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Verkehrsunfall – Rezept- und Fahrtkosten als Behandlungskosten – 30jährige Verjährungsfrist?

LG Oldenburg (Oldenburg), Az.: 2 U 66/18, Urteil vom 28.08.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 04.05.2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Ersatzfähigkeit von Rezept- und Fahrtkosten nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im November 2003 Verletzungen, für welche die Beklagte als Versichererin dem Grunde nach einstandspflichtig ist. Zur Höhe der entstandenen Schäden führten die Parteien bei dem Landgericht Oldenburg einen Rechtsstreit, im Zuge dessen durch rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil vom 30.03.2006 festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen (Anlage K 1 im Anlagenband Kläger).

Der Kläger befand sich seit dem Unfall in physiotherapeutischer Behandlung. Bis zum Jahr 2007 wurden die hierfür anfallenden Kosten von der Beklagten reguliert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.05.2014 forderte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 06.06.2014 auf, u.a. die in den Jahren 2008 bis 2010 entstandenen Kosten auszugleichen (Anlage K 5 im Anlagenband Kläger). Einen solchen Anspruch des Klägers wies die Beklagte mit Schreiben vom 03.06.2014 mit Ausnahme eines Teilbetrages zurück (Anlage K 6). Für die genaue Darstellung der geltend gemachten Rezept- und Fahrtkosten wird auf die Anlage K 2 im Anlagenband Kläger verwiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte aus dem Teilanerkenntnisurteils vom 30.03.2006 zur Zahlung der geltend gemachten Beträge verpflichtet sei.

Er hat beantragt,

1. an ihn 13.969,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.06.2014 zu zahlen,

2. an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 526,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.06.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Verkehrsunfall - Rezept- und Fahrtkosten als Behandlungskosten – 30jährige Verjährungsfrist?
Symbolfoto: Corepics/Bigstock

Das Landgericht hat mit Urteil vom 04.05.2018, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, der Klage in Höhe eines Betrages von 11.923,09 € stattgegeben und dem Kläger u.a. für die Zeit zwischen 2008 bis 2010 Ansprüche auf Ersatz von Fahrt- und Rezeptkosten als erforderliche Behandlungskosten zuerkannt. Die von Beklagtenseite erhobene Einrede der Verjährung hat es unter Verweis auf die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass § 197 Abs. 2 BGB auf den Sachverhalt keine Anwendung fände. Zwar würden die Kosten auf ein Dauerleiden zurückgehen, jedoch fielen sie aufgrund einzelfallbezogener und am konkreten Gesundheitszustand orientierter Rezepte an.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei den streitgegenständlich geltend gemachten Forderungen um „regelmäßig wiederkehrende Leistungen“ i.S.d. § 197 Abs. 2 BGB handele, so dass die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gelte. Sämtliche eingeklagten Behandlungskosten würden auf demselben Dauerschaden beruhen und regelmäßig wiederkehren. Es habe von Anfang an festgestanden, dass die Leistungen wegen der fortlaufenden und mehrfach erforderlichen Behandlung des Klägers in regelmäßigen Abständen wiederkehren. Da der Kläger erstmals seit 2007 wieder im Jahre 2014 Schadensersatzansprüche geltend gemacht habe, seien die in den Jahren 2008 bis 2010 entstandenen Ansprüche zwischenzeitlich verjährt.

Die Beklagte beantragt, auf ihre Berufung das am 04.05.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg – 4 O 2844/14 – abzuändern und insgesamt wie folgt neu zu fassen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.258,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.06.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 337,07 € (vorgerichtliche Anwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.06.2014 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, dass die geltend gemachten Ansprüche § 197 Abs. 2 BGB nicht unterfielen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

A. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger gegenüber der Beklagten aus dem Unfallereignis auch einen Anspruch auf Zahlung von Fahrt- und Rezeptkosten für die Jahre 2008 bis 2010 hat. Diese Ansprüche sind nicht gemäß § 197 Abs. 2 BGB verjährt. Nach dieser Vorschrift verjähren rechtskräftig festgestellte Ansprüche nicht in dreißig Jahren, sondern binnen der regelmäßigen Verjährungsfrist, sofern sie künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben. Regelmäßig wiederkehrende Leistungen sind hier aber nicht betroffen, so dass die Beklagte nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB zur Leistungsverweigerung berechtigt ist.

1. Einer Leistung kann der Charakter einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung im Sinne des § 197 Abs. 2 BGB nur dann zugesprochen werden, wenn sie nach Gesetz oder Parteivereinbarung an von vornherein bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Terminen zu erbringen ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.09.1958 – I ZR 106/57, NJW 1959, 239, 240; Soergel-Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 197, Rn. 4). Während es nicht darauf ankommt, dass die wiederkehrende Leistung immer denselben Betrag ausmacht, der Höhe nach also nach oben oder unten bis zum vollständigen Ausfall schwanken kann, ist entscheidendes Kriterium der zeitliche Aspekt (vgl. Münchener Kommentar zum BGB-Grothe, 7. Aufl., § 197, Rn. 29; Staudinger-Peters/Jakoby, BGB, 2014, § 197, Rn. 67 und 69; Palandt-Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 197, Rn. 10). Die regelmäßige zeitliche Wiederkehr von Einzelleistungen muss im Anwendungsbereich des § 197 Abs. 2 BGB von vornherein zur Natur des Anspruches gehören (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2000 – X ZR 128/99, NJW 2001, 1063, 1064, Ziffer II.2.a)). Dieses Kriterium ist bei den hier geltend gemachten Rezept- und Fahrtkosten nicht erfüllt. Deren Anfall hing von der individuellen Wahrnehmung der jeweiligen Behandlungstermine ab, die zwar wiederkehrend stattfanden, aber nicht immer zum selben Zeitpunkt oder innerhalb desselben Intervalls. Die Behandlungstermine richteten sich vorliegend also nicht nach einem festen zeitlichen Schema. Dies ist gerade bei längerfristigen Behandlungen auch nachvollziehbar, da diese typischerweise von individuellen Terminabsprachen geprägt sind, die durch den aktuellen Behandlungsstand oder aber auch nur durch Alltagsgeschehnisse beeinflusst werden und daher zu den verschiedensten Zeiten stattfinden können (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1979 – X ZR 2/78, GRUR 1979, 800, 803).

2. Nach alledem folgt der Senat im vorliegenden Fall der von der Berufungsführerin in Bezug genommenen Beschwerdeentscheidung des OLG Köln nicht (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 05.08.2009 – 5 W 23/09, BeckRS 2010, 12734, zitiert nach beckonline). Nach den Entscheidungsgründen des OLG Köln war dort ein Sachverhalt betroffen, bei welchem von vornherein feststand, dass der Kläger „regelmäßig Woche für Woche“ therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Hiermit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar, da die hier von dem Kläger geltend gemachten Behandlungsleistungen keinem derart festen zeitlichen Schema gefolgt sind. Damit bedarf es hier keiner weiteren Bewertung dazu, ob die Entscheidung des OLG Köln in rechtlicher Hinsicht mit § 197 Abs. 2 BGB in Einklang zu bringen ist (vgl. Luckey, SVR 2015, 41, 42, der die Entscheidung des OLG Köln als „relativ weitgehend“ bezeichnet).

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war mangels Grundes gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

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