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Verkehrsunfall – Nutzungsausfallschaden bei Vorhandensein eines Zweitwagens

LG Bad Kreuznach – Az.: 1 S 3/17 – Beschluss vom 27.07.2017

1. Die Kammer beabsichtigt nach Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.12.2016, Az. 22 C 118/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Zwischen den Parteien ist im Streit, ob dem Kläger für den Zeitraum, in dem die Beklagte einen von ihr verursachten Schaden an der Ventilsteuerung seines BMW Z4 M Roadster behoben hat, ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls sowie der durch die vorgerichtliche Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten zusteht.

Dies hat das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint.

Aus Sicht der Kammer ist lediglich klarstellend und ergänzend Folgendes auszuführen:

Zu dem, sei es auf vertraglicher oder deliktischer Grundlage, gemäß § 249 BGB zu ersetzenden Schaden bei der Beschädigung eines Pkws, gehört grundsätzlich auch der durch den Wegfall der Nutzungsmöglichkeit entstandene Schaden. Hintergrund für diese, durch richterliche Rechtsfortbildung entwickelte Schadensposition (vgl. hierzu BGH, Beschluss 09.07.1986 – GSZ 1/86 – BGHZ 98, 212) ist, dass der auf einen Mietwagen verzichtende, vorsichtige und sparsame Eigentümer nicht schlechter gestellt werden soll, als derjenige, der einen Ersatz-Pkw anmietet.

Neben weiteren Voraussetzungen erfordert der Ersatz des Nutzungsausfalls eine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung. Der Anspruch entfällt, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1975 – VI ZR 255/74 – NJW 1976, 286).

Das war hier, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Fall. Dem Kläger steht unstreitig über das von seinem Arbeitgeber angebotene Mitarbeiter-Leasing ein Opel Corsa zur Verfügung, den der Kläger auch für private Fahrten nutzen kann. Für die Dauer der Reparatur des BMW Z4 war dem Kläger die Nutzung des Opel Corsa auch zumutbar.

Bei der Frage der Zumutbarkeit geht es im Wesentlichen um die „Fühlbarkeit der Entbehrung“ der Nutzung. Ausgangspunkt ist dabei, dass der zu ersetzende Vermögenswert die Gebrauchsmöglichkeit des Kraftfahrzeuges ist, die gegenüber dem Substanzwert einen selbstständigen Vermögenswert darstellt. Zum anderen ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls, dass die Entbehrung der Nutzung für den Geschädigten fühlbar gewesen sein muss, weil er das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeuges für seine alltägliche Nutzung wirklich gebraucht hätte. Diese Einschränkung stellt sicher, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalisierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogene Schadensbetrachtung verhaftet bleibt. Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren, subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung, beimisst (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 – I U 50/11 – NJW-RR 2012, 545; BGH, Urteil vom 10.06.2008 – VI ZR 248/07 – NJW-RR 2008, 1198).

An dieser „Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung“ fehlt es, weil dem Kläger mit dem Opel Corsa ein weiterer Pkw zur Nutzung zur Verfügung stand. Der Opel Corsa war für den Kläger uneingeschränkt zu nutzen. Die Gesichtspunkte, die der Kläger in der Berufungsbegründung anführt, namentlich, dass es sich bei dem beschädigten BMW Z4 um einen hochmotorisierten, leistungsstarken, offenen Sportwagen handele, bei dem Opel Corsa hingegen um ein „Brot-und-Butter-Auto“ und der Kläger längere Strecken ausschließlich mit dem BMW Z4 zurücklege, begründet die – wie dargestellt – an einem objektiven Maßstab zu prüfende „Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung“ nicht, da es bei dem insoweit nach der Schilderung des Klägers im Vordergrund stehende Fahrvergnügen und möglicherweise auch dem Auffälligkeitswert des BMW Z4 (hochmotorisierter, leistungsstarker, offener Sportwagen im Gegensatz zu einem „Brot-und-Butter-Fahrzeug“) um in einer subjektiven Wertschätzung gründende immaterielle Beeinträchtigungen handelt, deren Bemessung nach objektiven Maßstäben nicht möglich ist (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., sowie ferner LG Duisburg, Urteil vom 13.06.2013 – 8 O 122/12 -, juris; LG Mainz, Urteil vom 07.09.2011 – 3 S 190/10 -, juris, bestätigt von BGH, Beschluss vom 13.12.2011 – VI ZR 40/11 – NZV 2012, 223; LG Köln, Beschluss vom 01.02.2011 – 9 S 378/10 -, juris).

Die für den Ersatz des Nutzungsausfalles im Vordergrund stehende Möglichkeit des ständigen Gebrauchs und der Nutzung eines Fahrzeuges zum Transport von Personen und Gepäck ist auch mit einem Opel Corsa gewährleistet. Bei dem Opel Corsa handelt es sich – gerichtsbekannt – um einen modernen Kleinwagen, mit dem problemlos und ohne Komforteinbußen auch längere Strecken zurückgelegt werden können. Dafür spricht im vorliegenden Fall schon, dass der Kläger mit diesem Pkw, den er nach seinem Vortrag nur für den Weg von und zu seiner Arbeitsstelle in Rüsselsheim nutzt, von seinem Wohnort Ober-Olm aus täglich etwa 40 Kilometer, d.h., in der Woche mithin 200 km zurücklegt, also auch eine nicht nur geringfügige Strecke.

Soweit der Kläger eine Parallele zur Anmietung von Mietwagen bei einem beschädigten Pkw zieht und sich darauf beruft, dass die Kosten eines Mietwagens erstattet werden, wenn das angemietete Fahrzeug gleichwertig oder allenfalls eine Fahrzeugklasse unter dem beschädigten Fahrzeug einzuordnen sei, rechtfertigt das keine andere Beurteilung, denn die von dem Kläger dargestellten Grundsätze gelten nur dann, wenn zu dem einem Geschädigten zu ersetzenden Schaden auch die durch die Anmietung eines Ersatzwagens entstandenen Kosten dem Grunde nach gehören. Dies ist jedoch ebenso wie im vorliegenden Verfahren auch bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, nicht der Fall, wenn der Geschädigte selbst über ein Ersatzfahrzeug verfügt, das ihm uneingeschränkt zur Verfügung steht. Denn in einem solchen Fall ist die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich (vgl. Beck’scher Online-Kommentar – Flume, § 249 BGB, Rdnr. 149; LG Bielefeld, Urteil vom 09.10.2009 – 21 S 27/09 – SVR 2010, 221).

Soweit der Kläger seinen Anspruch erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise auf Vorhaltekosten stützt, verhilft dies der Berufung bereits deswegen nicht zum Erfolg, weil Vorhaltekosten lediglich unter der Voraussetzung erstattet werden können, dass die Vorhaltung eines Ersatzfahrzeuges zumindest, auch mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1975 – VI ZR 255/74 -, NJW 1976, 286; OLG Koblenz, Urteil vom 01.09.2014 – 12 U 1136/12 -, NZV 2015, 552). Dies war hier nicht der Fall, da der Kläger das Ersatzfahrzeug, den Opel Corsa, regelmäßig für Fahrten zu seiner Arbeitsstelle nutzt, und nicht – wenigstens auch – um fremdverschuldete Ausfälle des BMW aufzufangen.

Der Kläger könnte überdies allenfalls die Vorhaltekosten des Ersatzfahrzeuges, des Opel Corsa, und nicht – wie in der Berufungsbegründung – diejenigen für das beschädigte Fahrzeug, den BMW Z4, geltend machen.

In prozessualer Hinsicht steht der hilfsweisen Geltendmachung von Vorhaltekosten überdies § 531 Abs. 2 ZPO entgegen.

Auch soweit das Amtsgericht die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt hier ein in rechtlicher Hinsicht einfach gelagerter Fall vor, bei dem die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht im Sinne von § 249 BGB erforderlich war. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts hat sich die Beklagte nach der Rüge des Klägers, dass die Inspektion seines Fahrzeuges zu einem Schaden geführt habe, sofort bereit erklärt, den BMW Z4 abzuholen und zu überprüfen. Auch mit der von dem Kläger – nach Einschaltung seines Rechtsanwaltes – vorgeschlagenen Hinzuziehung eines Kfz-Sachverständigen, hat sich die Beklagte ohne Weiteres Einverstanden erklärt. Schließlich ist die Reparatur unmittelbar nach Abholung des Fahrzeuges und Durchführung des Termins mit dem Sachverständigen durch die Beklagte ausgeführt worden.

Die Beklagte hat mithin zu keinem Zeitpunkt versucht, sich ihrer Verpflichtung zu entziehen. Die Abwicklung stellte sich unkompliziert und einvernehmlich dar. Dass die von der Beklagten durchzuführende Reparaturarbeiten kompliziert waren und im Falle ihres Scheiterns ein hoher Schaden drohte, führt nicht dazu, dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erforderlich wurde, da diese Schwierigkeiten nicht rechtlicher Natur waren, sondern vor allen in technischen Fragen ihre Ursache hatten.

Soweit der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in der Berufungsbegründung darauf gestützt wird, dass bereits der Anspruch auf Nutzungsentschädigung umfassend habe mit dem Amtsgericht erörtert werden müssen, greift dies bereits deswegen nicht durch, weil dem Kläger, wie dargestellt, ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht zustand. Dies gilt dann auch für die, durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes zu seiner Durchsetzung entstandenen Kosten.

Angesichts des oben Ausgeführten regt die Kammer an, aus Kostengründen eine Rücknahme der Berufung zu prüfen.

Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 1.327,14 € festzusetzen. Auch hierzu kann binnen der oben genannten Frist Stellung genommen werden.

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