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Verkehrsunfall – Nutzungsausfallentschädigung für ein beschädigtes Motorrad

LG Mainz – Az.: 3 S 190/10 – Urteil vom 07.09.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 18.11.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Der Kläger ist Eigentümer des Motorrad Yamaha XVS 1100 A Dragstar 5 YS, Baujahr 2007. Er verlangt von der Beklagten, der Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …, Nutzungsausfallentschädigung für das vorgenannte Motorrad, das bei einem Verkehrsunfall am 04.05.2009 in M.. aus dem unstreitigem Verschulden des Fahrers des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs erheblich beschädigt wurde. In der Zeit vom 04.05.2009 bis 01.07. 2009 befand sich das Motorrad des Klägers in der Reparaturwerkstatt. Der Kläger verfügt auch über einen Pkw. Da er bei dem Unfall am Handgelenk verletzt wurde und daher in den ersten zwei bis drei Wochen nicht in der Lage gewesen sei, das Motorrad zu nutzen, und er auch witterungsbedingt das Motorrad nicht täglich nutzte, macht er für 25 Ausfalltage Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.150,00 € geltend.

Der Kläger hat vorgetragen:

Verkehrsunfall - Nutzungsausfallentschädigung für ein beschädigtes Motorrad
Symbolfoto: Von ChameleonsEye/Shutterstock.com

Er sei ein in Ruhestand befindlicher Innenarchitekt, dessen Hobby seit vielen Jahren das Motorradfahren sei, er benutze das Motorrad, wann immer das möglich sei, nicht nur zu Vergnügungsfahrten, sondern um seine Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen. Daher habe er für das besondere Fahrerlebnis zusätzliche Aufwendungen getätigt. Das letzte Ersatzteil aus Japan, der hintere Kotflügel habe den Reparaturbetrieb am 29.06.2009 erreicht, das Motorrad sei am 01.07.2009 abholbereit gewesen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung bestehe für das Motorrad nicht, denn es handele sich nicht um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung für die Lebensführung des Klägers. Sie bestreite, dass der Kläger witterungsbedingt das Motorrad hätte an 25 Tagen nutzen können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger das Motorrad als reines Freizeitobjekt nutze, selbst wenn er sein Leben darauf eingestellt habe, möglichst viel Zeit auf dem Motorrad zu verbringen, was aber einen nicht ersatzfähigen immateriellen Schaden darstelle.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird im Übrigen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen dieses ihm am 23.11.2010 zugestellte Urteil richtet sich am 17.12.2010 mit Faxschreiben eingelegte und am 24.01.2011, einem Montag, mit Faxschreiben begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Mainz vom 18.11.2010 – 86 C 309/10 – zu verurteilen, an ihn 1.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat richtig entschieden, die Klage ist unbegründet.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger verletzungsbedingt das Motorrad überhaupt hätte nutzen können. Wäre dies nicht der Fall, bestünde wegen fehlender Nutzungsmöglichkeit ohnehin kein Ersatzanspruch (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 249, Rdn. 42). Es kann auch auf sich beruhen, ob sich die Reparaturdauer – nach dem Gutachten der GfÜ vom 20.05.2009 war eine Reparaturdauer von vier bis fünf Tagen angesetzt – und damit die Nichtnutzungsmöglichkeit dadurch in zulässiger Weise verlängerte, dass Ersatzteile erst in Japan beim Hersteller bestellt werden mussten und das zuletzt gelieferte Teil der hintere Kotflügel den Reparaturbetrieb am 29.06.2009 erreichte.

Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung entfällt hier, weil dem Kläger, der neben dem nur der Freizeitgestaltung dienenden beschädigten Motorrad einen PKW hat, der Einsatz seines Zweitwagens möglich und zumutbar war. Auch wenn der Kläger sein Motorrad als sein Hauptfahrzeug ansieht, das von ihm bei jeder Gelegenheit und so weit möglich wetterunabhängig benutzt wird, er faktisch seinen gesamten Mobilitätsbedarf und sämtliche Urlaubsfahrten mit diesem Fahrzeug bestreitet, ergibt sich aus Rechtsgründen nichts anderes.

Die Rechtsprechung zur Nutzungsentschädigung beruht letztlich auf der Erwägung, dass der auf einen Mietwagen verzichtende vorsichtige und sparsame Eigentümer nicht schlechter gestellt werden soll als derjenige, der einen Ersatz-PKW anmietet (Palandt/Grüneberg, a. a. O., Rdn. 40, m. w. N.). Kraftfahrzeuge garantieren individuelle Mobilität, die Verfügbarkeit des Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens ist geeignet, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinen Sinn zu fördern, sind also grundsätzlich von einer zentralen Bedeutung für die eigene Lebenshaltung des geschädigten Eigentümers. Daher stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann (BGH NJW 1964, 542; LG Köln, Beschluss vom 01.02.2011 – 9 S 378/10, zitiert nach juris).

Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist. Dieser strenge Maßstab hat dazu geführt, dass der Bundesgerichtshof mehrfach für den Nutzungsausfall von anderen Gegenständen als Kraftfahrzeugen eine Entschädigungspflicht verneint hat, weil sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden dargestellt hat, sondern als individuelle Genussschmälerung und damit als nicht vermögensrechtlicher Schaden (BGH NJW-RR 2008, 1198 m.w.N. – „Wohnmobil„). Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Betrachtung des Schadens sowie des Bereicherungsverbots. Die Entbehrung der Nutzung muss auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeuges für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Diese Einschränkung stellt sicher, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt. Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst (vgl. BGHZ GSZ NJW 1987, 50; BGH NJW-RR 2008, a.a.O.).

Der Kläger hat damit schon deshalb keinen Ausfall erlitten, weil der Verlust der Nutzung an dem beschädigten Motorrad durch den nunmehr sinnvoll gewordenen Gebrauch des von ihm daneben genutzten Pkw ausgeglichen wird, der Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Motorrads wirkt sich daher nicht mehr fühlbar aus. Der Verlust an Mobilität wird durch das Zweitfahrzeug kompensiert (LG Köln, a.a.O.; Palandt/Grüneberg a.a.O.)). Dass die Benutzung des Pkw dem Kläger nicht zumutbar war, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Ergebnis kann auch aus dem Grundsatz des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB begründet werden, denn, wer eine zumutbare Schadensabwendung unterlassen hat, darf den nur deshalb fortbestehenden Schaden nicht geltend machen (BGH NJW 1976, 286, m. w. N.).

An dieser Betrachtungsweise hat sich vorliegend auch nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf (NJW 2008, 1964 f.) nichts geändert, der die Kammer nicht folgt. Sie teilt vielmehr die Auffassung des Landgerichts Köln (a.a.O.); dass das Abstellen auf einen unterschiedlich hohen Nutzungswert, insbesondere bezüglich Fahrgefühl und Wertigkeit des Fortbewegungsmittels, bei einem Motorrad der Luxusklasse einerseits und einem Pkw andererseits eine Ausweitung auf den Ersatz von Nichtvermögensschäden nach sich zieht, soll wegen § 253 Abs. 2 BGB gerade vermieden werden (Palandt/Grüneberg, a.a.O. Rdn. 40). Dass der Kläger für das Motorrad und das besondere Fahrerlebnis zusätzliche Aufwendungen getätigt hat (Radio in Satteltasche, Lautsprecher – Eigenkonstruktion – in Gehäuse von Zusatzscheinwerfer am Lenker), belegt zwar den besonderen Fahrspaß, den der Kläger sich leistet. Insoweit stellt das einen nach Auffassung der Kammer immateriellen Gebrauchswert dar, der als subjektiver Wert nicht zu ersetzen ist.

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen. Zwar sind, wie das Landgericht Köln (a.a.O.) ausführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Nutzungsausfallschadens, insbesondere das Erfordernis einer „fühlbaren“ Beeinträchtigung höchstrichterlich geklärt (BGH NJW 1987, 50). Auch ist das Urteil des OLG Düsseldorf, das den spezifischen Gebrauchswert eines Kraftfahrzeugs als „immateriellen“ Anteil der Nutzungsausfallentschädigung als ersatzfähig ansieht, vereinzelt geblieben. Gleichwohl war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zuzulassen. In Motorradfahrerkreisen hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf, das seine Entscheidung als Einzelfall gesehen hat, Beachtung gefunden, wie auch die Entscheidung des LG Köln zeigt.

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