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Verkehrsunfall – Schmerzensgeldhöhe bei Arm- und Handbrüchen

OLG Dresden – Az.: 6 U 1780/16 – Urteil vom 28.04.2017

1. Das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11.11.2016, 5 O 1502/13, wird teilweise abgeändert und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, über die bereits zugesprochenen 11.252,74 € nebst Zinsen hinaus an den Kläger

a) weiteres Schmerzensgeld von 3.000,00 € und

b) weitere 313,18 € zu bezahlen,

jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.07.2015.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Dieses Urteil sowie das unter Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Chemnitz sind vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Armbruch nach Verkehrsunfall
Schmerzenzgeld nach Unfall mit einer innerorts liegengebliebenen Arbeitsmaschine und dabei erlittenen Armbrüchen und Handbrüchen.  (Symbolfoto: Von RONNACHAIPARK/Shutterstock.com)

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zum Teil Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten, an den Kläger insgesamt weitere 3.313,18 € nebst Zinsen zu bezahlen.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Anspruch auf Erstattung weiteren materiellen Schadens in Höhe von 313,18 €.

Der Anspruch gegen den Beklagten zu 1) als Halter und Fahrer des am Unfall beteiligten Pkw folgt aus § 7 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 StVG, die der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG.

Die Voraussetzungen dieser Haftungsnormen stehen zwischen den Parteien außer Streit.

2.

Die Haftung der Beklagten ist nicht durch ein Mitverschulden des Klägers gemindert.

a)

Entgegen der Meinung der Beklagtenseite muss der Kläger nicht beweisen, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. Nach den von keiner Seite angegriffenen Feststellungen des Landgerichts war der Kläger weder Halter noch Führer der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine des Zeugen A. Z., sondern leistete diesem lediglich Pannenhilfe. Demnach kommt auch § 17 Abs. 3 StVG nicht zur Anwendung.

b)

Nach den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich kein die Haftung der Beklagten minderndes Mitverschulden des Klägers im Sinne der §§ 9 StVG, 254 BGB.

Demnach fuhr der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h und einem sehr geringen Seitenabstand von weniger als einem Meter an der innerorts liegengebliebenen Arbeitsmaschine vorbei und erfasste den Kläger, der dort Starthilfe leistete. Diese Feststellungen werden von den Parteien nicht angegriffen und lassen auch sonst keine Fehler erkennen.

Dieses Verhalten des Beklagten zu 1) ist verkehrswidrig und grob rücksichtslos. Er fuhrt mit den Umständen in keiner Weise angepasster Geschwindigkeit viel zu dicht an dem am Fahrbahnrand stehenden Fahrzeug vorbei, obwohl für ihn erkennbar war, dass sich Personen an dem Fahrzeug und auf der Fahrbahn aufhielten. Wie der Sachverständige B. in seinem Gutachten vom 13.11.2014 (vgl. Kopie der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Chemnitz, Bl. 153 f.) bestätigte, hätte der Beklagte zu 1) den Unfall auch ohne Weiteres vermeiden können, wenn er auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst und einen größeren Seitenabstand eingehalten hätte. Das wäre möglich gewesen, obwohl leicht versetzt am gegenüberliegenden Straßenrand der Pkw des Klägers abgestellt war, und war vom Beklagten zu 1) auch zu fordern.

Mit seiner Fahrweise verstieß der Beklagte zu 1) grundlegend gegen seine aus § 3 Abs. 1 StVO folgende Pflicht, die Geschwindigkeit den Verkehrsverhältnissen anzupassen, außerdem gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme, § 1 StVO.

Angesichts dieses erheblichen schuldhaften Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 1) tritt ein etwaiges Mitverschulden des Klägers zurück. Dabei geht der Senat zugunsten der Beklagten davon aus, dass der Kläger sich unmittelbar vor der Kollision einen Schritt nach hinten, in Richtung der Fahrbahnmitte bewegte. Dies kann ein allenfalls leichtes Mitverschulden begründen, das gegenüber dem schweren Verschulden des Beklagten zu 1) zurückzutreten hat. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 1) mit einem solchen Verhalten rechnen konnte und musste.

Kein Mitverschuldensvorwurf lässt sich daraus herleiten, dass der Kläger seinen Pkw am gegenüberliegenden Fahrbahnrand, versetzt zum Standort der landwirtschaftlichen Zugmaschine, abgestellt hatte. Dieser Umstand verstärkte sogar die Pflicht des Beklagten zu 1), seine Geschwindigkeit vor der Kollisionsstelle auf Schrittgeschwindigkeit zu reduzieren, was er nicht annähernd tat.

c)

Dem Kläger sind als Folge des Unfalls Fahrtkosten in Höhe von 65,00 € und ein Verdienstausfall von 1.500,92 € entstanden. Die zugrunde liegenden Feststellungen des Landgerichts (vgl. Urteil S. 11 und 12) sind zutreffend und werden auch vom Kläger mit der Berufung nicht angegriffen.

Hiervon sprach das Landgericht dem Kläger ausgehend von einer Haftungsquote von 20 % zu 80 % folgerichtig einen Betrag von 1.252,74 € zu. Damit steht bei einer 100%igen Haftung der Beklagtenseite noch ein Betrag von 313,18 € offen, der dem Kläger mit dem Berufungsurteil ergänzend zuzusprechen war.

2.

Darüber hinaus hat der Kläger Anspruch auf Zahlung weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000,00 €, § 253 Abs. 2 BGB.

Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt ab vom Maß der durch den Unfall verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere der Beeinträchtigungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (vgl. OLG München, Urt. v. 21.03.2014, 10 U 1750/13, Rz. 17 m.z.w.N. – zitiert nach juris). Schmerzensgelderhöhend wirkt ein zögerliches oder kleinliches Regulierungsverhalten der Schädigerseite, insbesondere wenn die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist und trotzdem keine Abschlagszahlung erfolgt (vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 32 ff. m.w.N.).

Daran gemessen erscheint hier ein Schmerzensgeld von 13.000,00 € angemessen.

Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Fraktur des linken Unterarmknochens, eine Fraktur des linken Handgelenks, eine Fraktur des rechten Sprunggelenks sowie ein Schädel-Hirn-Trauma. Außerdem verlor er das Bewusstsein. Der Kläger musste mehrfach operiert werden, so am Sprunggelenk und mindestens zweimal am Unterarmknochen/Handgelenk. Er befand sich vom 09.05. bis 24.06.2013 sowie vom 03.02. bis 07.03.2014 stationär im Krankenhaus, außerdem unterzog er sich vom 24.06. bis 05.08.2013 stationär eine Rehabilitationsmaßnahme, der sich eine zweimonatige ambulante Rehabilitation anschloss. Arbeitsunfähig war der Kläger vom 09.05. bis Dezember 2013 und weitere fünf Wochen im Jahre 2014. Wie der Kläger in seiner Anhörung in der Berufungsverhandlung angab, ist er inzwischen schmerzfrei und wieder in seinem angestammten Beruf als Kraftfahrer in vollem Umfang tätig (vgl. Protokoll vom 11.04.2017, Bl. 174 d.A.).

Die Beklagte zu 2) leistete weder vorprozessual noch während des erstinstanzlichen Rechtsstreits Abschlagszahlungen auf das Schmerzensgeld. Eine erste Teilzahlung erreichte den Kläger erst am 01.03.2017.

Die vom Kläger erlittenen gravierenden Verletzungen, die zu Krankenhausaufenthalten von insgesamt fast drei Monaten , einer ca. sechswöchigen stationären und einer weiteren zweimonatigen ambulanten Rehabilitationsbehandlung führten, waren bei der Bemessung ebenso zu berücksichtigen wie die mehrfachen Operationen und die insgesamt über ein halbes Jahr währende Arbeitsunfähigkeit.

Daneben erhöht sich der dem Kläger zustehende Schmerzensgeldbetrag durch das grundlos zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2). Obwohl eine Haftung dem Grunde nach auf der Hand lag und allenfalls ein Mitverschulden des Klägers in Betracht kam und obwohl die schweren Verletzungen des Klägers als Folge des Unfalls unstreitig waren, leistete die Beklagte zu 2) erst nach ihrer erstinstanzlichen Verurteilung und damit annähernd vier Jahre nach dem Unfall eine erste Abschlagszahlung von 5.000,00 €.

3.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 und § 288 Abs. 1 BGB.

4.

Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.

a)

Unzulässig ist der Feststellungsantrag, soweit er sich auf künftige immaterielle Schäden bezieht.

Es gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, der gebietet, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2004, VI ZR 70/03, Rz. 7 – zit. nach juris).

Weiteres Schmerzensgeld könnte der Kläger demnach nur verlangen, wenn die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit nicht absehbarer künftiger Schmerzen und Beeinträchtigungen bestünde, etwa infolge von Komplikationen. Dass solche zu befürchten sind, trägt der Kläger nicht einmal vor.

b)

Bezogen auf materielle Schäden ist der Feststellungsantrag unbegründet.

Zwar besteht hier angesichts der relativ schweren Verletzungen des Klägers die Möglichkeit eines weiteres Schadens, was für die Bejahung des Feststellungsinteresses ausreicht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 9). Zu der für die Begründetheit des Feststellungsantrages erforderlichen Wahrscheinlichkeit weiterer materieller Schäden trägt der Kläger aber nicht konkret vor. Hier reicht es nicht aus, dass nach seinem Vorbringen mit Arthrose zu rechnen ist.

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III.

Die Kostenentscheidung für die Kosten erster Instanz folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO, die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Grundlage für den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind die §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, gibt es nicht.

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