeunfall: Die gesetzliche Unfallversicherung
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Gesamtschuldner
Mehrere Personen, die gemeinsam für eine Schuld haften und vom Gläubiger jeweils für die gesamte Leistung in Anspruch genommen werden können. Dies ist in § 421 BGB geregelt. Der Gläubiger kann wählen, von welchem Schuldner er die Leistung verlangt. Wenn ein Gesamtschuldner die volle Summe zahlt, werden die anderen von der Schuld befreit. Im Innenverhältnis können die Gesamtschuldner dann untereinander Ausgleich verlangen. Beispiel: Wenn bei einem Unfall zwei Verursacher als Gesamtschuldner haften, kann das Unfallopfer von jedem die volle Summe verlangen.
Betriebsgefahr
Das grundsätzliche Risiko, das von einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr ausgeht, auch ohne Verschulden des Fahrers. Geregelt in § 7 StVG. Sie führt zu einer Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters, unabhängig von einem Verschulden. Die Betriebsgefahr wird bei der Schadensverteilung nach Unfällen berücksichtigt und kann die Haftungsquote beeinflussen. Je schwerer und schneller ein Fahrzeug ist, desto höher ist seine Betriebsgefahr. Bei einem Unfall zwischen PKW und Fahrrad wird die höhere Betriebsgefahr des PKW in die Haftungsverteilung einberechnet.
Haftungsquote
Der prozentuale Anteil, zu dem jeder Unfallbeteiligte den Schaden tragen muss. Sie wird vom Gericht nach Abwägung aller Umstände festgelegt, basierend auf § 254 BGB (Mitverschulden). Dabei werden Faktoren wie Verschuldensgrad, Betriebsgefahr und Verursachungsbeitrag berücksichtigt. Beispiel: Bei einer 50:50 Haftungsquote muss jede Partei die Hälfte des Gesamtschadens tragen, unabhängig davon, bei wem der Schaden entstanden ist.
Schadensregulierung
Der gesamte Prozess der Schadensfeststellung, -berechnung und Entschädigung nach einem Unfall. Basiert auf §§ 249 ff. BGB. Umfasst sowohl materielle Schäden (z.B. Reparaturkosten, Verdienstausfall) als auch immaterielle Schäden (Schmerzensgeld). Die Versicherungen prüfen dabei Haftung, Schadenshöhe und vereinbaren Zahlungen. Beispiel: Nach einem Unfall werden Gutachter beauftragt, Rechnungen gesammelt und mit der Versicherung verhandelt.
Verkehrsordnungswidrigkeit
Ein Verstoß gegen Verkehrsvorschriften, der mit einem Bußgeld geahndet wird. Geregelt im Ordnungswidrigkeitengesetz und der StVO. Weniger schwerwiegend als eine Straftat, aber relevant für Haftungsfragen bei Unfällen. Typische Beispiele sind: Missachtung der Radwegbenutzungspflicht, zu geringer Seitenabstand beim Überholen oder Rotlichtverstöße. Die Feststellung einer Ordnungswidrigkeit kann die Haftungsquote bei einem Unfall beeinflussen.
Mitverschulden
Eine Mitverantwortung des Geschädigten am entstandenen Schaden nach § 254 BGB. Führt zur Kürzung des Schadenersatzanspruchs. Das Gericht bewertet dabei, inwieweit das Verhalten des Geschädigten zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens beigetragen hat. Beispiel: Wenn ein Radfahrer verbotswidrig die Fahrbahn nutzt und dann einen Unfall erleidet, kann sein Schadenersatzanspruch wegen Mitverschuldens gemindert werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB: Dieser Paragraph regelt die allgemeine Schadensersatzpflicht im deutschen Zivilrecht. Wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte durch den Verkehrsunfall fahrlässig den Kläger verletzt, wodurch eine Schadensersatzpflicht gemäß § 823 BGB begründet wird.
- § 1 StVO: Dieser Paragraph legt die grundlegenden Verhaltensregeln im Straßenverkehr fest. Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr beeinträchtigt wird.
Der Kläger argumentiert, dass der Beklagte seine Sorgfaltspflicht gemäß § 1 StVO verletzt hat, indem er den vor ihm liegenden Verkehrsraum nicht ausreichend beobachtet und somit den Unfall verursacht hat.
- § 10 StVO: Dieser Paragraph regelt das Abbiegen und den Spurwechsel. Verkehrsteilnehmer müssen beim Abbiegen oder Spurwechsel die erforderliche Sorgfalt walten lassen, um Gefährdungen zu vermeiden.
Das Landgericht stellte fest, dass der Kläger beim Wechsel auf die Fahrbahn gegen § 10 Satz 1 StVO verstoßen hat, was sein Mitverschulden am Unfall begründet.
- § 3 Abs. 1 StVO: Diese Vorschrift verpflichtet Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der Verkehrsregeln und zur Rücksichtnahme. Jeder muss so handeln, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt oder gefährdet wird.
Im Urteil wurde geprüft, ob der Beklagte gegen § 3 Abs. 1 StVO verstoßen hat. Eine Verletzung dieser Pflicht könnte die Haftung des Beklagten im Unfall beeinflussen.
- § 340 ZPO: Dieser Paragraph behandelt die gesamtschuldnerische Haftung bei mehreren Schuldnern. Jeder Schuldner haftet in vollem Umfang für die gesamte Schuld, wodurch der Gläubiger die Wahl hat, von jedem Schuldner die gesamte Leistung zu verlangen.
Im Urteil wurden die Beklagten als Gesamtschuldner festgelegt, wodurch jeder von ihnen verpflichtet ist, 50 % des entstandenen Schadens an den Kläger zu zahlen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 3 U 33/23 – Urteil vom 23.08.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.