Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 15 U 8/19 – Beschluss vom 14.06.2019
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.02.2019, Az. 306 O 214/18, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung wegen der Beschädigung des Wohnmobils aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 24. Juni 2015 – für dessen Folgen die Beklagte unstreitig dem Grunde nach in voller Höhe eintrittspflichtig ist – zu Recht in der ausgeurteilten Höhe stattgegeben.
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung geben keinen Anlass, von dieser Entscheidung abzuweichen.
1. Grundsätzlich stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit – in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln – das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern. Dass der Gebrauch eines Kraftfahrzeugs für den Benutzer daneben einen Gewinn an Bequemlichkeit bedeuten kann, steht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise nicht im Vordergrund, weil Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen erfolgen, der in der Zeitersparnis liegt. Dient ein Kraftfahrzeug aber reinen Freizeitzwecken, so betrifft dieser Gesichtspunkt nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich deshalb einer vermögensrechtlichen Bewertung (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 23. Januar 2018 – VI ZR 57/17, BGHZ 217, 218 Rn. 9 mwN). Nach diesen Maßstäben stellt der in Rede stehende Nutzungsausfall hier einen Vermögensschaden dar. Denn nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts diente das Wohnmobil vorliegend nicht reinen Freizeitzwecken, sondern wurde vom Kläger auch wie ein normaler Alltags-Pkw genutzt. Dem Kläger wurde durch den Unfall diese Gebrauchsmöglichkeit, die als geldwerter Vorteil und nicht als bloße individuelle Genussschmälerung anzusehen ist, entzogen.
2. Der Nutzungsausfall ist für den Kläger auch fühlbar geworden, weil ihm nach seinem unstreitigen Vorbringen kein anderes Fahrzeug zur Verfügung stand, das er in zumutbarer Weise hätte nutzen können, und er im fraglichen Zeitraum ohne die unfallbedingte Beschädigung sowohl den erforderlichen Nutzungswillen als auch die Nutzungsmöglichkeit gehabt hätte (vgl. BGH, aaO. Rn. 8 mwN).
Anders als die Berufung meint, gilt dies nach den unter 1.) dargelegten Grundsätzen auch für jene Zeiträume, in denen der Kläger mit dem Wohnmobil verreist wäre. Auch in diesem Zeitraum fehlte es dem Kläger nicht an dem Willen, das Fahrzeug als solches, d.h. für das Fortkommen unabhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln, zu nutzen. Bei einem Pkw steht außer Frage, dass eine Nutzungsentschädigung auch dann geschuldet ist, wenn der Geschädigte ohne den Unfall mit dem Kfz in den Urlaub gefahren wäre. Denn der die Nutzungsentschädigung von Kraftfahrzeugen rechtfertigende wirtschaftliche Vorteil unabhängiger Mobilität und der hiermit verbundene Zeitgewinn innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens besteht unabhängig davon, wohin und aus welchem Anlass der Geschädigte mit dem Fahrzeug im Einzelfall fahren wollte. Aufgrund der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise bleibt nämlich außer Betracht, ob und in welchem Umfang ein beschädigtes Fahrzeug neben der alltäglichen Nutzung als Beförderungsmittel auch dem reinen „Fahrspaß“ oder anderen immateriellen Genusszwecken dient. Für ein Wohnmobil, das neben der Beförderung auch noch dem Übernachten und anderen beförderungsfremden Zwecken dienen kann, gilt nichts anderes. Auch hier wird die Nutzungsausausfallentschädigung (lediglich) für den Verlust der mit dem Fahrzeug erreichbaren (Alltags-)Mobilität beansprucht und bleibt der entgangene Freizeitwert des Fahrzeugs bei ihrer Berechnung außen vor.
Andere Gründe, die dazu führen würden, dass dem Kläger zeitweilig der Nutzungswille oder die Nutzungsmöglichkeit als Fortbewegungsmittel vollständig gefehlt hätte und ihm deshalb eine Nutzungsentschädigung im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung teilweise zu versagen wäre (vgl. BGH, aaO Rn. 10 [Motorrad: zeitweilige wetterbedingte Nichtnutzung]), sind weder festgestellt noch wird entsprechender übergangener Vortrag mit der Berufung geltend gemacht.
3. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).