➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 24/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht:
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Oberlandesgericht: Verkehrsunfall verursachte lebensgefährliche Aortendissektion
- ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Welche Rolle spielen Vorerkrankungen bei der Beurteilung der Unfallkausalität einer Aortendissektion?
- Wie wird die Beweislast bei der Unfallkausalität einer Aortendissektion verteilt?
- Welche Bedeutung haben medizinische Gutachten bei der Klärung der Unfallkausalität einer Aortendissektion?
- Welche Entschädigungsansprüche können bei einer unfallbedingten Aortendissektion geltend gemacht werden?
- Kann eine Aortendissektion auch dann als unfallbedingt gelten, wenn sie erst Monate nach dem Unfall auftritt?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Der Fall befasst sich mit der Frage, ob eine Aortendissektion vom Typ Stanford A unfallbedingt ist.
- Im Zusammenhang steht ein Verkehrsunfall, bei dem die Haftung der Beklagten unstreitig ist.
- Die Schwierigkeit liegt in der komplexen Beweisführung, die medizinisches Expertenwissen erfordert.
- Das Gericht hat entschieden, dass die Aortendissektion auf den Unfall zurückzuführen ist.
- Die Entscheidung basiert auf Gutachten und detaillierter medizinischer Analyse.
- Die Auswirkungen sind, dass der Kläger Anspruch auf Entschädigung hat.
- Das Urteil dient als Orientierung für ähnlich gelagerte Rechtsstreitigkeiten.
Oberlandesgericht: Verkehrsunfall verursachte lebensgefährliche Aortendissektion
Verkehrsunfälle sind leider ein häufiges Phänomen in unserer Gesellschaft. Dabei können neben offensichtlichen Verletzungen auch schwerwiegendere medizinische Komplikationen auftreten, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Eine dieser Komplikationen ist die Aortendissektion vom Typ Stanford A. Dabei reißt die Hauptschlagader im oberen Bereich auf, was lebensbedrohliche Folgen haben kann.
In juristischen Auseinandersetzungen um Entschädigungsansprüche nach einem Verkehrsunfall ist es oft entscheidend, ob eine solche Aortendissektion tatsächlich unfallbedingt eingetreten ist oder andere Ursachen zugrunde liegen. Die Beweisführung in solchen Fällen kann komplex sein und erfordert medizinisches Expertenwissen.
Das folgende Gerichtsurteil gibt Aufschluss darüber, wie ein Gericht diese Frage beurteilt und welche Kriterien es bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt hat. Der Fall bietet damit wertvolle Orientierung für ähnlich gelagerte Rechtsstreitigkeiten.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
Verkehrsunfall mit schwerwiegenden Folgen
In einem Verkehrsunfall am 23.03.2016 kollidierte der Beklagte frontal mit seinem PKW auf den linken Hinterreifen des Traktors, den der Kläger führte. Durch den Aufprall mit einer Differenzgeschwindigkeit von 45-65 km/h wurde der Traktor erheblich beschädigt und der Kläger erlitt eine HWS-Distorsion. Der zu diesem Zeitpunkt stark übergewichtige Kläger mit Bluthochdruck wurde im Krankenhaus untersucht, wo aber keine schwerwiegenden Verletzungen festgestellt wurden.
Aortendissektion tritt Monate später auf
Monate nach dem Unfall, am 09.08.2016, erlitt der Kläger während der Arbeit eine ausgedehnte Aortendissektion vom Typ Stanford A. Diese wurde in einer Notoperation im Krankenhaus versorgt, wobei dem Kläger eine Rohrprothese der Aorta implantiert wurde. Im Anschluss war der Kläger längere Zeit in Reha und es wurde ihm eine Erwerbsminderungsrente bewilligt. Seine Nebenerwerbslandwirtschaft musste er aufgeben.
Streit um Kausalität zwischen Unfall und Dissektion
Zwischen den Parteien war strittig, ob die Aortendissektion ursächlich durch den Verkehrsunfall bedingt war. Der Kläger bejahte dies und verwies auf ein Gutachten. Die Beklagten bestritten einen Zusammenhang aufgrund des langen zeitlichen Abstands und fehlender Symptome dazwischen. Sie sahen die Ursache im jahrelangen Bluthochdruck des Klägers.
Oberlandesgericht bejaht Unfallkausalität
Das Oberlandesgericht folgte nach Einholung mehrerer Gutachten der Ansicht des Klägers. Die ergänzenden Erläuterungen des medizinischen Sachverständigen überzeugten das Gericht, dass der Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Aortendissektion war. Demnach reichten die unfallbedingten Beschleunigungskräfte aus, um Mikroverletzungen der Aorta zu verursachen, auch wenn dies bildgebend nicht sichtbar war. Auch der lange zeitliche Abstand und fehlende Symptome in der Zwischenzeit sprechen laut Gutachter nicht gegen die Unfallkausalität. Daher hat das Gericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese zum Ersatz sämtlicher unfallbedingter Schäden, einschließlich der Folgen der Aortendissektion, verurteilt.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil verdeutlicht, dass selbst bei fehlendem unmittelbarem zeitlichen und symptomatischen Zusammenhang ein Unfallereignis kausal für schwerwiegende Gesundheitsschäden sein kann. Entscheidend ist die Überzeugung des Gerichts anhand fundierter Sachverständigengutachten, dass der Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Folgeschäden war. Der Fall zeigt die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Kausalität unter Einbeziehung von medizinischem Expertenwissen, um eine gerechte Entscheidung über den Schadensersatzanspruch zu treffen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie nach einem Verkehrsunfall eine Aortendissektion erlitten haben, stärkt dieses Urteil Ihre Position. Das Gericht hat entschieden, dass auch ein zeitlicher Abstand zwischen Unfall und dem Auftreten der Dissektion nicht automatisch einen Zusammenhang ausschließt. Entscheidend ist die medizinische Beweisführung. Auch wenn Sie keine unmittelbaren Beschwerden nach dem Unfall hatten, können Sie möglicherweise Ansprüche geltend machen. Es ist wichtig, ärztliche Gutachten einzuholen, die den Zusammenhang zwischen Unfall und Aortendissektion belegen. Dieses Urteil zeigt, dass Gerichte bereit sind, auch komplexe medizinische Sachverhalte zu berücksichtigen und bei entsprechendem Nachweis die Unfallkausalität anzuerkennen.
Für Unfallverursacher bedeutet dieses Urteil eine erhöhte Verantwortung. Auch wenn keine offensichtlichen Verletzungen vorliegen, können Unfälle schwerwiegende Folgen haben, die erst später auftreten. Die Haftung erstreckt sich auf alle unfallbedingten Schäden, auch wenn diese erst Monate später manifest werden.
Unabhängig davon, ob Sie Opfer oder Verursacher eines Unfalls sind, ist es ratsam, sich nach einem Unfall rechtlich beraten zu lassen, um Ihre Rechte und Pflichten zu kennen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Unfallfolgen verstehen – Antworten auf Ihre Fragen
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- Welche Rolle spielen Vorerkrankungen bei der Beurteilung der Unfallkausalität einer Aortendissektion?
- Wie wird die Beweislast bei der Unfallkausalität einer Aortendissektion verteilt?
- Welche Bedeutung haben medizinische Gutachten bei der Klärung der Unfallkausalität einer Aortendissektion?
- Welche Entschädigungsansprüche können bei einer unfallbedingten Aortendissektion geltend gemacht werden?
- Kann eine Aortendissektion auch dann als unfallbedingt gelten, wenn sie erst Monate nach dem Unfall auftritt?
Welche Rolle spielen Vorerkrankungen bei der Beurteilung der Unfallkausalität einer Aortendissektion?
Eine Vorerkrankung wie Bluthochdruck kann die Beurteilung der Unfallkausalität bei einer Aortendissektion durchaus beeinflussen, ist aber nicht zwangsläufig entscheidend. Grundsätzlich muss das Gericht im Einzelfall prüfen, ob der Unfall wesentliche Ursache für die eingetretene Gesundheitsschädigung war.
Aortendissektionen vom Typ Stanford A sind lebensbedrohliche Einrisse in die Hauptschlagader, die meist durch plötzliche Belastungen ausgelöst werden. Bestand bereits eine Vorschädigung der Aortenwand durch langjährigen Bluthochdruck, kann dies die Wahrscheinlichkeit einer Dissektion erhöhen.
Allerdings muss das Gericht auch berücksichtigen, dass der Unfall selbst zu einer erheblichen Belastung und Erschütterung des Körpers geführt hat, die bei einem gesunden Menschen ebenfalls eine Aortendissektion auslösen könnte. Entscheidend ist, ob die Vorerkrankung allein zum Eintritt des Gesundheitsschadens geführt hätte oder ob der Unfall eine wesentliche Mitursache war.
Liegt ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Aortendissektion vor und war die Vorerkrankung nicht so schwerwiegend, dass sie allein zum Gesundheitsschaden geführt hätte, kann das Gericht die Aortendissektion trotz Vorerkrankung als unfallbedingt ansehen. Letztlich ist dies eine Frage der Umstände des Einzelfalls, die das Gericht sorgfältig zu prüfen hat.
Wie wird die Beweislast bei der Unfallkausalität einer Aortendissektion verteilt?
Bei der Frage nach der Beweislastverteilung bei der Unfallkausalität einer Aortendissektion kommt es entscheidend darauf an, ob der Unfall als Ursache für die Aortendissektion in Betracht kommt.
Grundsätzlich trägt derjenige, der sich auf einen Anspruch beruft, auch die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Das bedeutet, dass der Geschädigte im Falle einer Aortendissektion nach einem Unfall den Beweis führen muss, dass der Unfall ursächlich für die Aortendissektion war.
Allerdings kann sich die Beweislast unter bestimmten Voraussetzungen umkehren:
- Wenn der Unfall geeignet war, eine Aortendissektion zu verursachen und diese zeitnah eintrat, spricht eine tatsächliche Vermutung für den Kausalzusammenhang.
- Auch wenn der Unfall eine Vorstufe der Aortendissektion verschlimmert hat, kann eine Beweislastumkehr greifen.
In diesen Fällen muss der Unfallgegner beweisen, dass der Unfall nicht ursächlich war. Er kann dies z.B. durch den Nachweis einer anderen Ursache oder einer Vorschädigung widerlegen.
Insgesamt kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Je schwerer die Verletzung und je enger der zeitliche Zusammenhang zum Unfall, desto eher spricht eine tatsächliche Vermutung für die Unfallkausalität. Der Geschädigte muss aber stets Tatsachen vortragen, die eine solche Vermutung rechtfertigen.
Welche Bedeutung haben medizinische Gutachten bei der Klärung der Unfallkausalität einer Aortendissektion?
Medizinische Gutachten spielen eine entscheidende Rolle bei der Klärung der Unfallkausalität einer Aortendissektion. Gutachter müssen anhand der vorliegenden Befunde und Unterlagen beurteilen, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen Gesundheitsschädigung besteht.
Für die Beurteilung der Unfallkausalität sind folgende Aspekte relevant:
- Zeitlicher Zusammenhang: Wie lange nach dem Unfall trat die Aortendissektion auf? Ein zeitlich enger Zusammenhang erhöht die Wahrscheinlichkeit der Unfallbedingtheit.
- Plausibilität des Unfallhergangs: Kann der geschilderte Unfallhergang die eingetretenen Verletzungen erklären? Insbesondere bei Stürzen oder Verkehrsunfällen muss geprüft werden, ob die Aortendissektion durch die Gewalteinwirkung ausgelöst worden sein könnte.
- Vorbestehende Erkrankungen: Lag bereits vor dem Unfall eine Erkrankung der Aorta oder des Bindegewebes vor? Solche Vorschädigungen erhöhen das Risiko einer Aortendissektion und können die Unfallbedingtheit infrage stellen.
- Typische Symptomatik: Entspricht der Verlauf der Beschwerden und Komplikationen nach dem Unfall dem typischen Bild einer Aortendissektion? Gutachter müssen prüfen, ob die eingetretenen Gesundheitsschäden mit der Aortendissektion in Einklang stehen.
- Ausschluss anderer Ursachen: Gibt es Anhaltspunkte für andere mögliche Ursachen der Aortendissektion, etwa eine Vorerkrankung oder eine Überbeanspruchung unabhängig vom Unfall? Solche Alternativursachen müssen ausgeschlossen werden.
Anhand dieser Kriterien müssen Gutachter eine Gesamtschau vornehmen und beurteilen, ob der Unfall als wesentliche Ursache für die Aortendissektion anzusehen ist. Ihre Einschätzung ist für die rechtliche Beurteilung der Unfallkausalität von entscheidender Bedeutung.
Welche Entschädigungsansprüche können bei einer unfallbedingten Aortendissektion geltend gemacht werden?
Bei einer unfallbedingten Aortendissektion vom Typ Stanford A können folgende Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden:
- Verdienstausfall und Schmerzensgeld: Wenn die Aortendissektion zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führt, kann der Geschädigte Ersatz für entgangenen Arbeitslohn verlangen. Zudem kann ein Schmerzensgeldanspruch bestehen, dessen Höhe von der Schwere der Verletzungen und der Dauer der Heilbehandlung abhängt.
- Heilbehandlungskosten: Die Kosten für die medizinische Versorgung, einschließlich Krankenhausaufenthalt, Operationen und Reha-Maßnahmen, werden vom Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung erstattet.
- Haushaltsführungsschaden: Wenn der Geschädigte aufgrund der Verletzungen vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt zu führen, kann ein Ersatzanspruch für die Kosten einer Haushaltshilfe bestehen.
- Pflegekostenersatz: Sollte der Geschädigte infolge der Aortendissektion auf Pflege angewiesen sein, können die Mehrkosten für die Pflege vom Schädiger verlangt werden.
- Rentenleistungen: Bei bleibenden Gesundheitsschäden, die eine Erwerbsminderung zur Folge haben, kann eine Erwerbsminderungsrente beansprucht werden. Die Höhe richtet sich nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und dem Einkommen des Geschädigten vor dem Unfall.
- Unterhaltssicherung für Angehörige: Wenn der Geschädigte infolge der Aortendissektion verstirbt, haben Angehörige, die von ihm Unterhalt bezogen haben, Anspruch auf Ersatz des entgangenen Unterhalts.
Die Geltendmachung der Ansprüche setzt voraus, dass die Aortendissektion ursächlich auf den Unfall zurückzuführen ist. Hierfür müssen die Unfallbedingtheit medizinisch nachgewiesen und die Verletzungsfolgen juristisch als adäquat kausal eingestuft werden.
Kann eine Aortendissektion auch dann als unfallbedingt gelten, wenn sie erst Monate nach dem Unfall auftritt?
Eine Aortendissektion kann auch dann als unfallbedingt gelten, wenn sie erst Monate nach dem Unfall auftritt. Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls und der medizinische Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Aortendissektion.
In der Rechtsprechung wird anerkannt, dass eine Aortendissektion vom Typ Stanford A, die erstmals 4 Monate nach einem schweren Verkehrsunfall auftritt, durchaus unfallbedingt sein kann. Voraussetzung ist, dass ein medizinisch-naturwissenschaftlicher Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Aortendissektion besteht und die Dissektion als wesentliche Folge des Unfalls anzusehen ist.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Aortendissektion unmittelbar nach dem Unfall auftritt oder erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Entscheidend ist, dass die Dissektion durch den Unfall verursacht wurde und ohne den Unfall nicht eingetreten wäre. Auch wenn die Symptome erst später auftreten, kann die Dissektion dennoch unfallbedingt sein.
Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob es andere mögliche Ursachen für die Aortendissektion gibt, etwa Vorerkrankungen oder andere Ereignisse zwischen Unfall und Dissektion. Nur wenn der Unfall die wesentliche und entscheidende Ursache für die Aortendissektion war, kann diese als unfallbedingt anerkannt werden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 823 BGB – Schadensersatzpflicht: Der Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die durch unerlaubte Handlungen verursacht werden. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte fahrlässig einen Unfall verursacht, was den Anspruch des Klägers auf Schadensersatz begründet. Der Kläger kann daher Ersatz für die durch den Unfall entstandenen Schäden, einschließlich der Aortendissektion, verlangen.
- § 249 BGB – Art und Umfang des Schadensersatzes: Dieser Paragraph legt fest, dass der Schaden durch Naturalrestitution zu ersetzen ist oder durch Zahlung eines Geldbetrages, wenn die Herstellung unmöglich ist. Da der Kläger gesundheitliche Schäden erlitten hat, die nicht wiederhergestellt werden können, würde er eine finanzielle Entschädigung erhalten, um die Kosten für medizinische Behandlung und Erwerbsminderungsrente abzudecken.
- Verkehrsrechtliche Vorschriften bei Unfällen: Im Verkehrsrecht wird die Haftung und der Ablauf von Verfahren nach Verkehrsunfällen geregelt. Hierzu gehören die Meldepflicht bei der Polizei und Versicherung, die Klärung der Schuldfrage und die Feststellung des Schadensumfangs. Diese Vorschriften sorgen dafür, dass die Haftung des Beklagten festgestellt wird und der Kläger entsprechend entschädigt wird.
- Anerkennung medizinischer Gutachten in Gerichtsverfahren: Medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der Kausalität zwischen Unfall und gesundheitlichen Schäden. Diese Gutachten sind entscheidend, um zu bestimmen, ob die Aortendissektion tatsächlich durch den Unfall verursacht wurde, wie vom Gericht bestätigt. Dadurch konnte der Kläger die Unfallbedingtheit seiner Verletzungen nachweisen.
- Beweislast und Beweiserleichterungen: Der Kläger trägt die Beweislast dafür, dass die Aortendissektion eine Folge des Unfalls ist. Dabei kommen ihm Beweiserleichterungen zugute, insbesondere, wenn medizinische Gutachten eindeutig auf Zusammenhänge hinweisen. Dies hilft dem Kläger, seine Ansprüche durchzusetzen.
- ZPO – Zivilprozessordnung, insbesondere Berufungsverfahren (§§ 511 ff.): Die ZPO regelt den Ablauf von Zivilprozessen, einschließlich Berufungsverfahren. Im vorliegenden Fall wurde die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts abgewiesen. Die ZPO sorgt dafür, dass der Kläger ein rechtskräftiges Urteil zur Durchsetzung seiner Ansprüche erhält.
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Das VVG regelt die Beziehungen zwischen Versicherern und Versicherten. Der Beklagte zu 1. war über die Beklagte zu 2. haftpflichtversichert, weshalb die Versicherung für den Schaden des Klägers aufkommen muss. Dies stellt sicher, dass der geschädigte Kläger eine verlässliche Quelle zur Kompensation seiner Schäden hat.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 24/22 – Urteil vom 11.10.2022
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 07.01.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieser Entscheidung vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Folgen eines Verkehrsunfalles vom 23.03.2016, wobei die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist.
Der am 03.12.1975 geborene Kläger ist gelernter Landwirt, wobei er zum Unfallzeitpunkt seine Landwirtschaft nur noch im Nebenerwerb betrieb. Hauptberuflich war er für die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein als Versuchstechniker tätig. In dieser Eigenschaft führte er am Unfalltage gegen 16:50 Uhr einen Traktor John Deere 5090M, amtl. Kennzeichen: RD-…, auf der L 165 (Fahrtrichtung Kiel/B 502). Auf Höhe der Ortschaft Stakendorf kollidierte der Beklagte zu 1. mit seinem bei der Beklagten zu 2. gegen Haftpflichtschäden versicherten Fahrzeug (Pkw Hyundai i20, amtl. Kennzeichen: PLÖ-…), mit dem vom Kläger geführten Traktor. Der Beklagte zu 1. fuhr frontal mit seinem Fahrzeug auf den linken Hinterreifen des Traktors auf. Der vom Kläger geführte Traktor wurde dadurch erheblich beschädigt – Reparaturkosten rund 21.000,00 € brutto (Rechnung, Bl. 9 ff. d. A.); der Pkw des Beklagten zu 1. brannte nach der Kollision auf einem rechts der Fahrbahn gelegenen Feld aus.
Nach den zweitinstanzlich unstreitigen Feststellungen aus dem vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen B. E. W. vom 12.08.2021 (Bl. 205 ff. d. A.) betrug die Geschwindigkeit des Traktors zum Unfallzeitpunkt 33 – 46 km/h, die Aufprallgeschwindigkeit des Pkw des Beklagten zu 1. 78 – 111 km/h, die Differenzgeschwindigkeit mithin 45 – 65 km/h. Für den Traktor ergab sich durch den Aufprall eine Geschwindigkeitsänderung (Beschleunigung) von 9 – 15 km/h (entsprechend 1,7 – 4,3 g).
Der zum Unfallzeitpunkt stark übergewichtige Kläger (ca. 117 kg bei einer Größe von 1,78 m), der zudem seit seinem 35. Lebensjahr unter Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) litt, wurde nach dem Unfall in das UKSH (Standort Kiel) eingeliefert, wo er Schmerzen der HWS und der BWS angab. Ein vorsorglich durchgeführtes CT von Schädel, HWS, Thorax und Abdomen zeigte keine Traumafolgen. Der Kläger verließ auf eigenen Wunsch das Krankenhaus noch am selben Tage; mit der Diagnose „HWS-Distorsion“ wurde der Kläger am 24.03.2016 durch das MVZ Kiel (Bl. 14 d. A.) für einen Monat arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit wurden beim Kläger wegen unter körperlicher Belastung auftretender Beschwerden im Brustkorbbereich am 04.07.2016 ein Ruhe-EKG und am 19.07.2016 ein Belastungs-EKG durchgeführt, beides ohne Auffälligkeiten.
Am 09.08.2016 erlitt der Kläger während seiner Arbeit eine ausgedehnte Dissektion der Aorta vom Typ Stanford A, die im Rahmen einer Notfall-Operation im UKSH (Standort Lübeck) versorgt wurde. Dabei wurden dem Kläger u.a. eine Rohrprothese der Aorta ascendens und des Aortenbogens implantiert, zudem ein Stent im Bereich der Aorta descendens gesetzt. Im Anschluss an den stationären Krankenhausaufenthalt befand sich der Kläger vom 21.08. – 11.10.2018 zur Reha in der Ostseeklinik Schönberg/Holm, wobei ihm zwischenzeitlich am 19.09.2016 im UKSH (Standort Kiel) ein Herzschrittmacher implantiert wurde. Dem Kläger wurde eine GdB von 50 % zuerkannt. Mit Bescheid vom 03.05.2019 (Anlage K 6, Bl. 47 ff. d. A.) wurde ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt, dies mittlerweile bis Februar 2023. Seine Nebenerwerbslandwirtschaft hat der Kläger Anfang 2017 aufgegeben und den ca. 20 ha großen Betrieb verpachtet.
Die Beklagte zu 2. hat vorgerichtlich im Hinblick auf die HWS-Distorsion an den Kläger ein Schmerzensgeld von 1.000,00 € gezahlt, zudem materiellen Schadenersatz für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit vom 24.03. – 24.04.2016 – bezogen auf die Nebenerwerbslandwirtschaft des Klägers – geleistet.
Mit einer Klage vor dem Sozialgericht Kiel (Az.: S 3 U 73/18), gerichtet auf Anerkennung der Aortendissektion als Arbeitsunfall, ist der Kläger erstinstanzlich gescheitert. Die Berufung gegen diese erstinstanzliche Entscheidung ist beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht anhängig (Az.: L 8 U 10002/21). In dem sozialgerichtlichen Verfahren ist ein orthopädisch-chirurgisches Gutachten des Sachverständigen PD Dr. L. B. vom 08.02.2021 eingeholt worden.
Der Kläger hat behauptet, die Aortendissektion sei Folge des Auffahrunfalles vom 23.03.2016. Er sei dabei mit Oberkörper und Becken gegen das Lenkrad des Traktors geschleudert worden. Diesen Ursachenzusammenhang habe auch der Sachverständige Dr. K. in seinem für die Ostangler Versicherungen (Unfallversicherer des Klägers) erstellten Gutachten vom 09.03.2018 (Anlage K 5, Bl. 28 ff. d. A.) bestätigt.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagten ihm gesamtschuldnerisch zum Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis mit dem Beklagten vom 23.03.2016 gegen 16:50 Uhr auf der B 502 Höhe Stakendorf verpflichtet sind sowie festzustellen, dass die Aortendissektion vom 09.08.2016 durch das Unfallereignis mit dem Beklagten vom 23.03.2016 gegen 16:50 Uhr auf der B 502 Höhe Stakendorf hervorgerufen wurde.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben einen Kausalzusammenhang zwischen dem Auffahrunfall und der Aortendissektion bestritten, dies insbesondere unter Hinweis auf den zeitlichen Abstand zwischen beiden Ereignissen und fehlender Brückensymptome. Ursache der Dissektion sei vielmehr der jahrelange Bluthochdruck des Klägers.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme (Einholung eines unfallanalytischen sowie eines kardiologischen Sachverständigengutachtens) vollen Umfanges stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das schriftliche unfallanalytische Sachverständigengutachten lasse ein mechanisches Unfalltrauma des Klägers als plausibel erscheinen. Aufgrund des medizinischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. C. sei ein Ursachenzusammenhang zwischen Unfall und Aortendissektion sogar wahrscheinlich, andere Ursachen eher unwahrscheinlich.
Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung.
Sie rügen das Gutachten des Sachverständigen Prof. C. als inhaltlich nicht ausreichend. Zudem fehle es an Feststellungen und objektiven Befunden für eine hinreichende Traumatisierung des Klägers durch den Unfall. Weiterhin verweisen die Beklagten auf das oben genannte sozialgerichtliche Verfahren des Klägers, in dem gerade ein Ursachenzusammenhang zwischen Unfall und Aortendissektion nicht habe festgestellt werden können.
Die Beklagten beantragen, unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger trägt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils auf Zurückweisung der Berufung an.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat ergänzend den Kläger persönlich angehört; darüber hinaus ist Beweis erhoben worden durch Anhörung des Sachverständigen Prof. C. zur Erläuterung seines erstinstanzlichen schriftlichen Gutachtens. Wegen des Inhalts der persönlichen Anhörung sowie der ergänzenden Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.09.2022 nebst Anlagen (Bl. 322 – 328 d. A.) verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht nämlich der umfassenden Feststellungsklage des Klägers stattgegeben.
1.
Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO daran, nicht nur die generelle Schadenersatzverpflichtung der Beklagten aus §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG aufgrund des Unfallereignisses vom 23.03.2016 feststellen zu lassen, sondern, da gerade dieser Punkt zwischen den Parteien hoch streitig ist, die Verursachung der Aortendissektion durch diesen Unfall. Da – jedenfalls insoweit – die Schadenentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, ist eine Klage auf Leistung (noch) nicht möglich, betrachtet man alleine die ungewisse Entwicklung hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers.
2.
Während die Beklagten ihre grundsätzliche volle Einstandspflicht für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalles nicht in Abrede genommen haben, ist der Senat hinsichtlich der streitigen Frage der Kausalität von Unfall und Aortendissektion im Sinne von § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Unfall vom 23.03.2016 ursächlich für die beim Kläger am 09.08.2016 aufgetretene Aortendissektion – und deren Folgen – ist.
Da die unfallbedingte Schädigung der Aorta des Klägers mit der Folge einer Aortendissektion kein Folgeschaden der unstreitig unfallbedingten HWS-Distorsion ist, sondern eine selbstständige Primärverletzung darstellt, reicht es zur Überzeugungsbildung weder aus, dass die Unfallbedingtheit „überwiegend wahrscheinlich“ oder auch nur „wahrscheinlich“ ist. Vielmehr bedarf es des subjektiven Überzeugtseins von der objektiven Wahrheit der bestrittenen Behauptung bzw. der behaupteten Kausalität.
Insoweit hat es den Anschein, dass das Landgericht in dem angefochtenen Urteil den anzulegenden Beweismaßstab verkannt hat, wenn es auf die bloße Plausibilität bzw. die Wahrscheinlichkeit abstellt; dies sind Kriterien im Rahmen von § 287 ZPO.
Der Senat indes ist aufgrund der ergänzenden Erläuterungen des Sachverständigen Prof. C. im dargestellten Sinne „überzeugt“ von der Wahrheit der klägerischen Behauptung.
Der Sachverständige Prof. C. ist in ganz besonderem Maße geeignet, die hier in Rede stehende Problematik zu begutachten. Er ist nicht nur Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am UKSH (Standort Kiel) und überwiegend auch in der Herz- und Gefäßchirurgie tätig, sondern er ist zugleich Facharzt für Chirurgie, Thorax- und Kardiovaskularchirurgie und Intensivmediziner. Der Sachverständige Prof. C. kann damit ohne weiteres als „die“ Kapazität im Bereich der Herz- und Gefäßchirurgie in Schleswig-Holstein bezeichnet werden.
In der mündlichen Erläuterung seines erstinstanzlichen schriftlichen Sachverständigengutachtens hat sich der Sachverständige intensiv und fundiert mit den Ausführungen des im Sozialgerichtsverfahren tätigen Sachverständigen Dr. B. (Gutachten vom 08.02.2021/AT Bd. III) auseinandergesetzt. Die maßgeblichen Punkte, die nach Auffassung des Gutachtens Dr. B. gegen eine traumatische Schädigung der Aorta durch das Unfallgeschehen sprechen, hat der Sachverständige Prof. C. zur Überzeugung des Senats widerlegt.
So ist es ohne Aussagekraft, dass in dem nach dem Unfall beim Kläger durchgeführten CT keine Verletzungen der Aorta und auch keine Einblutungen im Brustraum festgestellt wurden. Mikroverletzungen, hervorgerufen durch den vom Sachverständigen dargestellten „Wasserhammereffekt“ (Flüssigkeitsbeschleunigung), seien in einem CT nicht darstellbar, möglicherweise wären sie in einem MRT sichtbar gewesen, wobei seinerzeit für die Durchführung eines MRT aber keine Indikation bestanden habe. Das CT zeige aber, dass sich die Aorta des Klägers norm- und altersgerecht dargestellt habe, insbesondere seien keine Veränderungen durch den Bluthochdruck festgestellt worden.
Zur Einwirkung auf die Struktur der Aorta bedürfe es keiner direkten Krafteinwendung, was auch fast nicht möglich sei. Es reichten vielmehr Kräfte, die im Brustraum weitergereicht würden; das hier auch nach Ansicht des Gutachtens Dr. B. vorliegende Hochrasanztrauma sei zu einer traumabedingten Flüssigkeitsbeschleunigung (“Wasserhammereffekt“) geeignet mit der Folge, Mikroverletzungen der Aorta hervorzurufen.
Herzbeschwerden des Klägers hätten auch nicht binnen 24 Stunden nach dem Verkehrsunfall auftreten müssen, vielmehr fänden sich sowohl in der Praxis als auch in der Literatur Fälle, in denen Aortenverletzungen erst nach längeren symptomfreien Intervallen aufgetreten seien. In der Literatur seien solche Intervalle auch von 6 Wochen oder etwas mehr beschrieben, wobei ein Intervall von mehr als 4 Monaten – wie hier – zwar als eher selten zu bezeichnen sei. Andererseits fänden sich bei Operationen Veränderungen absteigender Aorten – wie hier -, die sich als Aneurysmen oder Dissektionen darstellen, wobei dokumentiert sei, dass Verletzungen stattgefunden hätten, die Jahre zurückgelegen hätten und sich dann erst deutlich später ausgewirkt hätten. Im Übrigen habe der Kläger auch über Beschwerden geklagt, auch wenn diese unspezifisch gewesen seien. Dass die daraufhin durchgeführten EKG’s unauffällig gewesen seien, sage im Hinblick auf die Aortendissektion nichts aus. Bei der A-Dissektion – wie hier – seien EKG-Veränderungen normalerweise gar nicht erwartbar, wobei ein EKG ohnehin nur Herzströme ableite, allenfalls im Belastungs-EKG konnten möglicherweise Minderdurchblutungen des Herzmuskels feststellbar sein. Letztlich sprechen auch die pathologischen Befunde der Aorta des Klägers nicht dagegen, dass die Aortenwand bereits unfallbedingt beschädigt wurde. Die Dissektion als solche sei ja unstrittig „frisch“ gewesen. Indes sei durch die vorangegangene Läsion die Vulnerabilität (Verletzlichkeit) der Aortenwand erhöht gewesen, was dann nach Auffassung des Sachverständigen Prof. C. letztlich zu der Dissektion geführt habe. Anders herum zeige der pathologische Befund, dass bluthochdruckspezifische Veränderungen an der Aortenwand nicht vorgelegen hätten, was ebenfalls dafür spreche, dass die Dissektion letztlich durch den Unfall verursacht worden sei. Wenn nämlich eine Dissektion auf einen Hypertonus zurückzuführen sei, fänden sich üblicherweise Bluthochdruckspezifische Veränderungen der Aortenwand.
Für die Kausalität spreche letztlich auch die Lokalisation, nämlich der Umstand, dass die Prädilektionsstelle exakt am „Isthmus aortae“ lag. Dort fänden sich 90 % aller Aortenwandverletzungen bei einem Dezelerationstrauma.
Im Ergebnis bleibe er bei dem, was er bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt habe, das er einen Zusammenhang zwischen Unfall und Dissektion sehe. Es bestehe aus medizinischer Sicht retrospektiv eine hohe Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs, aber mangels entsprechender Feststellungen unmittelbar nach dem Unfall eben keine absolute Sicherheit im medizinischen Sinne.
Diesen nachvollziehbaren, wissenschaftlich fundierten Ausführungen des Sachverständigen Prof. C. schließt sich der Senat nach Prüfung an. Ebenso wenig wie es auf Tatsachenebene keine absolute Sicherheit im medizinischen Sinne gibt, bedarf es im Rahmen der Beweiswürdigung nicht absoluter Gewissheit, vielmehr reicht die subjektive Überzeugung des Gerichts, die hier dem Gericht durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. C. vermittelt worden ist.
Das Vorliegen eines sog. Hochrasanztraumas ergibt sich aus dem bereits erstinstanzlich eingeholten unfallanalytischen Gutachten des Sachverständigen B. Eng. Wendtland, der im Rahmen der von ihm durchgeführten Versuche mit dem seinerzeit vom Kläger geführten Traktor eine unfallbedingte Bewegung des Körpers des Klägers nach vorn in Richtung des Lenkrades bestätigt hat. Der luftgefederte Traktorensitz befand sich zum Unfallzeitpunkt in der sog. Schwimmstellung, d. h. durch den Heckaufprall schleuderte der Sitz erst nach hinten und dann nach vorn.
Die Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalles vom 23.03.2016 umfasst danach auch die Folgen – materiell und immateriell – der vom Kläger am 09.08.2016 erlittenen Aortendissektion.
Die mit der Berufungszurückweisung verbundenen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, die Entscheidung ist geprägt von den Besonderheiten des Einzelfalles.