LG Stuttgart – Az.: 19 O 95/19 – Urteil vom 07.11.2019
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.560,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.04.2019 sowie weitere 119,00 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird bis zum 22.08.2019 auf 6.279,05 € festgesetzt, bis zum 30.09.2019 auf 4.560,80 € und ab dem 30.09.2019 auf 4.679,80 €.
Tatbestand
Der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 26.01.2019 in Anspruch genommen. Nach vorangegangenem Mahnverfahren begründete der Kläger seinen Anspruch mit Klage vom 23.07.2019, die der Beklagten am 26.07.2019 zugestellt wurde.
Die Beklagte zeigte mit Schriftsatz vom 02.08.2019 ihre Verteidigungsbereitschaft an und erkannte mit Schriftsatz vom 20.08.2019 die Klageforderung i.H.v. 1.718,25 € an, im Übrigen beantragte sie Klagabweisung. Am 22.08.2019 erging ein Teil-Anerkenntnisurteil. Zwischen den Parteien war die Unfallkausalität eines Achsschadens streitig, wobei die Beklagte die Übersendung von Achsvermessungsprotokollen forderte, der Kläger diese lediglich gegen Erklärung der Kostenübernahme übersenden wollte.
Nach weiteren Stellungnahmen der Parteien und einer Klageerweiterung vom 30.09.2019, mit der der Kläger die Achsvermessungsprotokolle einreichte, erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.10.2019 die nunmehrigen Klageanträge an.
Entscheidungsgründe
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen nicht vor, da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat.
Die Beklagte durfte gemäß § 119 Abs. 3 VVG vom Kläger zwar die Übersendung der Achsvermessungsprotokolle verlangen, jedoch hat der Kläger die Übersendung derselben zu Recht davon abhängig gemacht, dass die Beklagte hinsichtlich der diesbezüglichen Kosten eine Kostenübernahmeerklärung abgibt.
1.
Veranlassung zur Erhebung einer Klage hat ein Beklagter dann gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Dezember 2011 – 1 W 61/11). Hält ein Beklagter vorprozessual die gegnerische Forderung für teilweise oder insgesamt nicht nachvollziehbar, darf er nicht pauschal die Leistung verweigern, sondern hat deutlich zu machen, welche Angaben oder Unterlagen er benötigt werden ihm diese vorenthalten, fehlt es an einem Klageanlass i.S.v. § 93 ZPO (MüKoZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 93 Rn. 8 m.w.N.). Ein möglicher Irrtum über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen geht zu Lasten des Beklagten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 02. Mai 2012 – 13 W 16/12).
§ 119 Abs. 3 VVG sieht hierbei eine Auskunftsobliegenheit des Dritten vor, soweit die Feststellung des Schadensereignisses bzw. die Höhe des Schadens betroffen ist und die Beschaffung der Belege dem Geschädigten billigerweise zugemutet werden kann (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Dezember 2011 – 1 W 61/11). Erfüllt ein geschädigter Dritter diese Auskunftsobliegenheit nicht und erhebt danach Klage, so muss er im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses die Kosten des Rechtsstreits nach § 93 ZPO tragen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Dezember 2011 – 1 W 61/11; OLG Schleswig, Beschluss vom 30. Mai 2016 – 7 W 15/16).
Die Vorlage von angeforderten Belegen nach § 119 Abs. 3 S. 2 VVG kann der Geschädigte nach § 811 Abs. 2 S. 1 BGB jedoch von einer Kostenübernahmeerklärung des Versicherers abhängig machen. Erfolgt diese nicht, kann ohne die Kostenfolge des § 93 ZPO Klage erhoben werden (OLG Köln, Beschluss vom 20. Oktober 2010 – 3 W 55/10).
2.
Vorliegend traf den Kläger zwar die Verpflichtung nach § 119 Abs. 3 S. 2 VVG zur Vorlage der von der Beklagten angeforderten Achsvermessungsprotokolle. Die Beklagte hatte vorgerichtlich die Achsvermessungsprotokolle beim Kläger angefordert. Dieser hat unstreitig mit Schreiben vom 27.02.2019 die Übersendung der Protokolle von einer Kostenübernahmeerklärung der Beklagten abhängig gemacht, die die Beklagte – unstreitig – nicht abgab, sondern weiter auf der Übersendung beharrte. So weigerte sich die Beklagte vorgerichtlich – und auch noch im Verfahren – die Kosten für die Einholung und Übersendung der Achsvermessungsprotokolle zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 30.09.2019 übersandte der Klägervertreter sodann die Achsvermessungsprotokolle und erweiterte die Klage hinsichtlich der hierfür entstandenen Kosten. Hiernach erkannte die Beklagte die (verbliebene) Klageforderung vollumfänglich an.
Durch dieses Verhalten hat die Beklagte – wie oben ausgeführt – jedoch Veranlassung zur Klage i.S.v. § 93 ZPO gegeben, weswegen die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen waren.