OLG München – Az.: 10 U 124/16 – Urteil vom 03.06.2016
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 12.01.2016 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 17.12.2015 (Az. 8 O 1014/14) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin samtverbindlich 13.389,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.11.2013 zu bezahlen.
II. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 917,00 € zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin 38% und die Beklagten samtverbindlich 62%.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der ursprünglich in Anspruch genommenen H. Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G.
Die Beklagten tragen samtverbindlich 62% der außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz jeweils selbst.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen samtverbindlich die Beklagten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 25.03.2013 in F. ereignet hat.
Die (vorsteuerabzugsberechtigte) Klägerin ist nach ihrer Behauptung Eigentümerin des Lkw Mercedes Arctos, amtliches österreichisches Kennzeichen … Der Zeuge Daniel N. fuhr am 25.03.2013 gegen 12.50 Uhr mit diesem Lkw auf der B 304 in F. in östlicher Richtung. Zum selben Zeitpunkt fuhr der Beklagte zu 2) mit seinem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw Audi A4, Kennzeichen …, auf der – gegenüber der B304 untergeordneten – R.straße in F. in nördlicher Richtung mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h unter Missachtung des für ihn geltenden Stopp-Schilds, ohne an der Haltelinie anzuhalten in die Bundesstraße ein, um links abzubiegen. Auf der B 304 im Einmündungsbereich der R.straße kam es zur Kollision beider Fahrzeuge.
Dabei entstand an dem Lkw ein Schaden in Höhe von netto 13.389,80 € (Reparaturkosten), während die im Beklagten-Pkw befindliche Geschädigte Rebecca K., erheblich verletzt wurde.
Mit Schreiben vom 21.10.2013, der ursprünglich in Anspruch genommenen H. Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., einer Vertreterin der Beklagten zu 1), spätestens am 23.10.2013 zugegangen, wurde diese aufgefordert, die o.g. Reparaturkosten binnen 14 Tagen zu bezahlen. Ferner beauftragte die Klägerin vorgerichtlich Rechtsanwalt Reinhard H. LL.M. mit der Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche, wobei Rechtsanwaltsgebühren einschließlich Mehrwertsteuer (174,23 €) in Höhe von insg. 1.091,23 € anfielen.
Im Hinblick auf die bei dem streitgegenständlichen Unfall erlittenen Verletzungen von Rebecca K. entrichtete die Beklagte zu 1) Vorschusszahlungen von über 65.000,00 €.
Die Klägerin trägt vor, der klägerische Lkw sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 bis 65 km/h gefahren.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten treffe die alleinige Haftung für die Unfallfolgen. Der Beklagte zu 2) habe die Vorfahrt des klägerischen Fahrers in gravierender Weise verletzt. Für diesen sei der Unfall unvermeidbar gewesen. Zumindest trete aber die Betriebsgefahr des klägerischen Lkws hinter dem groben Verschulden des Beklagten zu 2) zurück.
Die Beklagten bestreiten zunächst die Aktivlegitimation, nämlich dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des o.g. Lkw war. Im Übrigen räumen sie zwar eine Vorfahrtverletzung seitens des Beklagten zu 2) ein, behaupten aber, der klägerische Fahrer sei mit mindestens 65 km/h zu schnell gefahren und hätte die Kollision bei angepasster Geschwindigkeit vermeiden können. Eine Haftung treffe die Beklagten daher nur in Höhe von 2/3, d.h. in Höhe von 8.926,53 €.
Gegen diese Forderung in Höhe von 8.926,53 € hat die Beklagte zu 1) mit bei Gericht am 29.04.2016 eingegangenem Schriftsatz (Klageerwiderung) die Aufrechnung mit einer Gegenforderung auf Regress aus der o.g. Regulierung der Ansprüche der Geschädigten Rebecca K. erklärt.
Die Klägerin wiederum hatte ursprünglich allein die H. Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. verklagt, die Klage dann mit Schriftsatz vom 16.05.2014 erweitert gegen den Beklagten zu 2) und mit Schriftsatz vom 04.06.2014 schließlich bzgl. der Beklagten zu 1) einen Parteiwechsel dahingehend vorgenommen, dass sie an Stelle der H. Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. die Klage gegen die jetzige Beklagte zu 1) gerichtet hat.
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags, der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf das gerichtlich erholte unfallanalytische Gutachten vom 06.03.2015 (Bl. 75 d.A.) sowie das angefochtene Urteil vom 17.12.2015 (Bl. 113-122 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage mit Endurteil vom 17.12.2015 abgewiesen, und zwar mit der Begründung, dass sich die Klägerin zunächst eine Mithaftungsquote von 25% anrechnen lassen müsse und dass der Anspruch im Übrigen aufgrund der Aufrechnung erloschen sei.
Hinsichtlich der weiteren Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin am 29.12.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 12.01.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 130/131 d.A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht München am 23.02.2016 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 135-138 d.A.) begründet.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 17.12.2015, Az.: 8 O 1014/14, wird aufgehoben.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 13.389,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 06.11.2013 zu bezahlen.
3. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.091,23 € zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Berufungserwiderung vom 31.03.2016 (Bl. 143-149 d.A.), bei Gericht am 31.03.2016 eingegangen, haben die Beklagten die o.g. Hilfsaufrechnung um 1.115,82 € erweitert auf 10.042,35 € und klargestellt, dass es sich dabei um Regress bzgl. einer Schmerzensgeldforderung der Geschädigten Rebecca K. handelt.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 22.04.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 13.05.2016 bestimmt.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die vorgenannte Berufungserwiderung, den Schriftsatz der Beklagten vom 13.05.2016 und auf die weiteren Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
B.
I. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache weit überwiegend Erfolg.
1.) Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Zahlung von 13.389,80 €. Dieser Anspruch ist gem. §§ 7 I StVG, 823 I BGB, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG entstanden und nicht gem. § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.
a) Dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Unfalls die Eigentümerin des streitgegenständlichen Lkw war und somit aktivlegitimiert ist, steht nach den insoweit gem. §§ 528 S. 2, 529 I Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Erstgerichts fest.
b) Dass der o.g. Anspruch grundsätzlich entstanden ist, ist unzweifelhaft und zwischen den Parteien im Übrigen auch gar nicht streitig; streitig ist allein, ob sich die Klägerin gem. § 17 I, II StVG eine Mithaftungsquote anrechnen lassen muss oder nicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sowie des Erstgerichts muss sich die Klägerin keine Mithaftungsquote anrechnen lassen, weder in Höhe eines Drittels (so die Beklagten) noch in Höhe eines Viertels (so das Erstgericht).
Im Einzelnen:
aa) Nach den abermals gem. §§ 528 S.2, 529 I Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Erstgerichts hat der Beklagte zu 2) den Unfall dadurch verursacht, dass er trotz für ihn geltenden Stoppschildes das Vorfahrtsrecht des klägerischen Fahrers missachtet hat. Dass der Beklagte zu 2) auf diese Weise den Unfall zumindest mitverursacht hat, wird von den Beklagten im Übrigen auch gar nicht angezweifelt.
bb) Den Beklagten wiederum ist es nicht gelungen, einen schuldhaften Verursachungsbeitrag des klägerischen Fahrers nachzuweisen. Diesbezüglich gilt Folgendes, worauf der Senat auch schon insb. mit Beschluss vom 22.04.2016 (Bl. 150-153 d.A.) hingewiesen hat:
- Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug am Unfallort für den klägerischen Lkw gem. § 3 III Nr. 2 lit. b) aa) StVO 60 km/h, während sich die Ausgangsgeschwindigkeit des Lkw ausweislich des hier erholten unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S. vom 06.03.2015 nicht näher eingrenzen ließ als zwischen 59 km/h und 71 km/h.
- Die Auffassung der Beklagten, der klägerische Fahrer hätte aufgrund der Verhältnisse vor Ort (gem. § 3 I StVO) weniger schnell als 60 km/h fahren dürfen, ist unzutreffend. So ereignete sich der Unfall bei Tageslicht auf trockener Fahrbahn (vgl. S. 4 des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens S.). Der Aktenlage ist nicht zu entnehmen, dass irgendwelche witterungsbedingte Sichtbehinderungen vorgelegen hätten. Zwar war die zulässige Höchstgeschwindigkeit (für Fahrzeuge, welche hier grundsätzlich schneller als 60 km/h fahren durften) mittels Zeichens 274 auf 70 km/h beschränkt. Dies betraf aber nicht den klägerischen Lkw, welcher ohnehin nicht schneller als 60 km/h fahren dufte. Hätte man hier eine (weitere) Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für derartige Lkw auf weniger als 60 km/h anordnen wollen, hätte man ein entsprechendes Verkehrszeichen anbringen müssen. Der klägerische Fahrer durfte daher grundsätzlich davon ausgehen, dass es für ihn keiner Geschwindigkeitsreduzierung auf weniger als 60 km/h bedurfte. Auch durfte er darauf vertrauen, dass Fahrzeuge, welche sich auf der R. dem Einmündungsbereich zur B 304 näherten bzw. dort an der Haltelinie bereits warteten, seine Vorfahrt beachten würden.
- Soweit die Beklagten mit dem o.g. Schriftsatz vom 13.05.2016 darauf hinweisen, dass es seitens der Straßenverkehrsbehörden angebracht gewesen wäre, durch eine entsprechende Beschilderung nicht nur die Höchstgeschwindigkeit für Pkw von 100 km/h auf 70 km/h zu reduzieren, sondern auch diejenige für Lkw von 60 km/h auf ein entsprechend geringeres Maß, und dass eine unterlassene Beschilderung keinen Dispens von § 3 StVO begründe, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar war für den klägerischen Fahrer die Sicht auf den Einmündungsbereich der R.straße durch Brückenbefestigungen eingeschränkt; allerdings durfte er sich, wie bereits ausgeführt, darauf verlassen, dass für ihn keine Reduzierung der Geschwindigkeit auf weniger als 60 km/h veranlasst war, und zwar nicht zuletzt gerade deswegen, weil die Geschwindigkeit für Pkw reduziert war, er also davon ausgehen durfte, dass die Straßenverkehrsbehörden die abstrakte Gefahrenlage erkannt und ihr mit der Beschilderung umfassend begegnet waren. Zudem hat eine solche Geschwindigkeitsreduzierung ersichtlich zumindest auch den Sinn, es vorschriftsgemäß vor dem Stoppschild haltenden Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, noch rechtzeitig vor dem Einbiegen auf die B 304 die sich dort mit entsprechend geringerer Geschwindigkeit nähernden Fahrzeuge erkennen zu können. Dies mag zwar bzgl. eines mit 100 km/h fahrenden Pkw, nicht aber bzgl. eines ohnehin nicht schneller als 60 km/h fahrenden Lkw problematisch sein, so dass es veranlasst war, die Beschilderung, wie geschehen, vorzunehmen.
- Ebenso unzutreffend ist die Auffassung der Beklagten, es sei unstreitig, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrers mindestens 65 km/h betragen habe. Insbesondere lässt sich dem Vortrag auf S. 2 der Klageschrift vom 14.03.2014 (= Bl. 2 d.A.), die Geschwindigkeit des Lkw habe „ca. 60 bis 65 km/h“ betragen, kein solches klägerisches Zugeständnis entnehmen. Denn hier wurde – unter Verwendung der Worte „ca.“ und „bis“ – ersichtlich nur eine bloße Schätzung vorgetragen, und dies noch dazu ggf. nur unter dem Eindruck des im Ermittlungsverfahren erholten unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen H.
- Nicht richtig ist schließlich auch der Vortrag der Beklagten, es sei nachgewiesen, dass der klägerische Fahrer die Kollision in zeitlicher Hinsicht hätte vermeiden können, wenn er nicht schneller als 60 km/h gefahren wäre. Zu einem derartigen Ergebnis ist insbesondere auch nicht das o.g. unfallanalytische Gutachten S. gekommen. Vielmehr lautet das Ergebnis dieses Gutachtens auf S. 21 bloß, dass eine klägerische zeitliche Unvermeidbarkeit nicht bestätigt werden könne. Betrachtet man nun S. 20 dieses Gutachtens isoliert, so wie es die Beklagten tun (vgl. S. 4 der Berufungserwiderung = Bl. 146 d.A.), ergibt sich zwar eine klägerische zeitliche Vermeidbarkeit, dies aber nur, wenn man eine Geschwindigkeit des bekl.-Pkw von 19 km/unterstellt. Dass diese Geschwindigkeit tatsächlich 19 km/h betrug, und dies noch dazu konstant, erscheint demgegenüber völlig ungewiss. So erwähnt das Gutachten S. (vgl. dort S. 5) zunächst die Feststellung des Sachverständigen H., wonach die Pkw-Kollisionsgeschwindigkeit bei 17-22 km/h gelegen habe. Sodann wird (auf S. 6) ausgeführt, dass die Spurenlage vor Ort weder durch den Sachverständigen H. noch durch die Polizei qualifiziert vermessen worden sei. Auf S. 13 wird schließlich Folgendes festgestellt: „Die Verknüpfung der Lkw-Bewegung mit dem Einfahrverhalten des bekl.-Pkw unterliegt ebenfalls Unsicherheiten, da die möglichen Pkw-Kollisionsgeschwindigkeiten aufgrund des großen Masseunterschiedes zwischen Lkw und Pkw nicht genau bestimmt werden können. (…) Diese stellen sich theoretisch dahingehend vor, dass die bekl.-Kollisionsgeschwindigkeit nicht weiter unterscheidbar das Ergebnis einer Beschleunigung, einer konstanten Fahrt oder auch einer Bremsung gewesen sein kann. Diese Variationen eröffnen ein mögliches Ergebnisspektrum für die bekl.-Bewegung, die zu einer nahezu unbegrenzten Kombinationsmöglichkeit zu den (möglichen) klägerischen Annäherungsbedingungen führen würde.“
Letztlich ist das Ergebnis dieses Gutachtens, dass zwar die Klägerin nicht den Nachweis einer klägerischen Kollisions-Unvermeidbarkeit führen kann, dass umgekehrt aber auch die Beklagten nicht den Nachweis einer klägerischen Kollisions-Vermeidbarkeit führen können.
Mangels weiterer Anknüpfungstatsachen erübrigt sich auch eine Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu dieser Problematik.
cc) Wie weiterhin bereits vom Senat mit Verfügung vom 03.03.2016 (Bl. 139-141 d.A.) hingewiesen, gilt bzgl. der Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge (§ 17 I, II StVG) bzw. der Frage eines Zurücktretens der Betriebsgefahr des klägerischen Lkw Folgendes: Dass es in derartigen Fällen zu einem vollständigen Zurücktreten der Betriebsgefahr kommt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. z.B. die Entscheidungssammlung bei Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 14. Aufl. 2015, Rdnr. 8). Hiervon allein deshalb abzuweichen, weil es sich hier nicht um das Verhältnis Pkw/Pkw, sondern um das Verhältnis Lkw/Pkw handelt, erscheint nicht angezeigt. Indes geht hiervon offenbar auch das Erstgericht nicht aus, stützt es seine Entscheidung doch auf sein kumulativ hinzutretendes Argument, „eine Geschwindigkeit des Lkw von 71 km/h“ könne „unter Berücksichtigung der Toleranzen nicht ausgeschlossen werden“ (vgl. Seite 8 des Urteils). Dabei verkennt es in entscheidungserheblicher Weise den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass die für die Abwägung maßgebenden Umstände feststehen müssen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein müssen (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. z.B. NJW 2014, 217).
c) Der Anspruch ist nicht erloschen, insb. auch nicht gem. § 389 BGB in Folge der o.g. Hilfsaufrechnung, über welche der Senat nunmehr zu entscheiden hatte.
aa) Ein vollständiges Erlöschen käme bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Hilfsaufrechnung nicht in Höhe von 13.389,80 €, sondern nur in Höhe von 10.042,35 € erklärt worden ist.
bb) Aber auch in dieser Höhe ist der Anspruch nicht erloschen, was sich aus dem oben Ausgeführten ergibt: Mangels Haftung der Klägerin für den streitgegenständlichen Unfall steht der Beklagten zu 1) gegen die Klägerin auch kein Regressanspruch hinsichtlich eines an die Geschädigte Rebecca K. gezahlten Schmerzensgeldes zu.
2.) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 I 1, 288 I BGB. Soweit die Beklagte zu 1) in Verzug gesetzt worden ist, wirkt dies trotz § 425 I, II BGB auch zu Lasten des Beklagten zu 2). Denn gem. A.1.1.4 AKB (entspricht § 10 V AKB a.F.), d.h. der der Beklagten zu 1) vom Beklagten zu 2) erteilten Regulierungsvollmacht, ergibt sich hier aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ i.S.d. § 425 I BGB. Dies hat zur Folge, dass sich der Beklagte zu 2) gem. § 164 I, III BGB die den Verzug begründende Wirkung der gegenüber der Beklagten zu 1) (bzw. ihrer Vertreterin) ausgesprochenen Zahlungsaufforderung zurechnen lassen muss.
3.) Der Anspruch auf Ersatz der o.g. vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich, wie die Hauptsacheforderung, aus §§ 7 I StVG, 823 I BGB, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG. Die Klägerin kann diesbezüglich gem. § 249 II 2 BGB allerdings nicht auch den Ersatz von Mehrwertsteuer verlangen, weil sie vorsteuerabzugsberechtigt ist. Der Anspruch beläuft sich daher nicht auf die geforderten 1.091,23 €, sondern nur auf 917,00 €. Auch wenn dies zumindest ausdrücklich nicht beantragt worden ist, war auch insoweit eine samtverbindliche Haftung der Beklagten auszusprechen, weil auch hier § 115 I 4 VVG einschlägig ist (vgl. auch Zöller, ZPO, 31. Aufl. § 308, Rdnr. 3).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I 1, 92 I 1, II Nr. 1, 100 IV 1, 269 III 2, IV 1 ZPO.
1.) Zu den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz:
a) Zu den Gerichtskosten erster Instanz:
Zwar hat die Klägerin weitgehend obsiegt und sind die Beklagten weitgehend unterlegen. Gleichwohl war analog §§ 269 III 2, 92 I 1 ZPO zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass in dem gewillkürten Parteiwechsel auf Beklagtenseite eine konkludente Teilklagerücknahme liegt. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin 38% der Gerichtskosten erster Instanz zu tragen hat. Denn bezogen auf den fiktiven Gesamtstreitwert erster Instanz, welcher sich errechnet aus der Addition von 13.389,80 € (Forderung gegen die ursprüngliche Beklagte), weiteren 13.389,80 € (Forderung gegen die aktuellen Beklagten) und der hilfsweise aufgerechneten Gegenforderung in Höhe von 8.926,53 €, d.h. insg. 35.706,13 €, macht die Teilklagerücknahme mit 13.389,80 € gerundet 38% aus. Die Beklagten haben entsprechend 62% der Gerichtskosten erster Instanz zu tragen, und zwar gem. § 100 IV 1 ZPO samtverbindlich.
b) Zu den außergerichtlichen Kosten erster Instanz:
Zunächst war, wie auch bereits zutreffend im Ersturteil geschehen, analog § 269 III 2, IV 1 ZPO antragsgemäß auszusprechen, dass die Klägerin verpflichtet ist, die außergerichtlichen Kosten der ursprünglich in Anspruch genommenen H. Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. zu tragen. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Beklagten samtverbindlich 62% der außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin zu tragen haben. Nachdem die Beklagten in der maßgeblichen Hauptsache unterlegen sind, haben sie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst zu tragen.
2.) Zu den Kosten des Berufungsverfahrens:
Diese (d.h. sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten) haben die Beklagten als vollumfänglich Unterliegende gem. §§ 91 I 1, 92 II Nr. 1, 100 IV 1 ZPO samtverbindlich zu tragen.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.