OLG Karlsruhe – Az.: 1 U 117/17 – Beschluss vom 26.07.2018
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28.07.2017 – 3 O 69/17 – durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Berufung hat insbesondere offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung ist auch nicht zur Klärung offener grundsätzlicher Rechtsfragen, zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder aus sonstigen Gründen geboten.
Zu Recht hat das Landgericht der auf Ersatz von 75% des der Klägerin aus einem Verkehrsunfall vom XX.XX.XXXX gegen 14:45 Uhr auf der X-X-Straße in X erwachsenen Schadens gerichteten Klage dem Grunde nach voll, lediglich in der Höhe gekürzt stattgegeben und die Beklagten demgemäß zur Zahlung von 6.161,42 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 650,34 EUR verurteilt, die weitergehende Klage jedoch abgewiesen. Die dagegen von der Berufung angeführten Bedenken rechtfertigen keine abweichende Bewertung und Entscheidung des Falles. Der erkennende Senat nimmt vorab auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug. Die Berufungsbegründung gibt (nur) Anlass zu folgenden zusätzlichen Hinweisen:
1. Das Fahrzeug der Klägerin wurde „beim Betrieb“ des vom Beklagten zu 2 gesteuerten, seinerzeit bei der Beklagten zu 1 krafthaftpflichtversicherten Müll-Lkw beschädigt, sodass die Beklagten der Kläger grundsätzlich gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1, 116 VVG gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz haften.
2. Zu Recht und von der Berufung unangegriffen hat das Landgericht darauf erkannt, dass keiner der Parteien der Nachweis gelungen sei, der Unfall stelle für sich ein „unabwendbares Ereignis“ i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG dar.
3. Konsequenterweise hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die jeweiligen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG gegeneinander abgewogen, wobei – entsprechend gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der auch der erkennende Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen folgt – jeweils ausschließlich unstreitige oder nachgewiesene Beiträge, welche sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben, Berücksichtigung finden können (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 27.6.2000 – VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.10.2010 – 4 U 110/10, juris) und der Beweis dem obliegt, welcher sich auf einen einzustellenden Gesichtspunkt beruft, d.h. hier die jeweils andere Partei (vgl. BGH NZV 1996, 231; Hentschel/König/Dauer-König, StVR, 44. Aufl. 2017, § 17 StVG, Rn. 31).
a) Ohne Erfolg wendet sich die Berufung insoweit zunächst gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach zur Überzeugung desselben gemäß § 286 ZPO die Klägerin nicht vor der Kollision über den Bordstein gefahren sei (vgl. II 27 f.); die Feststellung des Sachverständigen, wonach der Klägerin eine kontaktfreie Vorbeifahrt am Beklagten-Lkw möglich gewesen sei, trüge diese Überzeugung noch nicht; es sei vielmehr weder lebensfremd noch unmöglich, dass die Klägerin gleichwohl zum Überholen auf den Bordstein ausgewichen sei. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entsprechenden Feststellungen des Landgerichts begründeten zeigt die Berufung nicht auf und sind auch sonst nicht feststellbar.
Dieser Berufungsangriff übersieht bereits, dass das Landgericht seine Überzeugung neben den Feststellungen des Sachverständigen, gegen die auch die Berufung nichts vorbringt, ausdrücklich auch – wie zulässig – auf die Angaben der Klägerin im Rahmen deren informatorischer Anhörung erster Instanz (vgl. I 105 f.) gestützt hat (vgl. LGU 5 f.).
Darüber hinaus verkennt die Berufung, dass die Beklagten – nach o.g. Beweislastgrundsätzen – für das von ihnen behauptete, aber bestrittene Überfahren des Bordsteins durch die Klägerin beweisbelastet sind. Diesen Beweis haben sie indessen nicht zu erbringen vermocht.
Der Einlassung des informatorisch ebenfalls angehörten Beklagten zu 2 lässt sich dafür nichts entnehmen. Die Klägerin selbst hat solches indes nicht bestätigt und der Sachverständige hat ein Passieren ohne Bordsteinüberfahrung jedenfalls nicht ausschließen können.
Aus dem Lichtbild in der Mitte von Seite 2 der Fotozusammenstellung des gerichtlichen Sachverständigen (vgl. I 149) ergibt sich auch – entgegen der Ansicht der Berufung – nichts Abweichendes: Selbst wenn man daraus – wie infolge Schrägstands des Klägerfahrzeugs, hinteren Überhangs der Karosserie und dadurch bedingter Nichterkennbarkeit des linken Hinterrads jedoch nicht – zu Gunsten der Beklagten entnehmen können sollte, dass das klägerische Fahrzeug tatsächlich – zumindest geringfügig, nach Schätzung des erkennenden Spezialsenats für Verkehrsunfallsachen keinesfalls über die ca. 15 cm breite Oberseite des Randsteins hinaus – auf dem relativ flach – keinesfalls jedoch höher als ca. 5 cm – ausgestalteten Bordstein zum Stillstand gekommen wäre so erbrächte dies in concreto den beklagtenseits zu führenden Beweis eines vorausgegangenen Überfahrens des Bordsteins durch die Klägerin alleine noch nicht. Schließlich hat der Sachverständige – im Kontext der klägerseits behaupteten, anstoßbedingten Auslenkung des Klägerfahrzeugs befragt – ausdrücklich festgestellt, dass mit Blick auf die durch Lichtbild Nr. 5 des Schadensgutachtens dokumentierte erhebliche Krafteinwirkung auf das klägerische Fahrzeug es durchaus nachvollziehbar sei, dass dieses Fahrzeug kollisionsbedingt um 10 bis max. 20 cm nach links ausgelenkt worden sei; es sei mithin durchaus plausibel, dass während der klägerischen Vorbeifahrt nicht beabsichtigt worden sei, den abgesenkten Bordstein zu befahren (I 113). Auf ergänzende Nachfrage hat er schließlich ausgeführt, eine kontaktfreie Vorbeifahrt sei möglich gewesen (I 115).
Nach alledem haben sonach die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis für ein vorkollisionäres Überfahren des Bordsteins und damit des Gehwegs seitens der Klägerin ersichtlich nicht zu führen vermocht.
Soweit die Berufung meint, die Klägerin habe jedenfalls beim Vorbeifahren am Beklagten-Müllfahrzeug einen Mindestabstand von 2 m einzuhalten gehabt und schon deswegen über den Bordstein fahren müssen (II 29 unter Verweis auf OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866), fehlen hierfür ausreichende Feststellungen. Darüber hinaus übersieht diese Argumentation schon im Ausgangspunkt, dass das OLG Hamm in besagtem Urteil vom 11. November 1987 – 3 U 328/86 – nur darauf erkannt hat, die übrigen Verkehrsteilnehmer hätten vorsichtig zu fahren, wenn ein Müllfahrzeug am Straßenrand anhalte; es sei geboten, einen Seitenabstand von zwei Metern einzuhalten oder aber mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren, weil immer damit zu rechnen sei, dass Müllwerker die Fahrbahn beträten (OLG Hamm, a.a.O., juris). Nach der eindeutigen Begründung dieser Entscheidung solle dies ausdrücklich dem Schutz der an den Müllfahrzeugen tätigen Personen dienen (so zutreffend auch Greger/Zwickel in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 14, Rn. 32). Dieser Schutzzweck war und ist – wie von der Berufungsantwort zu Recht herausgearbeitet – hier jedoch nicht tangiert. Auf die etwaige Nichteinhaltung eines in anderer Sachverhaltskonstellation möglicherweise gebotenen, besonderen Sicherheitsabstands könnten sich die Beklagten mithin im Streitfall nicht berufen.
Nicht nachvollziehbar ist auch die Ansicht der Berufung, die Klägerin habe jedenfalls kein Schritttempo eingehalten, die mittlere Schrittgeschwindigkeit belaufe sich auf 5 km/h; laut Gerichtssachverständigem sei die Klägerin indessen mit 15 km/h, also dem Dreifachen gefahren, habe sich somit in jedem Fall sorgfaltswidrig verhalten (II 29).
Dieser Angriff geht schon deshalb fehl, weil der Sachverständige ausdrücklich eine Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Pkw im Bereich der unteren Schrittgeschwindigkeit festgestellt hat (I 111); allenfalls vermochte er – in Abhängigkeit von der (nicht festgestellten) Bremsverzögerung – eine Ausgangsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs von „bis zu ca. 15 km/h“ (I 113) nicht auszuschließen.
Überdies hat das Landgericht im Anschluss an die weiteren technischen Feststellungen des Sachverständigen – von der Berufung zu Recht nicht angegriffen – festgestellt, dass ein etwaiger Geschwindigkeitsverstoß der Klägerin sich nicht unfallursächlich ausgewirkt habe, weil bei langsamerem Überholen („beispielsweise 10 km/h oder darunter“/I 113) der Unfall lediglich einen anderen Schadensbereich am Klägerfahrzeug nach sich gezogen haben würde.
Entgegen der Ansicht der Berufung (II 29), tragen die Beklagten – wie gesehen – auch die Beweislast für das angebliche Überfahren des Bordsteins durch die Klägerin; letztere musste und muss gerade nicht selbst eine solche Möglichkeit ausräumen. Die abweichende Rechtsansicht der Berufung widerspricht völlig zutreffender und gefestigter Rechtsprechung des zuständigen VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der auch der erkennende Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen folgt und von der abzuweichen, nichts vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.
2. Lediglich im Ausgangspunkt zu Recht thematisiert die Berufung zuletzt, dass das Müllfahrzeug der Beklagten im Einsatz in concreto ein nach § 35 Abs. 6 StVO privilegiertes Fahrzeug dargestellt habe; erkennt indessen selbst ausdrücklich an, dass dies nicht vom allgemeinen Rücksichtnahmegebot entbinde; gegen ein solches Fahrzeug könne jedoch nicht ohne Weiteres der Anscheinsbeweis des § 10 StVO streiten (II 31).
a) Nach § 35 Abs. 6 StVO dürfen zwar u.a. im Einsatz befindliche Müllfahrzeuge überall fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erforderlich macht.
Die Norm sieht für diese Müllfahrzeuge zwar immerhin, zugleich aber auch nur – gegenüber der umfassenderen Regelung in § 35 Absatz 1 StVO etwa für Polizei- und Rettungskräfte in dringenden Einsätzen (für die im Übrigen selbst dann noch die Rücksichtnahmepflicht nach § 35 Absatz 8 StVO gilt!) – wegen ihrer Einsatztätigkeit im allgemeinen Interesse in § 35 Absatz 6 StVO eine beschränkte Privilegierung vor (vgl. Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 35 StVO, Rn. 124 ff.): Fahrzeuge, die – u.a. – der Müllabfuhr dienen und zudem durch weiß-rot-weiße Warneinrichtungen gekennzeichnet sind – was hier ausweislich des oberen Lichtbilds auf Seite 2 der Lichtbildzusammenstellung des Sachverständigen (vgl. I 149) der Fall gewesen ist – dürfen auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert, sie sind dadurch freilich nicht von der Einhaltung der übrigen Verkehrsvorschriften entbunden (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., § 35 StVO, Rn. 13 m.w.N.), so beispielsweise nicht von der Sorgfaltspflicht, sich vor einem Fahrstreifenwechsel zu überzeugen, dass andere Verkehrsteilnehmer durch seine Fahrweise nicht überrascht und gefährdet werden; § 35 Absatz 8 StVO gilt (erst Recht) auch hier (vgl. KG, Urt. v. 15.01.1996 – 12 U 5297/94, juris; Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, Stand: 25.10.2017, § 35 StVO, Rn. 113). Ebenso wenig sind Insassen eines Müllfahrzeugs etwa von den besonderen Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen gemäß § 14 StVO dispensiert (vgl. OLG Brandenburg, VRS 117, 336; König, a.a.O.). Anders als die Berufung meint, gelten speziell auch für das Ein- oder Anfahren gelten für Müllfahrzeuge die gleichen hohen Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO; selbst wenn – bisweilen – dann über das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO hergeleitet (vgl. KG NZV 2004, 637; 1996, 21; OLG Düsseldorf, VM 1978, 60 dazu auch König, a.a.O., § 10 StVO, Rn. 10).
Nach § 10 Satz 1 StVO hat sich jedoch – schon wegen der objektiven Gefährlichkeit dieses Verkehrsvorgangs; und zwar mit jedem Fahrzeug, erst Recht jedoch mit einem großvolumigen, unübersichtlichen Müll-Lkw – der betreffende Fahrzeugführer beim Anfahren – selbst nach nur kurzem Anhalten – kraft ausdrücklicher gesetzgeberischer Anordnung so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer des bevorrechtigten fließenden Verkehrs ausgeschlossen ist, mithin die so gen. „äußerste“ bzw. „größtmögliche Sorgfalt“ zu wahren (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., § 10 StVO, Rn. 10 m.w.N); erforderlichenfalls muss er sich einweisen lassen. Der Fahrer muss sich demgemäß vergewissern, dass die Fahrbahn für ihn im Rahmen der gebotenen Sicherheitsabstände frei ist und dass er niemanden übermäßig behindert. Die Verantwortung für die Sicherheit des Vorgangs trifft vor allem ihn (vgl. BGH VRS 56, 203, OLG Köln, DAR 2006, 27; König, a.a.O. m.w.N.). Das gilt – wie gesehen – auch für Müllfahrzeuge im Einsatz, ggfs. auch über § 1 Abs. 2 StVO (s.o.). Kommt es im unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Ein- oder Anfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht anerkanntermaßen ein Anscheinsbeweis gegen den Anfahrenden (vgl. BGH, DAR 2011, 696, OLG Celle, NJW-RR 2003, 1536; KG NZV 1996, 365; OLG Köln NZV 2012, 540; König, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist für den Streitfall das Landgericht im angefochtenen Urteil in Würdigung des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme völlig zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2 sorgfaltswidrig gehandelt habe, weil er – unbestritten – vom rechten Straßenrand mit dem Müll-Lkw angefahren ist, ohne auf möglichen von hinten nahenden, bevorrechtigten fließenden Verkehr – hier konkret die tatsächlich schon mit dem von ihr gelenkten Pkw im Vorbeifahren befindliche Klägerin – zu achten, weswegen es auch zum streitgegenständlichen Unfall kam. Auf einen entsprechenden Anscheinsbeweis hat das Landgericht insoweit überhaupt nicht rekurriert, sodass die diesbezügliche Berufungsrüge ohnedies ins Leere geht.
Soweit sich die Berufung auf die Ausführungen des „Zeugen“ – gemeint sind mangels Vernehmung eines Zeugen in erster Instanz erkennbar nur die Angaben des Beklagten zu 2 bei dessen informatorischer Anhörung (I 107 f.) – beruft, wonach er seinen Sorgfaltspflichten doch nachgekommen sei, hat das Landgericht diese Angaben völlig zu Recht seiner Entscheidung nicht zu Grunde gelegt. Denn diese wurden durch die entsprechenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in all ihren wesentlichen Elementen klar widerlegt: So war erstens – wie vom Sachverständigen festgestellt – das Klägerfahrzeug für den Beklagten zu 2 bei dessen Anfahren jederzeit erkennbar. Zweitens besteht für das behauptete schnelle Fahren der Kl.in keinerlei Anhaltspunkt (s.o.), im Gegenteil bewegten sich beide Fahrzeuge, namentlich auch das der Klägerin, im unteren Geschwindigkeitsbereich (I 111). Und drittens ist die Behauptung des Beklagten zu 2, er habe mit dem Beklagten-Lkw im Kollisionszeitpunkt bereits wieder gestanden, mit den Beschädigungsstrukturen am klägerischen Fahrzeug (intensive seitliche Eindrückung) eindeutig nicht in Einklang zu bringen (I 111 f.).
Ebenso unzutreffend rügt die Berufung, der Sachverständige habe festgestellt, dass der Beklagten-Lkw maximal 10 bis 20 cm nach links ausgeschert sei (II 31). Vielmehr hat der Sachverständige es wegen des intensiv eingedrückten rechten Seitenteils des klägerischen Fahrzeugs „nur“ für nachvollziehbar erklärt, dieses (!) Kraftfahrzeug (also das der Klägerin) sei „durchaus um 10 bis maximal 20 cm nach links ausgelenkt“ worden (I 113).
3. Für die Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG ist nach alldem im Streitfall von Folgendem auszugehen:
a) Zu Lasten der Beklagten ist eine schon aufgrund seiner Größe, Masse und Unübersichtlichkeit (mithin konstruktionsbedingt) gegenüber dem Pkw der Klägerin erhöhte Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen, die zudem durch einen ganz gravierenden sorgfaltswidrig-schuldhaften Verstoß des Beklagten zu 2 gegen eine der so gem. „Kardinalpflichten“ der StVO, für welche der Gesetzgeber höchste Vorsicht gebietet, weiter massiv erhöht wurde, sodass in der Regel – sogar – die einfache Betriebsgefahr des Verkehrsteilnehmers des fließenden Verkehrs hinter einem entsprechenden Verstoß zurücktritt (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., § 10 StVO, Rn. 11 a.E. i.V.m. § 17 StVG, Rn. 10 und 18 m.w.N.).
b) Andererseits ist nach Sachlage zu Lasten der Klägerin zunächst die einfache Betriebsgefahr ihres Pkw zu berücksichtigen, die jedoch schon bauartbedingt gegenüber der Betriebsgefahr des Beklagten-Lkw ganz erheblich geringer zu bewerten ist. Diese einfache Betriebsgefahr wurde außerdem jedenfalls, zugleich aber auch nur, geringfügig verhaltensbedingt durch einen (leichten) Verstoß der Klägerin gegen ihre allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO (i.V.m. § 35 Abs. 6 StVO) erhöht.
Denn mit Blick auf die Privilegierung von Müllfahrzeugen im Einsatz ist diesen gegenüber besondere Vorsicht geboten, an ihnen darf nur langsam, d.h. in der Regel mit Schrittgeschwindigkeit oder 2 m Sicherheitsabstand vorbeigefahren werden (s.o. sowie OLG Hamm, Urt. v. 11.11.1987 – 3 U 328/86 -, NJW-RR 1988, 866; LG Münster, Urt. v. 26.04.2002 – 16 O 83/02 -, ZfS 2002, 422; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.09.1982 – 5 Ss OWi 467/81 – 390/81 I -, VRS 64, 458; Hentschel/König/Dauer-König, StVR, a.a.O., § 35 StVO, Rn. 13). Schließlich ist bekannt, dass bei Einsatz der privilegierten Fahrzeuge tätige Personen die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt nicht stets in jeder Hinsicht beachten (können), weil ihr Hauptaugenmerk auf ihrer Arbeitsverrichtung liegt (vgl. LG Saarbrücken, Urt. v. 17.04.2014 – 13 S 24/14 – NZV 2014, 412). Es muss demnach – u.a. – etwa mit plötzlich vor oder hinter dem Fahrzeug hervortretenden Personen gerechnet werden (vgl. LG Berlin, Urt. v. 10.04.2002 – 24 O 99/01 – Schaden-Praxis 2002, 263; Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 35 StVO, Rn. 131 sowie Geigel-Freymann, a.a.O., 27. Kap. Rn. 713 m.w.N.).
Wie gesehen hat das Landgericht beanstandungsfrei (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) festgestellt, dass hier die Klägerin zwar nur mit Schrittgeschwindigkeit an dem Müll-Lkw der Beklagten vorbeigefahren ist, eine Überschreitung dieser Geschwindigkeit sachverständig jedoch nicht feststellbar ist es im Übrigen selbst bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h oder auch bei einer geringeren Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs von unter 10 km/h zu dem streitgegenständlichen Unfall gekommen wäre (s.o.), mithin eine etwaige Geschwindigkeitsüberschreitung nicht unfallursächlich geworden wäre.
Die Klägerin, die die Situation – wie sie selbst mit ihrer Berufungsantwort ausdrücklich vortragen lässt – voll erkannt hatte, ist jedoch an dem Müll-Lkw vorbeigefahren, ohne zunächst dessen aktuellen „Betriebsstand“ (etwa erst Annäherung und Beginn einer Leerung von Mülltonnen oder bereits deren Abstellung, was ein zeitnahes Anfahren erwarten ließ) sondiert zu haben, vielmehr ist sie – wie sie auf Nachfrage bei ihrer informatorischen Anhörung ausdrücklich einräumte (I 105 f.) – ohne jedes Warten in die Engstelle links des Lkw eingefahren, in der sie zudem – nach ihrer eigenen Schätzung – lediglich einen Seitenabstand von 0,5 m zum Müll-Lkw einhielt (I 105 f.). Damit hat die Klägerin den streitgegenständlichen Unfall durch ihr – jedenfalls – gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO unter ergänzender Berücksichtigung von § 35 Abs. 6 StVO verstoßendes – unvorsichtig – leicht fahrlässiges Verkehrsverhalten in zumindest nicht gänzlich vernachlässigbarem Umfang erst wahrscheinlich gemacht, sodass – jedenfalls – für ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr ihres Pkw gegenüber der des Beklagten-Lkw in concreto kein Raum verbleibt.
c) Nach alledem ist auch nach eigenständiger Bewertung des Sachverhalts durch den Senat die vom Landgericht im Streitfall angenommene Haftungsverteilung von ¼ : ¾ zu Lasten der Beklagten sachangemessen, gibt mithin keinen Anlass für eine berufungsgerichtliche Korrektur. Für die von der Berufung der Beklagten weiterverfolgte Klagabweisung, d.h. die Annahme einer Alleinhaftung der Klägerin, ist demgemäß nach Sachlage ersichtlich kein Raum.
4. Soweit das Landgericht der Höhe nach auf einen Schaden der Klägerin aus dem Unfall erkannt hat, besteht hierüber in zweiter Instanz zu Recht kein Streit. Insoweit kann mithin auf die zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.
II. Die Berufungskläger werden darauf hingewiesen, dass bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss die gleichen Kosten entstehen wie bei Zurückweisung durch Urteil mit Begründung (4,0 Gerichtsgebühren nach § 3 GKG, KV Nr. 1220). Wird jedoch die Berufung zurückgenommen, bevor ein Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ergeht, fallen lediglich 2,0 Verfahrensgebühren für die Berufungsinstanz an (KV Nr. 1222).