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Verkehrsunfall –  unfallbedingter Mehraufwand als Schadensposition

LG Wuppertal – Az.: 9 S 41/21 – Urteil vom 08.07.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 23.02.2021, Az.: 31 C 102/20, teilweise abgeändert und – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.156,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2020 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten M. & N., H.-Weg …, …. D., in Höhe von 185,00 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 38 % und die Beklagte 62 %.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 36 % und die Beklagte 64 %.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten worden ist, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Verkehrsunfall -  unfallbedingter Mehraufwand als Schadensposition
(Symbolfoto: Jamesboy Nuchaikong/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten über die Erstattung weiterer Mietwagenkosten aus Anlass eines Verkehrsunfalls, der sich am 15.11.2019 um 15:45 Uhr in W. ereignet hatte und für den die Beklagte zu 100% einstandspflichtig ist.

Die Klägerin betreibt eine gewerbliche Autovermietung. Der Geschädigte ist Eigentümer und Halter des durch den Unfalls beschädigten Mercedes SL 320 (Datum der Erstzulassung: 13.06.1995), der vor dem Unfall auch von Frau L. S. als Zweitfahrerin genutzt wurde. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Kraftfahrzeugs.

In der Zeit vom 15.11.2019 bis zum 12.12.2019 war das Fahrzeug des Geschädigten unfallbedingt nicht nutzbar. Für die Dauer des Ausfalls des verunfallten Fahrzeugs, das der Mietwagenklasse 10 zuzuordnen ist, mietete der Geschädigte bei der Klägerin ein Mietfahrzeug der Mietwagenklasse 9 an. Im Mietvertrag wurden folgende Zusatzpositionen vereinbart: Zusatzfahrer, Winterreifen, Navigationsgerät und Haftungsreduzierung mit einem Selbstbehalt i. H. v. 50,00 Euro. Frau L. S. wird im Mietvertrag unter Mieter 2 aufgeführt. Ferner enthält der Mietvertrag folgende kleingedruckte Klausel: „Durch meine Unterschrift bestätige ich als Mieter, dass ich in die derzeitige Preisliste bei Abschluss des Mietvertrags Einsicht nehmen konnte. Die Preisliste ist ausdrücklich Bestandteil des Mietvertrags. Des Weiteren bestätige ich durch meine Unterschrift, dass ich die umseitigen, diesem Mietvertrag zugrunde liegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch den Mietvertrag selbst sowie die Anlagen/das Übernahmeprotokoll gelesen habe und diese akzeptiere. Entsprechende Durchschläge wurden mir ausgehändigt“. Bezüglich des weiteren Inhalts des Mietvertrags wird auf die Anlage 2 zur Klageschrift (Bl. 34 GA) Bezug genommen.

Ein Mitarbeiter der Klägerin stellte das Mietfahrzeug dem Geschädigten am 15.11.2019 um 19:30 Uhr bei der P. GmbH in W. zu und holte es am 12.12.2019 um 17:00 Uhr dort wieder ab.

Die Klägerin berechnete für die Anmietung des Mietfahrzeugs einen Betrag in Höhe von 8.281,47 Euro (vgl. Rechn. v. 18.12.2019, Anl. 1 zur Klageschrift, Bl. 33 GA). Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2019 auf, Mietwagenkosten in Höhe von 6.897,00 Euro innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Rechnung zu erstatten. Die Beklagte zahlte hierauf einen Betrag in Höhe von 2.558,55 Euro. Die Klägerin machte den Restbetrag in Höhe von 4.338,45 Euro gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2020 unter Fristsetzung bis zum 18.05.2020 geltend.

Am 02.08.2020 unterzeichnete der Geschädigte eine Abtretungserklärung des Anspruchs auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin (Anl. 3 zur Klageschrift, Bl. 35 GA).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.09.2020 (Anlage B2, Bl. 63 f. GA) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung auf, restliche Mietwagenkosten in Höhe von 1.866,36 Euro an sie zu zahlen.

Die Klägerin verlangt nun die Erstattung eines – nach dem Mittelwert des Fraunhofer-Mietpreisspiegels 2019 und der Schwacke-Liste 2019 berechneten – Grundtarifs zzgl. Nebenkosten für einen Zeitraum von 28 Tagen abzüglich der bereits gezahlten 2.558,55 Euro. Im Einzelnen berechnet sie die Klageforderung wie folgt (vgl. S. 18 und 23 der Klageschrift, Bl. 19, 24 GA):

Grundtarif

84,00 Euro – Pro Tag (brutto)

2.296,14 Euro – Insgesamt (brutto)

Haftungsreduzierung auf unter 500,00 Euro

24,18 Euro

677,04 Euro

Winterreifen

10,94 Euro

306,32 Euro

Navigationsgerät

9,12 Euro

255,36 Euro

Zusatzfahrer

11,37 Euro

318,36 Euro

Zustellkosten

——-

28,35 Euro

Kosten der Abholung

28,35 Euro

Vermietung außerhalb der Öffnungszeiten

55,76 Euro

Nebenkosten gem. Schwacke insgesamt

1.669,54 Euro

Unfallbedingte Mehraufwendungen i. H. v. 20 % auf den Grundtarif      

459,23 Euro

Zahlungen

-2.558,55 Euro

Klageforderung

1.866,36 Euro

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der geltend gemachte Betrag zur Erstattung der unfallbedingt entstandenen Mietwagenkosten erforderlich sei. Insbesondere sei ein unfallbedingter Aufschlag i. H. v. 20 % zugrunde zu legen. Folgende allgemeine, unfallspezifische Kostenfaktoren rechtfertigten einen höheren Mietpreis: Unzumutbarkeit der Vorfinanzierung, Ungewissheit der Mietdauer, keine Vereinbarung von Nutzungsbeschränkungen wie eine begrenzte Kilometerzahl, Pflicht zur Bereithaltung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren Fahrzeugs.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass lediglich erforderliche Mietwagenkosten für 26 Tage zu erstatten seien und haben insoweit auf einen Prüfbericht Bezug genommen (Anl. B1, Bl. 61 GA).

Mit angefochtenem Urteil vom 23.02.2021 (Bl. 97 ff. GA) hat das Amtsgericht nach Erteilung eines Hinweises mit Verfügung vom 27.10.2020 (Bl. 48 GA) – unter Klageabweisung im Übrigen – der Klage i. H. v. 1.819,77 Euro nebst Nebenforderungen stattgegeben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass nur weitere Mietwagenkosten i. H. v. 1.819,77 Euro erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gewesen seien. Es sei Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei. Hier sei eine Eilsituation, aufgrund dessen dem Geschädigten eine Erkundigung nicht möglich gewesen wäre, nicht vorgetragen worden. Angesichts dessen seien die erforderlichen Mietwagenkosten gem. 287 ZPO zu schätzen. Die hier maßgebliche Schadensschätzung nach „Fracke“ ergebe unter Zugrundelegung einer Mietdauer von 28 Tagen einen Betrag von 2.942,94 Euro (brutto). Die Kosten für Winterreifen seien erstattungsfähig, da im November und Dezember winterliche Witterungsverhältnisse zu erwarten seien. Da die Ausstattung mit Winterreifen im Fraunhofer-Mietpreisspiegel 2019, anders als bei der Schwacke-Liste, bereits im Grundtarif inbegriffen sei, sei bei der Schadensschätzung der Normaltarif aus der Schwacke-Liste um den Preis der Winterreifen zu erhöhen. Im Übrigen habe die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Haftungsreduzierung auf unter 500,00 Euro i. H. v. 677,04 Euro, die Zustell- und Abholgebühren i. H. v. jeweils 28,35 Euro und einen Zusatzfahrer i. H. v. 318,36 Euro. Diese Nebenkosten seien auf der Grundlage der Schwacke-Nebenkostentabelle 2019 zu berechnen, da der Fraunhofer-Mietpreisspiegel 2019 entsprechende Werte nicht ausweise.

Ferner könne die Klägerin einen Zuschlag i. H. v. 20 % auf den geschätzten Normaltarif zur Abgeltung des unfallbedingten Mehraufwandes verlangen. Der zu berücksichtigende unfallbedingte Mehraufwand folge hier aus der fehlenden Möglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Vorfinanzierung, bzw. der fehlenden Stellung einer Kaution durch den Geschädigten und der damit einhergehenden Vorfinanzierung des Mietwagens durch die Klägerin. Es handele sich um einen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten gem. § 254 BGB betreffenden Umstand. Die Beklagtenseite habe nicht bestritten, dass ein sog. Unfallersatztarif angefallen und erforderlich sei, so dass dieser Vortrag als zugestanden gelte (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der zunächst gerügt wird, dass das Amtsgericht seiner Berechnung fehlerhaft 28 Tage, und nicht 27 Tage, zugrunde gelegt hat.

Die Berufung rügt auch die Berechnungsmethode des Amtsgerichts. Das Amtsgericht habe bei der die 3 Wochen übersteigenden Zeit auch die Tagespauschale angesetzt, statt richtigerweise die Drei-Tagespauschale mit dem Faktor 2 zu berechnen.

Das Amtsgericht übersehe zudem, dass in den Preisen nach Fraunhofer die Aufschläge für Nebenkosten in den Bruttokosten schon enthalten seien. Auf S. 24 des Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2019 werde aufgeführt, dass die Bruttopreise mit enthaltenen Zuschlägen für Navigationssystem oder zusätzliche Fahrer und Haftungsreduzierung bzw. Haftungsfreistellung zwischen 750,00 und 950,00 Euro zugrunde gelegt seien.

Das Amtsgericht habe auch fehlerhaft die Kosten der Haftungsreduzierung auf einen Selbstbehalt von 50,00 Euro erstattet, obwohl von der Klägerseite nicht vorgetragen worden sei, dass der Geschädigte selbst eine Vollkaskoversicherung mit einem so geringen Eigenanteil vereinbart habe.

Fehlerhaft sei auch, dass das Gericht die Nebenkosten allein nach der Schwacke-Liste berechnet habe, obwohl sich aus dem Urteil ergebe, dass diese allein nicht Schätzungsgrundlage sein könne. Das Gericht hätte deshalb von den Nebenkosten nach § 287 ZPO zu schätzende Abschläge vornehmen müssen.

Schließlich habe das Amtsgericht rechtsfehlerhaft einen 20-prozentigen Zuschlag zur Abgeltung des unfallbedingten Mehraufwandes berechnet und dazu ausgeführt, dass die Beklagte den Anfall dieser Kosten nicht bestritten habe. Das Erfordernis eines Bestreitens seitens der Beklagten hätte vorausgesetzt, dass die Klägerin einen entsprechenden Sachvortrag tatsächlicher Art vorgenommen hätte, was nicht der Fall gewesen sei.

Die Klägerseite verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a, 544 II Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.156,05 Euro aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 249 Abs. 2 S. 1, 398 BGB.

1

Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

2.

Der erforderliche Wiederherstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt insgesamt 3.714,60 Euro (brutto). Unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlung i. H. v. 2.558,55 Euro verbleibt der ausgeurteilte Betrag i. H. v. 1.156,05 Euro. Grundsätzlich darf der Geschädigte zum Ausgleich der unfallbedingt verlorenen Nutzungsmöglichkeit seines Wagens für die Dauer der notwendigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung einen Mietwagen in Anspruch nehmen (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 249 Rn. 34 m. w. N.; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06.08.2020), Rn. 187 m. w. N.). Der Umfang dieses Anspruches bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach dem Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dieser kann nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot dabei für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 249 Rn. 34 m. w. N.; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06.08.2020), Rn. 187 m. w. N.; BGH, Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 126/05, Rn. 5 juris; Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, Rn. 9, juris). Aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt sich daher, dass der Geschädigte grundsätzlich nur die Sätze des „Normaltarifes“, der im fraglichen Marktgebiet für die Vermietung eines solchen Fahrzeuges verlangt wird, ersetzt verlangen kann. Dies ist der Tarif, der von einem Kunden zu bezahlen ist, der das Fahrzeug selbst bezahlen muss, ohne dass davon ausgegangen wird, dass aufgrund des Unfalles die gegnerische Haftpflichtversicherung zur Zahlung verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 –, Rn. 11, juris; LG Bamberg, Urteil vom 18. Juli 2014 – 3 S 23/14 –, Rn. 77, juris).

a.

Vorliegend ist der Mietvertrag ohne einer wirksamen Preisvereinbarung zustande gekommen. Die Vereinbarung, wonach die Preisliste Bestandteil des Mietvertrags geworden sein soll (vgl. Mietvertrag vom 15.11.2019, Anl. 2, Bl. 34 GA, letzter Absatz über den Unterschriften), ist aufgrund von Intransparenz i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Es handelt sich bei der von der Klägerin verwendeten Preisvereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Preisvereinbarung verstößt gegen das Transparenzgebot, da sie aufgrund der Schriftgröße kaum lesbar sowie nicht ausreichend klar und verständlich ist. Der Vertragspartner kann der Klausel insbesondere nicht entnehmen, welche Kosten konkret auf ihn zukommen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass dem Geschädigten eine Preisliste (welche?) vorgelegt und erläutert worden ist. Hintergrund dieser Praxis ist vermutlich das – zu missbilligende – Bestreben der Klägerin, dem Geschädigten den Eindruck zu vermitteln, dass er aus der Schadensabwicklung rausgehalten werden soll, um dann gegenüber der Versicherung Mietwagenpreise nach der Schwacke-Liste abzurechnen, deren Höhe bei einem durchschnittlichen Verbraucher Bedenken auslösen können und diesen bei Einbindung und korrekter Aufklärung über seine finanziellen Verpflichtungen zu einem Zögern oder gar zum Verzicht auf die Inanspruchnahme eines Mietwagens zu diesen Konditionen veranlassen kann (vgl. hier die Rechnung der Klägerin vom 18.12.2019 i. H. v. 8.281,47 Euro (Anl. 1, Bl. 33 GA).

Infolge dieser Intransparenz war dem Geschädigten vorliegend eine subjektive Einschätzung der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten nicht möglich. Im Falle des Fehlens einer (wirksamen) Vereinbarung über die Miethöhe gilt nach den §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB analog die ortsübliche Miete als vereinbart (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 535 Rn. 31 m. w. N.; LG Bamberg, Urteil vom 18. Juli 2014 – 3 S 23/14 –, Rn. 62 – 63, juris). Diese ortsübliche Miete, bzw. der „Normaltarif“ entspricht folglich dem zur Schadensbehebung erforderlichen Wiederherstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

b.

Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des „Normaltarifs“ ist Aufgabe des gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zur Schadensschätzung berufenen Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage wird weder von § 287 ZPO, noch vom Bundesgerichtshof vorgegeben. In geeigneten Fällen können Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung wie die „Schwacke-Liste“ oder der „Fraunhofer Marktpreisspiegel“ Verwendung finden. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Dabei dienen die Listen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von diesen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden „Normaltarif“ – abweichen (BGH, Urteil vom 18.12.2012 – VI ZR 316/11, Rn. 10, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April 2015 – I-1 U 114/14, Rn. 6, juris; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06.08.2020), Rn. 191 ff. m. w. N.). Bei der Bemessung nach Tabellen ist es auch zulässig, auf das gewichtete Mittel der Preise auf dem nach Postleitzahlen relevanten örtlichen bzw. regionalen Markt abzustellen. Dabei kommt es auf den Ort der Anmietung und Übernahme des Kraftfahrzeugs an, der vom Unfallort wie auch vom Wohnort des Geschädigten verschieden sein kann. Ferner ist dem Umstand, dass der Tagesmietpreis erfahrungsgemäß bei längerer Anmietzeit sinkt, Rechnung zu tragen, etwa indem – soweit vorhanden – Wochen- und Wochenendtarife mit in die Berechnung einbezogen werden (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06.08.2020), Rn. 192 m. w. N.). Dabei ist eine Herabstufung eines zum Unfallzeitpunkt bereits mehrere Jahre alten Fahrzeuges in eine niedrigere Fahrzeuggruppe der Tabellen – wie hier erfolgt – nicht zu beanstanden, da ältere Fahrzeuge einen erheblich herabgesetzten Gebrauchswert haben (LG Hagen (Westfalen), Beschluss vom 05. Oktober 2009 – 10 S 64/09 –, juris).

Die Kammer schließt sich hier – wie auch das Amtsgericht – zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.03.2019 – 1 U 74/18 – an und sieht die Schadensschätzung nach „Fracke“, dem arithmetischen Mittel zwischen dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel und dem Schwacke-Mietpreisspiegel, als maßgeblich an.

aa)

Dementsprechend ergibt sich folgende Berechnung der zu ersetzenden Mietpreise:

Mietpreisspiegel Schwacke für Normaltarif 2019 im PLZ-Gebiet 428**, Klasse 9:

Wochenpauschale (arith. Mittel): 1.000,91 ÷ 7 = 142,99 Euro x 27 Tage = 3.860,65 Euro,

zuzüglich der Erhöhung des Preises um die Kosten der Winterreifen (10,94 Euro x 27 =) 295,38 Euro.

Marktpreisspiegel Fraunhofer für Normaltarif 2019 im PLZ-Gebiet 42***, Klasse 9: Wochentarif 393,95 Euro ÷ 7 = 56,28 Euro x 27 Tage = 1.519,56 Euro;

Summe beider Tarife:

5.675,59 Euro,

geteilt durch 2:

2.837,80 Euro (brutto)

(1)

Zu Unrecht beanstandet die Berufung die Berechnungsmethode des Amtsgerichts. Das Amtsgericht hat hier aus der tatsächlichen Gesamtmietzeit den davon umfassten größten Zeitabschnitt von einer Woche entsprechend den Tabellenwerken herausgenommen, daraus den 1-Tages-Wert errechnet und diesen sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert (vgl. zu den Berechnungsmethoden: OLG Celle, Urteil vom 29. Februar 2012 – 14 U 49/11 –, Rn. 50 m. w. N., juris). Diese Berechnungsmethode entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer und ist im Übrigen auch am Günstigsten für die Versicherung. Denn die in der Wochenpauschale enthaltene Tagesmiete ist günstiger, als die in der Dreitagespauschale enthaltene Tagesmiete.

(2)

Zu Recht rügt die Berufung, dass das Amtsgericht seiner Berechnung einen Zeitraum von 28 Tagen zugrunde gelegt hat. Laut Mietvertrag wurde der Mietwagen am 15.11.2019,19:30 Uhr, zugestellt und am 12.12.2019,17:00 Uhr, wieder abgeholt (vgl. Anl. 2, Bl. 34 GA). Da das Fahrzeug – entsprechend der Vereinbarung – erst um 19:00 Uhr übergeben wurde, kann die Klägerin auch erst ab diesem Zeitpunkt ihre Miete berechnen, zumal es in der Autovermietungsbranche üblich ist, die Miete 24-stündlich und nicht für jeden angefangenen Kalendertag abzurechnen.

(3)

Zu Recht und mit der zutreffenden – von der Berufung nicht angegriffenen – Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (S. 7 des Urteils, Bl. 103 GA), hat das Amtsgericht im Rahmen der Schadensschätzung auch die Kosten für Winterreifen einbezogen, da die Kosten für eine Winterbereifung in den Wintermonaten grundsätzlich zum erforderlichen Wiederherstellungsaufwand i. S. d. § 249 Abs. 1 S. 1 BGB zählen. Die Kosten für die Ausstattung mit Winterreifen ist im Fraunhofer-Mietpreisspiegel 2019 (dort S. 3, re. Spalte, 6. Spiegelstrich) bereits im Grundtarif mitenthalten. Etwas anderes gilt für die Schwacke-Liste 2019. Dort werden die Kosten für eine Winterbereifung im Rahmen der Nebenkostentabelle aufgeführt und betragen 10,94 Euro brutto pro Tag. Das Amtsgericht hat demzufolge zutreffend den Schwacke-Grundtarif um die Kosten der Winterreifen erhöht.

(4)

Entgegen der Auffassung der Berufung sind die weiteren hier streitgegenständlichen Zuschläge für Nebenkosten (insbesondere Zweitfahrer und Haftungsreduzierung auf 50,00 Euro) gerade nicht bereits im Grundtarif nach dem Fraunhofer Mietpreisspiegel enthalten. Soweit die Berufung S. 24 dieses Mietpreisspiegels für das Jahr 2019 zitiert, so heißt es dort sinngemäß, dass zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Ergebnisse – zusätzlich zu den bereits genannten – weitere Kriterien einer typischen Anmietsituation, wie Anmietung und Rückgabe zu regulären Öffnungszeiten, herangezogen werden. Dabei werden aber Aufschläge und Zuschlägen (z. B. Navigationssystem oder zusätzliche Fahrer), sofern extra ausgewiesen und nicht bereits im Preis enthalten, gerade vermieden. Zudem ist im Grundtarif nach dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel 2019 lediglich eine Haftungsreduzierung bzw. Haftungsbeschränkung bis zu einer Selbstbeteiligung zwischen 750 und 950 Euro enthalten. Eine darüber hinausgehende Haftungsreduzierung – wie sie hier vereinbart wurde – ist gerade nicht im Grundtarif enthalten (vgl. S. 4 des Fraunhofer-Mietpreisspiegels 2019).

bb)

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Nebenkosten für die Haftungsreduzierung der Vollkaskoversicherung auf einen Selbstbehalt von 50,00 Euro, den Einschluss eines zusätzlichen Fahrers, die Abholung und Zustellung des Fahrzeugs sowie für die Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten. Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die insoweit entstandenen Kosten erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB waren und damit ebenfalls ersatzfähig sind. Im Einzelnen gilt Folgendes:

(1)

Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine Haftungsreduzierung der Vollkaskoversicherung auf einen Selbstbehalt von 50,00 Euro i. H. v. insgesamt 652,86 Euro (brutto).

Die Kosten für eine Haftungsreduzierung bis hin zu einer Haftungsfreistellung in Form einer Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann erforderlich, wenn für das Unfallfahrzeug keine Vollkaskoversicherung bestand, der Geschädigte aber während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko („Sonderrisiko“) ausgesetzt ist, etwa weil der Mietwagen in einem neueren und gepflegteren Zustand ist als das Unfallfahrzeug (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – VI ZR 74/04 –, Rn. 11, juris) oder weil der Geschädigte eines Leasingfahrzeugs gegenüber seinem Leasinggeber nur eingeschränkt haftet (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 –, Rn. 12, juris). Aber auch wenn sich kein Sonderrisiko feststellen lässt, sind die Prämien für eine Haftungsfreistellung in der Regel ein zu ersetzender Folgeschaden (Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, Rn. 38; BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – VI ZR 74/04 –, Rn. 11, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 19. August 2020 – 2-01 S 41/20 –, Rn. 7, juris).

Vorliegend hat der Geschädigte mit der Klägerin unstreitig eine Haftungsreduzierung der Vollkaskoversicherung auf einen Selbstbehalt von 50,00 Euro vereinbart (vgl. Mietvertrag vom 15.11.2019, Anl. 2, Bl. 34 GA). Die Frage, ob für das Unfallfahrzeug ebenfalls eine Vollkaskoversicherung bestand, kann dahinstehen. Denn das von der Rechtsprechung geforderte erhöhte Risiko ist in Konstellationen wie der vorliegenden grundsätzlich als erfüllt anzusehen. Die Benutzung eines kurzfristig angemieteten Mietwagens, den man nicht so gut kennt wie das eigene Fahrzeug, ist stets mit einem gesteigerten Schädigungsrisiko verbunden. Hinzu kommt die Haftungsgefahr bei einer Fahrzeuganmietung: Den Geschädigten trifft bei einer allein oder mitverschuldeten Schädigung des Mietfahrzeugs die Pflicht, den Schaden im Umfang der erforderlichen Reparaturkosten in Geld auszugleichen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB), während er bei verschuldeter Beschädigung seines eigenen Fahrzeugs die Wahl hat, es nicht oder nur notdürftig selbst zu reparieren oder reparieren zu lassen (vgl. auch: KG Berlin, Urteil vom 08. Mai 2014 – 22 U 119/13 –, Rn. 16 m. w. N., juris; LG Frankfurt, Urteil vom 19. August 2020 – 2-01 S 41/20 –, Rn. 7 m. w. N., juris; LG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.12.2018 – 2-01 S 152/18, BeckRS 2018, 45982).

Die beiden hier maßgeblichen Listen berücksichtigen bereits eine Selbstbeteiligung von mindestens 500,00 Euro (Schwacke-Nebenkostentabelle), beziehungsweise 750,00 bis 950,00 Euro (vgl. Fraunhofer, Mietpreisspiegel 2019, S. 3, 24) in den ausgewiesenen Mietpreisen. Eine darunterliegende Selbstbeteiligung, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht, ist nicht enthalten. Dementsprechend sind die hierfür anzusetzenden Kosten zu schätzen, wobei die Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 zugrunde zu legen ist. Dies erscheint sachgerecht, weil der Fraunhofer Mietpreisspiegel entsprechende Nebenkosten nicht ausweist (vgl. LG Frankfurt a. M. Urt. v. 21.12.2018 – 2/1 S 152/18, BeckRS 2018, 45982, Rn. 42; LG Wuppertal, Urt. v. 05.06.2019, 8 S 83/18 [nicht veröffentlicht]; LG Wuppertal, Urt. v. 26.11.2020, 9 S 95/20 [nicht veröffentlicht].

Entgegen der Berufung sind Abschläge von den dort ausgewiesenen Nebenkosten nicht erforderlich. Denn es ist weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass die dort ermittelten Nebenkosten überhöht sind.

Die Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 sieht für eine Haftungsreduzierung durch die Vereinbarung einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung unter 500,00 Euro für die Fahrzeugklasse 9 Nebenkosten in Höhe 24,18 Euro brutto (arith. Mittel) pro Tag vor, was für die hier maßgebliche Dauer von 27 Tagen einem Betrag i. H. v. 652,86 Euro entspricht.

(2)

Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen Zusatzfahrer in Höhe von insgesamt 306,99 Euro.

Gesonderte Kosten für einen Zusatzfahrer sind erstattungsfähig, sofern sie nicht nur tatsächlich im Mietverhältnis angefallen und dem Geschädigten in Rechnung gestellt worden sind, sondern der Geschädigte zumindest vorträgt, das beschädigte Fahrzeug sei durch den zweiten Fahrer genutzt worden, der im Mietvertrag auch entsprechend aufgeführt ist; dann reicht ein pauschaler Vortrag des Schädigers, die Geschädigten seien auf diese Leistungen nicht angewiesen gewesen, nicht aus (Geigel Haftpflichtprozess/Katzenstein, 28. Aufl. 2020, Rn. 141, Kap. 3 Rn. 141 m. w. N.; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06.08.2020), Rn. 202; OLG Köln, Urteil vom 18. August 2010 – 5 U 44/10 –, Rn. 11, juris). Vorliegend ist die Nutzung durch einen Zweitfahrer, nämlich Frau L. S., im Mietvertrag vereinbart (vgl. Anl. 2, Bl. 34 GA), als auch in Rechnung gestellt worden (Anl. 1, Bl. 33 GA). Zudem hat die Klägerseite unbestritten vorgetragen, dass das verunfallte Fahrzeug ebenfalls von Frau Schmitt genutzt wurde (vgl. Klageschrift, S. 9, Bl. 10 GA).

Die insoweit erforderlichen Kosten für einen Zweitfahrer sind nicht bereits in dem Grundtarif der maßgeblichen Listen enthalten (vgl. Fraunhofer, Mietpreisspiegel 2019, S. 23 f.; Schwacke-Nebenkostentabelle). Dementsprechend sind die hierfür anzusetzenden Kosten zu schätzen, wobei die Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 zugrunde zu legen ist, weil der Fraunhofer Mietpreisspiegel entsprechende Nebenkosten nicht ausweist.

Die Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 sieht für die Vereinbarung eines Zusatzfahrers für die Fahrzeugklasse 9 Nebenkosten in Höhe 11,37 Euro brutto (arith. Mittel) pro Tag vor, was für die hier maßgebliche Dauer von 27 Tagen einem Betrag i. H. v. 306,99 Euro brutto entspricht.

(3)

Die Kosten für das Navigationsgerät sind – entgegen der Berufungsschrift – nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, da das Amtsgericht diese Kosten gerade nicht zugesprochen hat (S. 12 des Urteils, Bl. 108 GA).

(4)

Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietwagens in Höhe von jeweils 28,35 Euro brutto, insgesamt 56,70 Euro. Die Kosten für das Überbringen und spätere wieder Abholen des Mietwagens sind grundsätzlich erstattungsfähige Nebenleistungen, sofern sie tatsächlich im streitgegenständlichen Mietverhältnis angefallen sind. Insbesondere kann dem Geschädigten nicht zugemutet werden, die Abholung und das Bringen des Fahrzeuges selbst zu organisieren (LG Stuttgart Urt. v. 27.11.2020 – 19 O 145/20, BeckRS 2020, 39796 Rn. 34, beck-online; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 08.04.2021), Rn. 202 m. w. N.; MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 437 m. w. N.).

Vorliegend folgt aus der Rechnung, dass Kosten für die Abholung und Zustellung des Mietwagens angefallen sind (vgl. Anl. 1, Bl. 33 GA).

Die auch hier zugrunde zu legende Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 sieht für die Abholung und Zustellung des Fahrzeugs Nebenkosten in Höhe von jeweils 28,35 Euro brutto (arith. Mittel) vor, was insgesamt einem Betrag von 56,70 Euro entspricht.

(5)

Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten i. H. v. 55,75 Euro. Es wird insoweit auf die zutreffenden und von der Berufung nicht angefochtenen Ausführungen des Amtsgerichts, welche die Kammer sich zu eigen macht, verwiesen (S. 10 f. des Urteil, Bl. 106 f. GA).

(6)

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann die Klägerin jedoch keinen Zuschlag in Höhe von 20 % auf den geschätzten Normaltarif zur Abgeltung des unfallbedingten Mehraufwandes i. H. v. 588,47 Euro verlangen.

Für die Erforderlichkeit eines Unfallersatztarifs ist darauf abzustellen, ob die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation allgemein einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind. Ein pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif (für einige Tage) ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte aufgrund einer unfallbedingten Not- und Eilsituation oder in Ermangelung ausreichender finanzieller Liquidität, bzw. einer Kreditkarte, nicht in der Lage war, eine Anmietung zum günstigeren Normaltarif zu erhalten (BGH, Urteil vom 05. März 2013 – VI ZR 245/11 –, Rn. 18, juris). Insoweit trifft jedoch den Geschädigten die Darlegungs- und Beweislast (OLG Schleswig, NJW-RR 2020, 485 Rn. 28, beck-online). Die Klägerin hat zur Erforderlichkeit des unfallbedingten Mehraufwandes nicht ausreichend vorgetragen. Ihr Vortrag beschränkt sich auf den pauschalen Einwand, dass einem Geschädigten die Benutzung einer Kreditkarte aufgrund der Internetkriminalität nicht zumutbar sei (S. 16 der Klageschrift, Bl. 17 GA). Im Übrigen nennt sie mehrere allgemeine unfallspezifische Kostenfaktoren, die einen höheren Mietpreis rechtfertigen können (S. 22 der Klageschrift, Bl. 23 GA), ohne einen Bezug zu dem konkreten Fall herzustellen. Hinzu kommt, dass ein – hier angefallener – unfallbedingter Mehraufwand bereits durch die zugesprochene Pauschale für die Anmietung außerhalb der Geschäftszeit abgegolten worden ist.

Das Amtsgericht hat zwar zu Recht angenommen, dass es sich bei dem fehlenden Einsatz einer Kreditkarte um einen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten nach § 254 BGB betreffenden Umstand handelt, und damit der Klägerin nur eine sekundäre Darlegungslast obliegt, aufgrund der sie vortragen müsste, dass und weshalb die Geschädigten nicht in der Lage oder aus beachtlichen Gründen nicht bereit waren, in Vorleistung zu treten oder eine Kaution zu stellen (OLG Dresden Endurteil v. 12.6.2020 – 4 U 2796/19, BeckRS 2020, 13212 Rn. 23, beck-online).

Aufgrund dieser Obliegenheit hätte die Klägerin folglich zunächst in einem ersten Schritt die Erforderlichkeit des sogenannten unfallspezifischen Mehraufwandes darlegen müssen, was hier nicht geschehen ist.

(7)

Von den Mietwagenkosten sind zudem 5 % für ersparte Aufwendungen abzuziehen (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1998, 280).

(8)

Unter Berücksichtigung der von den Beklagten gezahlten 2.558,55 Euro ergibt sich damit eine offene Forderung der Klägerin in Höhe von 1.156,05 Euro. Im Einzelnen wird auf die nachfolgende Tabelle Bezug genommen.

Normaltarif

2.837,80 Euro (brutto)

Haftungsreduzierung

652,86 Euro (brutto)

Zusatzfahrer

306,99 Euro (brutto)

Zustellkosten

56,70 Euro (brutto)

Anmietung außerhalb der Geschäftszeit

55,75 Euro (brutto)

Zwischensumme

3.910,10 Euro (brutto)

Ersparte Aufwendungen (5%)

195,50 Euro

Zwischensumme

3.714,60 Euro (brutto)

Zahlungen

2.558,55 Euro

Gesamtsumme

1.156,05 Euro (brutto)

2.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Die Beklagte befand sich nach der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung vom 05.09.2020 unter Fristsetzung bis zum 19.09.2020 seit dem 20.05.2020 in Zahlungsverzug.

3.

Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin nach einem Streitwert von 1.156,05 Euro zu und damit – statt der ausgeurteilten 215,00 Euro – in Höhe von 185,00 Euro (1,3 Geschäftsgebühr: 165,00 Euro; Auslagenpauschale: 20,00 Euro; aufgrund der Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine USt.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.819,77 Euro festgesetzt.

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris). Anlass zur Fortbildung des Rechts durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1, Nr. 2, 1. Alt. ZPO besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, V ZR 291/02, bei juris).

 

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