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Verkehrsunfall nach slowenischem Recht – Beweis der schuldhaften Verursachung

AG Frankenthal – Az.: 3a C 437/16 – Urteil vom 09.05.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Halter und Eigentümer des PKW Mercedes Benz G 220 T CDI amtl. Kennzeichen F… mit seiner am 04.01.2017 der beklagten KFZ-Haftpflichtversicherung zu Händen der Regulierungsbeauftragten zugestellten Klage die Zahlung von Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles, der sich am 21.08.2016 um 20:00 Uhr in Slowenien im Vorfeld einer Grenzkontrollstelle mit mehreren Fahrbahnen, die jeweils PKW oder LKW auswiesen, ereignete. Im Unfallzeitpunkt herrschte Stop and Go Verkehr. Da der Kläger sich auf einer für LKW´s bestimmte Fahrbahn befand, wollte er nach links auf die PKW-Spur wechseln. Im Zuge des Fahrspurwechsels kam es zur Kollision mit dem auf der linken Fahrspur fahrenden, von dem tschechischen Versicherungsnehmer der Beklagten als Halter und Eigentümer geführten PKW M… amtl. Kennzeichen 4…, die Einzelheiten stehen zwischen den Parteien in Streit.

Aufgrund der Kollision wurde das Klägerfahrzeug vorne links im Bereich des Kotflügels und das Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten vorne rechts im Bereich des Kotflügels beschädigt. Eine Unfallaufnahme fand durch die herbeigerufene slowenische Polizei statt, die einen europäischen Unfallbericht fertigte. Seinen Schaden beziffert der Kläger aufgrund eines Kostenvoranschlages des Autohauses J… vom 25.08.2016, das Reparaturkosten in Höhe von netto € 3.417,27 (brutto € 4.066,55) für erforderlich erachtet.

Der Kläger behauptet, es habe eine Verständigung mit dem Versicherungsnehmer der Beklagten stattgefunden, er habe nach dem Spurwechsel 10 Sekunden gestanden als das Beklagtenfahrzeug in die Seite des in Schrägstellung befindlichen Klägerfahrzeuges gefahren sei. Dies ließe sich auch den Fotos, die die Polizei in Unfallendstellung fertigte und die die Fahrzeuge in Unfallendstellung zeigt (Anlage K1) entnehmen.

Nach dem materiellen Recht Sloweniens hafte der Versicherungsnehmer der Beklagten und diese selbst vollumfänglich für den Schaden, ebenso wie für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 173,74, wegen deren Berechnung auf Blatt 6 der Akten Bezug genommen wird.

Die Beklagte befinde sich seit dem 15.11.2016 in Verzug, da die Regulierungsbeauftragte unter Fristsetzung zum 14.11.2016 ergebnislos zur Zahlung aufgefordert worden ist.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 3.417,27 nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.11.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 173,74 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und führt hierzu aus, entgegen der Darstellung des Klägers habe sich das Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten einer Fahrzeugkolonne befunden, die langsam angerollt sei, als der Kläger mit seinem Fahrzeug plötzlich und völlig unvorhersehbar die Fahrspur gewechselt habe und mit dem von dem Zeugen M. … geführten PKW kollidiert sei. Der Verkehrsunfall sei allein vom Kläger verursacht worden. Zwar bestünde nach dem anwendbaren slowenischen Sachrecht grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, dies allerdings lediglich bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes des geschädigten Kraftfahrzeuges, hinsichtlich dessen Höhe der Kläger jedoch keinerlei Angaben macht.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat den Kläger persönlich gem. § 141 ZPO gehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen D…, F…, F… und V…, wegen dessen Ergebnis auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30.08.2018 Blatt 115 der Akten Bezug genommen wird sowie Einholung eines schriftlichen Rechtsgutachtens von Rechtsanwalt T… (Institut für Ostrecht München) vom 09.04.2018 gem. Beweisbeschluss vom 16.03.2017 (Blatt 48 ff. der Akten) wegen dessen Ergebnis auf das schriftliche Gutachten vom 09.04.2018 (Blatt 68 ff. der Akten) Bezug genommen wird sowie der Vernehmung der Zeugen Z… sowie I… im Rahmen der Rechtshilfe durch das Stadtbezirksgericht für Prag 4, wegen dessen Ergebnis auf den Inhalt des Protokolls vom 29.01.2019 (Blatt 177 ff. der Akten) verwiesen wird.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist nach 12, 13 ZPO i.V.m. Art. 13 Abs. 2 i.V.m Art. 11 Abs. 1 lit. b, Brüssel Ia-VO, Art. 4 Abs. 1 Brüssel II-VO örtlich und international (“actor sequitur forum rei“, vgl. EuGH, Urteil vom 01.03.2005 -C-281/02 Owusu/Jackson u.a.; Staudinger Münchener Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2019 Rn. 46 B. II. 1.) sowie gem. § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.

Der Kläger hat gegen die beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gem. Art. 4 Abs. 1, Art. 17 ROM II Verordnung anwendbaren slowenischen materiellen Deliktsrecht, Art. 154 Abs. 1, 131 Abs. 1, Abs. 2, Art. 135 O.Z, Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung im Verkehr, Art. 42, Art. 4 ZPrCP, nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, da er nicht mit der zur Überzeugung des Amtsgerichts erforderlichen Sicherheit zu beweisen vermochte, § 286 ZPO, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten den streitgegenständlichen Verkehrsunfall unter Missachtung gegen die ihn treffenden Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr gem. Art. 42, Art. 4 ZPrCP in Verbindung mit Art. 17 ROM II Verordnung schuldhaft verursacht hat. Nach Art. 4 Abs. 1 ROM II Verordnung ist unter Anknüpfung an die lex loci damni für die Frage der Haftung slowenisches Deliktsrecht unter Anwendung der Grundsätze der deutschen ZPO (lex fori) anzuwenden. Eine Korrektur durch die Ausweichklausel nach Art. 4 Abs. 3 ROM II Verordnung ist vorliegend nicht geboten. Art. 4 und Art. 42 ZPrCP sind dabei nach Art. 17 Abs. 2 ROM II Verordnung nach den Grundsätzen der Tatortregel von Art. 4 Nr. 1 ROM II Verordnung als ortsgebundene straßenverkehrsrechtliche Normen des Tatortrechts als Tatsachenelement (“local data“, vgl. Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) Urteil vom 30.06.2017 – 3a C 278/16; IPRax 2017, Seite 644ff) zu berücksichtigen. Nach der maßgeblichen Haftungsnorm des Artikels 154 Abs. 1 OZ, bei denen der Kläger als Eigentümer des geschädigten KFZ Ansprüche gegen den Halter und Eigentümer des behaupteten geschädigten KFZ verfolgte, ist der Eigentümer, hier der Versicherungsnehmer der Beklagten, von der Haftung auch entlastet, wenn er beweist, dass der Schaden durch ein nicht vorhersehbares Verhalten des Geschädigten oder eines Dritten, der man nicht ausweichen konnte, verursacht wurde. Auch ein Mitverschulden des Geschädigten kann die Höhe der Haftung verringern, Art. 153 OZ.. Nach dem Vorgenannten hat der Kläger durch den sorgfaltspflichtwidrigen Spurwechsel den Verkehrsunfall alleine verursacht und verschuldet nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme. Den gegen ihn im Zusammenhang mit dem Spurwechsel und der Kollision in unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang sprechenden Anscheinsbeweis, § 286 ZPO (vergl. Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) Urteil vom 30.06.2017 – 3a C 278/16; IPRax 2017, Seite 644ff), vermochte der Kläger nicht zu erschüttern, auch unter Berücksichtigung eines evidenten wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Verfahrens ist weder der einen noch der anderen Zeugenaussage der Vorzug vor der jeweils anderen zu geben.

Der Kläger hat bei seiner Anhörung gem. § 141 ZPO angegeben, dass er beabsichtigte, auf die linke Spur zu wechseln, hierzu den Blinker gesetzt hat und zusätzlich mit dem linken Arm angezeigt habe, dass er auf die andere Fahrspur wolle. Der auf der linken Spur fahrende Versicherungsnehmer der Beklagten sei dann mit seinem Fahrzeug stehengeblieben und habe eine Lücke gelassen. In diese sei der Kläger eingefahren und habe sich auch noch bedankt mit dem linken erhobenen Arm. Er habe sich noch in Schrägstellung befunden, als der Versicherungsnehmer der Beklagten angefahren und mit der linken Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeuges kollidiert sei. Er, der Kläger, habe vor der Kollision mindestens 10 Sekunden gestanden. Die Zeugin V… hat bestätigt, dass ihr Mann, der Kläger, den linken Arm aus dem Fenster gestreckt und sie gefragt habe, „Lässt der uns einordnen?“, woraufhin ihr Mann „Ja“ gesagt habe. Bei dem Versuch die Spur zu wechseln seien sie noch in Bewegung gewesen, als das Fahrzeug auf der linken Spur ihnen in die Seite gefahren sei. Eine tatsächliche Verständigung zwischen dem Kläger und dem Versicherungsnehmer der Beklagten selbst vermochte die Zeugin indes nicht mit Bestimmtheit zu schildern. Der Zeuge D… hat ebenfalls angegeben, dass sein Vater, der Kläger, mit der linken Hand versucht habe sich zu verständen mit dem auf der linken Spur fahrenden Mercedes Fahrer; nachdem der Verkehr zunächst gestockt habe, habe man dann begonnen, die Fahrspur zu wechseln. Es sei dann zur Kollision gekommen, als sich die Kolonne wieder in Bewegung setzte. Ob sich das klägerische Fahrzeug unmittelbar vor Kollision noch in Bewegung gefunden hat, vermochte der Zeuge nicht mit Sicherheit anzugeben. Auch der Zeuge F… hat den Versuch einer Verständigung zwischen dem Kläger und dem Versicherungsnehmer der Beklagten geschildert, es habe Stau geherrscht. Ob der Versicherungsnehmer der Beklagten den Spurwechsel nach Verständigung ermöglicht habe, bejahte der Zeuge, nachdem der Spurwechsel begonnen worden sei, sei der Verkehr neu ins Stocken geraten. Sie hätten gestanden, ca. 10 Sekunden bevor der Verkehr wieder begann anzufahren, seien sie auch angefahren, woraufhin es dann zur Kollision gekommen sei. Der Mercedes des Versicherungsnehmers der Beklagten habe dabei ca. 1 Meter hinter ihnen auf der linken Spur gestanden. Der Zeuge F… hat angegeben, dass stockender Verkehr geherrscht habe, sein Vater habe sich mit der linken Hand dahin verständigt, dass er die Spur wechsele. Der Zeuge vermochte allerdings nicht zu schildern, ob eine konkrete Geste durch den Fahrer des weißen Mercedes erfolgte. Das Fahrzeug sei jedenfalls stehen geblieben und der Kläger habe den Fahrspurwechsel nach links begonnen, diesen wegen des stockenden Verkehrs jedoch unterbrochen, man habe so ca. 10-15 Sekunden gestanden, als es dann wieder weiterging und sie weiterfahren wollten, sei es zur Kollision gekommen. Dazu befragt erklärte der Zeuge, dass man langsam angefahren sei, der weiße Mercedes sei ebenfalls langsam gefahren, als es zum Anprall gekommen sei. Auf die Vorlage der Lichtbilderanlage K2 hat der Zeuge bestätigt, dass sich die Fahrzeuge in Kollisionsendstellung befinden.

Verkehrsunfall nach slowenischem Recht - Beweis der schuldhaften Verursachung
(Symbolfoto: Von Rudiecast/Shutterstock.com)

Die im Rahmen der Amtshilfe durch das Stadtbezirksgericht für Prag 4 am 29.01.2019 vernommenen Zeugen C… und K… haben demgegenüber übereinstimmend angegeben, dass sie auf dem linken Fahrstreifen gefahren seien, rechts vor ihnen befand sich ein anderer Wagen mit deutschen Kennzeichen, der auf einmal bei langsamer Vorwärtsfahrt abrupt den Fahrstreifen wechselte, also plötzlich in ihrem Fahrstreifen vor sie hingefahren sei, woraufhin es zur Kollision gekommen sei. Eine Verständigung mit dem Kläger haben beide Zeugen nicht bestätigt, der Zeuge C… hat eine solche vielmehr definitiv – auch auf Nachfrage – ausgeschlossen. Dies steht auch im Einklang mit dem Inhalt des europäischen Unfallberichtes (Anlage K1) der hinsichtlich der Unfallskizze in Verbindung mit den zur Akte gereichten Lichtbildern lediglich einen eingeleiteten Spurwechsel, jedoch keine gesicherte Geradeausfahrt bestätigt.

Da der Kläger gegen die Beklagte gem. Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung im Verkehr bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Schadensersatz hat, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren. Die Klage unterlag daher insgesamt der Abweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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