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Verkehrsunfall -unfallbedingter Pflegebedarf eines Schwerstgeschädigten

OLG Frankfurt, Az.: 12 U 15/09, Urteil vom 14.08.2014

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 19. Dezember 2008 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst.

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, an die Klägerin als Anspruchsinhaberin zu deren Entlastung unmittelbar an die A … GmbH, Stadt1, für den Zeitraum April 2004 bis einschließlich Dezember 2007 für Pflegeleistungen und Haushaltsführung 428.388,34 € zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, an die Klägerin als Anspruchsinhaberin zu deren Entlastung an die A … GmbH, Stadt1, für den Zeitraum Januar 2008 bis einschließlich Oktober 2010 für Pflegeleistungen und Haushaltsführung 324.872,00 € zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 202,13 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. November 2004 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen künftigen materiellen Schaden, insbesondere für Pflege und Haushaltsführung, aus Anlass des Verkehrsunfalls vom … Juni 2001 in Stadt2 beschränkt auf die Haftpflichtdeckungssumme von 7,5 Millionen € zu ersetzen, soweit kein Übergang auf Sozialleistungsträger erfolgt ist.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 35 % und die Beklagte 65 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 39 % und die Beklagte 61 %.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

8. Die Revision wird nicht zugelassen.

9. Streitwert erste Instanz: 666.910,27 €

Streitwert zweite Instanz: 1.229.652,05 € (Berufung: 666.910,27 € / Anschlussberufung 562.741,78 €)

Gründe

I.

Verkehrsunfall -unfallbedingter Pflegebedarf eines Schwerstgeschädigten
Symbolfoto: Von smolaw /Shutterstock.com

Am … Juni 2001 wurde die damals 3x-jährige Klägerin als Fußgängerin Opfer eines Verkehrsunfalls, der von der Versicherungsnehmerin der Beklagten allein verschuldet war. Die volle Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Die Klägerin erlitt u. a. Verletzungen und Frakturen der Halswirbelsäule, Lähmung des Rumpfes, der Beine, der Harnblase, des Enddarms, Teillähmung beider Arme, Tetraplegie. Zum Unfallzeitpunkt bewohnte die Klägerin mit ihrem Ehemann, den zwei Kindern (geboren 198x und 198x) und in regelmäßigen Zeiträumen auch mit ihren Schwiegereltern, eine nicht behindertengerechte, circa 82 qm große Mietwohnung. Die Klägerin war vollschichtig als Packerin tätig, Haushalts- Familienversorgung und Kindererziehung waren ihr allein überlassen. Ihre Schwiegermutter half, wenn sie anwesend war.

Im Jahr 2003 bezog die Klägerin gemeinsam mit ihrer Familie und ihren Schwiegereltern den jetzigen behindertengerechten Neubau. Dieser hat eine Wohnfläche von insgesamt 264 qm. Die Kosten des Neubaus betrugen circa 580.000,00 €. Die Klägerin zahlte diesen Betrag mit von der Beklagten als Schmerzensgeld an sie geleisteten 600.000 DM, weiteren von der Beklagten für den Neubau geleisteten 50.000 DM sowie 90.000 € und ferner mit 175.00,00 €, die aus einer Versicherung ihres damaligen Arbeitgebers stammten. Die Erdgeschosswohnung im Neubau ist als 3-Zimmerwohnung angelegt, behindertengerecht ausgestattet und hat eine Größe von circa 106 qm. Sie besteht aus einem Pflegezimmer mit direktem Terrassenzugang, einem Schlafzimmer, einem Badezimmer und einem Wohnzimmer mit Esstisch und offenem Küchenbereich. Der Ehemann der Klägerin schläft seit 2009 im Pflegezimmer. Im 1. Stock (circa 80 qm) wohnt die Schwiegermutter der Klägerin. Der Schwiegervater ist zwischenzeitlich verstorben. Die Dachgeschoßwohnung (circa 76 qm) bewohnt die Tochter der Klägerin. Die Klägerin gab zunächst an, dass ihr Sohn sich nur noch gelegentlich zu Hause aufhalte (Bl. 959), änderte diese Angabe später dahin, dass ihr Sohn im 1. Stock mit ihrer Schwiegermutter wohne (Bl. 1292). Ein Rückzugszimmer für die ständig anwesenden Pflegekräfte ist im Haus der Klägerin nicht vorhanden.

Seit Oktober 2002 wird die Klägerin im Wege der 24-Stunden Pflege täglich von der A … GmbH (nachfolgend: A) betreut. A berechnete seit der Übernahme einen Stundensatz von 24,00 €, der seit 1.12.2009 auf 27,50 € erhöht worden ist. Die Pflege der Klägerin wird von angelernten Laienkräften (14tägige Anlernzeit) dieses Pflegedienstes erbracht. Die Beklagte zahlte die Rechnungen der A zunächst bis einschließlich März 2004. Danach lehnte die Beklagte die weitere Zahlung der monatlichen Rechnungen mit der Begründung ab, dass nur ein Betreuungspflegebedarf von etwa 6 Stunden täglich bestehe. In dem von der Klägerin beim Landgericht Darmstadt eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren (Az: …) wurde mit Beschluss vom 24.9.2004 angeordnet (Bl. 37 BA), dass die Beklagte bis zum Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits verpflichtet ist, unter Anrechnung auf die Urteilsforderung aus dem vorliegenden Verfahren, die monatlichen Pflegerechnungen der A nach Rechnungsvorlage zu begleichen.

Die Beklagte zahlt seit dem Beschluss vom 24.9.2004 sämtliche offenen Pflegerechnungen der A. Die Beklagte entschädigt die Klägerin darüber hinaus für den Verdienstausfall, wobei die Angaben der Klägerin zur Höhe dieser monatlichen Zahlungen zwischen 250,00 € und 300,00 € schwanken (Bl. 869, 870).

Die Klägerin hat erstinstanzlich folgende Ansprüche geltend gemacht: Die Zahlung rückständiger Pflegekosten der A für den Zeitraum bis einschließlich September 2004 in Höhe von 66.808,14 €, eine von Oktober 2004 bis Dezember 2007 vierteljährlich im Voraus an die A zahlbare Pflegerente von je 40.500,00 € (insgesamt 364.500 €), Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum ab Januar 2003 bis September 2004 von insgesamt 23.625,00 €, ab Oktober 2004 bis Dezember 2007 als Haushaltsführungsschaden vierteljährlich im voraus zu zahlende je 3.675,00 €, Erstattung der Kosten einer ärztlichen Bescheinigung von 202,13 € und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihr alle materiellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit kein Übergang auf Sozialleistungsträger erfolgte.

Die Klägerin hat behauptet, dass ihre Behinderung eine 24-Stunden Pflege durch einen Pflegedienst notwendig mache, und dies vor allem damit begründet, dass sie sich nicht selbst katheterisieren könne und bei voller Blase regelmäßig eine autonome Dysreflexie zeige, die lebensbedrohlich sein könne. Ihre Angehörige würden und könnten sie nicht pflegen. Ihr Haushalt sei dem Haushaltstyp 19 (Münchner Modell) zuzuordnen. Der Haushaltsschaden entspreche 41,44 Wochenstunden, woraus ein Anspruch von monatlich 1.225,00 € netto folge.

Die Beklagte hat die Erforderlichkeit einer 24-stündigen Betreuungspflege bestritten. Die Klägerin leide an einer Dyssynergie bei hyper-reaktiver Blase, nicht an einer autonomen Dysreflexie. Es bestehe nach den von der Beklagten eingeholten Privatgutachten SV2 vom 15.9.2004 und SV3 vom 16.12.2004 ein täglicher Pflegeaufwand von nur 9-10 Stunden und zwar einschließlich der hauswirtschaftlichen Leistungen.

Die Klägerin verstoße gegen § 254 BGB. Die Kosten für die von der Klägerin gewählte Pflegeform beliefen sich einschließlich der Kosten für die Haushaltsführung und die Krankenkasse auf rund 20.000,00 € monatlich (Bl. 539). Dagegen stünden monatliche Heimkosten von circa 5000,00 €. Die Kostenforderung der Klägerin erreiche bei einer statistischen weiteren Lebenserwartung von weiteren 45 Jahren 22 Millionen €, bei einer Deckungssumme von nur 7,5 Millionen. Daraus folge, dass die Beklagte ihre Leistung entsprechend kürzen müsse. Es sei nicht überzeugend, dass neben der 24-Stunden-Pflege auch ein Haushaltsführungsschaden geltend gemacht werde, da die angestellten Pfleger beispielsweise untätig seien, wenn die Klägerin schlafe.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.7.2008 (Bl. 481) auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Zahlungsanträge, der Zumutbarkeit der Pflegekosten und eine mögliche anteilige Kürzung gem. §§ 155, 156 VVG, 116 Abs. 4 SGB X hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2008 (Bl. 531, 534 ff), eingeführt in der am gleichen Tag stattgefundenen mündlichen Verhandlung, hat die Beklagte eine Berechnung im Rahmen des Kürzungsverfahren nach § 156 VVG a. F. vorgelegt und eine Kürzungsquote von 26,72 % errechnet. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein Aufenthalt in einem nahe gelegenen Pflegeheim auch unter dem Gesichtspunkt zumutbar sei, dass die Klägerin vor wie auch nach dem Unfall von ihren Angehörigen keine Hilfeleistung erhalten habe.

Das Landgericht hat der Klägerin zur Erwiderung Schriftsatznachlass bis 8.12.2008 gewährt (Bl. 578). Mit Schriftsatz vom 29.10.2008 hat die Klägerin eingewandt, die Behauptung der Beklagten, bis zum Kürzungsstichtag 2.550.000,00 € geleistet zu haben, sei „völlig unspezifiziert und nicht überprüfbar“ (Bl. 558). Mit Schriftsatz vom 9.12.2008, bei Gericht eingegangen am 11.12.2008, hat die Klägerin die Berechnung der Beklagten umfänglich bestritten. Sie hat zudem eine Aufstellung überreicht, wonach die Beklagte an die Streitverkündete für den Zeitraum April 2004 bis September 2008 € 732.088,43 erstattet (Bl. 594 ff) habe. Die Anträge zu 1 und 2 hat sie für erledigt erklärt (Bl. 586).

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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten SV6, SV7, SV8, SV9, SV10 und SV4. Der Sachverständige SV4 hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2008 erläutert. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sachverständigengutachten verwiesen und ergänzend auf die Sitzungsprotokolle.

Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 19.12.2008 (Bl. 673 ff) im Wesentlichen stattgegeben, lediglich den Feststellungsanspruch auf eine Haftpflichtdeckungssumme von 7,5 Millionen € beschränkt. Es hat das mit Schriftsatz vom 27.10.2008 gehaltene Vorbringen der Beklagten als verspätet gemäß § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen (Bl. 687) und den mit Schriftsatz vom 9.12.2008 eingeführten Klägervortrag als verspätet gemäß § 296a ZPO (Bl. 686) behandelt. Als Folge der Verspätung sei die mit Schriftsatz vom 9.12.2008 verbundene Erledigungserklärung der Klägerin nicht mehr zulässig.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.12.2008 zugestellte Urteil am 28.1.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 30.3.2009 am 30.3.2009 begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte die umfängliche Klageabweisung. Die Beklagte rügt eine Überraschungsentscheidung. Das Urteil beruhe auf unzureichenden und ungesicherten Tatsachenfeststellungen. Der mit Schriftsatz vom 27.10.2008 gehaltene Vortrag zur Deckungssummenüberschreitung sei mangels vorheriger Fristsetzung des Landgerichts nicht verspätet gewesen. Im Übrigen habe die Beklagte ihren vorher erhobenen Einwand nur konkretisiert. Die Hyperreflexie sei von Beginn an erfolgreich unterdrückt worden (Bl. 833). Die Klägerin leide nicht an einer gravierenden Form der Dysreflexie. Der Pflegesatz der Streitverkündeten sei weit überhöht, werde nicht einmal von einer examinierten Krankenschwester erreicht (Bl. 838). Ein Stundenlohn von allenfalls 12,50 € sei berechtigt. Sie behauptet, dass die Pflegekosten bei Einschaltung eines anderen Dienstes um 50 % gesenkt werden könnten.

Zum Haushaltsführungsschaden seien die Haushaltsgröße und die Art des Haushalts vor dem Unfall zugrunde zu legen. Sie hat neu vorgetragen, dass sich aus den Unterlagen der Streitverkündeten für die Monate Dezember 2010 bis Februar 2011 ergäbe, dass die Pflegekräfte im 12-Stunden-Rhythmus wechselten (8-20:00 Uhr/20:00 bis 8 Uhr). Diese führten auch den Haushalt (Bl. 968). Unabhängig davon verletze die Klägerin ihre Schadensminderungspflicht, wenn sie die permanent anwesenden Pflegekräfte tatenlos herumstehen lasse (Bl. 842).

Da die Klägerin nur von Dritten gepflegt werde, könne diese Situation auch durch ein Pflegeheim gewährleistet werden (Bl. 969). Der gewonnene Eindruck vermittele keine liebevolle Pflege im Kreis der Familie (Bl. 1272). Die tatsächliche Situation im Haus der Klägerin stelle sich anders dar als bei der behindertengerechten Planung des Neubaus zwischen den Parteien abgesprochen. Die aufwendigen Umbaumaßnahmen des Hauses seien nur vor dem Hintergrund von der Beklagten finanziert worden, dass die Pflege der Klägerin durch Verwandte habe erbracht werden sollen. Es habe sich nun eine vollständige Fremdversorgung herausgestellt (Bl. 1071). Umso überraschender sei, dass die Klägerin keinen Raum für eine Pflegekraft eingeplant habe.

Bis Oktober 2013 habe sich der Gesamtaufwand der Beklagten auf rund 3,7 Millionen € belaufen (Bl. 1287, 1361, 1364).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19.12.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, an die Klägerin als Anspruchsinhaberin zu deren Entlastung unmittelbar an die A … GmbH, Stadt1, für den Zeitraum April 2004 bis einschließlich Dezember 2007 für Pflegeleistungen 610.390,20 € zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, an die Klägerin als Anspruchsinhaberin zu deren Entlastung an die A … GmbH, Stadt 1, für den Zeitraum Januar 2008 bis einschließlich Oktober 2010 für Pflegeleistungen 505.234,72 € zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 30. September 2004 für ihre Beeinträchtigung in der Haushaltsführung den Betrag von 23.625,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. November 2004 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den Betrag von 88.200,00 € für die Zeit vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. November 2010 wegen Beeinträchtigung der Haushaltsführung zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 202,13 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. November 2004 zu zahlen.

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen künftigen materiellen Schaden, insbesondere für Pflege und Haushaltsführung aus Anlass des Verkehrsunfalls vom … Juni 2001 in Stadt2, beschränkt auf die Haftpflichtdeckungssumme von 7,5 Millionen € zu ersetzen, soweit kein Übergang auf Sozialleistungsträger erfolgt ist.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie betont, Familienleistungen würden und könnten von der Familie nicht erbracht werden (zuletzt Bl. 1283).

Die Klägerin behauptet, das Katheterisieren könne und dürfe nur durch geschultes Pflegepersonal ausgeführt werden. Eine Pflegekraft müsse jederzeit zur Katheterisierung einsatzbereit sein. Wegen mangelhafter Sprachkenntnisse könnten polnische oder osteuropäische Kräfte bei der Klägerin nicht eingesetzt werden. Sie setzt sich mit den von der Gutachterin SV1 genannten Pflegediensten auseinander und rügt, diese dürften nicht katheterisieren (B….GmbH), oder dürften die Behandlungspflege SBG V, Gruppe 2, nicht abrechnen oder würden eine Pflegekraft 15 Tage am Stück einsetzen, was sie nicht wünsche (C.GmbH und Co.). Eine Trennung von Mann und Familie sei aus pflegerischer Sicht nicht zumutbar. Sie meint, gemäß SGB X gegenüber allen Sozialleistungsträgern ein Befriedigungsund Quotenvorrecht zu haben. Zahlungen an Dritte könnten nicht zu Lasten der Klägerin bei der Bemessung, ob und wann die Versicherungssumme erreicht sei, berücksichtigt werden.

Die Sachverständige SV1 habe bestätigt, dass der Stundensatz des A realistisch und angemessen sei. Die Ausführungen der Sachverständigen SV1 seien aber im Hinblick auf eine mögliche Reduzierung des Pflegestundensatzes während etwaiger Bereitschaftszeiten unzutreffend. Aufgrund der unregelmäßigen Zeiten, in denen keine unmittelbare Pflege durchgeführt werde, könne nicht von Ruhe und Bereitschaftszeiten ausgegangen werden, allenfalls von Arbeitsbereitschaft. Es gebe keinen Pflegedienst, der bei einer ständigen Pflegebereitschaft vor Ort einen reduzierten Stundensatz anbiete.

Die Klägerin behauptet neu (Bl. 1444), dass es zum Neubau ein Treffen gegeben habe, an dem für die Beklagte Rechtsanwalt B und der Zeuge SV3 teilgenommen hätten. Die Baupläne seien offengelegt und ausführlich besprochen worden. Die Beklagte habe die „entsprechende“ Zustimmung erteilt. Einen eigenen Raum für die Pflegekraft zu schaffen, habe niemals zur Debatte gestanden. Dies sei auch mit Kosten verbunden, da dieser Raum dann an die Pflegekraft vermietet werden müsse.

Die monatlich anfallenden Pflegekosten seien auf drei Kostenträger verteilt. Mit der Pflegekasse würden Pflegesachleistungen bis zum Höchstsatz von 1.550,00 € abgerechnet (Stand März 2014). Behandlungspflegeleistungen würden mit dem monatlichen Maximalbetrag von 1.940,40 € mit der Krankenversicherung als SGB V Leistungen abgerechnet. Die Beklagte übernehme nur den nach Abzug dieser beiden Positionen verbleibenden Differenzbetrag. Die Klägerin legte für das Jahr 2010 eine Aufstellung der A über die der Beklagten in Rechnung gestellten Pflegeleistungen vor (Bl. 923). Ferner überreichte die Klägerin an die Beklagte gerichtete Rechnungen der A für Februar bis April 2014 (1379 ff, 1393, 138-132).

Mit Schriftsatz vom 17.3.2014 verkündete die Klägerin ihrem Pflegedienst A den Streit (Bl. 1376 ff, 1415). A erklärte mit Schriftsatz vom 4.4.2014, dass sie nicht beitreten werde (Bl. 1424) und rügte die Unzulässigkeit der Streitverkündung gemäß § 72 ZPO.

Der Senat hat mit Verfügungen vom 27.7.2010 (Bl. 884), 21.6.2011 (Bl. 962), 9.7.2011 (Bl. 955), 2.10.2013 (Bl. 1289), 20.11.2013 (Bl. 1331) und vom 30.5.2014 (Bl. 1471), mit Beschluss vom 5.5.2011 (Bl. 943 ff) sowie in den Sitzungen vom 4.11.2010 (Bl. 920) und 10.10.2013 (Bl. 1301) Hinweise und Auflagen erteilt.

Aufgrund des Beweisbeschluss vom 5.5.2011 (Bl. 943 ff) hat der Senat zum Vorliegen einer autonomen Dysreflexie seit April 2004, sowie insbesondere den Auswirkungen für den Pflege- und Betreuungsbedarf der Klägerin, ergänzend Beweis erhoben durch Einholung des schriftlichen Gutachtens vom 20.1.2012 (Bl. 1020 ff) und Anhörung des Sachverständigen SV5 hierzu in der Sitzung vom 4.10.2012 (Bl. 1073 ff). Gemäß dem Beweisbeschluss vom 24.1.2013 hat der Senat zum Pflege- und Betreuungsbedarf der Klägerin (Bl. 1126 f) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und Anhörung der Sachverständigen SV1, die ihr Gutachten vom 15.5.2013 (1152 ff) in der Sitzung vom 10.10.2013 (1291 ff) erläutert hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowie den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden, § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

Gemäß § 524 Abs. 2 ZPO ist eine Anschlussberufung bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig. Die in der ersten Instanz überwiegend obsiegende und damit insoweit nicht beschwerte Klägerin konnte sich der zulässigen gegnerischen Berufung zum Zwecke der Klageerweiterung anschließen (BGH, VI ZR 152/10, RN 9 f).

Die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist hier am 29.5.2009 abgelaufen (Bl. 845, 847). Mit der am 16.6.2009 eingegangenen Berufungserwiderung hat die Klägerin zunächst lediglich die Zurückweisung der Berufung verfolgt (Bl. 855), nachdem das Landgericht die auf die damaligen Zahlungsanträge zu 1) und 2) erstinstanzlich von der Klägerin erklärte Erledigung (Bl. 586) gemäß § 296a ZPO zurückgewiesen (Bl. 686), und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung (einschließlich Verzugszinsen) verurteilt hatte. Die einseitige Erledigungserklärung ist ausgelegte Prozesshandlung, also Feststellungsantrag und fällt als solcher nicht unter § 296a ZPO (Zöller, 30. Aufl., § 296a RN 2a, § 91a RN 35). Sie ist frei widerruflich (Zöller, 30. Aufl., § 91 RN 35), wovon die Klägerin Gebrauch gemacht hat. Mit dem zunächst angekündigten Zurückweisungsantrag ist die Klägerin im Berufungsverfahren zu ihren ursprünglichen Zahlungsanträgen zurückgekehrt. Die zeitlich nachfolgenden Klageerweiterungen sind zwar innerhalb der Berufungserwiderungsfrist nicht eingegangen. In Fällen einer Verurteilung zu künftig fällig werdenden Leistungen ist die Anschließung an eine gegnerische Berufung allerdings bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung möglich. § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO setzt ferner nicht voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Umstände erst nach der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sind (BGH, XII ZR 119/07, RN 26 ff). Von einer solchen, in zulässiger Weise nach § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO erst später erhobenen Anschlussberufung ist hier auszugehen, was von der Beklagten auch nicht angegriffen worden ist. § 323 ZPO bezieht sich auf die hier streitige Feststellung von Mehraufwendungen durch Pflegekosten aufgrund vermehrter Bedürfnisse gem. § 843 Abs. 1, 2. Alt. BGB, was auch die auf den Zeitraum bis 30. September 2010 erweiterten Ansprüche auf Ersatz des Haushaltsführungsschaden gemäß § 843 Abs. 1 BGB umfasst (Zöller, 30. Aufl., § 323 ZPO, RN 1, 22).

B.

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin haben im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Die Beklagte ist verpflichtet, den durch die Behinderung der Klägerin verursachten Mehrbedarf durch eine Geldrente auszugleichen (§ 7 StVG, §§ 843Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB). Dies ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Kommen mehrere Arten der Betreuung in Betracht, bestimmt sich die Höhe des Anspruchs dabei weder nach der kostengünstigsten noch nach der aufwendigsten Möglichkeit, sondern allein danach, wie der Bedarf in der vom Geschädigten gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt und den Entscheidungen, die ein verständiger Geschädigter in der gegebenen Lage treffen würde (BGH, VI ZR 244/98; VI ZR 117/75; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2008, 620; OLG Brandenburg, 12 U 60/09; Juris Rn.40; Christian Hoffmann, Die Höhe der häuslichen Pflegekosten…, ZfSch 2007, 428; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., 265 ff).

2. Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche der Klägerin gemäß § 843 BGB wegen ihrer unfallbedingt vermehrten Bedürfnisse streiten die Parteien um den für die nötige Pflege anzusetzenden Zeitbedarf und die Höhe der hieraus resultierenden Pflegekosten. Der Streit betrifft hier insbesondere die Frage, welche Kosten bei einer „rund um die Uhr“ ausschließlich durch einen Pflegedienst unter Einsatz dort angestellter Pflegekräfte für die Klägerin geleisteten Pflegearbeit, beziehungsweise Pflegebereitschaft, im Rahmen des § 843 BGB als zu entgeltend angesetzt werden können.

Bei der Klägerin ist folgender, unfallbedingter Pflegebedarf gegeben:

a) Unstreitig erlitt die Klägerin schwerste Verletzungen der Wirbelsäule im Bereich des Halswirbelkörpers 5 und 6 inkl. Dornfortsatz-Fraktur HWK 5 sowie eine primär stabile Kompressionsfraktur des Brustwirbelkörpers. Durch die unfallbedingte Schädigung trat eine motorisch komplette und sensibel inkomplette Tetraplegie unterhalb des 5./6. Halswirbelkörpers mit neurogener Blasen- und Mastdarmlähmung auf (Bl. 1153). Die Läsionshöhe und das Verletzungsmuster erlauben der Klägerin die problemlose Spontanatmung (Bl. 1021). Sie ist vollständig orientiert und kann sich problemlos verständigen, ist zur Selbstkatheterisierung aber nicht in der Lage (Bl. 680), da sie die Greiffunktion verloren hat. Ihre selbständige Bewegungsfähigkeit ist begrenzt auf den Kopf- und Schulterbereich, die Arme und Handgelenke (Bl. 1165).

b) Nach den Feststellungen des Sachverständigen SV5 zeigt die Klägerin im Alltag bei wechselnder Blasenfüllung Zeichen einer autonomen Dysreflexie, die – mangels Abfallens der Herzfrequenz – nicht im klassischen Vollbild vorliegt (Bl. 1028). Dieser Zustand war bereits im April 2004 gegeben (Bl. 1082). Unfallunabhängig besteht bei der Klägerin eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (Autoimmunthryreoditis). Der Sachverständige hat nach dem Gesamtbild der bei der Klägerin gefundenen Symptome ausgeschlossen, dass diese durch die Schilddrüsenfunktion erklärt werden könnten, was insbesondere wegen der festgestellte Pidoerektion gelte (Bl. 1082). Konsequenz des neurologischen Zustandes ist, dass bei Auftreten einer autonomen Dysreflexie, deren Symptome von der Klägerin und der zur Begutachtung mit der Klägerin angereisten Pflegekraft schon bei einem geringen Blasenfüllungsvolumen von 100 ml geschildert wurden, schon zur Vermeidung eines Schlaganfalls (Bl. 1083) sofort reagiert werden muss, da die Symptome relativ kurz nach dem Entleeren der Blase erneut auftreten können (Bl. 1084). Die Gefahr einer autonomen Dysreflexie kann durch medikamentöse Behandlung nicht ausgeschlossen werden (Bl. 1086), nur durch eine aufwendige und komplizierte operative Deafferention, die der Sachverständige jedoch als immer seltener ausgeführte ultima ratio bezeichnet hat (Bl. 1086 f).

Durch einen nächtlichen Dauerkatheter über 8 Stunden ließe sich faktisch ein Drittel der Pflegezeit einsparen (Bl. 1083). Der Gutachter hat diese Vorgehensweise als „vielfältig diskutiert“, „nicht ausreichend untersucht“, aber als ein Vorgehen, welches einer „best medical care“ nicht standhalte (erhöhte Infektionsgefahr, erhöhte Gefahr von Dysplasien, maligne Entartungen der Blase), qualifiziert (Bl. 1083, 1085). Eine ausreichende Blasendruckdämpfung sowie rechtzeitige Entleerung der Blase (hier durch Fremdkatheterisierung) sind nach den umfänglich überzeugenden Feststellungen des medizinischen Sachverständigen die entscheidenden Therapieschritte zur Vermeidung der autonomen Dysreflexie (Bl. 1028). Diese führen (Bl. 1029) bezüglich des erforderlichen Pflege-/Betreuungsbedarfs seit April 2004 zu einer 24stündigen Betreuungsnotwendigkeit der Klägerin (Bl. 1029) im Sinne einer Anwesenheit vor Ort.

Die Feststellungen des Sachverständigen SV5, dass die Klägerin an einer autonomen Dysreflexie leide, wie auch der hieraus resultierenden Konsequenz eines 24stündigen Betreuungsbedarfs, stimmen mit dem vom Landgericht gewonnenen Beweisergebnis überein (Bl. 680 ff, 1166 ff). Die Einrichtung einer Rufbereitschaft dergestalt, dass eine Betreuungsperson sich außer Haus befindet und erst nach einem Notruf der Klägerin kommt, wird ihren Bedürfnissen, die ein sofortiges Einschreiten bei Auftreten einer Dysreflexie erfordern, nicht gerecht. Auf eine Operation kann die Klägerin schon wegen der damit verbundenen Risiken unter dem Gesichtspunkt der Schadensminimierung nicht verwiesen werden.

c) Nach den Feststellungen der Sachverständigen SV1 besteht bei dem festgestellten Krankheitsbild der Klägerin ein großzügig bemessener (Bl. 1296), durchschnittlicher Hilfebedarf von 16 Stunden, die sich zusammensetzen aus 11,5 Stunden konkreter Pflegezeit, 3 Stunden für hauswirtschaftliche Tätigkeiten und 1,5 Stunden zur Dokumentation, Wartung und Pflege der Hilfsmittel, Materialbestellung. Die Klägerin habe zuzüglich der täglichen Therapiezeiten für Ergo- und Physiotherapie einen täglichen Bedarf von rund 13 Stunden an pflegerischen Maßnahmen, die restlichen 11 Stunden seien als Ruhezeiten und Zeiten für sie im Familienverbund zu würdigen (Bl. 1184).

Die Sachverständige hat die Feststellungen zu den Bereitschaftszeiten eingehend und nachvollziehbar erläutert, insbesondere darauf verwiesen, dass ein Bedarf der dauerhaften Beobachtung oder permanenten Anwesenheit gesundheitsbedingt nicht bestehe, auch nicht, wenn die Klägerin schlafe, da sie sich – unstreitig – bemerkbar machen kann, nicht beatmungspflichtig ist und keine Krampfanfälle hat (Bl. 1294 f). Eine Beobachtung oder Anwesenheit durch eine Pflegekraft sei in Zeiten, in denen sie z. B. mit ihrem Mann oder anderen Angehörigen spricht, ein Buch liest oder einen Film ansieht, gleichermaßen unnötig. Es sei zwar eine 24-stündige Anwesenheit vor Ort, nicht aber eine Anwesenheit am Bett erforderlich (Bl. 1295).

Einen Umzug der Klägerin in ein Pflegeheim hat die Sachverständige SV1 als pflegefachlich nicht vertretbare Alternative beurteilt, da die Klägerin in das Familienleben „eingebettet“ sei, barrierefrei Zugang zu ihren Angehörigen habe und das zwar beeinträchtigte, aber gemeinschaftliche Leben mit ihrem Ehemann ein Grundbedürfnis sei und ihr aus pflegefachlicher Sicht eine Trennung nicht zuzumuten sei (Bl. 1194 f).

Die Klägerin ist über den Ausbildungsstand ihrer Pflegekräfte (Bl. 1181) informiert und billigt, dass die eingesetzten Pflegehilfskräfte das Katheterisieren und das Ausräumen des Enddarms ausführen (Bl. 1193). Die Sachverständige äußerte in diesem Zusammenhang juristische Bedenken, da bei fehlerhafter Durchführung eine zivil- oder strafrechtliche Haftung des Pflegedienstes wegen eines Organisationsverschuldens mangels des Einsatzes von Pflegefachkräften in Betracht käme. Sie verweist damit vor allem auf ein für den Pflegedienst bestehendes Haftungsrisiko. Da die Klägerin den Ausbildungsstand kennt, dieses Konzept gewählt hat und billigt, die Katheterisierung auch von einem Familienangehörigen – was laut SV5 häufig der Fall ist – oder einer Hilfskraft nach kurzer Zeit einwandfrei ausgeführt werden kann (Bl. 1085, 1182), tangieren diese Bedenken nicht die Zumutbarkeit der von der Klägerin konkret gewählten Betreuungssituation.

3. Die Bestimmung der Höhe des Pflegegeldes liegt im tatrichterlichen Ermessen (BGH, VI ZR 126/88). Die Klägerin kann für die streitgegenständlichen Zeiträume einen durchschnittlichen Stundensatz von 17,50 €, somit einen Tagessatz von 420,00 € beanspruchen.

a) Vorliegend besteht die Situation, dass die Klägerin in einem Haus mit ihrer Familie lebt und dies auch so beibehalten will. Die Leistung jeglicher Pflegearbeit, eingeschlossen einer Rufbereitschaft ihrer Angehörigen, wird von diesen, wie auch von der Klägerin, als unzumutbar (Bl. 1251) abgelehnt und nicht erbracht.

(1) Der Bundesgerichtshof hat bei der Pflege durch Familienangehörige ausgeführt, dass der zu erstattende Betrag unterhalb der tariflichen Vergütung für eine fremde Hilfskraft liegen könne. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die tarifliche Vergütung als Bemessungskriterium bei der Fremdpflege heranzuziehen ist (BGH, VI ZR 126/88). Die zwischen den Parteien streitig diskutierte Frage, ob auch polnische bzw. osteuropäische Kräfte unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten eingesetzt werden können, entfaltet deshalb keine Relevanz. Bei Einstellung von professionellen Pflegekräften sind deren Kosten brutto zu erstatten.

(2) Das hier durchgeführte Modell einer „Rundum“-Pflege nur einer Person durch mehrere bezahlte Pflegekräfte unter Übertragung auch des Organisationsaufwandes auf einen ebenfalls bezahlten Pflegedienst ist allerdings wirtschaftlich weit ungünstiger als eine ebensolche Pflege in einem dafür eingerichteten Pflegeheim und auch teurer als das Modell des eigenen Budgets, bei dem die Anstellung und Koordination der Pflegekräfte durch den Verletzten oder dessen Angehörige vorgenommen wird. Bei Koordination der Pflegekräfte durch den Verletzten oder dessen Familie entfallen die Gewinnspanne und auch die Verwaltungskosten des Pflegedienstes. Die Konditionen sind mit den Pflegekräften frei verhandelbar. Allenfalls sind Kosten einer zusätzlichen Mühewaltung gegenüber den Angehörigen angemessen auszugleichen.

In einem Pflegeheim kann die Arbeitskraft einer Pflegeperson darüber hinaus rationeller, da zugunsten mehrerer Patienten eingesetzt werden, ohne dass die Anforderungen an eine ständige Bereitschaft vernachlässigt werden müssten.

(3) Diese Tatsachen drücken sich auch in Zahlen aus. Die Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung in der Umgebung der Klägerin, die auf die Aufnahme jüngerer, kognitiv nicht beeinträchtigter behinderter Menschen spezialisiert ist, würde nach den Ermittlungen der Sachverständigen SV1 zwischen 5.462,00 € und 5.913,00 € kosten. Die Klägerin hingegen beansprucht nach Abzug der gegenüber dem Pflegedienst seitens der Krankenkasse und seitens der Pflegeversicherung vergüteten Leistungen von der Beklagten im Durchschnitt 14.303,00 € als Kosten des eingesetzten Pflegedienstes, zuzüglich weiterer 1.177,10 € als Haushaltsführungsschadens, addiert rund 15.480,10 € monatlich.

Weder ein Schädiger noch die Versichertengemeinschaft können verlangen, dass ein Schwerstgeschädigter erdulden muss, aus kostenrechtlichen Gründen gegen seinen Willen in einer Betreuungseinrichtung untergebracht zu werden. Es muss schadensersatzrechtlich der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Geschädigte – wie hier die Klägerin – schuldlos einen existentiellen Einschnitt in seine gesamten Lebensumstände erlitten hat. Deshalb entspricht es dem das Schadensersatzrecht prägenden Wiederherstellungsgrundsatz, dass der Geschädigte, sofern er dies will, in die ihm vertrauten früheren Lebensumstände zurückgeführt wird (OLG Koblenz, VersR 2002, 244, RN 27 juris). Der Wiederherstellungsgrundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Er wird dadurch begrenzt, dass erstattungsfähig nur Dispositionen sind, die ein verständiger Geschädigter in der gegebenen Lage treffen würde. Die persönliche Lebensgestaltung findet zudem eine Einschränkung durch das Zumutbarkeitskriterium gegenüber der Versichertengemeinschaft, § 254 BGB.

b) Die Höhe des ersatzfähigen Pflegaufwandes errechnet sich danach wie folgt.

(1) Derzeit sind durch A 5 feste Mitarbeiterinnen (drei Vollzeit, eine Mitarbeiterin mit 25 und eine mit 39 Stunden) und eine Aushilfskraft für Krankheit/Urlaub rund um die Uhr bei der Klägerin eingesetzt (Bl. 1181).

Pro Jahr fällt bei der Klägerin wegen des 24stündigen täglichen Bedarfs ein Pflege- und Anwesenheitsbedarf von durchschnittlich 8766 Stunden an (24 Stunden x 365 1/4 Tage unter Einbeziehung von Schaltjahren).

Der tarifliche Mindestlohn für ungelernte Pflegekräfte (angelernte Pflegehilfskräfte) beziffert sich nach der Entgelttabelle TVöD Bereich Bund bei Einstellung für das Jahr 2008 € 8,19, für das Jahr 2009 aufgerundet € 8,43 und für das Jahr 2010 aufgerundet € 8,53. Dies entspricht in etwa dem Mindestlohn für Pflegekräfte. Dieser beträgt seit 1. August 2010 für den Bund (West) € 8,50.

Bereitschaftszeiten werden tariflich nur mit 50 % vergütet. Dabei handelt es sich um Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte gemäß § 9 TVöD am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen, und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Ein verständiger Geschädigter in der Situation der Klägerin hätte in dem rund 264 qm großen und in drei Wohnungen aufgeteilten Haus einen Raum für die durchgehend anwesende Pflegekraft vorgehalten, um dieser einen Rückzugsort, beispielsweise während der Bereitschafszeiten vorzuhalten, insbesondere aber auch unter pflegerischen Gesichtspunkten, um der Klägerin – im Rahmen des ihr Möglichen – ein privates, von Dritten unbeobachtetes Leben allein oder mit Ehemann, Angehörigen oder Freunden zu gewährleisten. Der Klägervortrag, dieser Raum müsse an die Pflegekraft vermietet werden, was wiederum höhere Kosten verursache, entspricht nicht der deutschen Pflegerealität. Eine solche zur Disposition der Klägerin stehende Handhabung wäre unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltung nicht akzeptabel. Die Sachverständige SV1 hat hierzu ausgeführt, es von vergleichbaren Fällen, die sie erlebt habe, nicht zu kennen, dass kein Rückzugsraum für Pflegekräfte vorgesehen worden ist (Bl. 1295). Eine Beweisaufnahme zur Behauptung der Klägerin, anlässlich der zum Neubau mit der Beklagten geführten Gespräche sei ein Raum für eine Pflegekraft nicht thematisiert worden, bedurfte es schon deshalb nicht, weil es sich hierbei um eine Disposition handelt, die ein verständiger Geschädigter in der Lage der Klägerin auch in Anbetracht der seit September 2004 rechtshängigen Streitigkeiten zur Höhe der Pflegekosten, hier treffen würde.

Die Beklagte hat ohne Differenzierung zwischen Arbeits- und Bereitschaftszeit einen durchschnittlichen Stundensatz des Pflegedienstes bis maximal 12,50 € für erforderlich gehalten (Bl. 839).

Der Stundensatzkalkulation von A liegt (Stand Mai 2013, Bl. 1223) ein an die Pflegehilfskräfte gezahlter Grundlohn von 12,08 € brutto (2.015,00 € / 166,67 Stunden) zu Grunde. Mit Lohnnebenkosten (19,33 %) beläuft sich der von A angegebene Stundensatz (berechnet aus abgerundeten 12,00 €) auf 14,32 €. Dieser enthält bereits eine Mischkalkulation, da (die tariflich laut Gutachterin nur zu 50 % anzusetzenden) Bereitschafts- und Arbeitszeiten nicht getrennt vergütet werden, beinhaltet auch die Zeiten, in denen die Pflegekräfte den Haushalt der Klägerin versorgen, und liegt weit über dem tariflichen Mindestlohn.

Hochgerechnet auf 8766 Stunden p. a. ergibt dies hieraus einen Gesamtbetrag von 125.529,00 € und einen Tagessatz von 343,68 €.

(2) Ferner ist zu berücksichtigen, dass bei dem Einsatz mehrerer Mitarbeiter, die für die Klägerin hier in 12-Stunden-Schichten arbeiten, Krankheits- und Urlaubszeiten einzubeziehen sind. Diese Ausfallzeiten sind in der Kalkulation von A mit 29 % je Mitarbeiter angesetzt, d.h. 580 Stunden jährlich. Nach dieser Kalkulation verbliebe eine effektive Arbeitszeit von rund 1.420 Stunden p. a. je Pflegekraft. Dies ergibt einen Bedarf von mindestens 6,17 Vollzeitpflegekräften.

Diese Kalkulation der A entspricht nicht der tatsächlichen Organisation ihres Pflegedienstes für die Klägerin, da A für deren Betreuung ein Pflegeteam von nur drei Mitarbeiterinnen in Vollzeit, zwei Mitarbeiterinnen mit je 25 und 39 Stunden wöchentlich und einer Aushilfskraft für Krankheit/Urlaub einsetzt. Einen gesonderten Gewinnanteil weist die Kalkulation der A nicht aus. Die Organisationskosten wie auch ein Gewinn des Pflegedienstes müssen mithin aus dem – überhöhten – Ansatz der Ausfallzeiten folgen und sich aus einer Spanne bei den Löhnen ergeben, da es lebensfremd ist, dass alle Mitarbeiter – wie in der Beispielskalkulation der A – unabhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit einheitlich vergütet werden.

das 13. Monatsgehalt, betriebliche Altersvorsorge und sogenannte „weitere Zulagen“ zu würdigen. Darüber hinaus sind solche Sonderzahlungen tariflich nicht vorgeschrieben, im Ergebnis hier also nicht einzubeziehen.

Unter Berücksichtigung der von A im Zusammenhang mit den Ausfallzeiten angegebenen 29 % würde sich somit ein Tagessatz von aufgerundet 443,35 € errechnen.

Die Kalkulation der A basiert allerdings auf dem Stand 2013. Unter Einbeziehung der auf Seite 38 des Pflegegutachtens dargestellten Anhebungen des Lohnniveaus zwischen 2004 und 2010 (vgl. Bl. 1190) war der Tagessatz für den streitgegenständlichen Zeitraum auf durchschnittlich 420,00 € abzusenken, was einem Stundensatz von 17,50 € entspricht. Die Sachverständige SV1 hatte bereits einen Tagessatz „ab 360,00 €“ für realistisch gehalten. Da dies nach Feststellung der Sachverständigen eine Untergrenze darstellt, erachtet der Senat einen durchgehenden Tagessatz von 420,00 € im streitgegenständlichen Zeitraum als angemessen.

Für Monate mit 31 Tagen beziffern sich die Pflegekosten auf der Grundlage dieses Tagessatzes – vor Abzug der Leistungen Dritter (Krankenkasse/Leistungen nach SGB XI) – auf 13.020,00 €, für Monate mit 30 Tagen auf 12.600,00 € und für Monate mit 28/29 Tagen auf 11.760,00/12.180,00 €.

(3) Darüber hinausgehende Organisationskosten oder Gewinnmargen können angesichts der wesentlich günstigeren Möglichkeiten einer Organisation der Pflege in einem Heim oder auch der Möglichkeit eines persönlichen Budgets bei eigener Organisation einer häuslichen Pflege nicht verlangt werden (hierzu auch OLG Koblenz, 12 U 1464/99, VersR 2002, 244 ). Abschließend sind folgende Erwägungen einbezogen worden:

Alternativ zur Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst ist auch von der Sachverständigen SV1 die Möglichkeit einer unmittelbaren Anstellung der Pflegekräfte durch die Klägerin und ihre Familie dargestellt worden. Die Tochter der Klägerin ist als Diplombetriebswirtin in der Personalabteilung eines mittelständischen Unternehmens tätig. Der Sohn der Klägerin arbeitet als Verkaufssachbearbeiter in diesem Unternehmen. Beide Kinder besitzen durch ihre Berufstätigkeit Verwaltungserfahrung, diese Qualifikation ergänzt sich in der Person der Tochter der Klägerin mit hier wertvollen Erfahrungen im Personalwesen (Bl. 959). Die Haltung der Klägerin, jede Unterstützung ihrer Kinder, also auch die Unterstützung bei der Anstellung eigener Pflegekräfte, für unzumutbar zu halten, widerspricht dem anzulegenden Maßstab der Entscheidungen eines vernünftigen Geschädigten und ist der Versichertengemeinschaft bei der Gegenüberstellung erheblich geringerer Heimkosten nicht zumutbar. Der Senat hält es für lebensnah, dass sich die im Haus der Klägerin wohnenden Kinder einem Wunsch ihrer schwer beeinträchtigten Mutter, sie bei der Organisation eines Pflegedienstes zu unterstützen, nicht weiter verschließen würden. Dem Nachteil, dass die Klägerin selbst für die Funktionsfähigkeit ihres Pflegearrangements verantwortlich ist, würde der Vorteil eines größeren Verhandlungsspielraums und auch der Einsparung von Organisationskosten und Gewinnmargen gegenüberstehen. Qualitätssicherung ist auch bei der von der Klägerin gewählten Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst nicht grundsätzlich gewährleistet. Konkret hatte die Sachverständige SV1 eine fehlende Ordnung der pflegerischen Interaktion gerügt, kaum erkennbare geplante, problemorientierte oder präventive Aktionen auf Grund pflegerischen Sachverstandes genannt, ein nur standardisiertes Vorgehen, kein logisches Ineinandergreifen pflegerischen Handelns bei teils seit Jahren erkennbaren Problemlagen, einen mangelnden Aushandlungsprozess zwischen Pflegekraft und Betroffener und eine zeitweise „klassische Überversorgung“ der Klägerin festgestellt (Bl. 1180 f, 1195).

Eine externe und unabhängige Qualitätskontrolle ließe sich beispielsweise mit Hilfe einer von der Klägerin (in größeren, z. B. jährlichen Zeitabständen) beauftragten Prüfung durch eine Sachverständige für Pflege herbeiführen.

c) Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage nur die Erstattung der nach Abzug der Leistungen der Pflegeversicherung und des Krankenversicherers verbleibenden Pflegekosten des Pflegedienstes A.

Für diese Leistungen hat die A der Beklagten jeweils Gutschriften erteilt. Die Gutschriften ergeben sich ausweislich der beispielhaft von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen für April bis August 2004 (Bl. 13 ff) und für Februar 2014 (Bl. 1380) anhand der von A an die Beklagte gerichteten Abrechnungen. Die Beklagte hat hierzu eingewandt, von dem Kranken- und Pflegeversicherer in dieser Höhe jeweils in Regress genommen worden zu sein. Die Auflage des Senats (Bl. 1312), darzulegen, welche Leistungen sie in dem streitigen Zeitraum an die Pflege- bzw. Krankenversicherung erbracht hat, hat die Beklagte nicht erfüllt.

Die Leistungen für teilstationäre Pflege betragen nach § 41 SGB XI monatlich bis Juni 2008 € 1.432,00, zwischen 1.7.2008 und 31.12.2009 € 1.470,00 €, zwischen 1.1.2010 und 31.12.2010 € 1.510,00 und seit November 2012 € 1.550,00. Diese Leistungen sind von den unter b) bezifferten Pflegekosten abzuziehen.

Die Leistungen des Krankenversicherers schwankten im Zeitraum zwischen April bis August 2004 von 1.916,08 € bis 2.361,68 €. Die Belege für Februar/März 2014 weisen jeweils einen Betrag von 1.940,40 € aus. Der Senat schätzt auf dieser Grundlage für den Zeitraum September 2004 bis Oktober 2010 einen von den unter b) bezifferten Pflegekosten darüber hinaus abzusetzenden Betrag von durchschnittlich weiteren 1.800,00 € monatlich. Der Abschlag trägt der Unsicherheit Rechnung, die auf den nur vereinzelt vorliegenden Abrechnungen beruht.

4. Aus Vorstehendem folgt für die hier geltend gemachten Ansprüche der Klägerin im Einzelnen folgendes:

April 2004 9.162,80 € (12.600,00 € -1.432,00 € – 2.005,20 €, Bl. 13)

Mai 2004 9.515,96 €  (13.020,00 € – 1.432,00 € – 2.072,04 €, Bl. 14)

Juni 2004 8.951,34 €  (12.600,00 € – 1.432,00 € – 2.216,88 €, Bl. 15)

Juli 2004 9.226,32 €  (13.020,00 € – 1.432,00 € – 2.361,68 €, Bl. 16)

August 2004 9.671,92 €  (13.020,00 € – 1.432,00 € – 1.916,08 €, Bl. 17)

September 2004 9.368,00 €  (12.600,00 € – 1432,00 € – 1.800,00 €)

Oktober 2004 9.788,00 € (13.020,00 € – 1.432,00 € – 1.800,00 €)

November 2004 9.368,00 €  (12.600,00 € – 1.432,00 € – 1.800,00 €)

Dezember 2004 9.788,00 €  (13.020,00 € – 1.432,00 € – 1.800,00 €)

Januar 2005 9.788,00 €

Februar 2005 8.528,00 €  (11.760,00 € – 1.432,00 € – 1.800,00 €)

März bis Dezember 2005 96.200,00 €  (6 x 9.788,00 € + 4 x 9.368,00 €)

Januar bis Dezember 2006 114.516,00 €  (7 x 9.788,00 € + 4 x 9.368,00 € + 8.528,00 €)

Januar bis Dezember 2007 114.516,00 €

Zwischenergebnis: 324.872,00 €

Zwischenergebnis: 428.388,34 €

Januar bis Dezember 2008 114.996,00 €  (7 x 9.788,00 € + 4 x 9.368,00 € + 8.948,00 €

( 29 Tage/Februar 2009))

Januar bis Dezember 2009 114.516,00 €

Januar bis Oktober 2010 95.360,00 €  (6 x 9.788,00 € + 3 x 9.368,00 € + 8.528,00 €)

5. Der Klägerin steht kein darüber hinausgehender Anspruch auf Ersatz des zusätzlich geltend gemachten Haushaltsführungsschadens gemäß §§ 843, 760 BGB zu, da aufgrund der umfassenden Pflegeleistungen überhaupt keine ersatzfähigen Arbeiten mehr anfallen. Die hauswirtschaftliche Versorgung durch die Pflegekräfte ist in der dargestellten Mischkalkulation des Pflegestundensatzes von durchschnittlich 17,50 € enthalten und mit abgegolten.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen SV1 haben die Pflegekräfte die hauswirtschaftliche Versorgung übernommen, was mit den gegenüber A von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeglichenen Rechnungen bezahlt worden ist (Bl. 1153). Die Pflegegutachterin hat als Durchschnittswert für die hauswirtschaftliche Versorgung drei Stunden täglich angegeben, d. h. 21 Stunden wöchentlich, was in etwa der Schätzung der Beklagten entspricht (20 Wochenstunden, Bl. 52). Dass darüber hinaus noch hauswirtschaftliche Arbeiten im Haushalt der Klägerin anfallen und von den Pflegekräften nicht erledigt werden, hat die Klägerin nicht dargelegt.

6. Mit ihrem Einwand einer Deckungssummenüberschreitung war die Beklagte nicht ausgeschlossen, § 531 Abs. 1 ZPO, dieser bleibt jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat den mit Schriftsatz vom 27.10.2008 zur voraussichtlichen Deckungssummenüberschreitung eingeführten Beklagtenvortrag (§§ 155, 156 Abs. 3 VVG a. F, 109 VVG) gemäß § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen (Bl. 687). Diese Zurückweisung ist nicht zu Recht erfolgt, da angesichts des Prozessverlaufs eine grobe Nachlässigkeit der Beklagten nicht festgestellt werden kann. Vorangegangen war der richterliche Hinweis vom 14.7.2008 (481), mit dem die Beklagte ohne Fristsetzung auf fehlenden Vortrag zur Berechnung der behaupteten Kürzung hingewiesen worden ist.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2008 hat die Beklagte hierzu ergänzend vorgetragen. Mit einer abschließenden Entscheidung des Landgerichts mussten die Parteien nach dem im Protokoll dokumentierten Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2008 nicht rechnen.

Die Voraussetzungen des § 156 Abs. 3 VVG a. F. stehen jedoch nicht fest.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit eines Verteilungsverfahrens liegt bei der Beklagten. Sie muss die Voraussetzungen des § 156 Abs. 3 VVG a. F. beweisen. Voraussetzung für eine Anwendung des § 156 VVG ist hiernach, dass erkennbar die zur Verfügung stehende Versicherungssumme überschritten wird. Dies war hier nicht der Fall.

Die Beklagte hat entgegen der Auflage des Gerichts den hierfür maßgeblichen vollständigen Haftpflichtversicherungsvertrag nebst Versicherungsbedingungen nicht vorgelegt. Der in der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2014 überreichte Antrag auf Abschluss einer Kraftfahrtversicherung, der nicht von der Schädigerin stammt, genügte nicht. Es ist streitig geblieben, ob der Vertragsschluss diesen gemäß Antrag erfolgte.

Darüber hinaus hat die Beklagte zur Erschöpfung der Versicherungssumme keinen hinreichenden Vortrag gehalten. Dass die Mindestversicherungssumme überschritten werden wird, ist unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung festzustellen (vgl. § 287 Abs. 1 ZPO; Sprung, VersR 1992, 657, 658). Die Versicherungssumme reicht im Einzelfall dann nicht aus, um alle Direktansprüche zu befriedigen, wenn die nach Abzug der Kapitalzahlungen auf Ansprüche, die keine Rentenansprüche sind, verbleibende Versicherungssumme geringer ist als die Summe der Kapitalisierungswerte aller zu erbringenden Rentenleistungen (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1979 – IV ZR 83/78 – VersR 1980, 132, 135; vom 12. Juni 1980 – IVa ZR 9/80 – VersR 1980, 817, 818, 819; vom 22. Januar 1986 – IVa ZR 65/84 – VersR 1986, 392, 395). In einem solchen Fall muss der Haftpflichtversicherer die Versicherungssumme verhältnismäßig verteilen (§ 156 Abs. 3 Satz 1 VVG). Zunächst muss die Höhe der Forderung festgestellt werden, um anschließend den Vergleich zwischen Restdeckungssumme und Renten-Kapitalisierungswerten vorzunehmen (hierzu Konradi, VersR 2009, 321, BGH VI ZR 50/06, VI ZR 44/05, Iva ZR 9/80). Die Beklagte hat hierzu im Berufungsverfahren eine Kürzung um 30 % eingewandt.

Die Beklagte hat versäumt, ihre schon erstinstanzlich bestrittene (Bl. 558) Behauptung, sie habe bis zum Kürzungsstichtag 2.550.000,00 € geleistet (534), nachvollziehbar aufzuschlüsseln und zu belegen.

Die angesetzte Summe der Kapitalisierungswerte aller zu erbringenden Rentenleistungen ist unklar. Die Angaben zur Haushaltshilfe (3.000,2 € x 12x 21,234 = 764.200 €), zum Erwerbsschaden (500,-€ x 12 x 21,234 = 127.404 €) und den Pflegekosten von monatlich 18.200 € (18.200 x 12 x 21,234 = 4.637.505 €) sind deutlich überhöht. Es fehlt insoweit an nachvollziehbarem Vortrag. Wofür weitere 972.000,00 € (2.000,- x 12 x 40,5) für vermehrte Bedürfnisse angesetzt worden sein sollen, ist offen.

Angesichts der vom Senat vorgenommenen Kürzungen des der Klägerin zustehenden Mehrbedarf im Vergleich zu den an A seitens der Beklagten geleisteten Zahlungen dürfte diese Problematik für die Beklagte allerdings an Relevanz verloren haben.

7. Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz der Kosten für die ärztliche Bescheinigung vom 14.7.2004 in Höhe von 202,13 €. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu wird verwiesen (Bl. 689).

8. Dem Feststellungsanspruch hat das Landgericht zutreffend stattgegeben, hier mit der Maßgabe einer Beschränkung auf 7,5 Millionen € (674, 690), was von der Klägerin im Wege der Anschlussberufung nicht angegriffen worden ist, schon deshalb bezüglich der Haftungshöchstsumme einer Prüfung durch das Berufungsgericht entzogen war.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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