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Verkehrsunfall – Schadensersatz bezüglich Probefahrt- und Desinfektionskosten

AG München – Az.: 331 C 19975/20 – Urteil vom 22.02.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 159,92 € zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche des Klägers auf Schadloshaltung aufgrund der Fahrzeuginstandsetzung zu Rechnungsnummer … Rechnung vom … gegen … … …

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 159,92 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Gegenstand des Rechtsstreits sind restliche Reparaturkosten für die unfallbedingte Instandsetzung des Klägerfahrzeugs nach dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Verkehrsunfall vom 13.06.2020, bei welchem das Fahrzeug des vorsteuerabzugsberechtigtem Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … (im folgenden: Klägerfahrzeug), durch ein zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen… beschädigt wurde. Der Unfallhergang und die Haftung der beklagten Partei zu 100 % für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall stand zwischen den Parteien nicht in Streit. Streitig waren allein restliche Reparaturkosten in Höhe von 159,92 €.

Verkehrsunfall - Schadensersatz bezüglich Probefahrt- und Desinfektionskosten
(Symbolfoto: Dusan Petkovic/Shutterstock.com)

Unstreitig hatte der Kläger zunächst ein Schadensgutachten zur Ermittlung der voraussichtlichen Reparaturkosten eingeholt. Das als Anl. K1 vorgelegte Gutachten des TÜV Thüringen … vom 17.06.2020 weist Nettoreparaturkosten i.H.v. 3.384,42 € aus. Sodann hat der Kläger unstreitig das beim Unfall beschädigte Fahrzeug reparieren lassen durch die … Hierfür wurden dem Kläger netto Reparaturkosten i.H.v. 3.435,98 € in Rechnung gestellt. Die Klagepartei rechnet den Fahrzeugschaden konkret auf der Basis dieser als Anlage K 2 zur Akte gereichten Reparaturrechnung ab. Die Beklagtenpartei hatte vorgerichtlich auf die Schadensersatzposition Reparaturkosten einen Betrag von 3.276,06 € reguliert. Die Differenz i.H.v. 159,92 € ist alleiniger Gegenstand der Klage.

Offensichtlich wurde der Reparaturkostenbetrag gemäß Rechnung bisher nicht vollständig von der Klägerin beglichen. Die Beklagtenpartei hat mit Klageerwiderungsschrift bestritten, dass die in Rechnung gestellten Beträge durch den Kläger vollständig bezahlt wurden. Dem trat die Klagepartei inhaltlich nicht entgegen, sondern bekräftigte vielmehr unter Bezugnahme auf zahlreiche Rechtsprechungszitate ihre Rechtsauffassung, dass es für die Anwendung der subjektbezogenen Schadensbetrachtung bzw. des sog. Werkstattrisikos zu Gunsten des Klägers nicht darauf ankomme, ob die Reparaturrechnung tatsächlich beglichen wurde.

Die Beklagtenpartei macht mit Klageerwiderungsschrift Einwendungen gegenüber der Höhe der von der Klagepartei vorgelegten Reparaturrechnung geltend, insbesondere hinsichtlich der Kostenpositionen „Probefahrt“ i.H.v. 99,95 € sowie „Corona Schutzmaßnahmen“ i.H.v. 59,97 €‚ in Addition 159,92 €.

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang mit der Maßgabe begründet, dass hier eine Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung von Ansprüchen des Klägers auf Schadloshaltung gegen die die Reparatur ausführende Werkstatt auszusprechen war.

I.

Die Klagepartei hat gegen die Beklagte als Haftpflichtversichererin des unfallgegnerischen Fahrzeugs einen weiteren Anspruch auf Schadensersatz für restliche Reparaturkosten in Höhe von 159,92 € aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls §§ 115 Abs. 1 S. 1 VVG, 1 PflVG i.V.m. §§ 7, 18 StVG.

Insbesondere stehen der Klagepartei die vollen aus der Anlage K2 hervorgehenden, ihr von der Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten für die Fahrzeuginstandsetzung in Höhe von netto 3.435,98 € zu, wobei zwischen den Parteien der Umfang der vorgerichtlichen Regulierung (auf die Schadensersatzpositionen Reparaturkosten) und damit die Höhe des noch nicht regulierten Differenzbetrages unstreitig war.

Entscheidungserheblich ist allein, ob die in der Klageerwiderungsschrift vom 07.01.2021 genannten konkreten Abzugspositionen, die Probefahrt sowie die Kosten für Covid-19-Schutzmaßnahmen (Desinfektionsmaßnahmen), erstattungsfähig sind. Das Gericht erachtet die geltend gemachten Abzüge insgesamt als unberechtigt bzw. umgekehrt den sich aus der Anlage K2 ergebenden Rechnungsbetrag als vollumfänglich erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB zu einer Schadensbehebung durch Fahrzeugreparatur.

Die Einwände der Beklagtenpartei gegenüber der klägerseits vorgelegten Reparaturrechnung greifen im Ergebnis nach Auffassung des Gerichts nicht durch. Für die Klagepartei streitet hier sogenannte Werkstatt- bzw. Prognoserisiko.

Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht entscheidungserheblich, ob es sich bei den genannten Positionen um erforderliche Reparaturmaßnahmen handelt. Vor diesem Hintergrund war eine weitere Beweiserhebung zur Erforderlichkeit dieser In der Rechnung enthaltenen Positionen, namentlich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht veranlasst. Der Schädiger trägt das sog. Werkstatt- und Prognoserisiko, falls den Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft. Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 BGB. „Bei der Instandsetzung eines beschädigten Kraftfahrzeugs schuldet der Schädiger als Herstellungsaufwand nach § 249 S. 2 BGB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat; die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten“ (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73; Leitsatz).

Der BGH führte weiter aus (a.a.O.): „Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten bei der Schadenregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat; auch diese Grenzen bestimmen das mit, was „erforderlich“ ist. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 S. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis – sei es aus materiell-rechtlichen Gründen, etwa gar in Anwendung des § 278 BGB, oder aufgrund der Beweislastverteilung – im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadenbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadenbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten, wohl auch nicht vom Schädiger kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das „Werkstattrisiko“ abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 S. 1 BGB überlassen würde. Die dem Geschädigten durch § 249 S. 2 BGB gewährte Ersetzungsbefugnis ist kein Korrelat für eine Überbürdung dieses Risikos auf ihn. Ebensowenig ist eine Belastung mit diesem Risiko deshalb angezeigt, weil der Geschädigte für das Verschulden von Hilfspersonen bei Erfüllung seiner Obliegenheiten zur Schadenminderung nach § 254 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 278 BGB einstehen müsste. In den Fällen des § 249 S. 2 BGB, in denen es lediglich um die Bewertung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes geht, ist die Vorschrift des § 254 BGB ohnehin nur sinngemäß anwendbar […]“.

Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zulasten des Geschädigten gehen, welcher ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde. Dem Geschädigten sind in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen sind, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. (so BGH, a.a.O.) Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden (AG München, Urteil vom 06.07.2015, Az. 335 C 26842/14).

Vorliegend wurde konkret abgerechnet. Die Klagepartei ließ das Fahrzeug nach Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens und auf der Basis dieses Gutachtens in einer Fachwerkstatt reparieren. Sie durfte damit die von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Betrag für erforderlich halten. „Diese tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten können regelmäßig auch dann für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten unangemessen sind.“ (so Landgericht München I, Urteil vom 30.11.2015, Az. 19 O 14528/12).

Diese Risikoverteilung ist im Ergebnis auch gerechtfertigt, da der Geschädigte ohne das Unfallgeschehen auch keinem Werkstattrisiko ausgesetzt wäre. Sofern die Beklagte der Auffassung ist, die Werkstattrechnung sei ungerechtfertigt überhöht, so mag sie im Rahmen der austenorierten Zug-um-Zug-Verurteilung Gebrauch machen von der Möglichkeit, die reparaturausführende Werkstatt wegen einer geltend gemachten Überhöhung in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall kann sie selbst einen Prozess gegen die Werkstatt führen und trägt dann zu Recht das Risiko hinsichtlich des Ausganges des Prozesses. Dieses Prozessrisiko dem Geschädigten aufzubürden wäre ungerechtfertigt, da er ohne Unfallgeschehen einem solchen Prozessrisiko gerade nicht ausgesetzt wäre.

Vorliegend sind zudem nach Auffassung des angerufenen Gerichts die Abweichungen der tatsächlichen Reparaturen im Verhältnis zum Gesamtbetrag nicht so wesentlich, dass hier auch für einen Laien sofort eine nicht nachvollziehbare Überhöhung erkennbar wäre.

Soweit sich die Beklagtenpartei hinsichtlich der Kostenposition „Probefahrt“ darauf beruft, es handele sich insoweit nicht um eine entgeltpflichtigen Tätigkeit der Reparaturwerkstatt, welche primär der Selbstkontrolle der Werkstatt diene und insoweit nicht gesondert in Rechnung gestellt werden dürfe, ist für das Gericht nicht erkennbar, dass dies auch die Geschädigte hier konkret hätte wissen bzw. erkennen können. Das Gericht folgt nicht der Argumentation der Beklagtenpartei, dass sich „dem Kläger hätte erschließen müssen, dass ein Betrag in Höhe von 100,00 € für eine Probefahrt nicht angemessen ist“. Dem Gericht ist vielmehr aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt, dass derartige Kosten im Rahmen von Fahrzeuginstandsetzungen regelmäßig in Rechnung gestellt werden.

Auch aus der inhaltlichen Natur der Abzüge, soweit sie die „Corona-Kosten“ betreffen, ergibt sich hier nichts anderes, insbesondere unter dem beklagtenseits geltend gemachten Gesichtspunkt der Adäquanz. Denn auch vom Standpunkt eines wirtschaftlich vernünftigen Betrachtern aus drängt es sich aus Sicht des Gerichts als nachgerade selbstverständlich auf, dass der Mehraufwand für eine im Interesse des Infektionsschutzes erfolgende Desinfektionsmaßnahme und die hiermit verbundenen Kosten von einer Kfz-Werkstatt, die als gewinnorientiertes Unternehmen betrieben wird, an den Kunden weitergegeben werden. Die zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls bzw. der entsprechenden Fahrzeuginstandsetzung gegebene Pandemie-Situation ist eine Tatsache. Es ist allgemein bekannt, dass Desinfektionsmaßnahmen bei in Betracht kommenden Kontaktflächen zur Vermeidung einer Schmierinfektion von politischer und wissenschaftlicher Seite aus Gründen der Vorsorge empfohlen werden und wurden. Die von der Beklagtenpartei in ihren Schriftsätzen angestellten differenzierten Überlegungen nach der Höhe eines möglichen Infektionsrisikos sind nach Auffassung des angerufenen Gerichts weder dem Kläger als Geschädigtem noch der reparaturausführenden Werkstatt zuzumuten. Es ist allgemein bekannt, dass in nahezu sämtlichen Wirtschaftsbereichen erheblicher Zusatzaufwand im Interesse des Infektionsschutzes zur Eindämmung der Corona-Pandemie sachgerecht betrieben wird: Ärzte und sogar Friseure stellen einen Sonderaufwand bzw. dahinter stehende Kosten für Infektionsschutzmaßnahmen in Rechnung. Warum ausgerechnet im Bereich der Kfz-Instandsetzung eine andere Betrachtung gerechtfertigt sein sollte und diese Kosten im allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet werden sollten, erschließt sich dem angerufenen Gericht nicht. Dem Risiko einer Schmierinfektion durch Berührung potenziell kontaminierter Flächen im Rahmen der Fahrzeuginstandsetzung wäre schlicht und ergreifend weder der Geschädigte noch die Reparatur ausführende Werkstatt ohne die Notwendigkeit der Instandsetzung, also den streitgegenständlichen Verkehrsunfall, ausgesetzt gewesen.

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Die Desinfektionsmaßnahmen erfolgen auch nicht nur zum Schutz der Mitarbeiter der Reparaturwerkstatt, sondern gerade auch zum Schutz des Geschädigten, der sein Fahrzeug zur Reparatur gibt und in der aktuellen Situation berechtigt erwarten kann, dass dieses anschließend desinfiziert wird. Dies gilt unabhängig von etwaigen ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen, wie sie die Beklagtenseite bemängelt. Vielmehr sind COVID-19-Schutzmaßnahmen derzeit als selbstverständliche Leistung der Reparaturwerkstatt im Wege der Auslegung von dem Reparaturauftrag erfasst.

Die Desinfektion ist zur Überzeugung des Gerichts auch erforderlich im engeren Sinne.

Es kommt gerade nicht – wie die Beklagte meint – darauf an, dass eine konkrete Kontamination vorlag und bekannt war. Vielmehr ist die Desinfektion als Schutzmaßnahme standardmäßig durchzuführen und üblich. Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass COVID-19-Viren längere Zeit, je nach Oberfläche mehrere Stunden bis Tage, Oberlebensfähig sind. Es muss gerade in der aktuellen Pandemiesituation alles erdenklich Mögliche und Zumutbare unternommen werden, um die Verbreitung des Virus einzudämmen und Schaden an Gesundheit und Leben zu verhindern. Hierzu gehört auch die standardmäßige Desinfektion von Fahrzeugen, nachdem diese von anderen Personen im Rahmen der Reparaturarbeiten berührt wurden.

Selbst die Versicherungswirtschaft geht allgemein bekannt von der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Fahrzeugdesinfektion aus: beispielhaft Allianz: https://azt-automotive.com/de/themen/Fahrzeugdesinfektion; der ZKF führt hierzu u.a. aus: https://www.zkf.de/aktuelles/news-detailseite/fahrzeugdesinfektion-zum-schutz-von-mitarbeitern-und-kunden.

Das Gericht vermag auch der Argumentation der Beklagtenpartei zur angeblich fehlenden Kausalität nicht zu folgen: Ohne das streitgegenständliche Unfallgeschehen wäre keine Reparaturbedürftigkeit entstanden und demgemäß auch nicht die Notwendigkeit, im Rahmen der Instandsetzungsmaßnahmen Vorsorge zum Infektionsschutz zu treffen.

Dem oben näher begründeten Gedanken des Werkstattrisikos kann hier auch nicht mit dem Argument entgegengetreten werden, die streitgegenständliche Reparaturrechnung der Werkstatt sei noch nicht beglichen und entfalte deshalb keine Indizwirkung. Maßgebend ist hier im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung wiederum die Perspektive der Klagepartei als Geschädigtem. Der Kläger ist im Innenverhältnis zur Reparatur ausführenden Werkstatt einem entsprechenden Werklohnanspruch ausgesetzt. Nach Auffassung des angerufenen Gerichts kommt deshalb der Reparaturrechnung selbst dann, wenn diese vom Geschädigten noch nicht bezahlt worden sein sollte, woran angesichts der Fälligkeitsaussage in der Reparaturrechnung selbst im Übrigen Zweifel veranlasst sein dürften, eine Indizwirkung dergestalt zu, dass die in der Rechnung verlautbarten Aufwendungen tatsächlich den erforderlichen Reparaturaufwand widerspiegeln. Der erforderliche Herstellungsaufwand bestimmt sich nämlich nicht allein nach Art und Ausmaß des Schadens, sondern auch nach den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Behebung des eingetretenen Schadens (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90). Insoweit ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung zu Grunde zu legen: Der Geschädigte, der nach Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Höhe der erforderlichen Reparaturkosten entsprechend dieses Gutachtens Reparaturauftrag erteilt und sich sodann gemäß der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Reparaturwerkstatt deren Werklohnanspruch ausgesetzt sieht, soll am Risiko, dass die Reparaturkosten dass tatsächlich zur Wiederherstellung erforderliche Maß übersteigen, nur in dem Maße beteiligt werden, in welchem er hierauf tatsächlich Einfluss nehmen kann. Daran anknüpfend kommen dem Geschädigten die Vorteile der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht zugute, wenn er auch im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten bei sorgfältiger Prüfung der Reparaturrechnung hätte erkennen können, dass hier überhöhte Positionen bzw. nicht zur Behebung des unfallbedingten Schadens erforderliche Positionen in Rechnung gestellt werden oder wenn ihn In sonstiger Weise ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Reparaturwerkstatt trifft.

Das Gericht vermag insoweit der Argumentation der Beklagtenpartei, im Hinblick auf die in der Klageerwiderungsschrift vorgetragenen Argumente habe der Geschädigte genügend Anlass gehabt, an der Richtigkeit der Rechnung zu zweifeln, aus den oben dargestellten Gründen nicht zu folgen.

Der soeben skizzierten subjektbezogenen Schadensbetrachtung liegt eine Risikobewertung zu Gunsten des Geschädigten zugrunde. Diese greift nach Auffassung des erkennenden Gerichts in gleicher Weise, ob nun der Geschädigte die Rechnung bereits beglichen hat oder noch nicht vollständig beglichen hat. Unzweifelhaft ist der Geschädigte auch im vorliegenden Fall dem Werklohnanspruch der Reparaturwerkstatt ausgesetzt. Auch, wenn also der Geschädigte die Reparaturrechnung noch nicht vollständig beglichen hat, kann er hierauf in Anspruch genommen und ggf. verklagt werden.

Nichts anderes ergibt sich aus der jüngeren Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten bei noch nicht beglichener Honorarrechnung (vgl. BGH, Urteil vom 19.7.2016, Az. VI ZR 491/15 sowie jüngst BGH, Urteil vom 5.6.2018, Az. VI ZR 185/16 = DAR 2018, 674). Die sich aus dieser Rechtsprechung ergebende Wertung, dass einer unbeglichenen Honorarrechnung Im Falle einer Zession keine Indizwirkung zukomme, ist auf die hier im Raum stehende Fallkonstellation nicht übertragbar. Zwar trifft es zu, dass derjenige Aufwand, der zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich ist, nicht pauschal durch den in Rechnung gestellten Betrag abgebildet wird, sondern dem tatsächlich zur Befriedigung des Finanzierungsbedarfs des Geschädigten objektiv erforderlichen Geldbetrag zur Durchführung der Reparatur entspricht (BGH, Urteil vom 5.6.2018, Az. VI ZR 185/16 = DAR 2018, 674, 675). Unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten bildet jedoch im hier zu entscheidenden Fall, wenn der Geschädigte nach Maßgabe eines Sachverständigengutachtens reparieren lässt, der in der Rechnung verlautbarte Betrag denjenigen Aufwand ab, der aus Sicht des Geschädigten zur Durchführung der Reparatur erforderlich ist. Der Geschädigte hat nämlich aufgrund des zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens einen konkreten Anhaltspunkt, in welcher Größenordnung Reparaturkosten voraussichtlich anfallen werden und ist im Vertrauen hierauf eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung des Werklohns eingegangen.

Nachdem hier zugunsten der Klagepartei folglich das sog. Werkstattrisiko streitet, hat diese Anspruch auf Schadensersatz für den vollen in Rechnung gestellten Betrag, mithin Anspruch auf restlichen Schadensersatz in Höhe der Differenz von 159,92 €.

Jedoch war aufgrund des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots von Amts wegen Zug um Zug eine Verurteilung zur Abtretung etwaiger Ersatzansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Fahrzeuginstandsetzung gegen die Werkstatt auszutenorieren.

II.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht aufs 91 ZPO (Teil-Klageabweisung im Übrigen war aufgrund der Zug-um-Zug-Verurteilung auszutenorieren).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen einer Berufungszulassung waren nicht erfüllt.

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung unter Berücksichtigung der als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen.

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