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Verkehrsunfall – Schmerzensgeldanspruch Stiefvater bei tödlichem Verkehrsunfall der Stieftochter

LG Düsseldorf – Az.: 14d O 23/10 – Urteil vom 11.04.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 13. Dezember 2006 in Anspruch, bei dem seine 19 jährige Stieftochter, x von dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten und von dem Beklagten zu 1) geführten PKW Opel Astra mit dem amtlichen Kennzeichen …… überrollt worden und ums Leben gekommen ist.

Die Stieftochter stammt aus der ersten, mittlerweile geschiedenen Ehe der Zeugin xx, die der Kläger im Iran heiratete – was zwischen den Parteien umstritten ist – und mit der er eine gemeinsame Tochter hat. Die Ehe ist in Deutschland noch nicht anerkannt.

Am 13. Dezember 2006 war der Kläger gemeinsam mit seiner Familie zu Fuß unterwegs zur an der Kreuzung Bonner Straße / N. Straße gelegenen Straßenbahnhaltestelle, um die aus Fahrtrichtung Benrath kommende Straßenbahn in Richtung Uniklinik zu nehmen. Da sie die Straßenbahn knapp verpassten, beschlossen sie, den vor der Haustüre der Wohnanschrift abfahrenden Bus zu nehmen. Als die Tochter x den sich auf der N. Straße nähernden Bus in der Ferne erblickte, beschloss sie vorzulaufen, um den Bus aufzuhalten. Zu diesem Zweck überquerte sie die drei in Richtung Wersten führenden Fahrspuren der Bonner Straße, deren rechter Fahrstreifen für Rechtsabbieger, deren mittlerer Fahrstreifen für Geradeausfahrer und deren linker Fahrstreifen für Linksabbieger vorgesehen ist. Beim Versuch, die Straße zu überqueren, wurde die Tochter von dem in die Kreuzung auf der mittleren Fahrspur einfahrenden Beklagtenfahrzeug überrollt, wobei der genaue Hergang des Unfalls zwischen den Parteien streitig ist. Nach dem Unfall wurden der Kläger, seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter mit einem Hubschrauber in die Uniklinik geflogen und noch am gleichen Tag in die psychiatrisch-physiotherapeutische Fachklinik der Universitätsklinik Düsseldorf in Grafenberg für weitere 1 ½ Wochen verbracht. Nachdem die Stieftochter im Iran beigesetzt worden war, suchten beide Eheleute am 18.03.2007 einen Arzt für Psychiatrie und Physiotherapie auf. Die Ehefrau des Klägers ist nach wie vor in Behandlung, der Kläger selbst hingegen nicht mehr.

Der Kläger behauptet, als seine Stieftochter losgelaufen sei, sei die Fußgängerampel auf Gelblicht umgesprungen. Die Ampel für den Fahrzeugverkehr auf der Bonner Straße habe allerdings noch Rotlicht gezeigt. Seine Stieftochter sei daher trotzdem weitergelaufen. Als sie die erste Fahrspur, auf der ein LKW gestanden habe, überquert habe, habe der Fahrzeugverkehr rot-gelb bekommen. Die Gelbphase der Fußgängerampel habe sich mit der Gelbphase für den Fahrzeugverkehr überschnitten. Seine Stieftochter habe erkannt, dass sich auf den beiden rechten Fahrspuren PKWs näherten und aus diesem Grunde umdrehen wollen. Bei dem Versuch, umzudrehen und zurückzulaufen sei sie jedoch ausgerutscht, habe das Gleichgewicht verloren und sei umgefallen. Aufgrund dessen sei sie von dem auf der mittleren Fahrspur in den Kreuzungsbereich einfahrenden Fahrzeug des Beklagten zu 1) vor seinen Augen und den Augen seiner Ehefrau überrollt worden.

Der Beklagte zu 1), der in der Nähe des Unfallgeschehens wohne, habe die Ampelphasen genau gekannt und sei mit einem fliegenden Start mit ca. 30 – 40 km/h als erster in die Kreuzung eingefahren, ohne bei Annäherung an die Ampel zu bremsen.

Er habe einen Schock erlitten, sich jedoch zunächst um seine Tochter und seine Ehefrau gekümmert.

Der Zustand seiner Ehefrau habe sich bis heute nicht verbessert. Seine Ehe bestünde nur noch auf dem Papier.

Er selbst lehne eine Behandlung aus Sorge davor ab, das Jugendamt würde ihm die gemeinsame Tochter wegnehmen. Bei ihm selbst sei eine Reaktion auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie eine depressive Episode festgestellt worden. Er sei vom 16.03.07 bis zum 06.06.07 arbeitsunfähig krank gewesen. Am 07.05.2009 sei noch eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden verbunden mit der Aufhebung seines Leistungsvermögens um weitere 6 Monate. Er könne die Unfallbilder nicht vergessen und leide unter dem extrem traurigen Familienleben.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2010 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 25,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2010 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm infolge des Verkehrsunfalls vom 13. Dezember 2006 entstanden ist oder zukünftig noch entsteht;

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.085,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dem Kläger stünde bereits dem Grunde nach kein Schmerzensgeldanspruch zu, da die leider verunglückte Stieftochter keine nahe Angehörige sei.

Zudem habe die Stieftochter die Alleinschuld an dem bedauerlichen Unfallgeschehen getragen. Hierzu behaupten die Beklagten, die Stieftochter sei in den Kreuzungsbereich gelaufen, obwohl die für sie maßgebliche Fußgängerampel Rotlicht gezeigt habe. Als der Beklagte zu 1) mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h die Kreuzung erreicht habe, sei plötzlich und für ihn unerwartet die Stieftochter des Klägers vor dem an der roten Linksabbiegerampel stehenden LKW auf die Bonner Straße gelaufen und unmittelbar vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) aufgetaucht. Der Beklagte zu 1) habe sofort gebremst, aber nicht die geringste Chance gehabt, den Unfall zu vermeiden. Die für ihn maßgebliche Ampel habe bereits bei seiner Annäherung an den Kreuzungsbereich Grünlicht gezeigt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000,00 € aus §§ 7 Abs. 2, 9 StVG, 253 BGB bzw. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB iVm § 115 VVG zu.

Ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers scheidet bereits deshalb aus, weil er als Stiefvater nicht zu dem gemäß diesen Vorschriften geschützten Personenkreis gehört.

Zwar kann grundsätzlich nicht nur der unmittelbar körperlich Verletzte Schmerzensgeld von dem Schädiger fordern. In der Rechtsprechung ist vielmehr anerkannt, dass auch derjenige, der beim Unfall selbst nicht körperlich verletzt worden ist, der aber durch das Miterleben des Unfalls, den Anblick der Unfallfolgen oder die Nachricht hiervon eine seelische Erschütterung erleidet, im Rahmen des sogenannten Schockschadens einen Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger haben kann. Dabei ist die Verletzung desjenigen, der den Schock erlitten hat, kein Drittschaden, sondern grundsätzlich ein eigener Gesundheitsschaden des Betroffenen nach § 823 Abs. 1 BGB. Zum Schadensersatz gehört dabei wie bei anderen Gesundheitsverletzungen auch ein Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB (J. von Staudingers-Schiemann, Buch 2, Neubearbeitung 2005, § 249 Rz. 43, 44). Um die Haftung des Schädigers nicht ins Uferlose treten zu lassen, macht die Rechtsprechung jedoch hinsichtlich der Ersatzfähigkeit sog. Schockschäden drei Einschränkungen: Erstens muss die Gesundheitsbeschädigung über das hinausgehen, was Nahestehende als mittelbar Betroffene in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden, wobei die Grenze von der neueren Rechtsprechung behutsam abgesenkt wird. Zweitens steht nur nahen Angehörigen ein Schadensersatzanspruch zu und drittens muss der Schock im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011; Vorb v § 249 Rz. 40; J. von Staudingers-Schiemann, aaO, § 249 Rz. 45).

Vorliegend fällt der Kläger nicht unter den geschützten Personenkreis der Anspruchsberechtigten. Zwar werden über den Personenkreis der nahen Angehörigen nicht nur Verwandte eines bestimmtem Grades gezählt, sondern ohne Weiteres auch Verlobte und Lebensgefährten (vgl. OLG Köln – Beschluss vom 16.09.2010, Az.: 5 W 30/10). Hingegen wurde für die Freundin eines getöteten Mädchens ein Ersatzanspruch verneint (LG Stuttgart, VersR 1973, 648).

Die bei dem streitgegenständlichen Unfall am 13. Dezember 2006 leider tödlich verunglückte Stieftochter des Klägers zählt indes nicht zu dem Personenkreis der nahen Angehörigen.

Zunächst handelt es sich nicht um seine leibliche Tochter und der Kläger hat die verunglückte Stieftochter auch nicht adoptiert. Auch wurde bislang nach dem Vortrag des Klägers die im Iran geschlossene Ehe nicht in Deutschland anerkannt.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann es auch nicht zutreffend sein, den ersatzberechtigten Personenkreis nicht genetisch, sondern allein örtlich und emotional zu bestimmen. Sicherlich kommt es auf eine enge emotionale Bindung zwischen dem Opfer und dem Hinterbliebenen an, um überhaupt einen verständlichen Schock rechtfertigen zu können. Indes kann eine örtliche Verbundenheit nicht als ausschlaggebendes Kriterium gewertet werden. Denn es wird wohl keiner abstreiten, dass Geschwister, die als Erwachsene in unterschiedlichen Ländern leben, in den meisten Fällen eine enge emotionale Verbindung haben. Zudem müssten nach der Auffassung des Klägers Schmerzensgeldansprüche aufgrund von Schockschäden auch auf gute Freunde ausgedehnt werden. Dies wird jedoch in der Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, abgelehnt und würde auch den Kreis der zum Schadensersatz berechtigten Personen unüberschaubar ausdehnen.

Schließlich hat der Kläger auch auf den Hinweis des Gerichts, dass er nicht zum ersatzberechtigten Personenkreis der „nahen Angehörigen“ gehört, keine Tatsachen mehr vorgetragen, aus denen sich in seinem Fall ausnahmsweise eine enge emotionale Verbundenheit zu seiner Stieftochter ergibt, die einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigt. Allein die Tatsache, dass es sich um die Tochter seiner im Irak geheirateten Lebensgefährtin handelt, reicht nicht aus. Denn es ist nicht bekannt, wie lange der Kläger bereits seine Ehefrau kennt bzw. seine verstorbene Stieftochter gekannt hat und ob bzw. seit wann sie wie eine Familie miteinander gelebt haben.

Nach alledem war der Klageantrag zu 1) abzuweisen.

II.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz der Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € zu. Wie bereits ausgeführt, haften die Beklagten nicht für einen dem Kläger aufgrund des tragischen Verkehrsunfalls vom 13. Dezember 2006 entstandenen immateriellen Schaden. Der Kläger kann mithin auch nicht mit Erfolg eine Unkostenpauschal zur Geltendmachung seines Schadens von den Beklagten verlangen.

III.

Soweit der Kläger mit seinem Feststellungsantrag (Klageantrag zu 3.) den Ersatz bereits entstandener materieller Schäden geltend macht, ist die Feststellungsklage unzulässig, da sie gegenüber einer Leistungsklage subsidiär ist. Der Kläger hätte bereits entstandene materielle Schäden beziffern und mit einer Leistungsklage als effektiverem Rechtsschutzmittel geltend machen können. Dass ihm eine Bezifferung des bereits entstandenen Schadens zur Zeit nicht möglich, legt der Kläger nicht dar.

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Da der Kläger, wie in Ziffer I. ausgeführt, nicht zum Kreis der Ersatzberechtigten gehört, sind die Beklagten auch nicht verpflichtet, ihm weitere materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen, die ihm zukünftig aufgrund des Verkehrsunfalls noch entstehen. Der Feststellungsantrag ist aus diesem Grund auch insgesamt unbegründet.

IV.

Auch ist der Kläger nicht berechtigt, von den Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB zu verlangen. Die Beklagten befanden sich zu keinem Zeitpunkt mit dem Ausgleich der unter Ziffern I-III geforderten Ansprüche in Verzug, da der Kläger, wie bereits ausgeführt, keinerlei Ansprüche gegen die Beklagten hat.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert 23.025,00 €

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