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Verkehrsunfall – rückwärtiges Ausparken auf Parkplatz

LG Limburg – Az.: 3 S 210/17 – Urteil vom 09.03.2018

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 28.09.2017 – Az.: 32 C 137/17 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 639,96 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2016 zu zahlen und den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegenüber dem Anwaltsbüro … freizustellen in Höhe von 147,56 Euro nebst Zinsen aus 83,54 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2017.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 614,96 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf einem Parkplatz in Anspruch.

Am 16.08.2016 gegen 11.30 Uhr kam es auf dem Parkplatz des … in … zu einer Kollision des Fahrzeugs des Klägers, einem BMW 3-er Cabrio, mit dem Kennzeichen …, und dem von dem Beklagten zu 1. geführten Fahrzeug, einem Renault Kangoo, mit dem Kennzeichen …, das bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist.

Der Kläger fuhr mit seinem Fahrzeug rückwärts aus einer Parklücke. Der Beklagte, der zunächst den Kläger passiert hatte, setzte ebenfalls zurück. Es kam zur Kollision der Fahrzeuge.

Die Kollision führte zu einer mittigen Druckstelle an der Stoßstange des Fahrzeugs des Klägers, während an dem Fahrzeug des Beklagten kein Schaden entstand. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag ein über einen Betrag von 1.229,92 Euro netto. Hiervon glich die Beklagte zu 2. einen Betrag von 614,96 Euro aus. Der Kläger forderte die Beklagte zu 2. durch anwaltliches Schreiben vom 26.11.2016 erfolglos zu Zahlung des Restbetrages von 614,96 Euro sowie einer Unkostenpauschale von 25,00 Euro bis zum 08.12.2016 auf. Hierfür entstanden Rechtsanwaltskosten von 147,56 Euro.

Der Kläger hat behauptet, er habe beim Ausparken den Beklagten zu 1. bemerkt und sein Fahrzeug angehalten. Sein Fahrzeug habe gestanden, als der Beklagte zu 1. mit ihm kollidiert sei. Alle in dem Kostenvoranschlag aufgeführten Reparaturmaßnahmen seien erforderlich.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 636,96 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.2016 zu bezahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 147,56 Euro gegenüber dem Anwaltsbüro Dienst und Kollegen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei zum Zeitpunkt der Kollision ebenfalls noch rückwärts gefahren. Die geltend gemachten Beschädigungen seien nicht allein auf den Unfall zurückzuführen.

Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 25,00 Euro und wegen der Freistellung in Höhe von 83,54 Euro stattgegeben. Die Klageabweisung im Übrigen hat es damit begründet, dass von einer Haftungsquote von 50% auszugehen sei. Der Unfall sei in Zusammenhang mit einer Rückwärtsfahrt beider Fahrzeuge entstanden. Auch wenn das Fahrzeug des Klägers nach den Angaben der Zeugin … gestanden habe, sei von einem Zusammenhang mit dem Ausparkvorgang auszugehen. Die Zeitangabe, das Fahrzeug habe 2 Sekunden gestanden, habe das Gericht letztlich nicht überzeugt.

Im Übrigen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Er rügt, der Ausparkvorgang sie entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht kausal für das Unfallereignis. Sein Fahrzeug habe schon längere Zeit gestanden.

Der Kläger beantragt, die Beklagten unter Abänderung des am 29.09.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichtes Wetzlar, Az.: 32 C 137/17, zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 614,96 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.2016 zu zahlen und den Kläger von weiteren außergerichtlichen Kosten i.H.v. 64,02 Euro freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung ist an sich statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Es hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger kann von den Beklagten den Ersatz der restlichen Reparaturkosten von 614,96 Euro sowie die Freistellung von den weiteren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 64,02 Euro verlangen.

Die gemäß § 17 Abs. 1 StVG erforderliche Abwägung ergibt, dass der Beklagte zu 1. den Unfall allein verursacht hat.

Der Beklagte zu 1. hat gegen seine Pflichten aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, denn sein Fahrzeug ist beim Rückwärtsfahren mit dem Fahrzeug des Klägers kollidiert.

Dem Kläger fällt jedoch kein entsprechendes Verschulden zur Last.

Anders als im fließenden Verkehr mit seinen typischerweise schnellen Verkehrsabläufen, bei denen der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Verkehrsfluss nicht durch ein rückwärtsfahrendes Fahrzeug gestört wird, gilt in der Situation auf dem Parkplatz ein solcher Vertrauensgrundsatz nicht. Hier muss der Verkehrsteilnehmer jederzeit damit rechnen, dass rückwärtsfahrende oder ein- und ausparkende Fahrzeuge seinen Verkehrsfluss stören. Er muss daher, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO genügen zu können, von vornherein mit geringer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können. Hat ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelingt es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision zum Stehen zu kommen, hat er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt (BGH, Urteil vom 15.12.2015, Az.: VI ZR 6/15, juris, Rn. 15).

So liegt der Fall hier. Die Zeugin … hat bekundet, dass der Kläger das Fahrzeug des Beklagten bemerkt und deshalb angehalten habe. An dieser Angabe hatte das Amtsgericht – anders als an der Zeitangabe von 2 Sekunden – keine Zweifel. Auch die Kammer ist aufgrund der nachvollziehbaren Angabe der Zeugin überzeugt, dass das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision bereits stand. Das von den Beklagten für ihre Gegenbehauptung beantragte unfallanalytische Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen rekonstruiert werden könnte, dass auch der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision fuhr. Schließlich liegen an dem Fahrzeug des Beklagten keine Beschädigungen vor, die zu dem Schaden an dem Fahrzeug des Klägers in Verhältnis gesetzt werden könnten.

Die Erforderlichkeit der Reparaturkosten von 1.229,92 Euro ist als unstreitig zu behandeln. Das Bestreiten der Beklagten, dass alle in dem Kostenvoranschlag aufgeführten Reparaturmaßnahmen erforderlich seien, ist unsubstantiiert. Denn sie geben nicht an, welche einzelnen Positionen des Kostenvoranschlags betroffen seien.

Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus § 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

Der Kläger kann entsprechend seiner begründeten Forderung die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe verlangen. Mit seinem Berufungsantrag begehrt er wegen dieses Anspruchs keine Verzinsung.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen, weil sie unterlegen sind (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Schuldnerschutzanordnungen unterbleiben, weil die Voraussetzungen, nach denen ein Rechtsmittel stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§§ 713, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

 

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