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Verkehrsunfall – unfallbedingte Lockerung einer Knieprothese

LG Bayreuth – Az.: 12 S 78/16 – Beschluss vom 06.09.2016

Der Klägerin wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagt.

Gründe

Der Klägerin kann für die beabsichtigte Berufung gegen das Endurteil des Amtsgerichts Bayreuth vom 20.07.2016 (Aktenzeichen 103 C 1647/14) die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da das Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 ZPO.

Auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Die Beweiserhebung und Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich hat derjenige, der einen Anspruch geltend macht, alle Sachverhaltsvoraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm zu beweisen. Er muss deshalb das schädigende Ereignis sowie den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ereignis und Erstverletzung (haftungsausfüllende Kausalität) beweisen. Die Beweiswürdigung durch das Gericht bestimmt sich dabei nach § 286 ZPO (Strengbeweis). Die Feststellung der Schadenshöhe sowie der Ursächlichkeit des schädigenden Ereignisses für alle weiteren Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) richtet sich in Bezug auf das Beweismaß nach § 287 ZPO. Hier kann zur Überzeugung des Richters eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (vgl. BGH in NJW 2008, 1381 sowie in NJW-RR 2014, 1147 und in VersR 2013, 1174). Wenn der erste Verletzungserfolg als Folge des Unfalls im Rahmen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO nachgewiesen ist, kommt für die Weiterentwicklung des Schadens dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zugute, wobei, je nach Lage des Falles, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls für die weiteren Verletzungsfolgen genügt. Insoweit gibt § 287 ZPO dem Gericht gegenüber § 286 ZPO verfahrensmäßig eine freiere Stellung (vgl. BGH in NJW 2000, 509 sowie in NJW 1992, 3298). Die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ist hierbei nicht auf Folgeschäden einer einzelnen Verletzung beschränkt, sondern umfasst auch die neben der feststehenden Körperverletzung im Sinne der Haftungsnorm entstehenden weiteren Schäden aus derselben Schädigungsursache (vgl. BGH in NJW-RR 2009, 409 und OLG Köln in NZV 2014, 517).

Die vorbezeichneten und für die streitgegenständlichen Folgeschäden (Lockerung der Knieprothese und hierdurch bedingte anhaltende Beschwerden und Schmerzen) einschlägigen Grundsätze hat das Erstgericht – wie den Gründen der angegriffenen Entscheidung zu entnehmen ist – zutreffend angewendet und ist hierbei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass bei Würdigung aller Gesamtumstände unter Einbeziehung der gutachterlichen Feststellungen des vom Erstgericht beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. Z. keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für einen Kausalzusammenhang zwischen Beschwerden und Unfallereignis nach § 287 ZPO gegeben ist. Dieses Ergebnis wird inhaltlich durch die Feststellungen des Sachverständigen gestützt und ist auch verfahrensmäßig nicht zu beanstanden.

Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständige Prof. Dr. Z. in seinem schriftlichen Gutachten vom 04.12.2015 (Bl. 194 – 221 d. A.) mit Ergänzungsgutachten vom 02.03.2016 (Bl. 243 – 249 d. A.) und deren mündlicher Erläuterung in der Verhandlung am 29.06.2016 vor dem Amtsgericht Bayreuth (Bl. 284 – 287 d. A.) steht nach Auswertung der vorliegenden Röntgenaufnahmen (insbesondere der etwa einen halben Tag nach dem Unfallgeschehen vom 03.12.2013 durchgeführten Aufnahme) fest, dass eine frische/unfallbedingte Lockerung der Prothese auszuschließen ist, da insoweit vielmehr ein chronischer Prozess vorliegt (Sklerosierung unterhalb des Knochenzements zum Knochen), der nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums auftreten kann und vorliegend damit auch nicht durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall bedingt sein kann. Damit können die klägerseits subjektiv angegebenen Beschwerden aus gutachterlicher Sicht anhand der objektiven Befundlage nicht dem streitgegenständlichen Unfallereignis zugeordnet werden. Das Erstgericht hat seine Entscheidung auf diese Feststellungen gestützt und hierbei berücksichtigt, dass der Sachverständige dem Gericht bereits aus vorangegangener gutachterlicher Tätigkeit als besonders kompetent bekannt ist und in dem betroffenen Fachgebiet bereits eine langjährige landesweite Sachverständigentätigkeit aufzuweisen hat. Weiterhin hat das Erstgericht dargelegt, weshalb eine Vernehmung des klägerseits benannten Zeugen Dr. E. nicht durchzuführen war. Diesen zutreffenden Ausführungen ist lediglich ergänzend anzufügen, dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung bei einer derartigen Fallkonstellation eine Zeugenvernehmung von Personen, die in die Behandlung eingebunden waren oder sind, wegen deren Vorbefasstheit und Vertrauensbeziehung zu dem Patienten regelmäßig gerade nicht angezeigt erscheint. Vielmehr sind Ergebnisse der Befundung von Behandlern als eines unter mehreren Indizien für den Zustand des Geschädigten zu werten, wobei die entsprechenden schriftlichen Unterlagen, Untersuchungsergebnisse und Atteste dem vom Gericht beauftragen Sachverständigen zur Würdigung und Einbeziehung in seine Begutachtung vorzulegen sind (vgl. Urteil des BGH vom 30.06.2008, Aktenzeichen 6 ZR 235/07, Rn 11 bis 16 sowie Urteil des OLG München vom 21.10.2011, Aktenzeichen 10 U 1995/11, Rn 10), was vorliegend auch geschehen ist.

Verkehrsunfall - unfallbedingte Lockerung einer Knieprothese
(Symbolfoto: joel bubble ben/Shutterstock.com)

Auch die Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Aufprallgeschwindigkeit war nach den vorstehend dargelegten Gesamtumständen vorliegend nicht angezeigt. Die in den schriftlichen Gutachten von dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. Z. herausgearbeitete objektive Befundlage (chronischer Prozess der Sklerosierung über einen längeren Zeitraum als Ursache der festgestellten Lockerung der Prothese) besteht völlig unabhängig von der bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall aufgetretenen Geschwindigkeitsveränderung und der hieraus resultierenden Krafteinwirkung auf die Klägerin. Auch wenn der Sachverständige Prof. Dr. Z. bei der mündlichen Erläuterung am 29.06.2016 die klägerseits geäußerten Schmerzen (als subjektive Angaben, die nicht objektivierbar sind) nicht weiter aufklären konnte, war es ihm möglich, anhand der objektiven Befundlage auch unter Einbeziehung der Angaben der Klägerin und des von ihr vorgelegten ärztlichen Attestes den streitgegenständlichen Verkehrsunfall als Ursache beziehungsweise Teilursache für die vorgetragenen Beschwerden auszuschließen. Insoweit waren allgemeine Plausibilitätserwägungen – wie in dem Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin für die beabsichtigte Berufungsbegründung dargelegt – auch im Rahmen der nach § 287 ZPO erleichterten Anforderungen für eine Beweisführung nicht geeignet, einen ausreichenden Nachweis zu führen, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt die Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens gerade nicht angezeigt war.

Hinsichtlich des daneben noch im Raum stehenden Schadensersatzanspruchs in Höhe von 5,00 € (Ersatz der Schadstoffplakette an dem verunfallten Fahrzeug) kann dahinstehen, ob in der Sache eine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung besteht, da dieser Teil der Klageforderung unterhalb der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Mindestbeschwer liegt. In diesem Fall darf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung nicht gewährt werden, weil ein zulässiger und erfolgversprechender Berufungsantrag (mit einem Wert des Beschwerdegegenstandes von über 600,00 €) nicht möglich ist (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 31. Auflage, § 114 Rn 28 m. w. N.).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.

 

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