Skip to content

Verkehrsunfall mit verbotswidrig den Gehweg befahrenden jugendlichen Radfahrer

Ein Radfahrer auf dem Gehweg, ein Auto aus der Grundstücksausfahrt – diese explosive Mischung führte zu einem folgenschweren Zusammenstoß. Ein 16-jähriger Pedelec-Fahrer erlitt schwere Verletzungen, als er dort fuhr, wo Radfahrer eigentlich nichts zu suchen haben. Die zentrale Frage: Wer trägt die Schuld, wenn scheinbare Sicherheit plötzlich zur Gefahr wird? Ein Gericht rang um eine faire Verteilung der Verantwortung.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 31 O 73/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Bayreuth
  • Datum: 23.05.2022
  • Aktenzeichen: 31 O 73/21
  • Verfahrensart: Grundurteil
  • Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Haftungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein zur Unfallzeit 16-jähriger Pedelec-Fahrer, der nach einem Zusammenstoß mit einem Pkw Verletzungen und Schäden geltend machte.
  • Beklagte: Der Fahrer eines Pkw, der aus einer Grundstücksausfahrt kam, sowie dessen Kfz-Versicherung.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Bei einem Verkehrsunfall stieß ein 16-jähriger Pedelec-Fahrer, der auf dem Gehweg fuhr, mit einem aus einer Grundstücksausfahrt kommenden Pkw zusammen. Der Pedelec-Fahrer stürzte, wurde verletzt und machte umfangreiche materielle und immaterielle Schäden geltend.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Klärung der Ersatzpflicht nach dem Verkehrsunfall und die Feststellung der Haftungsquote zwischen dem Pkw-Fahrer und dem auf dem Gehweg fahrenden Pedelec-Fahrer.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage wurde dem Grunde nach zu einem Viertel als berechtigt festgestellt. Eine endgültige Entscheidung über die Kosten des Verfahrens blieb vorbehalten.
  • Begründung: Die Haftung des Pkw-Fahrers und seiner Versicherung beruht auf der Betriebsgefahr des Fahrzeugs. Ein erhebliches Mitverschulden des Pedelec-Fahrers wurde festgestellt, da er als über Zwölfjähriger den Gehweg unzulässigerweise benutzte, obwohl dieser kein Radweg war und dies unfallursächlich war. Die Betriebsgefahr des Pkw trat jedoch nicht vollständig hinter dem Mitverschulden des Pedelec-Fahrers zurück, auch aufgrund der besonderen Verkehrssituation in Bayreuth, wo die Nutzung von Gehwegen durch Radfahrer verbreitet ist.
  • Folgen: Die Beklagten, also der Pkw-Fahrer und seine Versicherung, haften für ein Viertel der dem Pedelec-Fahrer entstandenen Schäden.

Der Fall vor Gericht


Radfahrer auf dem Gehweg: Wer haftet bei einem Unfall mit einem Auto aus der Grundstücksausfahrt?

Viele kennen die Situation: Man ist mit dem Fahrrad unterwegs und fühlt sich auf dem Gehweg sicherer als auf der befahrenen Straße. Doch was passiert, wenn genau dort ein Unfall geschieht, weil ein Auto aus einer Grundstücksausfahrt kommt? Genau mit dieser Frage musste sich das Landgericht Bayreuth beschäftigen. Ein Urteil beleuchtet, wie Gerichte die Verantwortung in solchen Fällen verteilen.

Der folgenschwere Zusammenstoß an einem Januarmorgen

Junger Fahrradfahrer stürzt bei Kollision mit Auto auf Gehweg, Polizei bei Unfall vor Ort
Pedelec auf Gehweg kollidiert mit Auto aus Grundstücksausfahrt trotz Sichtbehinderung. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

An einem Vormittag im Januar war ein junger Mann, damals 16 Jahre alt, nennen wir ihn Herrn K. (der spätere Kläger und verletzte Radfahrer), mit seinem Pedelec – einem Elektrofahrrad, das bis 25 km/h unterstützt – in der Stadt B. unterwegs. Er kam von einem kombinierten Geh- und Radweg und fuhr dann auf dem rechten Gehweg einer Straße weiter, anstatt die Fahrbahn zu benutzen. Gleichzeitig wollte Herr M. (der spätere Beklagte zu 1 und Autofahrer) mit seinem Pkw Audi aus einer Grundstücksausfahrt auf eben diese Straße einbiegen. Die Sicht zwischen der Ausfahrt und dem Gehweg war durch eine Hecke stark eingeschränkt.

Es kam, wie es kommen musste: Das Auto und das Pedelec stießen zusammen. Herr K. stürzte und verletzte sich erheblich. Er erlitt unter anderem einen Bruch des Oberschenkelhalses, der operiert werden musste, einen Bruch am Handgelenk und diverse Prellungen sowie eine Platzwunde am Kopf. Später kam eine zweite Operation zur Metallentfernung hinzu. Herr K. gab an, monatelang arbeitsunfähig gewesen zu sein, auf Gehhilfen angewiesen war und mit dauerhaften Einschränkungen, auch bei seinen Freizeitaktivitäten wie Golf, rechnen müsse.

Neben den gesundheitlichen Folgen entstanden auch Sachschäden: Das Pedelec war kaputt (Schaden rund 1.880 Euro plus Gutachterkosten), ebenso Kleidung und ein iPhone. Herr K. machte zudem einen Haushaltsführungsschaden geltend – das ist der Schaden, der entsteht, weil man wegen der Verletzungen den eigenen Haushalt nicht mehr führen kann – und eine Pauschale für allgemeine Unkosten. Die Versicherung des Autofahrers, nennen wir sie die V-AG (die spätere Beklagte zu 2), zahlte vorgerichtlich pauschal 2.000 Euro, lehnte aber weitere Zahlungen ab.

Der Weg vor Gericht: Wer trägt die Verantwortung?

Herr K. war der Meinung, der Autofahrer sei zu schnell aus der Ausfahrt gekommen und habe ihn frontal gerammt. Er habe auf einem Geh- und Radweg fahren dürfen und sei aufgrund von Kopf- und Bauchschmerzen auf dem Heimweg von der Schule gewesen. Er forderte vor Gericht ein Schmerzensgeld (eine finanzielle Entschädigung für erlittene körperliche und seelische Schmerzen) von mindestens 60.000 Euro, Ersatz der Sachschäden von über 4.300 Euro und die Feststellung, dass der Autofahrer und seine Versicherung auch für alle zukünftigen Schäden aufkommen müssen.

Der Autofahrer Herr M. und seine Versicherung, die V-AG, sahen das anders. Sie meinten, eine eventuell geringe Mitschuld ihrerseits sei durch die bereits gezahlten 2.000 Euro abgegolten und forderten die Abweisung der Klage. Um Licht ins Dunkel des Unfallhergangs zu bringen, holte das Gericht eine amtliche Auskunft der Stadt B. ein und beauftragte einen Sachverständigen, der den Unfall analysieren sollte. Dieser Sachverständige, ein Diplomingenieur, erstellte ein Sachverständigengutachten (ein Bericht eines Experten, der dem Gericht hilft, technische oder komplexe Fragen zu verstehen).

Die Kernfrage für das Gericht: Wie ist die Schuld verteilt?

Das Landgericht Bayreuth musste nun klären, wer für den Unfall verantwortlich war und in welchem Maße. Juristen sprechen hier von der Haftungsquote – also dem Anteil, den jede Seite am Schaden zu tragen hat. War allein der Autofahrer schuld? Oder der Radfahrer? Oder beide? Und wenn beide, wer zu welchem Anteil?

Die Entscheidung des Gerichts: Eine geteilte Verantwortung

Das Gericht traf hier ein sogenanntes Grundurteil. Das bedeutet, es hat erst einmal nur darüber entschieden, ob und zu welchem Anteil der Autofahrer und seine Versicherung grundsätzlich für den Schaden aufkommen müssen. Die genaue Höhe des Geldes wird erst später festgelegt. Die Entscheidung lautete: Die Klage von Herrn K. ist dem Grunde nach zu einem Viertel (1/4) berechtigt. Das bedeutet, Herr M. und die V-AG müssen für 25 % des gesamten Schadens von Herrn K. aufkommen.

Aber warum kam das Gericht zu dieser Entscheidung? Schauen wir uns die Begründung genauer an.

Die Begründung des Gerichts: Schritt für Schritt erklärt

Das Gericht stellte fest, dass der Autofahrer und seine Versicherung grundsätzlich für den Unfall haften. Diese Haftung ergibt sich unter anderem aus dem Straßenverkehrsgesetz (kurz StVG), genauer gesagt aus § 7. Dieser Paragraph regelt, dass der Halter eines Fahrzeugs für Schäden haftet, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen. Das nennt man Betriebsgefahr. Jedes Auto, das am Verkehr teilnimmt, stellt allein durch seine Anwesenheit und seinen Betrieb eine gewisse Gefahr dar – wie ein schwerer Gegenstand, der potenziell herunterfallen und Schaden anrichten kann, auch wenn niemand ihn absichtlich fallen lässt.

Die Versicherung des Autofahrers haftet ebenfalls, was sich aus dem Versicherungsvertragsgesetz (kurz VVG, § 115) ergibt, das einen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung ermöglicht.

Die Rolle des Autofahrers: Geringe Geschwindigkeit, aber eingeschränkte Sicht

Konnte dem Autofahrer Herrn M. über diese allgemeine Betriebsgefahr hinaus ein konkretes Fehlverhalten, also ein Verschulden, nachgewiesen werden? Das Gericht sagte: Nein.

Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass Herr M. zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes nur sehr langsam fuhr, etwa mit 1-4 km/h. Für Herrn M. war der heranfahrende Herr K. erst extrem spät zu sehen: nämlich erst, als Herr M. selbst schon 2,3 Meter auf den Gehweg gefahren war und Herr K. nur noch etwa 4 Meter entfernt war. Über die Hecke hätte Herr M. allenfalls den Kopf von Herrn K. sehen können, wenn dieser noch ca. 10 Meter entfernt gewesen wäre.

Der Sachverständige errechnete auch, dass der Unfall für Herrn M. nicht mehr vermeidbar gewesen wäre, wenn Herr K. schneller als 4 km/h fuhr. Umgekehrt wäre der Unfall für Herrn K. nicht mehr vermeidbar gewesen, wenn er schneller als 10 km/h unterwegs war. Die genauen Ausgangsgeschwindigkeiten beider Beteiligten ließen sich aber nicht mehr feststellen.

Herr M. hatte ausgesagt, er habe sich mit niedrigster Geschwindigkeit aus der Einfahrt „herausgetastet“. Diese Aussage konnte der Sachverständige technisch nicht widerlegen. Obwohl das Gericht Herrn K. glaubte, dass sich das Auto aus seiner Sicht so schnell näherte, dass er nicht mehr reagieren konnte, war dies laut Sachverständigem schon bei einer für ein Pedelec normalen Geschwindigkeit ab 10 km/h der Fall. Ein konkreter Vorwurf an Herrn M., er sei beispielsweise zu schnell oder unaufmerksam gewesen, ließ sich also nicht beweisen.

Lag höhere Gewalt vor?

Könnte es sich um einen Fall von höherer Gewalt handeln? Das ist ein von außen kommendes, unabwendbares Ereignis, mit dem niemand rechnen muss, wie zum Beispiel ein plötzlich umstürzender Baum bei Sturm. Das Gericht verneinte dies klar. Ein Unfall im Straßenverkehr ist ein typischer verkehrsbezogener Vorgang. Mit Radfahrern, die verbotenerweise den Gehweg benutzen, müsse man generell rechnen – im Bereich der Stadt B. sogar mit höherer Wahrscheinlichkeit. Das Gericht führte aus, dass es gerichtsbekannt sei, dass dieser Verkehrsverstoß in B. weit verbreitet ist. Dies sei auch auf eine frühere Praxis der Verkehrsbehörde zurückzuführen, die oft ungeeignete Flächen als Radwege ausgewiesen hatte.

Das erhebliche Mitverschulden des Radfahrers

Nun kommt der entscheidende Punkt für die Haftungsverteilung: Das Gericht sah ein erhebliches Mitverschulden bei Herrn K. Das bedeutet, Herr K. hat selbst durch sein Verhalten maßgeblich zum Unfall beigetragen. Aber warum?

Herr K. fuhr mit seinem Pedelec auf dem Gehweg. Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO, § 2 Absatz 1) ist das für Radfahrer über zehn Jahren grundsätzlich verboten; sie müssen die Fahrbahn benutzen, es sei denn, ein Radweg ist ausgeschildert. Herr K. war zum Unfallzeitpunkt bereits 16 Jahre alt.

Das Gericht prüfte auch, ob es sich bei dem von Herrn K. benutzten Weg tatsächlich um einen reinen Gehweg handelte. Herr K. kam zwar von einem kombinierten Geh- und Radweg. Dieser endet aber, so die Regel, an der Einmündung in eine Straße, wenn nichts anderes beschildert ist. Die Stadt B. bestätigte, dass an der Unfallstelle keine andere Regelung galt. Der Weg war also ein reiner Gehweg. Dass der Gehweg optisch wie eine Fortsetzung des vorherigen Radwegs aussah, änderte nichts an seiner rechtlichen Einstufung.

War dieses falsche Verhalten aber auch kausal für den Unfall? Juristen sprechen hier von Kausalität, also der Ursächlichkeit. Das Gericht sagte: Ja. Hätte Herr K. vorschriftsmäßig die Fahrbahn benutzt, wäre es nicht zu diesem Unfall gekommen, da die Sichtbeziehungen dann ganz andere gewesen wären.

Die Abwägung: Warum trotzdem eine Teilhaftung des Autofahrers?

Obwohl Herrn K. ein erhebliches Mitverschulden traf, sagte das Gericht, dass dieses Verschulden nicht so schwer wiegt, dass die Betriebsgefahr des Autos von Herrn M. vollständig dahinter zurücktreten müsste. Man stelle sich eine Waage vor: Auf der einen Seite liegt das Fehlverhalten des Radfahrers, auf der anderen die generelle Gefahr, die von einem Auto ausgeht.

Bei dieser Abwägung berücksichtigte das Gericht mehrere Aspekte:

  1. Das Alter von Herrn K. (zum Unfallzeitpunkt 16 Jahre).
  2. Die optische Erscheinung des Weges, die den Eindruck erwecken konnte, es handle sich um eine Fortsetzung des Radweges.
  3. Ganz wesentlich: die spezielle Verkehrssituation in der Stadt B., wo das verbotswidrige Befahren von Gehwegen durch Radfahrer laut Gericht sehr verbreitet ist und von Autofahrern teilweise sogar erwartet wird. Herr K. habe sich, so das Gericht, im Grunde dem schlechten Vorbild anderer Radfahrer und der dadurch entstandenen Erwartungshaltung angepasst.

Diese besonderen Umstände führten dazu, dass das Verschulden von Herrn K. zwar als erheblich, aber nicht als allein ausschlaggebend bewertet wurde. Die Betriebsgefahr des Autos von Herrn M. trat daher nicht vollständig zurück.

Nach sorgfältiger Abwägung all dieser Punkte kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Verantwortung für den Unfall zu 3/4 bei Herrn K. (dem Radfahrer) und zu 1/4 bei Herrn M. (bzw. dessen Fahrzeug und Versicherung) liegt. Daher muss die V-AG für ein Viertel des Schadens von Herrn K. aufkommen.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Radfahrer auch dann teilweise haftbar gemacht werden können, wenn sie regelwidrig auf dem Gehweg fahren und dort von einem Auto erfasst werden. Das Gericht teilte die Verantwortung auf: 75% trägt der Radfahrer wegen der verbotenen Gehwegnutzung, 25% der Autofahrer aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Entscheidend war, dass der Autofahrer sehr langsam und vorsichtig aus der Ausfahrt kam, während der Radfahrer gegen die Verkehrsregeln verstieß. Das Urteil macht deutlich, dass auch als Unfallopfer eine erhebliche Mitschuld entstehen kann, wenn man sich verkehrswidrig verhält – selbst wenn örtlich viele andere Radfahrer genauso handeln.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Dürfen Radfahrer generell auf dem Gehweg fahren?

Nein, Radfahrer dürfen generell nicht auf dem Gehweg fahren. Gehwege sind, wie der Name schon sagt, grundsätzlich ausschließlich für Fußgänger vorgesehen. Das Befahren des Gehwegs mit dem Fahrrad ist für erwachsene Radfahrer in der Regel verboten und kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Diese grundlegende Regelung ist in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) festgeschrieben.

Ausnahmen von der Regel

Es gibt jedoch einige wichtige Ausnahmen, die das Befahren des Gehwegs erlauben:

  • Kinder auf dem Gehweg:
    • Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen den Gehweg benutzen. Sie dürfen mit ihrem Fahrrad nicht auf der Fahrbahn fahren.
    • Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen den Gehweg benutzen. Das bedeutet, sie haben in diesem Alter die Wahl, ob sie auf dem Gehweg oder auf der Fahrbahn fahren möchten.
    • Erwachsene Begleitpersonen, die ein Kind unter 8 Jahren beaufsichtigen, dürfen ebenfalls auf dem Gehweg fahren, um ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen. Für Sie als Begleitperson ist es also ausnahmsweise erlaubt, den Gehweg zu nutzen, um die Sicherheit des Kindes zu gewährleisten.
  • Besondere Kennzeichnung des Gehwegs:
    • Ein Gehweg darf von Radfahrern nur dann befahren werden, wenn er durch eine spezielle Beschilderung dafür freigegeben ist. Achten Sie auf die Verkehrsschilder.
    • Ein typisches Beispiel ist das blaue Schild für einen Gehweg (Zeichen 239) mit einem Zusatzzeichen „Radfahrer frei“. Dieses Zusatzzeichen erlaubt Radfahrern die Nutzung des Gehwegs.
    • Ebenso sind Gehwege, die als gemeinsamer Geh- und Radweg (blaues Schild mit Fußgänger und Fahrrad nebeneinander, Zeichen 241) oder als getrennter Geh- und Radweg (blaues Schild mit Fußgänger und Fahrrad untereinander, Zeichen 240) ausgewiesen sind, für Radfahrer nutzbar.

Verhalten auf dem Gehweg bei erlaubter Nutzung

Auch wenn das Fahren auf dem Gehweg ausnahmsweise erlaubt ist, müssen Sie immer besondere Rücksicht auf Fußgänger nehmen. Das bedeutet:

  • Fußgänger haben stets Vorrang. Sie müssen damit rechnen, dass Fußgänger auf dem Gehweg die volle Breite nutzen und sich unvorhersehbar bewegen können.
  • Fahren Sie immer mit angepasster Geschwindigkeit. In der Regel bedeutet dies Schrittgeschwindigkeit, um Fußgänger nicht zu gefährden, zu behindern oder zu erschrecken und jederzeit anhalten zu können. Wenn Sie auf dem Gehweg zu schnell fahren und es zu einem Unfall kommt, kann Ihnen dies als Mitverursacher angelastet werden.

Zurück zur FAQ Übersicht

Wer haftet bei einem Unfall, wenn ein Radfahrer verbotswidrig den Gehweg befährt und ein Auto aus einer Ausfahrt kommt?

Die Frage der Haftung bei einem solchen Unfall ist komplex und hängt von vielen Einzelfaktoren ab. Es ist selten, dass nur eine Partei die gesamte Schuld trägt, selbst wenn ein Fehlverhalten vorliegt. Juristisch betrachtet spielen hier vor allem die sogenannte „Betriebsgefahr“ des Kraftfahrzeugs und ein mögliches „Mitverschulden“ des Radfahrers eine Rolle.

Die Betriebsgefahr des Autos

Ein wichtiger Punkt ist die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs. Das bedeutet, dass schon allein das Fahren oder Betreiben eines Autos eine potenzielle Gefahr darstellt. Aufgrund dieser Gefahr ist der Halter und Fahrer eines Autos grundsätzlich immer zu einem gewissen Anteil für Schäden verantwortlich, die bei einem Unfall entstehen. Diese Haftung besteht auch dann, wenn der Fahrer selbst keinen direkten Fehler im Straßenverkehr gemacht hat. Für Sie bedeutet das: Selbst wenn der Radfahrer einen Fehler gemacht hat, haftet der Autofahrer in der Regel nicht zu 100 % dafür, weil die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs immer eine Rolle spielt.

Das Mitverschulden des Radfahrers

Wenn ein Radfahrer den Gehweg benutzt, obwohl dies verboten ist, liegt ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vor. Dieses Verhalten kann als „Mitverschulden“ des Radfahrers gewertet werden. Mitverschulden bedeutet, dass die verletzte Person durch ihr eigenes Verhalten dazu beigetragen hat, dass der Unfall entstanden ist oder die Schäden größer wurden. Das verbotswidrige Befahren des Gehwegs durch den Radfahrer ist in einem solchen Fall oft eine wesentliche Ursache für den Unfall, da der Autofahrer beim Ausfahren aus einer Ausfahrt auf dem Gehweg in der Regel keinen Radfahrer erwartet. Der Gehweg ist primär Fußgängern vorbehalten.

Abwägung der Verantwortlichkeiten

Bei der Klärung der Haftung wird immer eine Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge vorgenommen. Gerichte prüfen genau, wie stark das Fehlverhalten jeder Partei den Unfall beeinflusst hat. Dabei spielen verschiedene Punkte eine Rolle:

  • Schwere des Verstoßes: Das verbotswidrige Befahren des Gehwegs durch den Radfahrer wird als schwerwiegender Verstoß betrachtet.
  • Sorgfaltspflicht des Autofahrers: Auch ein Autofahrer, der aus einer Ausfahrt kommt, hat eine besondere Sorgfaltspflicht. Er muss sich sehr vorsichtig in den fließenden Verkehr einfädeln und aufmerksam auf andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere Fußgänger, achten, die den Gehweg benutzen könnten. Er muss auch damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer Fehler machen könnten.
  • Sichtverhältnisse und Geschwindigkeit: Wie waren die Sichtverhältnisse an der Ausfahrt? Ist der Radfahrer schnell oder langsam gefahren?

Das Ergebnis dieser Abwägung ist eine Haftungsverteilung in Prozentanteilen, beispielsweise 70 % für den Radfahrer und 30 % für den Autofahrer oder umgekehrt, je nach den genauen Umständen. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Betriebsgefahr des Autos vollständig hinter dem Mitverschulden des Radfahrers zurücktritt, sodass der Autofahrer gar keine Haftung trägt. Das heißt, selbst bei einem erheblichen Fehlverhalten des Radfahrers wird der Autofahrer in der Regel zumindest einen Teil der Haftung übernehmen müssen, weil von seinem Fahrzeug eine Betriebsgefahr ausgeht.


Zurück zur FAQ Übersicht

Welche besondere Sorgfaltspflicht haben Autofahrer, die aus einer Grundstücksausfahrt in den Verkehr einfahren?

Autofahrer, die aus einer Grundstücksausfahrt, einem Parkplatz, einem Feld- oder Waldweg auf die Straße einfahren möchten, haben eine besondere Sorgfaltspflicht. Diese ist im deutschen Straßenverkehrsrecht, insbesondere in § 10 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), festgeschrieben. Für Sie als Autofahrer bedeutet das eine erhöhte Vorsichtspflicht, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden oder zu behindern.

Vorrang des durchgehenden Verkehrs

Die Kernregel besagt, dass der gesamte durchgehende Verkehr Vorrang hat. Das gilt nicht nur für Fahrzeuge auf der Fahrbahn, sondern ausdrücklich auch für Fußgänger und Radfahrer auf dem Gehweg. Wer aus einer Ausfahrt kommt, muss also warten, bis die Straße und der Gehweg frei sind und keine Gefährdung entsteht. Dies ist besonders wichtig, da Unfälle an solchen Stellen häufig mit eingeschränkter Sicht verbunden sind.

Das „Heraustasten“ bei unklarer Sicht

Gerade bei unübersichtlichen Ausfahrten, etwa wenn Hecken oder Mauern die Sicht versperren, ist besondere Vorsicht geboten. Hier müssen Sie sich langsam und vorsichtig „herantasten“. Dies bedeutet:

  • Schrittweises Vorfahren: Bewegen Sie Ihr Fahrzeug nur zentimeterweise vor, bis Sie einen ausreichenden Überblick über den Verkehr auf der Straße und dem Gehweg haben.
  • Anhalten bei Bedarf: Zögern Sie nicht, anzuhalten, wenn Sie die Situation nicht sofort überblicken können. Es ist besser, kurz zu warten, als ein Risiko einzugehen.
  • Beachten des Umfelds: Achten Sie nicht nur auf Autos, sondern besonders auf Fußgänger und Radfahrer, die oft schneller und geräuschloser herannahen, als man erwartet. Auch das Herunterlassen des Fensters, um besser hören zu können, kann hilfreich sein.

Ihr Fahrzeug darf erst dann vollständig in den Verkehrsfluss einfahren oder den Gehweg überqueren, wenn zweifelsfrei feststeht, dass niemand behindert oder gefährdet wird. Diese Pflicht zur absoluten Vorsicht ist entscheidend, um Unfälle zu vermeiden und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Sie stellt sicher, dass der fließende Verkehr auf der Straße und die Nutzer des Gehwegs jederzeit auf ihren Vorrang vertrauen können.


Zurück zur FAQ Übersicht

Spielt das Alter eines radfahrenden Kindes oder Jugendlichen bei der Haftungsfrage eine besondere Rolle?

Ja, das Alter eines radfahrenden Kindes oder Jugendlichen spielt in der deutschen Rechtsprechung eine sehr wichtige Rolle bei der Frage, wer für einen Unfall haftet oder ob ein Mitverschulden besteht. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht hier gestaffelte Regelungen vor, die das Entwicklungsstadium junger Menschen berücksichtigen. Für Sie als Betroffene oder Angehörige ist es wichtig zu verstehen, wie diese Altersgrenzen die rechtliche Beurteilung beeinflussen.

Kinder bis zum 8. Geburtstag (Das „Schutzalter“)

Kinder, die noch nicht ihren 8. Geburtstag gefeiert haben, gelten im deutschen Recht grundsätzlich als deliktsunfähig. Das bedeutet: Sie sind rechtlich nicht in der Lage, die Verantwortung für Schäden zu tragen, die sie verursachen. Wenn ein Kind unter 8 Jahren als Radfahrer einen Unfall verursacht, beispielsweise mit einem anderen Radfahrer oder einem Fußgänger, haftet es in der Regel nicht für den entstandenen Schaden.

Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Kind den Schaden vorsätzlich verursacht hat – was bei Unfällen im Straßenverkehr extrem selten vorkommt und schwer nachzuweisen ist. Die Idee dahinter ist, dass Kleinkinder die Tragweite und Gefahr ihrer Handlungen noch nicht vollständig erfassen können.

Kinder zwischen 8 und 10 Jahren (Der Sonderfall im Straßenverkehr)

Diese Altersgruppe ist besonders relevant im Straßenverkehr, da hier eine wichtige Schutzregelung greift:

  • Bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen: Wird ein Kind im Alter von 8 bis 10 Jahren als Radfahrer in einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienen- oder Schwebebahn verwickelt und erleidet dabei selbst einen Schaden, so kann ihm in der Regel kein Mitverschulden zugerechnet werden. Das bedeutet, selbst wenn das Kind einen Fehler gemacht hat, wird es rechtlich geschützt und der Fahrer des Kraftfahrzeugs muss den Schaden des Kindes in der Regel vollständig ersetzen. Diese Regelung gilt, um Kinder im oft komplexen Straßenverkehr besonders zu schützen.
  • Bei Unfällen ohne Kraftfahrzeuge: Verursacht ein Kind in dieser Altersgruppe einen Unfall mit anderen Radfahrern, Fußgängern oder Sachen (also ohne Beteiligung eines Kraftfahrzeugs), hängt die Haftung von seiner „Einsichtsfähigkeit“ ab. Das ist die Fähigkeit des Kindes, die Gefährlichkeit seines Handelns zu erkennen und richtig einzuschätzen. Richter prüfen im Einzelfall, ob das Kind in der konkreten Situation die nötige Reife hatte, um zu verstehen, was es tut und welche Folgen dies haben kann. Ein 8-jähriges Kind, das unvorsichtig über den Bürgersteig fährt und einen Fußgänger anrempelt, kann bei ausreichender Einsichtsfähigkeit haftbar sein. Diese Beurteilung erfolgt immer sehr sorgfältig.

Jugendliche ab dem 10. Geburtstag

Ab dem 10. Geburtstag gelten Jugendliche als grundsätzlich haftungsfähig. Das bedeutet: Sie können für Schäden, die sie verursachen, zur Verantwortung gezogen werden. Die besondere Schutzregelung für Unfälle mit Kraftfahrzeugen (bis 10 Jahre) entfällt ab diesem Alter. Ein Jugendlicher ab 10 Jahren, der einen Unfall als Radfahrer verursacht oder bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug selbst einen Fehler macht, kann daher haftbar gemacht werden oder ein Mitverschulden tragen, das seine eigenen Ansprüche mindert.

Dennoch spielt die „Einsichtsfähigkeit“ weiterhin eine Rolle, bis zum 18. Lebensjahr. Es wird immer noch geprüft, ob der Jugendliche in der konkreten Situation die geistige Reife und das Verständnis hatte, die Gefahr seiner Handlung zu erkennen. Ein 12-jähriger Radfahrer wird also nicht immer genauso streng beurteilt wie ein erfahrener Erwachsener. Die Gerichte berücksichtigen das individuelle Entwicklungsniveau des Jugendlichen, auch wenn die grundsätzliche Haftungsfähigkeit ab 10 Jahren besteht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Alter des radfahrenden Kindes oder Jugendlichen einen entscheidenden Einfluss auf die Haftungsfrage hat. Die Altersgrenzen sind klar definiert und schützen jüngere Kinder besonders, während mit zunehmendem Alter die Verantwortung für das eigene Handeln steigt.


Zurück zur FAQ Übersicht

Welche weiteren Umstände können die Haftungsverteilung bei einem solchen Verkehrsunfall beeinflussen?

Die Frage, wer die Hauptverantwortung für einen Verkehrsunfall trägt, ist oft komplex und geht über die reinen Verkehrsregeln hinaus. Gerichte berücksichtigen zahlreiche weitere Faktoren, um ein gerechtes Bild der Schuldanteile zu erhalten. Diese Umstände können die Haftungsverteilung erheblich verschieben.

Eingeschränkte Sicht und Hindernisse

Stellen Sie sich vor, ein Unfall ereignet sich an einer schlecht einsehbaren Stelle, etwa wegen einer hohen Hecke oder parkender Fahrzeuge. Die Sichtverhältnisse spielen eine entscheidende Rolle. Wenn die Sicht für Verkehrsteilnehmer – sei es ein Autofahrer oder ein Radfahrer – stark eingeschränkt ist, erhöht sich deren Sorgfaltspflicht. Das bedeutet, dass sie sich der Situation anpassen müssen, beispielsweise langsamer fahren oder vorsichtiger in den Verkehr einfahren. Wer dies nicht tut und deshalb ein Unfall passiert, trägt unter Umständen eine höhere Mitschuld. Gerichte prüfen genau, ob jemand trotz schlechter Sicht „auf gut Glück“ gefahren ist.

Besondere örtliche Gegebenheiten und Verkehrsgewohnheiten

Manchmal tragen örtliche Besonderheiten oder auch typische Verkehrsgewohnheiten zur Unfallentstehung bei. Wenn beispielsweise an einer bestimmten Stelle Radfahrer oder Fußgänger bekanntermaßen häufig Regeln missachten, kann dies die Erwartungshaltung anderer Verkehrsteilnehmer beeinflussen. Ein Gericht könnte in solchen Fällen prüfen, ob ein Autofahrer oder Radfahrer trotz Einhaltung der Regeln eine erhöhte Vorsichtspflicht hatte, weil er mit Fehlverhalten rechnen musste. Es geht hier nicht darum, dass Regelverstöße von anderen entschuldigt werden, sondern darum, ob man aufgrund der bekannten lokalen Situation besonders aufmerksam hätte sein müssen.

Optische Täuschungen und missverständliche Situationen

Gerade in komplexen Verkehrsumfeldern können optische Täuschungen oder eine unübersichtliche Gestaltung von Wegen eine Rolle spielen. Ein Gehweg, der breit und farblich ähnlich wie ein Radweg gestaltet ist, kann dazu führen, dass Radfahrer ihn irrtümlich als Radweg nutzen. Wenn ein Verkehrsteilnehmer in einer solchen missverständlichen Situation einen Fehler macht, kann dies seinen Verschuldensanteil mindern, vorausgesetzt, die Verwechslung war nachvollziehbar und nicht leicht zu erkennen. Gerichte berücksichtigen, ob die Umstände den Fehler plausibel erscheinen lassen.

Die Rolle eines Sachverständigengutachtens

In vielen Fällen ist der genaue Unfallhergang nicht sofort ersichtlich. Hier kommen Sachverständigengutachten ins Spiel. Ein von einem Gericht beauftragter Sachverständiger ist ein unabhängiger Experte, der den Unfall rekonstruiert. Er analysiert beispielsweise:

  • Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge
  • Bremsspuren und Aufprallpunkte
  • Sichtverhältnisse und mögliche Kollisionspunkte
  • Fahrzeugschäden

Das Gutachten des Sachverständigen liefert dem Gericht wichtige technische und physikalische Fakten. Diese objektiven Informationen sind oft entscheidend, um den Unfallhergang präzise aufzuklären und zu bewerten, wer wann welche Pflichten verletzt hat. Es hilft dem Gericht, die komplexen Details des Unfalls zu verstehen und die Haftungsverteilung auf einer fundierten Datengrundlage zu bestimmen.


Zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Betriebsgefahr

Betriebsgefahr bezeichnet die generelle Gefährdung, die vom Betrieb eines Fahrzeugs im Straßenverkehr ausgeht, auch wenn der Fahrzeugführer keinen Fehler gemacht hat. Nach § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) haftet der Fahrzeughalter grundsätzlich für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, weil Kraftfahrzeuge immer eine gewisse Risikoquelle darstellen. Diese Haftung besteht unabhängig von einem konkreten Verschulden und führt dazu, dass der Halter und in der Regel auch dessen Versicherung einen Teil des Schadens übernehmen müssen. Im vorliegenden Fall begründet die Betriebsgefahr des Autos die anteilige Haftung des Autofahrers, obwohl kein Verschulden nachgewiesen wurde.

Beispiel: Wenn ein Auto verkehrssicher ist und langsam aus einer Ausfahrt fährt, aber aufgrund des Fahrens dennoch ein Unfall entsteht, haftet der Halter wegen der Betriebsgefahr, auch wenn er keine konkrete Pflichtverletzung begangen hat.


Zurück zur Glossar Übersicht

Mitverschulden

Mitverschulden bedeutet, dass eine Person durch eigenes Fehlverhalten oder nachlässiges Verhalten den Unfall oder dessen Schäden mitverursacht hat. Juristisch wird geprüft, ob und in welchem Umfang das Verhalten des Verletzten ursächlich für den Schaden war. Ein Mitverschulden hat zur Folge, dass die Schadensersatzansprüche gekürzt oder anteilig aufgeteilt werden. Im Fall des Radfahrers liegt ein erhebliches Mitverschulden vor, weil er verbotswidrig den Gehweg befuhr und dadurch den Unfall mitverursachte.

Beispiel: Wenn jemand bei Rot über die Ampel geht und dabei von einem Auto getroffen wird, kann ihm ein Mitverschulden zugesprochen werden, weil er sich nicht an die Verkehrsregeln gehalten hat.


Zurück zur Glossar Übersicht

Kausalität

Kausalität bezeichnet den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Verhalten und dem eingetretenen Schaden. Ein Verhalten ist kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele. Bei der Haftungsprüfung wird immer geprüft, ob das beanstandete Verhalten tatsächlich zum Schaden beigetragen hat oder ob dieser auch ohne das Verhalten eingetreten wäre. Im beschriebenen Fall war das verbotswidrige Fahren auf dem Gehweg kausal für den Unfall, weil dieser nicht passiert wäre, wenn der Radfahrer auf der Fahrbahn gefahren wäre.

Beispiel: Wenn eine Person eine offene Grabstelle übersieht und stürzt, ist das Nichtdecken der Grube kausal für den Sturz.


Zurück zur Glossar Übersicht

Sachverständigengutachten

Ein Sachverständigengutachten ist ein fachlich fundierter Bericht eines unabhängigen Experten, der das Gericht bei der Klärung technischer oder komplexer Tatsachenfragen unterstützt. Im Verkehrsrecht werden solche Gutachten genutzt, um Unfallhergänge zu rekonstruieren, Geschwindigkeit und Sichtverhältnisse zu bewerten oder Fahrzeugschäden zu analysieren. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf die im Gutachten festgestellten Fakten, um eine objektive und sachgerechte Haftungsverteilung vorzunehmen. Im vorliegenden Fall half das Gutachten, die Fahrgeschwindigkeiten, Sichtverhältnisse und die Vermeidbarkeit des Unfalls zu beurteilen.

Beispiel: Ein Ingenieur rekonstruiert anhand von Bremsspuren und Fahrzeugschäden, wie schnell ein Auto bei einem Unfall fuhr.


Zurück zur Glossar Übersicht

Besondere Sorgfaltspflicht bei Grundstücksausfahrten

Die besondere Sorgfaltspflicht bei Grundstücksausfahrten verpflichtet Fahrer, beim Einfahren in den fließenden Verkehr mit erhöhter Vorsicht vorzugehen. Nach § 10 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) müssen Fahrer aus Ausfahrten und Grundstückszufahrten allen anderen Verkehrsteilnehmern, einschließlich Fußgängern und Radfahrern auf dem Gehweg, Vorrang einräumen. Dazu gehört, sich „herauszutasten“, also langsam vorzufahren und erst vollständig einzufahren, wenn eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Im beschriebenen Unfallfall wurde geprüft, ob der Autofahrer diese Sorgfaltspflicht ausreichend beachtet hat.

Beispiel: Beim Verlassen einer Parklücke fährt man langsam vor, schaut genau nach Fußgängern und Radfahrern, bevor man die Fahrbahn vollständig überquert.

Zurück zur Glossar Übersicht


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) – Haftung des Fahrzeughalters: Dieser Paragraph legt fest, dass der Halter eines Fahrzeugs für Schäden haftet, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen, auch ohne Verschulden (sog. Gefährdungshaftung). Betriebsgefahr ist die dem Fahrzeugtyp eigene erhöhte Risikoquelle im Straßenverkehr. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Haftung des Autofahrers und seiner Versicherung ergibt sich aus dieser Norm, da der Unfall durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht wurde.
  • § 2 Absatz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) – Benutzung von Rad- und Gehwegen: Radfahrer ab zehn Jahren dürfen grundsätzlich nicht auf Gehwegen fahren, sondern müssen die Fahrbahn benutzen, sofern kein Radweg ausgewiesen ist. Diese Vorschrift dient der Verkehrssicherheit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr K. handelte ordnungswidrig, indem er den Gehweg nutzte, was als Mitverschulden an dem Unfallgewertet wurde.
  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), § 115 – Direktanspruch gegen die Kfz-Versicherung: Dieser Paragraph ermöglicht dem Geschädigten, unmittelbar direkt von der Haftpflichtversicherung des Fahrers Ersatz zu verlangen, ohne den Fahrer zwischengeschaltet zu haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr K. kann seine Schadensersatzansprüche direkt gegen die Versicherung der Gegenseite geltend machen, was ihre eigene Haftung begründet.
  • Grundsatz der Betriebsgefahr und Haftungsverteilung (Rechtsprechung): Die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs begründet eine verschuldensunabhängige Haftung, die aber im Rahmen der Haftungsverteilung mit dem Mitverschulden des Unfallgegners abzuwägen ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Autofahrer keine konkrete Schuld traf, wird seine Haftung anteilig beibehalten, weil die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs unabhängig vom Verschulden besteht.
  • Kausalität und Mitverschulden (Allgemeines Haftungsrecht, BGB): Kausalität beschreibt die ursächliche Verknüpfung zwischen Handlung und Schaden, Mitverschulden lässt eine Haftungsquote zu, wenn der Geschädigte den Schaden teilweise selbst verursacht hat (§ 254 BGB). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass das falsche Verhalten von Herrn K. ursächlich für den Unfall war und er daher ein erhebliches Mitverschulden trägt, was die Haftung entsprechend reduzierte.
  • Verkehrsrechtliche Verkehrszeichen und Wegweisung (StVO): Die Verkehrszeichen bestimmen, welche Wege für Radfahrer freigegeben und benutzungspflichtig sind. Fehlen entsprechende Schilder, gelten die allgemeinen Regeln der StVO. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da an der Unfallstelle keine Radweg-Beschilderung vorhanden war, endete der Radweg rechtlich mit dem Gehweg, was das verbotswidrige Befahren des Gehwegs durch Herrn K. bestätigt.

Das vorliegende Urteil


LG Bayreuth – Az.: 31 O 73/21 – Grundurteil vom 23.05.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Ersteinschätzung anfragen: Person tippt auf Smartphone für digitale Anwalts-Ersthilfe.

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt, nicht ersetzen. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch neue Urteile und Gesetze geändert haben. Teile dieses Beitrags könnten mithilfe von KI-Unterstützung erstellt worden sein, um eine effiziente und präzise Darstellung der Informationen zu gewährleisten. Trotz umfassender Kontrolle können Irrtümer enthalten sein. Für eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(telefonisch werden keine juristischen Auskünfte erteilt!)

Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage >>> per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Hinweis: Telefonisch können leider keine Erstanfragen beantwortet werden. Anfragen auf Ersteinschätzung bitte nur über unser Anfrageformular stellen. 

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Jobangebote

Jobangebote in der Kanzlei Kotz
Rechtsanwaltsfach-angestellte(r) und Notarfachangestellte(r) (m/w/d)

 

jetzt bewerben