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Verkehrsunfall mit wirtschaftlichem Totalschaden – Abschleppkosten und Nutzungsausfall

AG Oberkirch – Az.: 1 C 100/20 – Urteil vom 23.02.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 951,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.03.2020 sowie weitere 958,19 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.08.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 1.880,21 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 1.1.2020 gegen 16:00 Uhr auf der B5100 bei Km … (Gemarkung Oppenau).

Verkehrsunfall mit wirtschaftlichem Totalschaden - Abschleppkosten und Nutzungsausfall
(Symbolfoto: Kwangmoozaa/Shutterstock.com)

Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Das Fahrzeug des Klägers, ein VW Golf VI, Erstzulassung …2009, Gesamtlaufleistung 107.248 km, erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Als Wiederbeschaffungszeit ist von einem Zeitraum von 14 Tagen auszugehen. Der Kläger mietete bei der Firma Auto-Service … einen Opel Astra für den Zeitraum 1.1.2020 18:00 Uhr bis 22.1.2020 (21 Tage) zu Gesamtkosten von 2.159,91 € an.

Der Kläger macht restliche Abschleppkosten i.H.v. 71,41 € geltend. Das Fahrzeug sei nicht mehr fahrbereit und verkehrssicher gewesen, so dass die Polizei das Fahrzeug von der Firma Auto-Service … vom Unfallort zum Betriebssitz (25 km) habe abschleppen lassen. Hierfür habe die Firma Auto-Service … Kosten in Höhe von brutto 822,87 € in Rechnung gestellt. Hierbei entfielen bei jeweils zweieinhalb Stunden Arbeitszeit auf den Abschleppwagen bis 14,99t 472,50 € sowie ein Feiertagszuschlag in Höhe von 190 € (100 % auf 76 € Einzelpreis). Von diesen Abschleppkosten hat die Beklagte 751,48 € bezahlt. Da die Polizei den Abschleppdienst beauftragt habe, treffe den Kläger insoweit auch kein Auswahlverschulden.

Daneben macht der Kläger Abmeldekosten i.H.v. 95,20 € brutto für sein Fahrzeug geltend. Von den netto 80,00 € entfielen 7,80 € auf die Abmeldegebühren beim Landratsamt und 72,20 € auf die Serviceleistung des Autohauses. Diese beinhalte neben dem Abmontieren der Schilder, die Fahrt zum Landratsamt und die Beschaffung der nötigen Fahrzeugpapiere. Die Anmeldekosten für das Ersatzfahrzeug vom 29.01.2020 in Höhe von 70,38 € seien bezahlt worden.

Hinzu kämen weitere Mietwagenkosten in Höhe von weiteren 609,80 €. Da das Fahrzeug des Klägers nicht fahrbereit und verkehrssicher gewesen sei, hätte ein Mietwagen angemietet werden können. Hierfür seien Kosten i.H.v. 2.159,91 € angefallen. Der Kläger habe das Mietfahrzeug 2.032 km bewegt. In den Kosten seien auch ein Feiertagszuschlag bei der Anmietung sowie Winterreifen und eine Selbstbeteiligung i.H.v. 900 € enthalten gewesen. Unter Zugrundelegung der Fahrzeugklasse 5 in der Region des Klägers und zum Schädigungszeitpunkt ergäben sich nach der „Fracke“-Methode angemessene Mietwagenkosten i.H.v. 1.416,28 €. Darauf seien lediglich 806,48 € bezahlt worden.

Der Kläger machte zudem eine Nutzungsausfallentschädigung für fünf Tage i.H.v. 35 € pro Tag, d.h. 175 € geltend. Diese ergebe sich aus der Fahrzeuggruppe 5 unter Berücksichtigung einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen und einem angemessenen Überlegungszeitraum von fünf Tagen nach Erhalt des Sachverständigengutachtens vom 3.1.2020.

Zudem beanspruche der Kläger die Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert von 10.337,69 € unter Berücksichtigung einer 1,5 Gebühr, mithin 1.101,94 €. Zur Begründung führt er an, dass die Sache nicht nur umfangreich, sondern auch schwierig gewesen sei und die Beklagte keinerlei Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren vorgenommen habe. Verzug sei durch das anwaltliche Forderungsschreiben vom 3.2.2020 eingetreten. Jedenfalls aber habe die Beklagte weitere Zahlungen mit Schreiben vom 11.2.2020 abgelehnt und schlussendlich am 26.2.2020 abgerechnet.

Der Kläger beantragt daher: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.053,35 € zu bezahlen nebst Jahreszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.2.2020.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Sie macht geltend, dass die Rechnung über die Abschleppkosten weder eine Gesamtfahrstrecke noch eine ausdrückliche Ausweisung der Feiertagszuschläge enthalte. Zudem sei der Kläger nicht aktiv legitimiert, wenn die Polizei den Abschleppauftrag erteilt habe.

Hinsichtlich der Abmeldekosten macht die Beklagte geltend, dass sie bereits eine Zahlung geleistet habe. Die Anmeldekosten müsse sie nicht tragen, da die Zulassung eines Neufahrzeugs auf eine andere Person erfolgt sei. Insofern sei kein Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu erkennen. Hinzu käme, dass die Abmeldung durch den Kläger persönlich hätte erfolgen müssen und dementsprechend eine Servicegebühr nicht erstattungsfähig sei.

Hinsichtlich des Mietwagens sei der in Anspruch genommene Tarif deutlich erhöht gewesen, ein Unfallersatztarif könne nur dann abgerechnet werden, wenn ein Normaltarif für den Kläger nicht zugänglich gewesen sei. Die Beklagte berechne die Kosten nach „Fraunhofer“; danach seien Kosten i.H.v. 1.365 € insgesamt ersatzfähig. Selbst wenn der Kläger am Unfalltag kein günstigeres Fahrzeug bekommen hätte, hätte er zumindest in der Folge den teuren Unfallersatztarif gegen einen günstigeren tauschen müssen.

Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bestehe nicht, da das Neufahrzeug auf jemanden anderen zugelassen worden sei.

Hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren sprächen keine Gesichtspunkte für die Überschreitung einer Schwellengebühr von 1,3 %. Auch sei aufgrund einer Prüf- und Überlegungsfrist des Haftpflichtversicherers von 4 bis 6 Wochen jedenfalls nicht mit Fristablauf eines anwaltlichen Forderungsschreiben Verzug eingetreten. Die Gebühren seien aus einem Gegenstandswert in Höhe der ursprünglichen Gesamtforderung unter Berücksichtigung des Restwertes zu berechnen. Soweit die Forderung beglichen wurde, seien diese Gebühren streitwerterhöhend als Hauptforderung zu berücksichtigen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 05.01.2021 (AS 225) mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet. Schriftsätze konnten bis zum 02.02.2021 eingereicht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

I.

Der dem Grunde nach unstreitige Anspruch des Klägers auf Schadensersatz ergibt sich aus §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB, 115 VVG mit der Folge des Schadensersatzes gem. §§ 249 ff BGB.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte.

1.

Die weiteren Abschleppkosten sind zu erstatten, da sie insbesondere auch angemessen waren.

Auch wenn die Polizei das Abschleppunternehmen organisiert hat, ist sie dennoch zumindest im Sinne einer Geschäftsführung für den Kläger tätig geworden, so dass der Kläger aktiv legitimiert ist.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die als Anlage K1 vorgelegte Rechnung über die Abschleppkosten um 9 % überhöht ist, weil die Kosten nicht ortsüblich wären. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei der Prüfung, ob der Geschädigte sich in diesem Rahmen gehalten hat, Rücksicht auf seine spezielle Situation, also insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist; denn § 249 Satz 2 BGB stellt auf eine Restitution in Eigenregie des Geschädigten ab (BGHZ 115, 364-374).

Vorliegend trifft den Kläger hinsichtlich der Wahl des Abschleppdienstes kein Auswahlverschulden, da es in der konkreten Situation nicht zumutbar ist, von der touristisch attraktiven aber ansonsten im Wesentlichen ohne jegliche Infrastruktur geprägten Schwarzwaldhochstraße unmittelbar nach dem Unfall am Neujahrsnachmittag mehrere Abschleppunternehmen durchzutelefonieren und einen Preisvergleich anzustellen. Hier konnte und durfte sich der Kläger auf die in solchen Beauftragungen erfahrene Polizei verlassen.

Hinsichtlich des Feiertagszuschlags ist bereits in der Rechnung dargelegt, dass dieser 100% der Personalkosten beträgt und in Stunden abgerechnet wird.

Die Abschleppkosten sind daher in voller Höhe zu erstatten.

2.

Die Abmeldekosten für das verunfallte Fahrzeug sind zumindest dann erstattungsfähig, wenn es sich – wie vorliegend – um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelt und das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrbereit und verkehrssicher war. In diesem Fall liegt es nicht in der freien Entscheidung Geschädigten, ob er das Fahrzeug reparieren lässt oder unrepariert weiter nutzt. Durch die Begrenzung des Schadenersatzes auf die Höhe des Wiederbeschaffungswertes wird dem Geschädigte die Abmeldung des alten und Anmeldung des neuen Fahrzeugs quasi als „Sollverhalten“ vorgegeben.

Der Höhe nach sind in jedem Fall die öffentlich-rechtlichen Gebühren in Höhe von 7,80 € zu erstatten. Diese hat der Kläger mit 7,80 € angegeben. Es ist gerichtsbekannt, dass das Landratsamt Abmeldegebühren in dieser Höhe berechnet. Auch ist die Inanspruchnahme eines Zulassungsdienstes grundsätzlich möglich und in der Praxis auch üblich. Denn der Kläger ist nicht verpflichtet, während der Öffnungszeiten des Autohauses die Kennzeichen an seinem Fahrzeug abzumontieren, sodann zur Zulassungsstelle zu fahren, die Abmeldung durchzuführen und die Abmeldung wieder gegenüber dem Autohaus zu bestätigten. Dieser unzumutbare Zeit- und Fahrtaufwand wäre ansonsten auch von der Beklagten zu ersetzen gewesen und wäre u.U. höher als die nachvollziehbare Servicepauschale der Werkstatt ausgefallen. Da der Kläger die Rechnung bezahlt hat und zudem die Pauschale nicht außergewöhnlich hoch erscheint, ist sie durch die Beklagte in voller Höhe zu erstatten. Die Anmeldegebühren sind nicht Streitgegenstand der Klage. Auch hat die Beklagte nicht ausdrücklich aufgerechnet oder in sonstiger Weise Erstattungsansprüche geltend gemacht.

3.

Die Mietwagenkosten sind in der beantragten Höhe zu erstatten. Der Kläger begehrt restliche Mietwagenkosten für den Zeitraum 01.01.2020-21.01.2020 (21 Tage) nicht nach der deutlich darüber liegenden Rechnung, sondern nach fiktiver Berechnung entsprechend der Mittelwertbildung aus der Schwacke-Liste und der Fraunhofer Tabelle.

Streitig ist vorliegend nicht die Berechnung nach den jeweiligen Tabellen, sondern welche Berechnungsmethode anzuwenden ist.

Das erkennende Gericht schließt sich insoweit umfassend der Rechtsansicht des Landgerichts Trier an, das ausführt:

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Unfallgeschädigte gem. § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und erforderlich halten durfte. Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg zu wählen. Grundsätzlich muss der Geschädigte zunächst darlegen und beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer „Normaltarif“ zugänglich war. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen hat. Die – in der Beweislast des Schädigers liegende – Frage der Schadensminderungspflicht stellt sich erst dann, wenn der Schädiger darlegt und beweist, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation „ohne Weiteres“ zugänglich war (Wittschier, NJW 2012, S. 13). Für die Frage der Zugänglichkeit ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Es kommt insoweit insbesondere auf die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten und darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO allerdings nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass der Tatrichter bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auf der Grundlage des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im maßgebenden Postleitzahlengebiet (ggf. mit sachverständiger Beratung), des Fraunhofer-Mietpreisspiegels oder des arithmetischen Mittels beider Markterhebungen ermitteln kann (BGH, Urteil vom 18.05.2010, Az. VI ZR 293/08).

An dem „Glaubenskrieg“ zwischen den Anhängern der Schwacke-Liste und den Anhängern der Erhebung nach Frauenhofer beteiligt sich die Kammer nicht. Es handelt sich um eine ausschließlich akademische Auseinandersetzung, die dem Geschädigten nicht vermittelbar ist. Die Bedenken gegen die Schwacke-Liste sind ebenso nachvollziehbar wie die gegen die Liste des Fraunhofer-Instituts. Der Versuch, auf dem Mietwagenmarkt Geld zu verdienen, und das Interesse der Versicherungen, Mietwagenkosten zu vernünftigen Preisen abzurechnen, darf nicht dazu führen, die Grundsätze des Schadensersatzrechts auf den Kopf zu stellen und dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht mehr Pflichten als dem Schädiger aufzuerlegen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind demnach nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (Kammerbeschluss vom 19.03.2013, Az. 1 S 228/12, Rn. 2 – 7 nach juris, unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.06.2008, Az.: VI ZR 234/07).

(LG Trier, Urteil vom 20. Dezember 2019 – 1 S 40/19 –, Rn. 9 – 11, juris)

Vorliegend hat der Kläger zwar nicht dargetan, dass er bei Mietwagenanbietern verschiedene Angebote eingeholt hätte. Direkt nach dem Unfall mag es schwer sein, Angebot einzuholen. Allerdings macht der Kläger nicht seine gesamten Mietwagenkosten geltend, sondern diese nur in einer erforderlichen und angemessenen Höhe. Letztlich muss es dem Geschädigten überlassen bleiben, aus welchen Gründen auch immer ein teureres Ersatzfahrzeug anzumieten. Rechtlich kann er dennoch nur die erforderlichen und angemessenen Kosten geltend machen, die nach § 287 ZPO entsprechend zu schätzen sind.

Weder gegen die Schwacke-Liste noch gegen die Fraunhofer-Erhebung wurden substantiierte Einwände erhoben. Es ist gerichtsbekannt, dass beider Verfahren ihre Schwächen und Stärken haben. Sie sind beide jedenfalls in der Lage die „Unfallersatztarife“ der Kfz-Vermieter auszublenden und den Markt grundsätzlich abzubilden. Während die Schwacke-Liste eher höherpreisig ansiedelt, kommt die Fraunhofer-Liste standardmäßig zu eher geringeren Werten. Daher ist es im Rahmen der Schätzung sachgerecht den Mittelwert heranzuziehen. Die insoweit durchgeführte Berechnung der Klägerin (Bl. 93 f d. A.) wurde nicht bestritten. Dieser Berechnung schließt sich das Gericht ausdrücklich an.

4.

Hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung kommt es nicht darauf an, auf wen ein neues Fahrzeug zugelassen wird, sondern ab wann der Geschädigte wieder ein Fahrzeug dauerhaft nutzen kann. Vorliegend hat der Kläger durch die Vorlage der Zulassungsunterlagen unter Beweis gestellt, dass ihm ab dem 29.01.2020 wieder ein Fahrzeug zur Verfügung stand. Geltend gemacht wird Nutzungsausfallentschädigung lediglich bis zum 27.01.2020.

Die ersatzfähige konkrete Nutzungsausfalldauer ist begrenzt auf die objektiv erforderliche Zeitspanne, welche für die Beschaffung eines nach dem Gutachten als wirtschaftlich vergleichbar anzusehenden Ersatzfahrzeugs erforderlich ist. Denn im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte unter mehreren möglichen Wegen des Schadensausgleichs im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zu wählen hat. Das gilt nicht nur für die eigentlichen Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten, sondern gleichermaßen für die Mietwagenkosten und ebenso für die Nutzungsausfallentschädigung. Kauft der Geschädigte also in frei gewählter Abkehr vom Wirtschaftlichkeitsgebot einen höherwertigen Neuwagen, obwohl er nach den Grundsätzen des Schadensrechts nur Anspruch auf die Reparatur oder die Kosten eines Gebrauchtwagens hat, so kann er Nutzungsausfall auch nur bis zu dem Zeitpunkt beanspruchen, der für eine Unfallreparatur oder die Ersatzbeschaffung eines gleichwertigen Gebrauchtwagens angefallen wäre, vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juli 2019 – 5 U 696/19, Rn. 26, juris mwN, LG Saarbrücken, Urteil vom 23. Dezember 2020 – 13 S 82/20 –, Rn. 14, juris.

Für die Ermittlung des erforderlichen Zeitraums ist als Beginn die Kenntnisnahme vom Gutachten bzw. dessen Bewertung als wirtschaftlicher Totalschaden heranzuziehen. Sodann ist eine Bedenkzeit (für Reparatur oder Wiederbeschaffung) von mindestens fünf Tagen zu berücksichtigen und – angesichts des sehr gängigen verunfallten Kfz-Modells – eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen. Bei Erhalt des Gutachtens am 08.01.2020 ergibt sich somit ein Zeitraum mindestens bis zum 27.01.2020.

Bei einer täglichen Nutzungsausfallentschädigung von 35 EUR angelehnt an die Schwacke-Berechnung, ergibt sich somit der klageweise geltend gemachte Anspruch.

5.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1, 2 BGB. Es wurde eine Zahlungsfrist mit Schreiben vom 03.02.2020 bis zum 17.02.2020 gesetzt (Anlage K11, Bl. 79 d.A.). Nach allgemeiner und zutreffender Auffassung ist dem Schuldner bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens eine angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang der Ersatzpflicht zuzubilligen. Vor Ablauf dieser Prüfungsfrist tritt – trotz eventueller vorheriger Mahnung – Verzug gemäß § 386 Abs. 4 BGB nicht ein. Auch wenn ein Versicherer die Prüfung eines Schadens, für den er einzustehen hat, tunlichst beschleunigen muss, gibt es für die Länge der Prüfungsfrist keine festen oder starren Regeln, vgl. aktuell OLG Dresden, Beschluss vom 26. Oktober 2020 – 4 W 640/20, NJ 2021, 22. Die Rechtsprechung geht hier regelmäßig von vier bis sechs Wochen aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vielzahl der geltend gemachten Anspruchspositionen sowie das hinsichtlich der erforderlichen Reparaturarbeiten aufwändig zu prüfende Gutachten eine eher längere Zeit benötigen. Andererseits war nicht noch zusätzlich ein Personenschaden zu prüfen war, so dass das Gericht vorliegend von einer Prüfungsdauer von fünf Wochen ausgeht. Verzug ist inklusive Postlaufzeit somit zum 11.03.2020 eingetreten.

6.

Die Beklagte hat dem Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 958,19 EUR gem. §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 Abs. 1, 249 BGB zu ersetzen. Die Beklagte ist in Verzug, s. o. unter 5. Allerdings sind die Gebühren lediglich aus einem Faktor von 1,3 zu berechnen. Vorliegend handelte es sich um einen durchschnittlichen Verkehrsunfall. Wenn Schadenspositionen nicht in Streit gewesen wären, hätte es anwaltlichen Beistands allenfalls im Rahmen einer Beratungstätigkeit ohne Tätigwerden nach außen bedurft.

Es ist klassische Hauptleistungspflicht des Anwalts, seinen Mandanten nach außen hin zur Durchsetzung bestrittener Ansprüche zu vertreten. Ansonsten würde jedes Bestreiten und erst recht jede Klageerhebung zu einer höheren Gebühr führen. Die 1,3-Gebühr ist jedoch gerade die Durchschnittsgebühr, die die Mehrzahl der Fälle abdecken soll.

Vorliegend hat der Kläger nicht vortragen, warum eine Gebührenerhöhung gerechtfertigt erscheint: zwar wurde eine Berechnung der Schadenspositionen vorgenommen, dafür musste aber weder ausführlich ein Verschuldensgrad noch komplizierte Ansprüche wegen Personenschäden behandelt werden. Somit stellt sich die Sache für das Gericht in der Zusammenschau als Standard-Mandat dar.

Als Gegenstandswert ist der der Mandatierung zugrundeliegende vollständige Schaden, mithin 9.267,96 € Schaden zzgl. Restwert von 1.070 €, insgesamt 10.337,96 heranzuziehen. Mit dem Kläger ist anzuführen, dass sich die anwaltlichen Gebühren im Grundsatz nach der Höhe des Schadens richten, wie er dem Geschädigten durch den Unfall entstanden ist. Dies unter Berücksichtigung der Reichweite des anwaltlichen Auftrags. Grundsätzlich geht das Gericht davon aus, dass der beauftragte Anwalt den Geschädigten nicht nur hinsichtlich der Geltendmachung strittiger Einzelaspekte beauftragt, sondern mit einer umfassenden Beratung hinsichtlich des ganzen Unfallgeschehens, s.o.

Auch wenn es durchaus üblich sein mag, dass Anwälte hier in der Abwicklung beratend tätig sind oder Versicherung den Verkauf des alten Fahrzeugs übernehmen und der Anwalt dann diese Abrechnung zu überprüfen hat, hat der Kläger hierzu nichts vorgetragen. Letztlich ist die Geltendmachung des Wiederbeschaffungswertes jedoch ohne Berücksichtigung des Restwertes nicht denkbar. Daher ist schon auch unter dem Rechtsgedanken der Summierung der Ansprüche bei Widerklage der Restwert vorliegend zu addieren.

Ausgehend von einer 1,3 Gebühr, der Pauschale für Post und Telekommunikation und der Umsatzsteuer von 19 % ergeben sich somit außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 958,19 €.

Hinsichtlich der Verzugszinsen auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wurde eine vorgerichtliche In-Verzug-Setzung nicht vorgetragen; Verzug ist erst mit Rechtshängigkeit der Klage eingetreten, § 291 ZPO.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem Klageantrag, § 3 ZPO, § 39 GKG aus dem geltend gemachten Klageantrag. Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wirken in der dargelegten Weise streitgegenstanderhöhend.

Streitwert: 1.880,21 EUR

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