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Verkehrsunfall – Pflichten der Reparaturwerkstatt bei Vorliegen eines Schadensgutachtens

AG München – Az.: 344 C 11554/18 – Urteil vom 18.04.2019

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 241,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.06.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 241,60 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Parteien streiten über die Erstattung restlicher Reparaturkosten aus abgetretenem Recht aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 20.11.2015 auf der BAB 8 auf Höhe von Merklingen ereignet hat.

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig wie die Aktivlegitimation der Klägerin nach Abtretung.

Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin weitere EUR 241,60 netto für Entsorgungskosten, Arbeitsplatzwechsel, Fahrzeugwäsche und Umrüsten der Richtbank ersetzt verlangen kann.

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht in Höhe von EUR 241,60 aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 1 PflVG, 398 BGB.

1) Der Anspruch auf Erstattung der restlichen Reparaturkosten ist zunächst in der Person der Zedentin – vollumfänglich – entstanden und konnte mithin auf die Klägerin übergehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte, der das Unfallfahrzeug selbst zur Reparatur gibt, nach § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeuges erforderlich ist (BGHZ 63, 182, 183). Der erforderliche Herstellungsaufwand wird dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeuges heranziehen muss (BGHZ 63, 182, 184). In diesem Sinne ist der Schaden subjektbezogen zu bestimmen (BGHZ 63, 182, 184). Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung unter einem fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einfluss stattfinden muss (vgl. BGHZ 63, 182, 185). Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2, Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGHZ 132, 373, 376). Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug – wie hier – reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der angefallenen Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.1989). Die „tatsächlichen“ Reparaturkosten können deshalb regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind (BGHZ 63, 182, 186). Es besteht insoweit kein Sachgrund, dem Schädiger das „Werkstattrisiko“ abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB überlassen würde (BGHZ 63, 182, 185).

Nach diesen Erwägungen sind die hier abgerechneten und geltend gemachten – restlichen – Reparaturaufwendungen als erforderlich anzusehen.

Verkehrsunfall - Pflichten der Reparaturwerkstatt bei Vorliegen eines Schadensgutachtens
(Symbolfoto: Von loraks/Shutterstock.com)

Das von der Zedentin eingeholte Gutachten des Sachverständigen … hat den Arbeitsplatzwechsel, die Umrüstung der Richtbank und die Fahrzeugwäsche zur Lackierung aus technischer Sicht als geboten und den damit verbundenen Aufwand entsprechend dem späteren tatsächlichen, durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung belegten Kostenanfall als notwendig bewertet. Dann durfte ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch an der Stelle der Zedentin diese Aufwendungen auch für erforderlich halten und die Reparatur in dem im Gutachten festgelegten Umfang in Auftrag geben. Auch der Anfall der Entsorgungskosten war durch die Rechnung indiziert. Auf deren Zahlung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Schließlich liegt auch kein Verstoß der geschädigten Zedentin gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht vor. Zwar kann ein Geschädigter solche Mehrkosten nicht ersetzt verlangen, die durch sein Verschulden bei der Auswahl der Reparaturwerkstatt – oder auch des Sachverständigen – entstehen (vgl. BGHZ 115, 364, BGHZ 63, 182, 185). Ein Verschulden der Geschädigten bei der Auswahl ihrer Reparaturwerkstatt – oder des Sachverständigen – ist hier allerdings weder vorgetragen noch sonst feststellbar.

2) Auch die Klägerin als Reparaturbetrieb kann den in der Person der Zedentin entstandenen Schadensersatzanspruch vorliegend nach Abtretung in voller Höhe ersetzt verlangen.

Sie hat – unstreitig – vertragsgemäß im Umfang des Gutachtens repariert. Das durfte sie und musste nicht überprüfen, ob der im Gutachten vorgesehene Reparaturweg zur Beseitigung des unfallbedingten Schadens erforderlich ist. Anders als der Sachverständige hat die „Werkstatt“ gerade keine Kenntnis zum genauen Unfallhergang und zu möglichen Vorschäden. Aufgabe der Klägerin war es vorliegend lediglich, im Umfang des Gutachtens zu reparieren. Dieser vertraglichen Pflicht ist die Klägerin vorliegend – unstreitig – nachgekommen. Dabei sind die streitigen Positionen zur Überzeugung des Gerichts auch sämtliche tatsächlich ausgeführt worden bzw. angefallen. Das wurde hinsichtlich der Punkte Arbeitsplatzwechsel, Fahrzeugwäsche und Umrüsten der Richtbank schon nicht bestritten. Der Anfall der Entsorgungskosten wurde zwar bestritten. Die Klägerin hat daraufhin aber ausführlich begründet, dass und warum Entsorgungskosten angefallen sind. Darauf ist die Beklagte in keiner Weise eingegangen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war als reine Ausforschung insofern nicht veranlasst.

Das Gleiche gilt für die Frage der Erforderlichkeit der Positionen Arbeitsplatzwechsel, Fahrzeugwäsche und Umrüsten der Richtbank. Diese ist zwar – pauschal – bestritten. Auch insofern hat die Klägerin aber ausführlich begründet dargelegt – nunmehr auch in Bezug auf die Reinigungskosten – dass und warum diese erforderlich waren, ohne dass die Beklagte dem substantiiert etwas entgegengesetzt hätte. Darauf hat das Gericht mit Verfügung vom 20.12.2018 auch ausdrücklich hingewiesen.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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