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Verkehrsunfall – Nutzungsausfall bei fehlender Vorfinanzierungsmöglichkeit

AG Altena – Az.: 2 C 309/16 – Urteil vom 23.02.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 782,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 03.12.2015, der sich gegen 7.30 Uhr in der S in Altena ereignete.

Die volle Einstandspflicht der Beklagten aufgrund des genannten Verkehrsunfallgeschehens ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte regulierte aus dem Verkehrsunfallereignis nahezu sämtliche Schadenspositionen der Klägerin. Die Parteien streiten nur noch um eine Nutzungsausfallentschädigung, die die Klägerin für einen Zeitraum von insgesamt 55 Tagen begehrt. Die Klägerin war in dem Zeitraum vom 03.12.2015 bis 27.01.2016 ohne fahrbaren Untersatz. Der Sachverständige, der den Schaden an dem Fahrzeug der Klägerin, ein PKW Citröen C3, mit dem amtlichen Kennzeichen MK-XX …., dessen 1,4l Otto-Motor ca. 60 PS leistet, und bis zum Unfalltage ca. 97.000 km zurückgelegt hatte, ermittelte eine tägliche Nutzungsausfallpauschale von 23,00 €.

Mit Schreiben vom 11.12.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 17.12.2015 ihre Schadensregulierungspflicht anzuerkennen. Mit Schreiben vom 22.12.2015 erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Beantwortung des vorgenannten Schreibens. Mit Telefax vom 22.12.2015, welches am 23.12.2015 einging, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie noch auf eine ausführliche Stellungnahme ihres Versicherungsnehmers und die Ermittlungsakte warte. Nachdem die Klägerin auch in der Folgezeit nichts von der Beklagten hörte, wandte sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2016 erneut an die Beklagte, erinnerte an die Bearbeitung der Schadensangelegenheit und forderte auf, die Eintrittspflicht bis zum 18.03.2016 zu erklären. Nachdem auch dieses Schreiben unbeantwortet blieb, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2016 auf, ihre uneingeschränkte Eintrittspflicht endgültig bis zum 25.04.2016 zu erklären. Erst mit Schreiben vom 27.04.2016 bestätigte die Beklagte ihre Haftung.

Bereits am 27.01.2016 erwarb die Klägerin ein Ersatzfahrzeug und ging zur Finanzierung dieses Ersatzfahrzeuges durch eigene Mittel in Vorleistung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2016 forderte die Klägerin die Beklagte auf, im Zeitraum vom 03.12.2015 bis zum 27.01.2016, mithin für insgesamt 55 Tage, eine Nutzungsausfallentschädigung zu erstatten. Mit Schreiben vom 29.06.2016 teilte die Beklagte ihrerseits mit, dass sie eine Nutzungsausfallentschädigung lediglich für 21 Tage zahlen werde und erstattete hierauf einen Betrag in Höhe von 483,00 € an die Klägerin. Wegen des Inhalts des Schreibens und der Begründung der Bestätigung einer Nutzungsausfallentschädigung von 21 Tagen wird auf das Schreiben der Beklagten vom 29.06.2016 (Anlage K4 zur Klageschrift vom 08.09.16, Bl. 12 bis 13 der Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte schulde aufgrund der verzögerten Bearbeitung eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von insgesamt 1.265,00 € ( 55 Tage mal 23,00 € = 1.265,00 €). Nach Abzug der bereits geleisteten 483,00 € verbleibe die noch offen stehende Klageforderung in Höhe von 782,00 €.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 782,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass nicht ausreichend dargelegt sei, die Notwendigkeit eines Zeitraumes von 55 Tagen für die Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges. Die Klägerin habe schließlich doch ein Ersatzfahrzeug beschafft, obwohl die Beklagte nach dem eigenen Vortrag der Klägerin auch zum Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung ihre Eintrittspflicht noch nicht anerkannt hatte. Zudem sei die Klägerin verpflichtet gewesen, eigene Mittel oder eine Kreditaufnahme vorzunehmen, deren Kosten dann wiederum Teil des ersatzfähigen Schadens wären, um ihrer Schadensminderungspflicht zu genügen und in diesem Falle zur Vermeidung eines unnötig hohen Nutzungsausfallschadens. Diese Pflicht wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Einsatz eigener Mittel oder eine Kreditaufnahme für die Klägerin nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, wozu die Klägerin indes nichts dargelegt hätte. Im Gegenteil habe die Klägerin durch die Beschaffung des neuen Fahrzeuges dokumentiert, dass ihr die Beschaffung eines anderen Fahrzeugs aus eigenen Mitteln oder durch Kreditaufnahme durchaus möglich gewesen sei. Das und ggfls. weshalb die Schadensregulierung durch die Beklagte verzögert worden sei, spiele bei der Frage der Ersatzfähigkeit der Nutzungsausfallentschädigung für 55 Tage keine Rolle. Eine Nutzungsausfallentschädigung über den seitens der Beklagten anerkannten Zeitraum wäre nur berechtigt, wenn die Klägerin die Beklagte darauf hingewiesen hätte, dass sie über eigene Mittel zur Wiederbeschaffung oder Reparatur nicht verfüge oder einen Kredit nicht erlangen könnte. Dies sei unstreitig aber nicht geschehen. Eine Nutzungsausfallentschädigung bis zum Zeitpunkt der Regulierung der Beklagten könne die Klägerin nicht beanspruchen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst ihrer Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 782,00 € aus §§ 7, 17 StVG, 115 VVG. Die Haftung der Beklagten aufgrund des oben genannten Verkehrsunfallgeschehens ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Soweit der Schaden der Höhe nach unstreitig ist, ist auch dieser gegeben und von der Beklagten reguliert worden. Der Klägerin steht nun noch ein Anspruch auf Ersatz ihres Nutzungsausfallschadens für die Zeit zwischen dem Unfall und der Ersatzbeschaffung des Fahrzeuges in Höhe von weiteren 782,00 € gegen die Beklagte zu.

Die Klägerin hat ihre Absicht, das Fahrzeug weiter zu nutzen, sodass ein Nutzungsausfall tatsächlich gegeben ist, hinreichend durch den Erwerb eines neuen Fahrzeugs dokumentiert. Hinzu tritt, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Eigentümer eines Fahrzeugs dies weiter genutzt hätte, wenn es nicht durch einen Unfall zerstört worden wäre. Anhaltspunkte, die gegen eine weitere Nutzung durch die Klägerin sprechen, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, einen Kredit zur Schadensbeseitigung aufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf besteht eine Pflicht des Geschädigten zur Aufnahme eines Kredits zur Schadensbeseitigung allenfalls unter besonderen Umständen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2012, 30 mit weiteren Nachweisen; OLG Düsseldorf Urteil vom 15.10.2007 – Az: 1 U 52/07).

Die Beklagte zieht sich darauf zurück, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, dass ihr die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges aus eigenen Mitteln nicht möglich sei bzw. auch eine Kreditaufnahme nicht möglich gewesen sei. Dies verkennt indes die Darlegungs- und Beweislast für die Zumutbarkeit und Möglichkeit einer Kreditaufnahme (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 394). Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Vielmehr beruft sich die Beklagte lediglich darauf, dass die Klägerin ihrerseits darlegungs- und beweisbelastet sei, was jedoch entsprechend den vorstehenden Ausführungen gerade nicht der Fall ist. Die Klägerin trifft vielmehr nur eine sekundäre Darlegungslast, soweit Umstände angesprochen sind, die der Schädiger aus eigenem Wissen nicht vortragen kann (BGH NJW-RR 2006, 394).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand der tatsächlich erfolgten Ersatzbeschaffung. Aus dem Umstand der Ersatzbeschaffung folgt lediglich der Umstand, dass die Klägerin am 27.01.2016 in der Lage war ein Ersatzfahrfahrzeug aus eigenen Mitteln oder Fremdmitteln zu finanzieren. Dass der Klägerin dies bereits vorher möglich gewesen sein soll ist nicht ersichtlich. Und insoweit mangelt es auch an einem entsprechenden Vorbringen der Beklagten, das nach der oben dargestellten Darlegungslast aber erforderlich gewesen wäre.

Hinzu tritt hier der Umstand, dass die Beklagte trotz diverser Aufforderungs- und Erinnerungsschreiben der Klägerin sich über ihre Einstandspflicht nicht erklärt hat. Erst mit Schreiben vom 27.04.2016 bestätigte die Beklagte ihre volle Einstandspflicht gegenüber der Klägerin. Es kann in dem Fall der Klägerin nicht angelastet werden, dass sie (bereits) am 27.01.2016 ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat. Freilich kann eine Nutzungsausfallentschädigung nicht regelmäßig bis zum Zeitpunkt der Regulierung der Beklagten in Anspruch genommen werden. Das ist hier aber auch nicht der Fall, da die Klägerin bereits am 27.01.2016, mithin 3 Monate vor Erklärung der Beklagten über ihre Einstandspflicht, ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat.

Nach alledem kann die Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung bis zum 27.01.2016 begehren, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.265,00 €. Nach Abzug der bereits regulierten 483,00 € verbleibt somit eine Restforderung in Höhe von 782,00 €.

Der Anspruch ist zu verzinsen seit dem 20.07.2016 gem. §§ 280, 286, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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