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Verkehrsunfall – Schadenseintritt durch Reaktion auf den Betrieb eines Fahrzeugs

LG Osnabrück, Az.: 1 S 22/17, Urteil vom 23.08.2017

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 01.12.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Osnabrücks geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.345,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.2.2016 sowie 193,55 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Auslagen, die nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sind, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.7.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben; von den Kosten der Berufung tragen der Kläger 2/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.518,42 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit der Klage macht der Kläger Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, welcher sich am 09.12.2015 gegen 9:00 Uhr vor dem Haus L. Straße in O. ereignete.

Zu diesem Zeitpunkt befuhr die Ehefrau des Klägers, die Zeugin H., mit dem Pkw VW Golf des Klägers die L. Straße in Richtung Freibad. Am rechten Fahrbahnrand war ein Ford Transit der Firma F. geparkt, an welchem die Zeugin H. links vorbeifahren wollte. Die Beklagte zu 1) hatte ihren Pkw Opel, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, auf einem Parkplatz auf der aus Sicht der Zeugin H. linken Seite der Straße quer zur Fahrtrichtung geparkt. Als die Zeugin H. bereits begonnen hatte, an dem Lieferwagen vorbei zu fahren, setzte die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw zurück. Wie weit sie zurücksetzte, ist zwischen den Parteien streitig. Die Ehefrau des Klägers wich nach rechts aus und stieß hierbei seitlich mit dem Transporter zusammen.

Dem Kläger entstand ein Sachschaden in Höhe von 4.691,23 €. Da die Klage der Beklagten zu 1) zunächst nicht zugestellt werden konnte, veranlasste der Kläger eine Einwohnermeldeamtsanfrage, wodurch Kosten in Höhe von 12,- € anfielen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Mit Urteil vom 01.12.2016, welches dem Kläger am 07.12.2016 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 25 % des dem Kläger entstandenen Schadens verurteilt. Hinsichtlich der eingeklagten Einwohnermeldeamtsauskunftskosten hat es keine Entscheidung getroffen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Abwägung der gegenseitigen Betriebsgefahren vorliegend ergebe, dass eine Haftung der Beklagten über 25 % hinaus nicht bestehe. Zwar habe sich der Unfall beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) ereignet, der Betrieb habe sich auch ursächlich auf den Unfall ausgewirkt, ein Verschulden der Beklagten zu 1), welches die Betriebsgefahr erhöhe, sei hingegen nicht nachgewiesen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe für das Gericht nicht mit der für ein Urteil erforderlichen Sicherheit fest, welche der Versionen des Unfallhergangs der Wahrheit entspreche. Auch seien die Regeln des Anscheinsbeweises nicht zu Lasten der Beklagten zu 1) anwendbar, da es an einem typischen Geschehensablauf fehle.

Hiergegen richtet sich die am 09.01.2017 eingelegte und mit am 03.03.2017 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers. Er begehrt weiterhin die Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 %.

Verkehrsunfall - Schadenseintritt durch Reaktion auf den Betrieb eines Fahrzeugs
Symbolfoto: Von morrowlight /Shutterstock.com

Hierzu behauptet er, die Beklagte zu 1) habe plötzlich zurückgesetzt, als sich die Zeugin H. gerade zwischen dem Fahrzeug der Beklagten zu 1) und dem am rechten Fahrbahnrand geparkten Transporter befunden habe. Das Fahrzeugheck des Pkw Opel der Beklagten zu 1) habe bereits komplett in die Fahrbahn der L. Straße hineinragt. Die Zeugin H. habe nach rechts lenken müssen, um ein Zusammenstoß mit der Beklagten zu 1) zu vermeiden. Hierdurch sei der Streifschaden mit dem Transporter verursacht worden. Das Amtsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass zulasten der Beklagten zu 1) die Grundsätze des Anscheinsbeweises anwendbar seien. Der Verkehrsunfall habe sich ereignet, als die Beklagte zu 1) rückwärts in den fließenden Verkehr zurückgesetzt habe. Es sei daher zu vermuten, dass sie gegen die Regeln des § 9 Abs. 5 StVO sowie des § 10 Abs. 1 StVO verstoßen habe. Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des Amtsgerichts rechtsfehlerhaft. Das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass sich die Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung anders geäußert habe als schriftsätzlich. Auch habe es die Aussage der Zeugin H. nicht hinreichend gewürdigt.

Der Kläger beantragt, die Beklagten unter Abänderung des am 01.12.2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Osnabrück (AZ 13 C 1521/16 (10)) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger über den zugesprochenen Betrag in Höhe von 1.172,81 € zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2016 hinaus weitere 3.518,42 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.2.2016 zu zahlen, sowie weitere vorgerichtliche, auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbare Anwaltskosten in Höhe von 165,- € zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.7.2016 sowie verauslagte Einwohnermeldemannsauskunftsgebühren i.H.v. 12,- € seit dem 28.7.2016 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung vom 06.01.2017 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Tatsache, dass schriftsätzlich in erster Instanz behauptet worden sei, die Beklagte zu 1) habe mit dem PKW nicht zurückgesetzt, beruhe auf einem Missverständnis zwischen der Prozessbevollmächtigten und der Mandantin.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klage ist auf der Grundlage einer Haftungsquote der Beklagten in Höhe von 50 % begründet; dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.345,62 € zu. Der darüber hinausgehende weitere Schaden sowie die Kosten für die Einwohnermeldeamtsauskunft sind demgegenüber von den Beklagten nicht zu erstatten.

Die Beklagten haften dem Kläger dem Grunde nach als Gesamtschuldner für 50 % des diesem durch den Verkehrsunfall vom 09.12.2015 entstandenen Schadens aus §§ 7, 17,18 StVG i.V.m. § 115 VVG.

1.) Wie das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, hat sich der Unfall, wie von § 7 Abs. 1 StVG vorausgesetzt, beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) ereignet.

Für das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ genügt es, dass sich eine von dem betreffenden Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht und diese den Schadensablauf mitgeprägt hat; eine Berührung der beteiligten Fahrzeuge ist nicht erforderlich. Eine Haftung kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist, wobei allerdings die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle dafür nicht ausreicht. Vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben. Dieses kann etwa der Fall sein, wenn der Geschädigte durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einer Reaktion wie z.B. zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. In einem solchen Fall kann der für eine Haftung erforderliche Zurechnungszusammenhang je nach Lage des Falles zu bejahen sein (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.2010, VI ZR 263/09, Rn. 5; Urt. v. 22.11.2016, VI ZR 533/15, Rn. 14, jeweils m.w.N., zitiert nach juris).

Vorliegend hat sich Zusammenstoß des von der Zeugin H. gelenkten Pkw mit dem seitlich geparkten Transporter in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Pkws der Beklagten zu 1) ereignet, nämlich dem Beginnen des Ausparkens aus der Parkbucht mittels Rückwärtsfahrt. Insoweit steht nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien sowie den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen fest, dass die Beklagte zu 1) leicht zurücksetzte als die Zeugin H. bereits mit dem Vorbeifahren an dem auf ihrer Fahrspur geparkten Ford Transit begonnen hatte. In welchem Umfang dieses Zurücksetzen erfolgte, insbesondere, ob der Pkw der Beklagten zu 1), wie der Kläger behauptet, bereits mit dem Heck in die Fahrbahn hineinragte, oder, wie die Beklagte zu 1) behauptet, sich noch vollständig innerhalb der Parktasche befand, ist insoweit nicht von Bedeutung. Vielmehr genügt es, dass sich das zum Unfall führende Fahrmanöver der Zeugin H., nämlich ein Lenken nach rechts, weg vom Pkw der Beklagten zu 1), als eine Reaktion auf das Rückwärtsfahren der Beklagten zu 1) darstellt.

Unerheblich für das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ ist es, ob die Ausweichreaktion der Zeugin H. subjektiv und/oder objektiv erforderlich war (vgl. OLG München, Urt. v. 7.10.2016, 10 U 767/16, Rn. 7, zitiert nach juris).

2.) Weiter war, wie auch das Amtsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, der Unfall für keinen der Beteiligten unabwendbar.

Als unabwendbar gilt ein Ereignis dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17Abs. 3 Satz 1, 2 StVG liegt nicht nur bei absoluter Unvermeidbarkeit des Unfalls vor, sondern auch dann, wenn dieser bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus, so dass der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben muss. Damit verlangt § 17Abs. 3 S. 1, 2 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (BGH, Urt. v. 13.12.2005, VI ZR 68/04, Rn. 21 m.w.N., zitiert nach juris). Für die Unabwendbarkeit im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG ist derjenige beweisbelastet, der sich auf sie beruft (OLG München, Urt. v. 12.08.2011, 10 U 3150/10, zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe ist dieser Beweis vorliegend weder dem Kläger noch den Beklagten gelungen.

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts war der Unfall für die Zeugin H. nicht unabwendbar. Selbst bei Zugrundelegung ihrer Aussage hätte ein Idealfahrer noch umsichtiger und insbesondere langsamer fahren können. Es war eine Engstelle vorhanden, die Zeugin H. musste jederzeit damit rechnen, dass Autos aus den Parklücken ausparken. Es ist daher zumindest nicht auszuschließen, dass ein Idealfahrer, der umsichtiger und mit Schrittgeschwindigkeit die Engstelle passiert hätte, die Rückwärtsfahrt der Beklagte zu 1) rechtzeitiger bemerkt hätte und den Unfall hätte vermeiden können. Die Zeugin H. ist nach eigenen Angaben immerhin zwischen 20 und 30 km/h gefahren.

Aber auch zugunsten der Beklagten zu 1) können die Voraussetzungen eines unabwendbaren Ereignisses nicht festgestellt werden. Selbst wenn die Beklagte zu 1) nur innerhalb der Parklücke zurückgesetzt haben sollte, hätte sie sich in Hinblick auf möglicherweise die Engstelle passierende Fahrzeuge noch mehr vergewissern können. Ein Idealfahrer hätte in Anbetracht der sehr beengten Straßenverhältnisse damit gerechnet, dass ein anderer Autofahrer, der beim Passieren einer solchen Engstelle die Rückfahrlichter eines ausparkenden Pkw wahrnimmt, möglicherweise ein Ausweichmanöver einleitet; er hätte deshalb mit der Rückwärtsfahrt abgewartet, bis das andere Fahrzeug die Engstelle vollständig durchfahren hätte.

3.) Inwieweit die Parteien einander zum Schadensersatz verpflichtet sind, hängt daher gem. § 17 Abs. 2 und 1 StVG von den Umständen ab. Der Haftungsanteil ergibt sich dabei aus einer Gesamtbetrachtung der aus § 7 Abs. 1 StVG folgenden, grundsätzlich bestehenden Betriebsgefahr sowie aus gefahrerhöhenden Umständen, die sich die Kfz-Halter im konkreten Fall zurechnen lassen müssen. Bestehen keine relevanten Unterschiede zwischen den beteiligten Kfz, ist die Betriebsgefahr zunächst gleich groß anzusetzen; bei einem Unfall unter Beteiligung zweier Pkw haftet demnach im Ausgangspunkt jeder Halter aufgrund seiner Betriebsgefahr zu 50 %.

Maßgeblich ist sodann, ob zu Lasten der Unfallbeteiligten ein Verkehrsverstoß festgestellt werden kann. Vorliegend konnte jedoch keiner der jeweils anderen Partei einen Verkehrsverstoß nachweisen, der die Betriebsgefahr erhöht hätte.

a) Bezüglich des Verhaltens der Beklagten zu 1) ist das Amtsgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass letztlich nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte zu 1) rückwärts in den fließenden Verkehr eingefahren ist und dabei die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Das Amtsgericht ist zu diesem Ergebnis auf der Grundlage einer erschöpfenden, fehlerfrei durchgeführten Beweisaufnahme sowie einer umfassenden Beweiswürdigung gelangt. Die Angriffe in der Berufungsbegründung gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung geben keinen Anlass für eine andere Bewertung oder für weitere Feststellungen durch die Kammer. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht in erster Linie die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Sind diese Feststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen worden und hat sich das Gericht mit dem erstinstanzlichen Tatsachenstoff einschließlich einer etwaigen Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, soll sich das Berufungsgericht grundsätzlich auf die getroffenen Feststellungen verlassen dürfen. Eine abweichende Bewertung durch das Berufungsgericht kommt nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Rein subjektive Bedenken reichen dabei nicht aus. Die Zweifel müssen sich vielmehr auf Tatsachen stützen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, die Richtigkeit oder Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen infrage zu stellen. Nicht ausreichend ist es, dass der Berufungskläger seinen Angriff lediglich auf seine eigene subjektive Bewertung des Beweisergebnisses bzw. auf seine Einschätzung zum Beweiswert einer Zeugenaussage anstelle der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts stützt.

Ausgehend von diesen Maßstäben besteht vorliegend keine ausreichende verfahrensrechtliche Grundlage für neue Feststellungen. Das Amtsgericht ist nach widerspruchsfreier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der klägerseits behauptete Verkehrsverstoß der Beklagten zu 1) nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden kann.

Das Amtsgericht hat die erforderlichen Beweise erhoben und zutreffend gewürdigt. Es hat sich insbesondere mit der Aussage der Zeugin H. ausführlich auseinandergesetzt und dieser die Aussage der Beklagten zu 1) gegenübergestellt. Es hat nachvollziehbar begründet, dass und warum es aufgrund der gegenteiligen Ausführungen weder von der einen, noch von der anderen Sachverhaltsdarstellung mit der für ein Urteil erforderlichen Sicherheit überzeugt ist.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Rückwärtsfahrt kein Anscheinsbeweis zu Lasten der Beklagtenseite greift.

Bei Verkehrsunfällen ohne Berührung/Kollision der Beteiligten kann sich der Geschädigte nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Es fehlt in diesen Fällen an der konstitutiven Voraussetzung eines Anscheinsbeweises, dem typischen Geschehensablauf, d.h. an einem Sachverhalt, bei dem eine ohne weiteres naheliegende Erklärung nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu finden ist und angesichts des typischen Charakters die konkreten Umstände des Einzelfalles für die tatsächliche Beurteilung ohne Belang sind (vgl. OLG München, Urt. v. 16.09.2005, 10 U 2787/05, Rn. 13; Urt. v. 08.10.2010, 10 U 2128/10, Rn. 13, Urt. v. 7.10.2016, 10 U 767/16, Rn. 7, jeweils zitiert nach juris).

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass sich der Unfall der Zeugin H. in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit einer Rückwärtsfahrt der Beklagten zu 1) ereignete. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die – wie bereits ausgeführt – erschöpfend und fehlerfrei durchgeführt wurde, konnte der Kläger nicht beweisen, dass die Beklagte zu 1) bereits von der Parkbucht auf die Straße gefahren war. Dies wurde zwar von der Zeugin H. entsprechend bekundet, nicht jedoch von der Beklagten zu 1), welche angegeben hat, sich mit ihrem Pkw noch vollständig in der Parkbucht befunden zu haben. Die Würdigung des Amtsgerichts, wonach keiner der beiden Aussagen mehr Glauben geschenkt werden kann, als der jeweils anderen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da nicht festgestellt werden konnte, dass sich der Unfall beim Zurücksetzen der Beklagten zu 1) auf die Fahrbahn ereignet hat, verbleibt es bei dem oben dargestellten Grundsatz, dass ein Anscheinsbeweis im Fall eines berührungslosen Unfalls nicht eingreift.

b) Aus der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Nichtaufklärbarkeit des Unfallgeschehens folgt weiter, dass im Rahmen der Haftungsverteilung auch ein Verkehrsverstoß der Zeugin H. nicht als feststehend berücksichtigt werden kann. Zwar wäre ein solcher nach der Schilderung des Unfallgeschehens durch die Beklagte zu 1) anzunehmen, da danach die Zeugin H. ohne objektiven Anlass nach rechts gelenkt hätte und deshalb mit dem parkenden Ford Transit zusammengestoßen wäre. Legt man aber die nach den Feststellungen des Amtsgerichts für sich betrachtet ebenfalls glaubwürdige Aussage der Zeugin H. zugrunde, lag eine fehlerhafte oder verkehrswidrige Fahrweise nicht vor. Die Zeugin H. hat bekundet, dass sich das Heck des Pkw der Beklagten zu 1) bereits auf der Fahrbahn befunden habe und sie nur durch das Ausweichmanöver einen Zusammenstoß haben verhindern können.

Schließlich kann eine Erhöhung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass zu Lasten der anderen Unfallbeteiligten nur ein geringfügiges Fehlverhalten, nämlich das Zurücksetzen innerhalb der Parkbucht, sicher feststeht und ein darüber hinaus gehender Verkehrsverstoß nicht bewiesen wurde. Damit bliebe außer Acht, dass die Erhöhung der Betriebsgefahr aufgrund der insoweit geltenden Beweislastregeln die positive Feststellung eines Verkehrsverstoßes voraussetzt und nicht bereits auf der Grundlage einer Nichtfeststellbarkeit eines Verkehrsverstoßes des Unfallgegners erfolgen kann. Aufgrund der Unaufklärbarkeit des genauen Geschehensablaufs muss es daher bei einer hälftigen Haftung verbleiben.

4.) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen war das Urteil des Amtsgerichts insoweit zu korrigieren, als es die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) lediglich auf 25 % bemisst. Da sich die (allgemeinen) Betriebsgefahren der beiden streitgegenständlichen Pkw, wie ausgeführt, gleichgewichtig gegenüberstehen, ergibt sich eine hälftige Haftungsverteilung.

5.) Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Einwohnermeldeamtsauskunft in Höhe von 12 € steht dem Kläger demgegenüber nicht, auch nicht anteilig, zu. Zwar sind Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich gem. § 249 BGB erstattungsfähig; dies setzt allerdings voraus, dass sie für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung auch erforderlich waren.

Dies kann vorliegend nicht angenommen werden. Dem Kläger war es zuzumuten, vor der Einholung einer kostenpflichtigen Auskunft des Einwohnermeldeamtes zu versuchen, über die Beklagte zu 2) eine Anschrift der Beklagten zu 1) in Erfahrung zu bringen. In Haftpflichtprozessen entspricht es der üblichen und jedenfalls dem Klägervertreter als Rechtsanwalt bekannten Praxis, dass sich die mitverklagte Haftpflichtversicherung mit dem Versicherungsnehmer in Verbindung setzt und sich für sämtliche Beklagte gemeinsam ein Prozessbevollmächtigter meldet.

6.) Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind in Höhe von 193,55 € auf der Grundlage einer 50 %-igen Haftung als weitere Schadensposition zu erstatten. Auszugehen ist dabei von einem Gegenstandswert in Höhe von 2.345,62 €. Daraus ergibt sich eine 0,65 Geschäftsgebühr in Höhe von 130,65 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,- €, 12,- € für Akteneinsicht sowie 19 % Mehrwertsteuer.

7.) Der Zinsanspruch ist gem. §§ 280Abs. 2, 286 Abs. 1,288 Abs. 1,291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92Abs. 1, 97 Abs. 1,100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO.

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