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Verkehrsunfall – unklare Verkehrslage und doppelte Rückschaupflicht

Ein riskantes Überholmanöver und ein missachteter Schulterblick führten 2019 in H. zu einem folgenschweren Zusammenstoß zwischen einem Auto und einem Motorrad. Das Landgericht Passau musste nun die Schuldfrage klären und entschied in einem spannenden Urteil, dass beide Fahrer für den Unfall verantwortlich sind. Der Autofahrer, der zum Unfallzeitpunkt abbiegen wollte, muss 60 Prozent des Schadens tragen, während der Motorradfahrer für 40 Prozent aufkommen muss.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Passau
  • Datum: 26.03.2021
  • Aktenzeichen: 3 O 969/19
  • Verfahrensart: Zivilprozess wegen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall
  • Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Halter und Eigentümer eines Pkws, der bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. Er machte geltend, dass der Unfall unvermeidbar gewesen sei und die Beklagten für den Schaden aufkommen müssten. Er forderte Schadensersatz für Reparaturkosten, Nutzungsausfall, Minderwert sowie Vorgerichtliche Anwaltskosten.
  • Beklagter zu 1): Fahrer eines bei einem Unfall beteiligten Motorrads, der versuchte, den Kläger zu überholen. Er argumentierte, dass er das Wendemanöver des Klägers beobachtet habe und sein Verhalten nicht vorhersehbar gewesen sei.
  • Beklagte zu 2): Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1), die teilweise bereits Zahlungen an den Kläger leistete, jedoch auf Basis einer geringeren Haftungsquote.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Kläger forderte Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14.09.2019. Er war Eigentümer eines Pkw, der bei der Kollision mit dem Motorrad des Beklagten zu 1) beschädigt wurde. Der Unfall ereignete sich, als der Kläger auf einen Parkplatz einfahren wollte und vom Motorrad des Beklagten überholt wurde.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Hauptfrage war die Verantwortlichkeit für den Unfall und die anteilige Haftungsverteilung zwischen den Parteien. Der Kläger behauptete, sein Fahrverhalten sei ordnungsgemäß gewesen, während der Beklagte zu 1) dem Kläger eine fehlende Rücksichtnahme vorwarf.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Beklagten wurden verurteilt, an den Kläger 40% des eingeklagten Schadens zu zahlen. Der Kläger konnte seine vollständige Forderung nicht durchsetzen, da eine Teilschuld an dem Unfall festgestellt wurde.
  • Begründung: Das Gericht befand, dass der Kläger gegen seine Rückschaupflicht verstoßen habe, und erkannte ihm daher nur 40% des geforderten Schadens zu. Die Verkehrslage war als unklar eingestuft, und dem Beklagten zu 1) wurde ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorgeworfen.
  • Folgen: Der Kläger erhielt Schadensersatz in Höhe von 40% seiner geltend gemachten Ansprüche. Der Versicherer kam für den Anteil der Schäden auf, der im Urteil festgelegt wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden anteilig zwischen Kläger und Beklagten aufgeteilt.

Verkehrsunfallanalyse: Rechte, Pflichten und Haftung im Fokus eines Falls

Verkehrsunfälle sind häufig das Ergebnis von unklaren Verkehrslagen, in denen die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer auf dem Spiel steht. Besonders wichtig ist dabei die Doppelte Rückschaupflicht: Fahrer müssen nicht nur auf den Verkehr vor ihnen achten, sondern auch auf mögliche Gefahren, die von hinten oder zur Seite kommen. Ein fahrlässiges Fahrverhalten kann schnell zu einer Unfallursache werden und schwierige Haftungsfragen aufwerfen, die sowohl rechtliche als auch versicherungstechnische Folgen haben.

Um die Rechtslage bei Unfällen besser zu verstehen, sind eine gründliche Verkehrsunfallanalyse und eine umfassende Bilddokumentation entscheidend. Auch Zeugenbefragungen können wertvolle Informationen liefern, um die Umstände der Straßensituation genau zu erfassen. Nun folgt eine konkrete Betrachtung eines Falls, der diese Aspekte beleuchtet und die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Mittelpunkt hat.

Der Fall vor Gericht


Kollision beim Abbiegen: Gericht klärt Haftungsfrage

Motorradfahrer überholt Ford-Pkw auf einer zweispurigen Straße.
(Symbolfoto: Flux gen.)

Ein Verkehrsunfall in H. aus dem Jahr 2019, bei dem ein Pkw und ein Motorrad aufeinandertrafen, führte zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Der Fall wurde vor dem Landgericht Passau (Az.: 3 O 969/19) verhandelt und mit einem Urteil am 26. März 2021 abgeschlossen. Die Klage drehte sich um Schadensersatzforderungen des Pkw-Halters, dessen Fahrzeug erheblich beschädigt wurde.

Der Sachverhalt

Am 14. September 2019 ereignete sich der Unfall auf der V. Straße in H. Der Kläger, Eigentümer eines Ford-Pkws, beabsichtigte, auf einer Rasenfläche nahe eines Fußballplatzes zu parken, da andere Parkplätze belegt waren. Um die Rasenfläche zu erreichen, wendete er in einem angrenzenden Industriegebiet und kehrte auf die V. Straße zurück. Dort bog er nach links ab, als er mit dem Motorrad des Beklagten zu 1), versichert bei der Beklagten zu 2), kollidierte. Der Beklagte hatte zuvor zum Überholen angesetzt, als der Kläger nach links abbog.

Der Kläger argumentierte, er habe seine Abbiegeabsicht frühzeitig durch Blinken signalisiert und sei auf seiner Fahrbahnhälfte geblieben. Der Beklagte sei mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Dagegen behauptete der Beklagte zu 1), der Kläger habe unerwartet und ohne ausreichenden Schulterblick abgebogen, obwohl der Überholvorgang bereits im Gange war.

Rechtliche Fragen und gerichtliche Entscheidung

Zentrale Fragen des Verfahrens waren, ob der Beklagte zu 1) trotz einer unklaren Verkehrslage überholt hatte und ob der Kläger seiner doppelten Rückschaupflicht vor dem Abbiegen nachgekommen war. Das Gericht stellte fest, dass beide Parteien eine Teilschuld trugen, und entschied auf eine Haftungsverteilung von 60 % für den Kläger und 40 % für die Beklagten.

Begründung der Haftungsverteilung

Das Gericht berücksichtigte mehrere Aspekte bei seiner Entscheidung. Der Kläger habe gegen seine Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 StVO verstoßen, indem er vor dem Abbiegen nicht ausreichend den rückwärtigen Verkehr geprüft habe. Ein Sachverständigengutachten bestätigte, dass der Kläger den Motorradfahrer hätte sehen können, wenn er den Spiegel und den Schulterblick korrekt genutzt hätte. Somit hätte der Unfall durch Zurückstellen des Abbiegevorgangs vermieden werden können.

Auf Seiten des Beklagten wurde festgestellt, dass er gegen das Überholverbot bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen hatte. Die stark verlangsamte Geschwindigkeit des Klägers und die Nähe zur Einfahrt des Parkplatzes hätten auf eine Abbiegeabsicht hingedeutet, was das Überholen riskant und unangemessen machte.

Konsequenzen und Schadensersatzansprüche

Der Kläger erhielt 40 % seines Gesamtschadens von 8.184,37 Euro zugesprochen, was 3.273,75 Euro entspricht. Nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen blieb ein Restbetrag von 517,80 Euro. Auch die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde anteilig zugesprochen, wobei weitere 78,89 Euro fällig wurden.

Zudem stellte das Gericht fest, dass die Beklagten verpflichtet sind, zukünftige Schäden des Klägers, die aus dem Unfall resultieren, ebenfalls zu 40 % zu übernehmen. Hinsichtlich der Reparaturkosten musste sich der Kläger auf günstigere Referenzwerkstätten verweisen lassen, da diese qualitativ gleichwertige Reparaturen zu niedrigeren Preisen anbieten konnten.

Kostenverteilung und Vollstreckbarkeit

Die Prozesskosten wurden entsprechend der Haftungsverteilung zwischen den Parteien aufgeteilt, wobei der Kläger 88 % und die Beklagten 12 % der Kosten zu tragen hatten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei beide Parteien eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten müssen, um eine Vollstreckung abzuwenden.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Gericht entschied, dass bei einem Verkehrsunfall während eines Überholvorgangs beide Parteien eine Mitschuld tragen können. Der Motorradfahrer hätte wegen der unklaren Verkehrslage nicht überholen dürfen, während der Autofahrer seine Rückschaupflicht beim Linksabbiegen verletzte. Die Haftung wurde mit 60% beim Autofahrer und 40% beim Motorradfahrer festgelegt. Für die Reparaturkosten muss sich der Geschädigte auf günstigere Werkstätten verweisen lassen, wenn diese qualitativ gleichwertig arbeiten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie in einen Unfall beim Abbiegen oder Überholen verwickelt werden, müssen Sie mit einer geteilten Haftung rechnen. Als Abbiegender müssen Sie sich unbedingt vergewissern, dass kein Fahrzeug überholt – auch wenn Sie bereits geblinkt haben. Als Überholender dürfen Sie bei verlangsamter Fahrt des Vorausfahrenden und möglichen Abbiegesituationen nicht überholen. Bei der Schadensregulierung können Sie zur Reparatur in einer günstigeren Werkstatt verpflichtet werden, solange diese gleichwertige Qualität bietet. Die Versicherung muss Ihnen aber nur die tatsächlich erforderliche Reparaturdauer ersetzen, nicht die komplette Zeit bis zur endgültigen Reparatur. Auch eine pauschale Aufwandsentschädigung gibt es nur in begrenzter Höhe von 25€.


Benötigen Sie Hilfe?

Die komplexe Rechtslage bei Verkehrsunfällen mit geteilter Haftung erfordert eine sorgfältige Prüfung Ihrer individuellen Situation. Unsere erfahrenen Anwälte analysieren die Details Ihres Unfallhergangs und setzen sich für eine angemessene Schadensregulierung ein. In einem persönlichen Gespräch können wir gemeinsam klären, welche Ansprüche Ihnen konkret zustehen und wie wir diese bestmöglich durchsetzen. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer haftet bei einem Unfall während eines Überholvorgangs?

Die Haftung bei einem Überholunfall richtet sich nach dem Grad des Verschuldens der beteiligten Verkehrsteilnehmer. Bei einem Überholunfall tragen in der Regel beide Parteien eine Mitverantwortung, wobei die Haftungsquoten je nach Situation unterschiedlich verteilt werden.

Pflichten des Überholenden

Der überholende Fahrer muss sich vergewissern, dass während des gesamten Überholvorgangs keine Gefährdung des Verkehrs entsteht. Ein Überholmanöver ist nur zulässig, wenn die komplette Überholstrecke eingesehen werden kann und der Überholende wesentlich schneller fährt als der zu Überholende. Verstößt der Überholende gegen diese Pflichten, kann dies zu einer überwiegenden oder vollständigen Haftung führen.

Pflichten des Überholten

Wenn Sie überholt werden, dürfen Sie Ihre Geschwindigkeit nicht erhöhen. Als Überholter tragen Sie eine Mitverantwortung für einen sicheren Überholvorgang und müssen das Rechtsfahrgebot beachten. Bei einem Abbiegevorgang während eines Überholvorgangs trifft Sie als Abbiegenden die doppelte Rückschaupflicht. Dies bedeutet, Sie müssen sowohl beim Vorbereiten des Abbiegens als auch unmittelbar vor dem Einschlagen des Lenkrads den rückwärtigen Verkehr beobachten.

Haftungsverteilung in typischen Fällen

Die Verteilung der Haftung orientiert sich an konkreten Verkehrsverstößen. Bei einer Verletzung der Rückschaupflicht durch einen Linksabbieger wird häufig eine Haftungsquote von zwei Dritteln zu seinen Lasten angenommen. Überholt ein Fahrer trotz unklarer Verkehrslage, kann die Haftung zu gleichen Teilen (50:50) verteilt werden. In besonderen Fällen, etwa bei einem Überholverbot, kann der Überholende auch die alleinige Haftung tragen.

Ausnahmen von der Standardhaftung

In bestimmten Situationen können die üblichen Haftungsregeln durchbrochen werden. Wenn ein Überholen aus technischen Gründen nicht möglich oder besonders verkehrswidrig ist, kann der Überholte von seiner Sorgfaltspflicht teilweise befreit sein. Dies gilt beispielsweise bei einem deutlich ausgeschilderten Überholverbot oder wenn die Verkehrssituation ein Überholen objektiv ausschließt.


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Welche Sorgfaltspflichten muss ich beim Linksabbiegen beachten?

Beim Linksabbiegen müssen Sie besondere Sorgfaltspflichten beachten, um Unfälle zu vermeiden und Ihre Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Die wichtigsten Pflichten sind:

Rechtzeitiges und deutliches Blinken

Setzen Sie den linken Blinker frühzeitig, bevor Sie mit dem Abbiegevorgang beginnen. Dies signalisiert anderen Verkehrsteilnehmern Ihre Absicht und gibt ihnen Zeit, darauf zu reagieren.

Einordnen zur Fahrbahnmitte

Ordnen Sie sich rechtzeitig zur Mitte der Fahrbahn ein. Dies ist besonders wichtig, da es Ihre Abbiegeabsicht für andere Verkehrsteilnehmer erkennbar macht und Ihnen eine bessere Übersicht verschafft.

Doppelte Rückschaupflicht

Die doppelte Rückschaupflicht ist eine der wichtigsten Sorgfaltspflichten beim Linksabbiegen. Sie müssen zweimal nach hinten schauen:

  1. Vor dem Einordnen zur Fahrbahnmitte
  2. Unmittelbar vor dem Abbiegen

Nutzen Sie dafür den Innen- und Außenspiegel sowie einen Schulterblick. Diese Maßnahme dient dazu, überholende oder sich von hinten nähernde Fahrzeuge rechtzeitig zu erkennen.

Geschwindigkeit anpassen

Reduzieren Sie Ihre Geschwindigkeit angemessen vor und während des Abbiegevorgangs. Dies erhöht Ihre Reaktionsfähigkeit und minimiert das Unfallrisiko.

Beachtung des Gegenverkehrs

Achten Sie besonders auf den Gegenverkehr und gewähren Sie diesem Vorrang. Warten Sie, bis die Fahrbahn frei ist und Sie gefahrlos abbiegen können.

Besondere Aufmerksamkeit in unklaren Situationen

Wenn die Verkehrslage unklar ist, etwa weil die Sicht eingeschränkt ist oder andere Verkehrsteilnehmer sich ungewöhnlich verhalten, erhöhen Sie Ihre Vorsicht. In solchen Fällen ist es ratsam, lieber einmal mehr zu schauen oder zu warten.

Beachten Sie, dass die Missachtung dieser Sorgfaltspflichten schwerwiegende Folgen haben kann. Bei einem Unfall zwischen einem Linksabbieger und einem überholenden Fahrzeug wird oft ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Linksabbiegers angenommen. Das bedeutet, dass Sie als Linksabbieger im Zweifel die Hauptschuld am Unfall tragen, wenn Sie nicht nachweisen können, dass Sie alle Sorgfaltspflichten beachtet haben.

Durch die konsequente Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten erhöhen Sie nicht nur Ihre eigene Sicherheit, sondern auch die aller anderen Verkehrsteilnehmer. Denken Sie daran: Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit beim Linksabbiegen kann schwerwiegende Folgen haben.


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Wie wird der Schadenersatz bei geteilter Schuld berechnet?

Die Berechnung des Schadenersatzes bei geteilter Schuld erfolgt nach dem Prinzip der Haftungsquoten, die sich aus dem Grad des jeweiligen Mitverschuldens ergeben. Nach § 254 BGB hängt die Verpflichtung zum Ersatz von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist.

Grundprinzip der Schadensberechnung

Wenn Sie in einen Unfall mit geteilter Schuld verwickelt sind, erfolgt die Schadensregulierung nach dem Quotenprinzip. Ihre Versicherung übernimmt den Anteil des gegnerischen Schadens, der Ihrer Schuld entspricht. Im Gegenzug zahlt die gegnerische Versicherung den Teil Ihres Schadens, der dem Verschulden des anderen Unfallbeteiligten entspricht.

Praktische Berechnung

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einen Unfall verwickelt, bei dem Sie zu 30 Prozent schuld sind. In diesem Fall:

  • Ihre Versicherung zahlt 30 Prozent des gegnerischen Schadens
  • Die gegnerische Versicherung übernimmt 70 Prozent Ihres Schadens

Besonderheiten bei der Schadensregulierung

Der merkantile Minderwert Ihres Fahrzeugs wird ebenfalls entsprechend der Haftungsquote ersetzt. Bei der Schadensberechnung werden alle unfallbedingten Kosten berücksichtigt, einschließlich:

  • Reparaturkosten
  • Gutachterkosten
  • Nutzungsausfall
  • Unfallpauschale

Die endgültige Festlegung der Haftungsquoten erfolgt durch Gutachter, Versicherungen oder im Streitfall durch ein Gericht. Dabei werden die jeweiligen Verkehrsverstöße und deren Schwere gegeneinander abgewogen.


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Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten bei der Schuldfrage?

Ein Sachverständigengutachten dient als objektives Beweismittel zur Aufklärung des Unfallhergangs und kann maßgeblich zur Klärung der Schuldfrage beitragen.

Technische Rekonstruktion und Beweissicherung

Der Sachverständige dokumentiert unmittelbar nach dem Unfall wichtige Spuren wie Bremsspuren, Fahrzeugdeformationen und Straßenverhältnisse. Durch spezielle Software können Bremswege, Fahrzeugpositionen und Geschwindigkeiten zum Unfallzeitpunkt präzise berechnet werden. Diese technischen Analysen ermöglichen eine naturwissenschaftlich fundierte Rekonstruktion des Unfallablaufs.

Bedeutung für die rechtliche Bewertung

Wenn Sie in einen Unfall verwickelt sind, bei dem die Schuldfrage unklar ist, kann ein Gutachten entscheidende Beweise liefern. Gerichte und Versicherungen sind ohne Sachverständigengutachten oft auf subjektive Zeugenaussagen angewiesen. Das Gutachten bietet hingegen objektive Daten und Fakten, die als Grundlage für die rechtliche Bewertung dienen.

Praktische Anwendung

Ein typisches Beispiel ist die Klärung einer unklaren Verkehrslage: Wenn etwa bei einem Überholvorgang ein Unfall passiert, kann der Sachverständige durch die Analyse von Kollisionsspuren und Fahrzeugpositionen feststellen, ob zum Zeitpunkt des Überholvorgangs eine Unklare Verkehrslage vorlag. Die technischen Beweise können dabei helfen zu klären, ob beispielsweise ein Verstoß gegen § 5 III Nr. 1 StVO vorlag.

Beweiskraft vor Gericht

Das Sachverständigengutachten hat vor Gericht besonderes Gewicht. Nach § 411a ZPO kann ein gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholtes Gutachten aus einem Verkehrsstrafverfahren auch in Zivilprozessen verwendet werden. Die technisch-wissenschaftliche Analyse macht strittige Tatsachen einem Beweis zugänglich und ermöglicht eine fundierte richterliche Entscheidung.


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Wann liegt eine unklare Verkehrslage vor?

Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den objektiv gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf. Dies bedeutet, dass die Situation im Straßenverkehr so undurchsichtig ist, dass ein sicheres Überholen nicht gewährleistet werden kann.

Rechtliche Definition

Die Rechtsprechung definiert eine unklare Verkehrslage als eine Situation, in der nach allen Umständen ein ungefährdetes Überholen nicht möglich ist, da nicht sicher beurteilt werden kann, wie sich der Vorausfahrende verhalten wird. Es geht also darum, dass Sie als Verkehrsteilnehmer die Handlungen anderer nicht zuverlässig vorhersehen können.

Konkrete Beispiele

Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf einer Landstraße und vor Ihnen fährt ein Fahrzeug mit stark schwankender Geschwindigkeit. In diesem Fall könnten Sie nicht sicher sein, ob der Fahrer vor Ihnen plötzlich abbremst oder beschleunigt, was eine unklare Verkehrslage darstellt.

Weitere Situationen, die als unklare Verkehrslage gelten können:

  • Schlechte Sichtverhältnisse durch Wetter oder Straßenführung
  • Unübersichtliche Kurven oder Kuppen
  • Unklares Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer
  • Verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverminderungen in einer Fahrzeugkolonne

Rechtliche Konsequenzen

Wenn Sie trotz unklarer Verkehrslage überholen, verstoßen Sie gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Dies kann erhebliche rechtliche Folgen haben:

  • Ein Bußgeld von 100 bis 150 Euro
  • Ein Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg
  • Bei einem Unfall: Mögliche Haftung für entstandene Schäden

Doppelte Rückschaupflicht

Im Zusammenhang mit unklaren Verkehrslagen ist auch die doppelte Rückschaupflicht von Bedeutung. Wenn Sie abbiegen oder überholen möchten, müssen Sie sich zweimal vergewissern, dass der nachfolgende Verkehr nicht gefährdet wird: einmal vor dem Einordnen und nochmals direkt vor dem Abbiegen oder Überholen.

Beachten Sie: Die Missachtung dieser Pflicht kann im Falle eines Unfalls zu einer erhöhten Haftung führen. Wenn Sie in einer unklaren Verkehrslage fahren, ist besondere Vorsicht geboten. Nehmen Sie sich die Zeit, die Situation genau einzuschätzen, bevor Sie ein Überholmanöver einleiten.

Objektiver Maßstab

Es ist wichtig zu verstehen, dass für die Beurteilung einer unklaren Verkehrslage ein objektiver Maßstab angelegt wird. Ihre subjektive Einschätzung der Situation ist rechtlich nicht relevant. Entscheidend ist, ob ein durchschnittlicher, umsichtiger Fahrer in der gleichen Situation von einer unklaren Verkehrslage ausgehen würde.

Wenn Sie sich unsicher sind, ob eine unklare Verkehrslage vorliegt, ist es in der Regel ratsam, vom Überholen abzusehen. Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer hat immer Vorrang vor einem möglichen Zeitgewinn durch Überholen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Doppelte Rückschaupflicht

Die doppelte Rückschaupflicht ist eine wichtige Verkehrssicherungspflicht nach § 9 Abs. 1 StVO. Sie verpflichtet Fahrzeugführer vor dem Abbiegen zweimal nach hinten zu schauen: Einmal durch den Rückspiegel und zusätzlich durch einen Schulterblick zur Seite. Diese Kontrollen müssen sowohl beim Spurwechsel als auch beim Abbiegen erfolgen. Besonders wichtig ist dies zum Schutz von Radfahrern und Motorradfahrern, die leicht übersehen werden können. Ein Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht führt bei Unfällen meist zu einer Mithaftung.


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Unklare Verkehrslage

Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn für einen Verkehrsteilnehmer nicht eindeutig erkennbar ist, wie sich andere Verkehrsteilnehmer verhalten werden. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO besteht dann ein Überholverbot. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug seine Geschwindigkeit deutlich reduziert oder der Blinker gesetzt wird. Auch an Einmündungen, Kreuzungen oder bei schlechter Sicht können unklare Verkehrslagen entstehen. Die Missachtung des Überholverbots bei unklarer Verkehrslage kann zu einer Haftung bei Unfällen führen.


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Haftungsverteilung

Die Haftungsverteilung bestimmt bei einem Unfall, zu welchen Anteilen die Beteiligten für den entstandenen Schaden aufkommen müssen. Sie wird nach § 17 StVG anhand verschiedener Faktoren wie Verschuldensgrad, Betriebsgefahr und Verursachungsbeitrag ermittelt. Das Gericht legt dabei prozentuale Anteile fest, die sich auf alle Schadensposten auswirken – von Reparaturkosten bis zu Anwaltsgebühren. Beispiel: Bei einer 60/40-Verteilung muss ein Beteiligter 60% des Gesamtschadens tragen, der andere 40%.


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Sicherheitsleistung

Eine Sicherheitsleistung ist ein Geldbetrag, der hinterlegt werden muss, um die vorläufige Vollstreckung eines Urteils abzuwenden. Sie dient als Sicherheit für mögliche Schäden, die durch eine später als ungerechtfertigt erkannte Vollstreckung entstehen könnten. Die Höhe wird meist auf 110-120% des zu vollstreckenden Betrags festgesetzt. Nach §709 ZPO kann das Gericht die Vollstreckung von einer solchen Sicherheitsleistung abhängig machen. Dies schützt beispielsweise den Schuldner vor vorschneller Zwangsvollstreckung.


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Vorgerichtliche Anwaltskosten

Vorgerichtliche Anwaltskosten entstehen durch die anwaltliche Tätigkeit vor Beginn eines Gerichtsprozesses, etwa für Beratung, Korrespondenz oder Vergleichsverhandlungen. Nach §§ 249 ff. BGB sind sie Teil des ersatzfähigen Schadens und müssen vom Schädiger entsprechend der Haftungsquote erstattet werden. Die Höhe richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Bei Verkehrsunfällen umfasst dies typischerweise die Kosten für die erste Schadenregulierung durch einen Anwalt.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 823 BGB (Schadenersatzpflicht): Dieser Paragraph regelt die grundsätzliche Haftung für Schäden, die durch unerlaubte Handlungen verursacht werden. Es wird festgelegt, dass derjenige, der einen anderen widerrechtlich verletzt, ihm den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen hat. Im vorliegenden Fall geht es darum, dass der Beklagte zu 1) durch sein Überholmanöver den Kläger beim Abbiegen verletzt hat, was die Grundlage für den Schadensersatzanspruch bildet.
  • § 3 StVO (Allgemeine Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr): Der Paragraph stellt die grundlegenden Verkehrsvorschriften auf, die sicherstellen sollen, dass Straßenverkehrsteilnehmer besonders Rücksicht aufeinander nehmen. Im konkreten Fall hält der Kläger den Beklagten zu 1) für verantwortungslos, weil dieser trotz erkennbarer Abbiegeabsicht des Klägers einen Überholvorgang initiiert hat, sodass hier ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht besteht.
  • § 252 BGB (Ersatz des entgangenen Gewinns): Diese Vorschrift regelt, dass entgangene Gewinne, die durch eine Schädigung entstanden sind, ebenfalls zu ersetzen sind. Der Kläger macht in seinem Schadensersatzanspruch Nutzungsausfall geltend, was in diesem Rahmen steht, da ihm durch den Unfall Einnahmen entgingen, die er mit dem Fahrzeug erzielt hätte.
  • § 254 BGB (Mitverschulden): Hier wird die Möglichkeit geregelt, dass eine Haftung aufgrund von Mitverschulden des Geschädigten gesenkt werden kann. Im Streitfall könnte die Haftungsquote von 40% zu Lasten des Klägers darauf hindeuten, dass das Gericht das Verhalten des Klägers als wenigstens teilweise ursächlich für den Unfall ansieht, was sich auf die maximale Schadensersatzhöhe auswirkt.
  • § 249 BGB (Ersatzpflicht): Dieser Paragraph besagt, dass der Geschädigte so gestellt werden muss, als ob der schädigende Vorfall nicht eingetreten wäre. Im vorliegenden Fall muss ermittelt werden, in welcher Höhe der Kläger konkret Anspruch auf Ersatz der ihm durch den Unfall entstandenen Schäden hat, wie beispielsweise Reparaturkosten und Nutzungsausfallentschädigung, um den im Urteil festgelegten Betrag bestimmen zu können.

Das vorliegende Urteil

LG Passau – Az.: 3 O 969/19 – Endurteil vom 26.03.2021


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