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Verkehrsunfall – Schaden durch Fahrzeugnichtbenutzbarkeit während Reparatur

AG Ratzeburg – Az.: 2 C 135/12 – Urteil vom 20.12.2012

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.

Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen HH[…], dessen Fahrer am 08.04.2012, einem Ostersonntag, gegen 14:00 Uhr die Vorfahrt des Klägers in Seedorf missachtete und am Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen HL[…], einem Kia Magentis, einen wirtschaftlichen Totalschaden verursachte und allein verschuldete. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Schäden des Klägers ist unstreitig.

Der Kläger beauftragte am 08.04.2012 eine Autowerkstatt X mit dem Abschleppen seines Fahrzeugs. Dieses Unternehmen verbrachte das klägerische Fahrzeug am Unfalltag zunächst auf Anweisung des Klägers auf den eigenen Betriebshof und dann am 10.04.2012 zum Autohaus Y in Lübeck. Das Autohaus Y, welches die Kosten des Abschleppens des Unternehmens X als Fremdleistung übernommen hatte, stellte dem Kläger für diese Abschlepptätigkeiten insgesamt € 614,58 mit Schreiben vom 12.04.2012 in Rechnung. Die Beklagte zahlte dem Kläger auf diese Rechnung einen Betrag von € 200,00.

Der Kläger mietete, vermittelt über das Autohaus Y, bei der Autovermietung Z am 10.04.2012 einen Peugeot 508 SW für insgesamt 5 Tage vom 10.04.2012 bis zum 15.04.2012 an. Die Autovermietung Z stellte dem Kläger hierfür mit Rechnung vom 23.04.2012 einen Betrag von € 642,53 in Rechnung. Der Kläger trat seine Ansprüche aus dem Mietvertrag zunächst an die Autovermietung Z ab, beglich diese jedoch sodann, worauf die Autovermietung Z ihm die Ansprüche wiederum abtrat. Auf die Mietwagenkosten zahlte die Beklagte nur einen Betrag von € 390,01 an den Kläger.

Dem Kläger stand ab dem 19.04.2012 ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Der Kläger gab das Mietfahrzeug bereits am 15.04.2012 zurück, da er die Befürchtung hatte, dass sein Hund das Mietfahrzeug beschädigen könnte. Der Kläger benutzte sein Fahrzeug dazu, mit seinem Hund einmal täglich zu Spaziergängen zu fahren. Für die Dauer vom 08.04.2012 bis 10.04.2012 und vom 15.04.2012 bis 19.04.2012 macht der Kläger mit der Klage € 43,00 je Tag für 7 Kalendertage, also € 301,00, als Nutzungsausfallentschädigung hilfsweise geltend, da ihm in diesem Zeitraum kein Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 667,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger hätte angesichts der Beschädigung seines Fahrzeugs ernsthaft in Erwägung ziehen müssen, dass es sich bei der Beschädigung um einen Totalschaden handelt und dann sei ein Verbringen in die Werkstatt X nicht erforderlich gewesen. Des weiteren sei die Rechnung des Autohauses Y übersetzt, da die Werkstatt X dem Autohaus Y ihrerseits nur € 558,71 für die Abschleppkosten berechnet habe.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die prozessvorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Verkehrsunfall - Schaden durch Fahrzeugnichtbenutzbarkeit während Reparatur
Symbolfoto: Von CC7 /Shutterstock.com

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von € 667,10 aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG.

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Der Höhe nach hat der Kläger keine Ansprüche auf restliche Abschleppkosten in Höhe von € 414,58, restliche Mietwagenkosten in Höhe von € 252,52 oder eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von € 301,00.

1.

Bezüglich der Abschleppkosten ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der Kosten hat, die ihm durch das Abschleppen des Fahrzeugs am 08.04.2012 und 10.04.2012 tatsächlich und berechtigt entstanden sind. Die Kosten umfassen zur Überzeugung des Gerichts auch beide Abschleppfahrten, da zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls offenkundig war, dass es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelte. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts bereits aus den vom Kläger vorgelegten Fotografien zum Gutachten vom 17.04.2012 (Anlage K1) Bild Nr. 1 und 2 (Bl. 21 d.A.), welche mit den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten im Termin vom 20.11.2012 in Augenschein genommen wurden. Dort ist zur Überzeugung des Gerichts für einen Laien nicht erkennbar, dass die relativ geringflächige Beschädigung an der vorderen rechten Fahrzeugecke wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll zu reparieren sein würde.

Allerdings beschränkt sich dieser grundsätzliche Schadensersatzanspruch offenkundig nur auf die berechtigten Kosten, welche dem Kläger durch die Beauftragung von Dritten entstanden sind. Hierzu hat der Kläger nicht ausreichend vorgetragen und diese Kosten nicht nachgewiesen. Der Kläger hat unstreitig am 08.04.2012 das Unternehmen X damit beauftragt, sein Fahrzeug zunächst auf deren Hof in Ziethen und dann am 10.04.2012 zum Autohaus Y in Lübeck zu schleppen. Einen Nachweis, welche Kosten dem Kläger aufgrund der Beauftragung des Unternehmens X entstanden sind, hat der Kläger nicht erbracht. Aus welchem Grund der Kläger daher eine Rechnung des Unternehmens Autohaus Y vom 12.04.2012 über € 614,58 beglichen hat, erschließt sich dem Gericht nicht. Schließlich hat der Kläger in seiner persönlichen Anhörung in der Verhandlung vom 20.11.2012 angegeben, er habe das Unternehmen X mit dem Abschleppen beauftragt. Der Kläger vermochte auf Nachfrage des Gerichts nicht zu erklären, wie es zu den unterschiedlichen Rechnungsstellungen gekommen ist. Wenn sich aber der Kläger entschließt, nicht eine Rechnung des beauftragten Unternehmens, sondern eine Rechnung des Unternehmens Autohaus Y zu begleichen, so stellt dies keine ersatzfähige Position im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dar, da dem Geschädigten nicht erkennbar ist, welche Berechtigung dieser Forderung überhaupt zugrunde liegt.

Allenfalls ersatzfähig könnten im Übrigen zur Überzeugung des Gerichts die Abschleppkosten in Höhe von € 558,71 sein, wie in der Anlage B4 (Bl. 63 d.A.) von der Werkstatt X offensichtlich dem Autohaus Y berechnet. Die Rechnung richtet sich jedoch nicht an den Kläger und wurde von diesem auch unstreitig nicht beglichen, so dass die Vermutung naheliegt, dass unter Umständen das Autohaus Y diese Rechnung beglichen hat.

Es steht jedenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger aufgrund des Unfalls ein weiterer ersatzfähiger Schaden in Höhe von € 414,58 entstanden wäre. Schließlich trägt der Kläger nichts dazu vor, in welchem Rechtsverhältnis das Autohaus Y, an welches er seine Zahlung von € 614,58 geleistet haben will, und die Werkstatt X, welche er mit den Abschlepparbeiten beauftragt hatte, stehen sollen und warum die Rechnungsstellung über das Autohaus Y erfolgte.

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von € 252,52 gegen die Beklagte. Der Betrag in Höhe von € 390,01, welchen die Beklagte als Schadenersatz für die Anmietung des Ersatzfahrzeugs bereits gezahlt hat, ist zur Überzeugung des Gerichts ausreichend, um dem Beklagten nach § 249 Abs. 2 BGB die erforderlichen Mietwagenkosten zu erstatten. § 249 Abs. 2 BGB ist anwendbar, da der Kläger von der Beklagten nicht die sogenannte Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB verlangt hat, indem die Beklagte dem Kläger ein Ersatzfahrzeug hätte zur Verfügung stellen sollen. Vielmehr verlangt der Kläger mit der Klage von der Beklagten denjenigen Betrag, welcher zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich war.

Das Gericht schätzt die objektiv erforderlichen Mietwagenkosten für den Zeitraum vom 10.04.2012 bis 15.04.2012 nach § 287 Abs. 2 ZPO auf € 217,63. Die Summe von € 217,63 ergibt sich im Wege der Schätzung unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen hält das Gericht den sogenannten Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen 2011 für eine geeignete Schätzgrundlage, um die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten zu schätzen (vgl. auch BGH VersR 2011, 769). Zum anderen hat der Kläger selbst vorgetragen, dass er sich nicht zwischen dem Unfall am 08.04.2012 und dem Zeitpunkt der Anmietung am 10.04.2012 nach günstigeren Tarifen oder anderen Anmietungsmöglichkeiten erkundigt habe, sondern einfach erneut bei Autovermietung Z gemietet habe, da er dort bereits einmal gute Erfahrungen gemacht habe. Das Gericht sieht daher grundsätzlich die im Mietpreisspiegel unter „Minimum“ angegeben Kosten als maßgeblich für eine Schätzung an, da der Kläger anderenfalls dazu hätte vortragen müssen, warum ihm konkret eine Anmietung zu den günstigsten Konditionen nicht möglich bzw. diese günstigen Konditionen ihm nicht zugänglich waren. Aus der Tabelle im Mietpreisspiegel ergibt sich als günstigster Preis ein Betrag von € 92,02 für 2 Tage Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 5 und € 93,61 für weitere 3 Tage Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 5, wobei zugunsten des Klägers bereits der höchste Minimumpreis der beiden Erhebungsmethoden Telefon und Internet gewählt wurde (vgl. Fraunhofer Markpreisspiegel Mietwagen 2011, S. 43, PLZ Bereich 23, und S. 111, PLZ Bereich 2). Das Gericht schätzt daher die erforderlichen Kosten für die Anmietung eines Mietwagens auf € 185,63 zzgl. € 32,00 Zustellkosten, also insgesamt € 217,63.

3.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von € 301,00 als Nutzungsausfallentschädigung für denjenigen Zeitraum zwischen dem 08.04.2012 und 19.04.2012, in welchem ihm kein Mietwagen zur Verfügung stand. Dem Kläger ist durch die Unbenutzbarkeit seines eigenen Fahrzeugs in diesem Zeitraum zur Überzeugung des Gerichts kein ersatzfähiger materieller Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB entstanden. Der Ersatz des immateriellen Schadens schadet mangels gesetzlicher Grundlage nach § 253 Abs. 1 BGB aus.

Der Kläger trägt vor, ihm sei aufgrund der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs im Zeitraum vom 08.04.2012 bis 19.04.2012 ein Schaden in Höhe von € 43,00 für jeden Tag entstanden, in welchem ihm kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestanden habe. Dies sei an 7 Tagen der Fall gewesen, so dass die Beklagte ihm einen Betrag von € 301,00 als Schadensersatz schulde. Das Gericht ist davon überzeugt, dass dem Kläger ein solcher materieller Schaden nicht entstanden ist.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einer Entscheidung vom 30.09.1963 (BGH NJW 1964, 542) zwar fest, dass allein die Unbenutzbarkeit eines Kraftfahrzeugs einen materiellen Vermögensschaden darstellen könne. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass zum einen alles einen Vermögensschaden darstellen könne, was ihm Verkehr mit Geld erlangt zu werden pflegt. Da die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs in den meisten Fällen mit Miet- oder Anschaffungs- und Betriebskosten erkauft werden muss, stelle also auch der Verlust allein der abstrakten Benutzbarkeit einen Verlust dieses geldwerten Vorteils dar. Der BGH stellte ohne weitere Begründung fest, dass es damals „allgemein als wirtschaftlicher Vorteil angesehen“ werde, jederzeit und sofort ein Kraftfahrzeug nutzen zu können.

Der BGH übersieht jedoch bei seiner Argumentation, dass der Geschädigte aufgrund der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs auch etwas erhält und stellt dieses in seine Abwägung nicht mit ein. Der Geschädigte erhält nämlich während der Zeit der Unbenutzbarkeit seines eigenen Fahrzeugs die grundsätzliche und jederzeitige Möglichkeit, die Unbenutzbarkeit durch die Inanspruchnahme eines Mietwagens, eines Taxis oder Busses oder sonstiger Beförderungsmöglichkeiten auf Kosten des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung auszugleichen. Der Geschädigte kommt so in den Genuss eines für ihn jederzeit kostenfreien Transports, auch wenn er die Erstattung grundsätzlich erst im Nachhinein erhält, sofern er nicht einen Vorschuss vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung verlangt. Dieser Transportkosten-Flatrate des Geschädigten im Zeitraum der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs kommt zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls ein Vermögenswert zu, welcher in der Summe den ihm nach Auffassung des BGH entstehenden Schaden durch die Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs ausgleicht. Schließlich kommt einer Netzkarte der Deutschen Bahn oder Netzkarte des öffentlichen Nahverkehrs unzweifelhaft ebenfalls ein erheblicher Vermögenswert zu.

Die Tatsache, dass der Geschädigte sich, da er in der Regel in Vorleistung wird treten müssen oder wollen, vermutlich auf die notwendigsten Fahrten beschränken wird, spricht nicht gegen die Annahme eines mindestens äquivalenten Vermögenswerts. Ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch wird sich nämlich aufgrund der erheblichen Kosten für Treibstoff und Wartungskosten auch bei seinem eigengenutzten Kraftfahrzeug auf die notwendigen Fahrten beschränken.

Gegen die Annahme, dass dem Kläger allein durch die Unbenutzbarkeit kein materieller Schaden entstanden sein kann, spricht auch nicht, dass nach Auffassung des BGH bei der Bestimmung des Schadens grundsätzlich der Ersatzanspruch unberücksichtigt bleiben müsse (vgl. BGH NJW 58, 1085). Nach Ansicht des BGH stellt sich der Schaden nämlich als der Unterschied zwischen der Vermögenslage des Betroffenen, wie sie sich infolge des schadenstiftenden Ereignisses gestaltet hat, und seiner Vermögenslage, wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde, wenn dabei der Ersatzanspruch selbst unberücksichtigt bleibt, dar.

Bei der Betrachtung der Vermögenslagen stellt es sich allerdings so dar, dass der Kläger ohne den Unfall sein Fahrzeug vom 08.04.2012 bis 19.04.2012 durchgängig zur ständigen Verfügung gehabt hätte. Aufgrund des Unfalls hatte der Kläger nun vom 08.04.2012 bis 10.04.2012 und vom 15.04.2012 bis zum 19.04.2012 überhaupt kein Fahrzeug zur Verfügung und verzichtete auf die üblicherweise unternommenen Fahrten mit seinem Hund. Unterstellte man, dass allein der Nutzungsmöglichkeit bereits ein eigener Vermögenswert zukäme, so wurde ihm dieser Vermögenswert für die genannten Zeiträume entzogen und fehlt ihm in der Differenzbetrachtung als eine Vermögensposition. Der Ersatzanspruch, welcher nach Auffassung des BGH bei der Betrachtung der Vermögenslagen vor und nach dem schadensstiftenden Ereignis nicht zu berücksichtigen ist, wäre demnach hier der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Entschädigung des für den genannten Zeitraum entzogenen Vermögenswerts. Die Definition des BGH schließt zur Überzeugung des Gerichts damit nicht aus, dass die fiktive Möglichkeit des Beklagten, sich im Zeitraum vom 08.04.2012 bis 19.04.2012 jederzeit ein Ersatzfahrzeug anzumieten, eine Taxifahrt zu unternehmen oder mit Bus und Bahn zu fahren und die Kosten von der Beklagten ersetzt oder als Vorschuss zu verlangen, den Verlust des Fahrzeugs für diesen Zeitraum vollumfänglich und gleichwertig ausgleicht. Die Möglichkeit, sich auf Kosten der Beklagten alternativen Transport zu verschaffen stellt sich schließlich inhaltlich als ein anderer Anspruch dar und entspricht nicht dem Ersatzanspruch im Sinne der Definition des BGH, welcher bei der Betrachtung der Vermögenslagen unberücksichtigt bleiben soll.

Im Übrigen schließt allein die Tatsache, dass der Kläger Gefahr läuft, diese Kosten nicht erstattet zu bekommen, nicht die Gleichwertigkeit dieses Anspruchs zur Überzeugung des Gerichts aus. Schließlich läuft ein Geschädigter in sämtlichen Fällen des Schadensersatzrechts Gefahr, dass der Geschädigte, aus welchem Grund auch immer, z.B. aufgrund von Zahlungsunfähigkeit, den von ihm verursachten Schaden nicht wird begleichen können. Gerade im Bereich des Verkehrsunfallrechts dürfte diese Gefahr zudem zu vernachlässigen sein, da der Schädiger gesetzlich verpflichtet ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die genau diese Schäden trägt.

Auch die Tatsache, dass im Rahmen der vom Geschädigten zu wählenden Transportmöglichkeiten selbstverständlich die Grundsätze der Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen sind, spricht nicht gegen die Annahme, dass bei wertender Betrachtung allein aufgrund der tatsächlich fehlenden Nutzungsmöglichkeit noch kein Vermögensschaden vorliegt. Schließlich gilt dieser Grundsatz in sämtlichen Bereichen des Schadensersatzrechts und daher ist es nur folgerichtig, dass der Geschädigte auch im Rahmen der Wiederherstellung seiner Mobilität eine gleichwertige und von mehreren zur Verfügung stehenden gleichwertigen, auch die günstigste Variante wählt. Darüber hinaus ist auch der Geschädigte ohnehin im Hinblick auf die Regelung in § 241 Abs. 2 BGB gehalten, im Rahmen des aufgrund des Unfalls entstandenen gesetzlichen Schuldverhältnisses nach seinem Inhalt auch Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, also des Schädigers, zu nehmen. Dies beinhaltet zur Überzeugung des Gerichts in etwa auch, dass mit Rücksicht auf das Vermögen des Schädigers der zu ersetzende Schaden möglichst gering zu halten ist.

Verzichtet der Geschädigte folglich im Rahmen der Wiederherstellung seiner Mobilität im Übergangszeitraum nach einem Unfall freiwillig auf die Verursachung von Kosten, so entsteht ihm auch kein Vermögensschaden. In der Summe steht dann nämlich der potentiellen Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs die dem Geschädigten potentiell mögliche und für ihn im Ergebnis kostenfreie Inanspruchnahme anderweitiger Transportmöglichkeiten gegenüber.

Im Übrigen begegnet bereits die Annahme des BGH, dass allein die Unbenutzbarkeit eines Kraftfahrzeugs einen materiellen Vermögensschaden darstelle, mehr als erheblichen Bedenken des Gerichts.

Auch der BGH hat seine Annahme, dass bereits die Unbenutzbarkeit an sich einen Vermögensschaden darstellt, in der Folgezeit erheblich eingeschränkt. Schließlich machte der BGH mit seiner Entscheidung vom 15.04.1966 (BGH NJW 1966, 1260) das Vorliegen eines materiellen Vermögensschadens davon abhängig, dass der Geschädigte während der Zeit des Nutzungsausfalls auch einen tatsächlichen Nutzungswillen und eine tatsächliche Nutzungsmöglichkeit hatte. Die Voraussetzung einer solchen „fühlbaren Nutzungsbeeinträchtigung“ solle vorbeugen, dass der Geschädigte den Unfall „zur Gewinnerzielung“ ausnutze (BGH NJW 1966, 1260). Diese Argumentationen auf der subjektiven Ebene des Geschädigten zeigen, wie wenig überzeugend die Begründung zur Entstehung und Ersatzfähigkeit eines Nutzungsausfallschadens als materiellem Schaden ist.

Ein ersatzfähiger Schaden nach § 249 Abs. 1 BGB berechnet sich nämlich grundsätzlich aus einem Vergleich der Vermögenslagen des Betroffenen, wie sie sich infolge des schadenstiftenden Ereignisses gestaltet hat und wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde. Diese Definition kommt vollständig ohne subjektive Beeinträchtigungs- oder Beschädigungsempfindungen beim Geschädigten aus. Die Hinzunahme der Kriterien der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit und des tatsächlichen Nutzungswillens verdeutlicht eindrucksvoll, um was es sich bei einem Nutzungsausfalls tatsächlich handelt, nämlich einen immateriellen Schaden, der sich nicht notwendigerweise auf die Vermögenslage des Geschädigten auswirken muss. Durch eine Nutzungsausfallentschädigung soll selbst nach der Argumentation des BGH in seiner genannten Entscheidung vom 15.04.1966 nur eine „fühlbare“ Nutzungsbeeinträchtigung ausgeglichen werden. Solche immateriellen Schäden sind allerdings nach § 253 Abs. 1 BGB nur in dem vom Gesetz vorgesehen Fällen auszugleichen und eine solche gesetzliche Regelung ist hier nicht ersichtlich.

Auch die offensichtliche Hauptbegründung des BGH im Urteil vom 15.04.1966 zum Vorliegen eines materiellen Schadens trägt zur Überzeugung des Gerichts nicht. Der BGH führte aus:

 

„Für die Zubilligung einer Geldentschädigung zum Ausgleich der Nutzungsentziehung spricht es vor allem, daß der betroffene Wageneigentümer vom Schädiger die Stellung eines Ersatzfahrzeugs oder die Vorlage der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs hätte fordern können. Die Berechtigung eines solchen Anspruchs ergibt sich aus § 249 BGB und ist allgemein anerkannt, wenn ein Bedürfnis für die Benutzung eines Ersatzwagens in der Reparaturzeit zu bejahen ist. Würde mit der Charakterisierung dieses Anspruchs als eines nur transitorischen oder zweckgebundenen das Ergebnis gewonnen, daß nach Unterbleiben der Ersatzwagenbeschaffung ein Ausgleichsanspruch entfiele, so wäre durch diese Rechtsauffassung für die Schädiger und ihre Haftpflichtversicherer ein starker Anreiz gegeben, die Erfüllung berechtigter (aber nur transitorischer) Ansprüche abzulehnen und darauf zu vertrauen, der Anspruchsteller werde von der Anmietung eines Ersatzwagens aus Scheu vor einem finanziellen Risiko oder mangels liquider Geldmittel absehen und sich behelfen. Wenn die unberechtigte Weigerung, eine Schuld zu erfüllen, im Ergebnis zur vollen Schuldbefreiung führt, so ist das insbesondere dann ein unerfreuliches Ergebnis, wenn das Motiv des Betroffenen, kein Risiko einzugehen, durchaus verständlich ist.“

Allein die Tatsache, dass Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung sich unter Umständen einer Ersatzpflicht dadurch entziehen könnten, dass sie zunächst einen Vorschuss in der Hoffnung ablehnen, der Geschädigte werde während der Zeit des Nutzungsausfalls keine ersatzfähigen Kosten verursachen, trägt keinesfalls als Argument dafür, dass ein tatsächlich nicht vorliegender Schaden materieller Art in einen solchen umgedeutet wird. Selbst der BGH geht offenbar davon aus, dass die Charakterisierung des Anspruchs auf Wiederherstellung der Mobilität viel naheliegender als transitorisch und zweckgebunden ist und wegfällt, sofern im Zeitraum der Unbenutzbarkeit tatsächlich keine Kosten entstehen. Allein die abstrakte Befürchtung des BGH, ein Haftpflichtversicherer oder ein Schädiger könnten versuchen, die Entstehung eines materiellen Schadens dadurch verhindern, dass Ansprüche auf Vorschüsse zurückgewiesen werden, ist zur Überzeugung des Gerichts kein sachgerechtes Argument zur Begründung, dass es sich um einen materiellen Schaden handelt.

Dem deutschen Zivilrecht sind schließlich „Bestrafungen“ eines Schädigers fremd. Anders als etwa in den USA, sind sogenannte „punitive damages“, also eine Schadensersatzsumme, welche den Schädiger davon abhalten soll, in der Zukunft weitere Schädigungen zu begehen oder ihn animieren soll, Vorsorge zu treffen, dass weitere Schädigungen in der Zukunft ausgeschlossen sind, im deutschen Recht nicht vorgesehen. Die Begründung der Berechtigung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung damit, dass der Schädiger sich einer Ersatzpflicht nicht entziehen können soll, zielt jedoch auf eine solche präventive Bestrafung ab. Nur dass diese Bestrafung offenbar noch früher greifen soll, nämlich bevor überhaupt feststeht, dass der Schädiger mit seinem dem Unfall möglicherweise nachgelagerten Verhalten überhaupt eine Vermeidung von berechtigten Schadensersatzforderungen beabsichtigt. Diese Unterstellung möglichen Schädigerverhaltens vermag zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls die Umdeutung eines immateriellen in einen materiellen Schaden begründen.

II.

Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache hat der Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen.

III.

Die Entscheidung zu den Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

V.

Die Berufung wird nach § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen, da insbesondere die Entscheidung zur Nutzungsausfallentschädigung grundsätzliche Bedeutung hat und einer Fortbildung des Rechts dient.

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