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Verkehrsunfall – Schmerzensgeld bei HWS-Distorsion ersten Grades und multiple Prellungen

AG Gummersbach – Az.: 19 C 56/10 – Urteil vom 05.01.2011

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 192,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.01.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weitergehend als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 600,- EUR zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind – die Beklagte zu 2) im Rahmen ihrer Deckungssumme -, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Ansprüche zu ersetzen, seit dem 25.03.2010, die auf das Unfallereignis vom 09.06.2009 in C. zurückzuführen sind, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

4. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an den Kläger 136,25 EUR an Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 Prozent des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 47,2 Prozent und die Beklagten 52,8 Prozent.

Tatbestand

Der am 00.00.1961 geborene Kläger befuhr am 09.06.2009 gegen dreizehn Uhr fünfzig mit seinem Kleinkraftrad die C-Straße aus C.-I. kommend in Fahrtrichtung C.-Zentrum. Im Bereich der Kreuzung T-Straße kam es gegen 13.50 Uhr zur Kollision mit dem vom Beklagten zu 1) geführten Kraftfahrzeug. Der Beklagte zu 1) befuhr die C-Straße in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Er kam aus C. Innenstadt. Im Bereich der T-Straße bog der Beklagte zu 1) nach links in die T-Straße ab, ohne das Vorfahrtsrecht des klägerischen Fahrzeugs zu achten. Im unmittelbaren Kreuzungsbereich kam es zur Kollision. Der Kläger fuhr mit seinem Kleinkraftrad gegen die vordere rechte Seite des von dem Beklagten zu 1) geführten Fahrzeugs, kam zu Fall und fiel unsanft auf die asphaltierte Fahrzeugdecke. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) ist bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert.

Der Kläger begehrt noch die Zahlung eines Schmerzensgelds über den Betrag von 400,-EUR hinaus, den die Beklagte zu 2) bereits an ihn gezahlt hat, ferner einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 564,- EUR, nachdem die Beklagte zu 2) am 01.04.2010 einen weiteren Betrag in Höhe von 303,30 EUR zum Ausgleich gebracht hat und nachdem die Parteien insofern den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Außerdem begehrt der Kläger Ersatz der ihm vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten.

Verkehrsunfall - Schmerzensgeld bei HWS-Distorsion ersten Grades und multiple Prellungen
(Symbolfoto: Von RossHelen/Shutterstock.com)

Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau und 2 Kindern eine 110 Quadratmeter große Doppelhaushälfte mit einem 200 Quadratmeter großem Garten. Er ist berufstätig. Eine Woche nach dem Unfallereignis ging er – mit Einschränkungen – als Arbeitnehmer Schreibtischtätigkeiten nach und fuhr im Juli 2009 mit Frau und Kindern in Urlaub

Der Kläger behauptet, er sei mit der Schulter auf dem Asphalt aufgeschlagen und habe sich in diesem Bereich Verletzungen zugezogen. Er behauptet weiter, dass 7 Behandlungstermine bei dem Arzt Dr. I medizinisch notwendig gewesen seien, dass er bis 01.07.2009 zu 100 Prozent arbeitsunfähig krank gewesen sei, er wegen eines lang geplanten Urlaubs auf eine weitere Krankschreibung verzichtet habe, obwohl die medizinischen Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten, er sich die meiste Zeit auf der Couch habe aufhalten müssen, allein bis zum 30.09.2009 28 krankengymnastische Behandlungen medizinisch notwendig gewesen seien und all dieses auf dem Unfallereignis beruhe. Er behauptet, nach Dienstschluss stets im Garten tätig zu sein, an den Samstagen meistens den ganzen Tag. Es habe hier ein Ausfall von 40,5 Stunden stattgefunden, dies unter Berücksichtigung der „schweren Einkäufe“, die er erledige. Er habe durch die erheblichen Schulterbeschwerden keine schweren Gegenstände mehr heben können, weder die Wiese mähen, das Unkraut jäten oder – wie stets im Sommer – das Kaminholz für den Herbst hacken können. Der Kläger behauptet, er habe bereits bei der Erstvorstellung im Kreiskrankenhaus H. über Beschwerden an der Schulter geklagt, und die behandelnden Ärzte im Kreiskrankenhaus H. hätten diese Beschwerden in ihrem Arztbericht nicht aufgenommen, da anderen Beschwerden größere Bedeutung beigemessen worden sei.

Er beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 867,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.01.2010 zu zahlen abzüglich am 01.04.2010 gezahlter 303,30 EUR,

2. die Beklagten weitergehend als Gesamtschuldner dazu zu verurteilen, an ihn ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind – die Beklagte zu 2) im Rahmen ihrer Deckungssumme -, ihm alle materiellen und immateriellen Ansprüche zu ersetzen, seit Rechtshängigkeit (25.03.2010), die auf das Unfallereignis vom 09.06.2009 in C. zurückzuführen sind, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

4. die Beklagten weiter als Gesamtschuldner dazu zu verurteilt, an ihn 201,41 EUR an Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, dass der Kläger sich durch den Unfall an der Schulter verletzt habe und behaupten, der Kläger weise degenerative Vorerkrankungen an der Schulter auf.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagten gemäß §§ 7 ff StVG, 823 Abs. 1, 249 ff. BGB i. V. m. § 115 VVG ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 600,- EUR zu. Unstreitig kam der Kläger aufgrund der Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) zu Fall und fiel auf die asphaltierte Straße. Fest steht dabei, dass der Kläger so auf dem Boden und/oder seinem oder dem gegnerischen Fahrzeug aufprallte, dass er eine Halswirbelsäulendistorsion ersten Grades und multiple Prellungen insbesondere des Kniegelenkes und der linken Schulter erlitt, die Schmerzen bereiteten. Dies folgt aus dem „Ärztlichen Bericht über Unfallfolgen“ des Dr. med. L. I. vom 28.09.2009, Bl. 44 ff. der Akte, dort Ziffer 2.2 und Ziffer 3. Die festgestellten Verletzungen rechtfertigen bei einem 48 – jährigen Mann die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,- EUR, da derartige Prellungen bzw. sonstigen Verletzungsmuster keine nur unerhebliche Beeinträchtigung darstellen, schmerzhaft sind und nicht in kurzer Zeit abklingen. Abzüglich bereits von der Beklagten zu gezahlten 400,- EUR war dem Kläger daher noch ein Schmerzensgeld in Höhe von 600,- EUR zuzubilligen. Vor dem Hintergrund, dass § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO bei vorliegenden Primärverletzungen die Frage, ob und inwieweit zum Haftungsumfang – d. h. dem Entstehen unfallbedingter Folgeschäden – eine Beweiserhebung durchzuführen ist, dem Ermessen des Gerichts überlässt, bestand insoweit keine Notwendigkeit zur Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens. Soweit die Beklagten bestreiten, dass er Kläger mit der Schulter auf dem Asphalt aufgeschlagen sei und sich auch in diesem Bereich Verletzungen zugezogen habe, ist das entsprechende Bestreiten im Hinblick auf das vorerwähnte ärztliche Attest nicht hinreichend substantiiert.

2. Dem Kläger steht weiter Schadensersatz in Höhe von 192,- EUR als sogenannter „Haushaltsführungsschaden“ zu.

Dabei hat eine abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit für den Umfang der konkreten haushaltsspezifischen Behinderung keine Aussagekraft (allgemeine Meinung, vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 8. Aufl., Rdnr. 195 m. w. N.). Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens genügt es dabei nicht, pauschal auf Tabellenwerke zu verweisen. Vielmehr ist die konkrete Lebenssituation sowohl vor als auch nach dem Unfall darzustellen, um gemäß § 287 ZPO ermitteln zu können, nach welchen wesentlichen Auswirkungen auf die Hausarbeit sich der Haushaltsschaden berechnen lässt, weil die Heranziehung gängiger Tabellenwerke nur dann möglich ist, wenn der Verletzte zunächst die haushaltsspezifischen Gegebenheiten seines Einzelfalls konkret darlegt (vgl. dazu beispielsweise OLG Celle 14. Zivilsenat, Aktenzeichen 14 U 73/06 m. w. N.).

Da der Kläger neben den im Tatbestand mitgeteilten unstreitigen tatsächlichen Umständen keine weiteren Umstände mitgeteilt hat, insbesondere nicht, welcher Erwerbstätigkeit er wann wo wie lange regelmäßig nachgegangen ist, welche Tätigkeiten er am Schreibtisch erledigen konnte, in welchem Umfang er seine (wie alten?) Kinder vor bzw. nach dem Unfall wie konkret in welchen Bereichen betreute, welchen genauen zeitlichen und inhaltlichen Umfang bei einem 200 Quadratmeter großen Garten („Wiese“) und einer 110 qm großen Doppelhaushälfte seine Tätigkeiten vor dem Unfallereignis tatsächlich aufwiesen (dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er zahlreichen Hobbys nachgeht, gleichwohl nahezu jeden Samstag im Garten mit Arbeiten verbracht haben will), was genau unter „schweren“ Einkäufen zu verstehen sein soll, hat das Gericht die Annahme des Vorliegens eines Haushaltführungsschadens unter Zurückstellung von Bedenken dem Grund nach (noch) bejaht und wie folgt berechnet:

Ausgegangen konnte das Gericht im Hinblick auf vorstehende Ausführungen von einem wöchentlichen Zeitaufwand von 10 Stunden für die Haushaltsführung. Für die erste der dann drei in Ansatz gebrachten Wochen ist das Gericht von einer Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit von 100 Prozent ausgegangen, für die zweite Woche von 80 Prozent und für die dritte Woche von 60 Prozent, dies insbesondere im Hinblick darauf, dass der Betroffene eine Woche nach dem Unfallereignis mit Einschränkungen zur Arbeit ging, die Beschwerden mithin mit zunehmenden Zeitablauf nachließen. Daraus folgt für die erste Woche ein zugrunde zu legender Zeitaufwand von 10 Stunden, für die zweite Woche ein solcher von 8 und für die dritte Woche ein solcher von 6 Stunden, mithin insgesamt 24 Stunden. Multipliziert mit einem zugrund zu legenden Wert von 8,- EUR ergibt sich (24 x 8,- EUR) ein Haushaltsführungsschaden von 192,- EUR.

3. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet, da der Eintritt von Spätfolgen nach einem derartigen Unfallgeschehen jedenfalls nicht fernliegend ist.

4. Weiter war dem Kläger unter Verzugsgesichtspunkten Anwaltsvergütung zuzuerkennen, die sich bei einem Gegenstandwert von 2.095,30 EUR als 1,3-fache Gebühr inklusive Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 272,51 EUR beläuft. Dieser Betrag war entsprechend dem Klägervorbringen zur Hälfte in Ansatz zu bringen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 ff. BGB.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 91. 91a ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11 ZPO.

 

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