AG Marl – Az.: 24 C 384/18 – Urteil vom 25.03.2019
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte zu 2) 3.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem … zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am … in … ereignete. Die Beklagte zu 2) verlangt von dem Kläger im Wege der Widerklage die Rückzahlung eines geleisteten Vorschusses.
Der Kläger befuhr am Unfalltag mit dem Pkw Opel Meriva, amtliches Kennzeichen …, Fahrgestell-Nr. …, die … in … in westliche Richtung. Der Beklagte zu 1) kam mit einem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw aus Sicht des Klägers von rechts aus der untergeordneten … und fuhr, ohne die Vorfahrt des Klägers zu beachten, auf die … Es kam zu einer Kollision. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten dem Grunde nach vollumfänglich einstandspflichtig sind.
Der Kläger ließ bei der Dekra Niederlassung Essen den Schadensumfang an dem Pkw begutachten. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen … vom … beliefen sich die Bruttoreparaturkosten auf 9.261,48 € bei einem Wiederbeschaffungswert von 6.100,00 € und einem Restwert von 1.500,00 €.
Der Kläger ließ die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz seiner vorherigen Rechtsanwälte vom … unter Fristsetzung zur Zahlung eines Betrags von 5.380,28 € (Wiederbeschaffungsaufwand 4.600,00 €, Auslagenpauschale 25,00 €, Gutachterkosten 755,28 €) auffordern.
Mit Schreiben vom … teilte die Beklagte zu 2) den vormaligen Rechtsanwälten des Klägers mit, dass eine Vorschusszahlung in Höhe von 3.500,00 € veranlasst worden sei. Ferner wurde mitgeteilt, dass sie Kenntnis von einem Vorschaden aus dem Jahr 2014 habe, der Kläger wurde gebeten, Informationen im Hinblick auf die Reparatur dieses Vorschadens zur Verfügung zu stellen. Mit Schreiben vom … forderte die Beklagte zu 2) den Kläger über seinen vormaligen Prozessbevollmächtigten nochmals auf, einen Nachweis der vollständigen und sachgerechten Reparatur des Fahrzeugs zu erbringen. Nachdem dieses nicht erfolgte, teilte die Beklagte zu 2) dem Kläger mit Schreiben vom …, dass eine Regulierungszahlung abgelehnt werde. Gleichzeitig wurde der zwischenzeitlich als Vorschuss gezahlte Betrag von 3.500,00 € zurückgefordert.
Der Kläger hat den streitgegenständlichen Pkw Opel Meriva zwischenzeitlich in Zahlung gegeben und sich mit dem von der Beklagten zu 2) gezahlten Vorschuss einen neuen Pkw gekauft.
Der Kläger behauptet, dass er Eigentümer des streitgegenständlichen Pkw Opel Meriva gewesen sei. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass es den von der Beklagten zu 2) behaupteten Vorschaden gegeben habe. Das Fahrzeug habe einen Frontschaden aufgewiesen, von einem Totalschaden, den das Auto erlitten haben solle, sei bei dem Kauf bei der Firma … nicht die Rede gewesen. Der Verkäufer habe ihm jedenfalls erklärt, dass dieser Frontschaden fachgerecht instand gesetzt worden sei. Die Frage nach einem Totalschaden sei verneint worden. Für ihn habe daher keine Veranlassung bestanden, Reparaturrechnungen einzuholen oder gar ein Sachverständigengutachten zu beauftragen. Das Dekra-Gutachten sei zutreffend, die Kosten daher erstattungsfähig. Im Hinblick auf die Widerklage berufe er sich vorsorglich auf eine Entreicherung. Er habe in dem guten Glauben, den Kostenvorschuss behalten zu dürfen, diesen in ein Ersatzfahrzeug investiert.
Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner
1. an ihn 1.880,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2018 zu zahlen,
2. ihn von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) beantragt widerklagend mit einem am 27.02.2019 zugestellten Schriftsatz, den Kläger zu verurteilen, an sie 3.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.06.2018 zu zahlen.
Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass der streitgegenständliche Pkw Opel Meriva im Jahre … einen Totalschaden erlitten habe. Insoweit legen sie ein Schadengutachten der Dekra Automobil GmbH Niederlassung Duisburg vom … vor, aus der sich für einen Pkw Opel Meriva mit der Fahrzeug-Identitäts-Nr. … ergibt, dass dieser in einen Schadensfall am 27.10.2014 verwickelt worden ist. Das Fahrzeug sei im Frontbereich beschädigt, die Front mit Schwerpunkt rechts komplett eingedrückt gewesen. Der Gutachter ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 12.255,93 € brutto bei einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 8.200,00 € und einem Restwert in Höhe von 2.100,00 €. Die Beklagten meinen, dass den Kläger im Hinblick auf die Reparatur des Vorschadens besondere Darlegungs- und Beweispflichten träfen, da ohne eine detaillierte Kenntnis über den Umfang des Vorschadens bzw. die ggf. erfolgte Reparatur der aktuelle Wiederbeschaffungswert nicht bestimmt werden könne. Sei eine fachgerechte Reparatur der Vorschäden nicht nachgewiesen, sei eine Schadensschätzung nicht möglich. Vor diesem Hintergrund könne der Kläger auch weitere Schadenspositionen wie die Auslagenpauschale bzw. Sachverständigenkosten nicht beanspruchen. Die Beklagte zu 2) meint weiterhin, dass der Kläger verpflichtet sei, den Vorschuss von 3.500,00 € zurückzuzahlen, da es keinen Rechtsgrund dafür gebe, dass dieser ihn behalten dürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, die zulässige Widerklage mit Ausnahme eines geringfügigen Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs begründet.
I.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe eines Betrags von 1.880,28 € gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 VVG, 823 Abs. 1, 249 BGB.
Der geltend gemachte Anspruch scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger seinen unfallbedingt entstandenen Schaden nicht substantiiert dargelegt hat.
Es steht zunächst zu Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Pkw einen erheblichen Vorschaden erlitten hat. Dies ergibt sich aus dem von den Beklagten zur Akte gereichten Schadengutachten der Dekra Automobil GmbH Niederlassung Duisburg vom …. Da das Gutachten einen Pkw Meriva mit der identischen Fahrzeug-Identitäts-Nummer wie derjenigen des zum Unfallzeitpunkt vom Kläger gefahrenen Pkw betrifft, kann es zunächst nicht zweifelhaft sein, dass dieses Gutachten das streitgegenständliche Klägerfahrzeug betrifft. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass der Pkw im Frontbereich beschädigt worden sei, die Front mit Schwerpunkt rechts sei komplett eingedrückt. Beide Vorderkotflügel, die Motorhaube und die Tür vorne rechts seien gestaucht. Die A-Säule rechts sei mit Leiste angestoßen, die Frontmodule komplett eingedrückt. Kondensator und Kühler seien nach hinten verschoben und gegen den Motor gedrückt. Beide Rahmenlängsträger und beide Radhäuser seien mit Schwerpunkt rechts gestaucht. Die Einbaulage des Motors sei verändert, der Luftfilter angestoßen. Fahrer- und Beifahrerairbag seien ausgelöst. Der Sachverständige der Dekra ermittelte Bruttoreparaturkosten in Höhe von 12.255,93 € bei einem Wiederbeschaffungswert von 8.200,00 € und einem Restwert von 2.100,00 €. Der Pkw hatte bei dem Unfall folglich einen Totalschaden erlitten.
Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die geltend gemachten Schäden sowie die Höhe des Schadens ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Der Ersatz in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes setzt deshalb zum einen voraus, dass die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungsaufwand nicht bereits unterschreiten. Zum anderen hängt die Höhe des Wiederbeschaffungswertes davon ab, in welchem konkreten Zustand sich das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt befand. Dem Mindestschaden entspricht bei ungeklärter Grundlage der Berechnung auch nicht der (möglicherweise ermittelbare) Mindestwiederbeschaffungsaufwand. Vielmehr bleibt die Schadensbemessung nach § 287 ZPO nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich ohne ausreichenden Anhaltspunkt, weshalb einer möglichen Schadensbemessung der Umstand entgegensteht, dass sowohl die zurechenbaren Reparaturkosten nicht feststehen, als auch eine hinreichende Grundlage für die Schätzung des Wiederbeschaffungswertes fehlt (KG Berlin, Urteil vom 27.08.2015, 22 U 152/14, Rn. 37, juris).
Reparaturkosten sind nur zu ersetzen bzw. im Rahmen der Berechnung des Ersatzes des Wiederbeschaffungsaufwandes anzusetzen, soweit sie wegen des unfallkausalen Schadens erforderlich sind. Bei Vorschäden im erneut beschädigten Bereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte daher im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs noch vorhanden waren, wofür er im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss. Kann er dies nicht oder unterlässt er die Darlegung, so geht dies im Streitfall zu seinen Lasten. Der Geschädigte muss zwar nicht stets darlegen und beweisen, dass Vorschäden nicht vorhanden waren. Konkreten Vortrag der Gegenseite oder ernsthafte Anhaltspunkte für Vorschäden muss er jedoch ausräumen, weil ihn die Darlegungs- und Beweislast für einen unfallursächlichen Schaden bzw. die vorherige Schadensfreiheit seines Fahrzeuges trifft (KG Berlin, a.a.O., Rn. 38 mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung diverser Oberlandesgerichte sowie der herrschenden Meinung in der Literatur). Auch wenn der Vorschaden sich auf einen anderen Schadensbereich als der angeblich neue Schaden bezieht, lässt sich ohne weitere Angaben ein erstattungsfähiger Fahrzeugschaden nicht feststellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Geschädigte den Wiederbeschaffungsaufwand geltend macht, da dieser von dem Zustand des Pkw unmittelbar abhängig ist.
Der erforderliche dezidierte Vortrag zu der Reparatur des Vorschadens ist nicht erfolgt. Auch die Tatsache, dass der Kläger zu einer vollständigen Darlegung des Reparaturwegs nicht in der Lage ist, da er diesen ohne vertiefte Kenntnis von dem Unfallschaden erworben hat, ändert an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nichts. Dieses geht vielmehr zu seinen Lasten und nicht zu Lasten des Schädigers. Denn der Umstand, dass ein Geschädigter ein Gebrauchtfahrzeug erworben hat, kann nicht zu einer Änderung der sich aus den allgemeinen Regeln des Prozessrechts ergebenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast führen (KG Berlin, Beschluss vom 12.12.2011, 22 U 151/11, Rn. 6, juris).
Wenn ein erstattungsfähiger Fahrzeugschaden sich nicht feststellen lässt, sind auch darauf aufbauende Folgepositionen wie Sachverständigenkosten, Nutzungsausfall oder die Unfallkostenpauschale nicht zu ersetzen (vgl. statt vieler LG Berlin, Urteil vom 09.07.2013, 43 S 12/13, juris).
2.
Mangels Bestehens der Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen bzw. auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
II.
1.
Die Beklagte zu 2) hat gegen den Kläger gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Vorschusses in Höhe von 3.500,00 €.
Gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet.
Die Voraussetzungen eines Herausgabeverlangens nach der genannten Vorschrift liegen vor. Die Beklagte zu 2) hat zur Regulierung der an sie herangetragenen Schadensersatzansprüche des Klägers vorprozessual einen Betrag von 3.500,00 € gezahlt. Tatsächlich war die Beklagte zu 2) dem Kläger aber, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen zu I ergibt, nicht zur Leistung verpflichtet, weil dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall nicht zusteht. In einem solchen Fall kann die Haftpflichtversicherung den geleisteten Vorschuss nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zurückverlangen (OLG Hamm, Urteil vom 26.07.2016, 9 U 150/15, Rn. 29, juris).
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Einrede der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen. Nach dem Vortrag des Klägers hat er den Betrag von 3.500,00 € mit darauf verwandt, sich einen neuen Pkw zu kaufen. Die Vorschusszahlung ist daher letztlich noch wirtschaftlich im Vermögen des Klägers vorhanden. Der Kläger könnte sich nur dann auf die Einrede der Entreicherung berufen, wenn er sich diese Ausgabe ansonsten, z.B. für Luxusgüter, nicht geleistet hätte (Palandt/Sprau, BGB, 48. Auflage 2019, § 818 Rn. 41 m.w.N.). Die Anschaffung des neuen Pkw war aber, nachdem das streitgegenständliche Fahrzeug durch den Unfall einen Totalschaden erlitten hat, keine Luxusanschaffung, sondern vielmehr als Ersatzbeschaffung erforderlich.
2.
Die Beklagte zu 2) kann von dem Kläger ferner gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, dem 28.02.2019, beanspruchen. Ein früherer Verzugseintritt ist nicht ersichtlich.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.