Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Unfall mit 68: Wie viel Verdienstausfall bekommt ein Zahnarzt, der weiterarbeiten wollte?
- Der Weg durch die Gerichte: Ein langer Kampf um Schadensersatz
- Die zentralen Streitpunkte: Worum ging es vor dem Oberlandesgericht?
- Die Entscheidung des Gerichts: Ein Teilerfolg für den Zahnarzt
- Die Begründung im Detail: Warum entschied das Gericht genau so?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie wird mein Verdienstausfall berechnet, wenn ich als Freiberufler nach einem Unfall nicht mehr arbeiten kann, insbesondere im höheren Alter?
- Welche Arten von Schäden kann ich als Selbstständiger nach einem Unfall geltend machen und wann werden diese tatsächlich ersetzt?
- Was kann ich tun, wenn die gegnerische Versicherung behauptet, meine gesundheitlichen Probleme und die Arbeitsunfähigkeit kämen von anderen Ursachen und nicht vom Unfall?
- Stehen mir Zinsen zu, wenn die gegnerische Versicherung meine berechtigten Forderungen nicht rechtzeitig bezahlt?
- Welche Schritte sollte ich nach einem Unfall als Selbstständiger unternehmen, um meine Ansprüche auf Schadensersatz zu sichern?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3 U 6/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
- Datum: 17.01.2025
- Aktenzeichen: 3 U 6/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Schadensrecht (Verkehrsunfall)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein freiberuflich tätiger Zahnarzt, der nach einem Verkehrsunfall Verletzungen erlitt und Schadensersatz für Verdienstausfall und Praxiswertminderung forderte.
- Beklagte: Die Gegenseite, bestehend aus der Haftpflichtversicherung, dem Fahrzeughalter und dem Fahrer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs, deren Haftung dem Grunde nach bereits festgestellt wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger, ein Zahnarzt, erlitt 2014 bei einem Verkehrsunfall in Frankreich Verletzungen. Die Haftung der Beklagten für den Unfall steht fest.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, inwieweit der Zahnarzt Schadensersatz für Verdienstausfall und eine behauptete Minderung des Praxiswerts nach dem Unfall geltend machen kann, insbesondere unter Berücksichtigung seines Alters und des Zeitpunkts der Schadensentstehung.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht bestätigte im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil, wonach die Beklagten dem Kläger 171.942,42 € nebst Zinsen zahlen müssen. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wurden zurückgewiesen.
- Begründung: Das Gericht sprach dem Kläger nur weitere vorgerichtliche Verzugszinsen zu. Ein höherer Anspruch auf Verdienstausfall wurde abgelehnt, da das Gericht altersbedingte Reduzierungen der Arbeitsleistung und andere Faktoren berücksichtigte. Die Forderung nach Ersatz für eine Praxiswertminderung wurde ebenfalls abgewiesen, da die Praxis nicht verkauft wurde und der Schaden sich daher nicht konkretisiert hatte.
- Folgen: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Eine weitere Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Die Verfahrenskosten wurden zwischen dem Kläger und den Beklagten anteilig aufgeteilt.
Der Fall vor Gericht
Unfall mit 68: Wie viel Verdienstausfall bekommt ein Zahnarzt, der weiterarbeiten wollte?
Ein Verkehrsunfall kann das Leben von einem auf den anderen Moment verändern, besonders für Selbstständige. Wenn die Fähigkeit zu arbeiten plötzlich eingeschränkt ist, stellt sich eine drängende Frage: Wer ersetzt das Einkommen, das nun wegfällt? Und was passiert, wenn der Betroffene bereits im Rentenalter ist, aber noch voll im Berufsleben stand? Ein Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken beleuchtet genau diese komplexen Fragen und zeigt, wie Gerichte den finanziellen Schaden eines Freiberuflers nach einem Unfall bewerten.
Der Weg durch die Gerichte: Ein langer Kampf um Schadensersatz

Alles begann im Oktober 2014. Ein damals 68-jähriger Zahnarzt, der seine eigene Praxis führte, wurde in Frankreich unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Er erlitt Verletzungen an beiden Handgelenken – eine besonders gravierende Folge für einen Zahnarzt, dessen Beruf von der vollen Funktionsfähigkeit seiner Hände abhängt. Die Schuldfrage war schnell geklärt: Der Fahrer des anderen Wagens und dessen Versicherung mussten für den Schaden aufkommen. Ein früheres Urteil hatte dies bereits unumstößlich festgestellt.
Doch wie hoch ist dieser Schaden? Hier begann der eigentliche Streit. Der Zahnarzt zog vor das Landgericht Saarbrücken und forderte von den Beklagten (dem Unfallverursacher, dem Fahrzeughalter und deren Haftpflichtversicherung) eine Summe von über 311.000 Euro. Dieser Betrag setzte sich aus drei Teilen zusammen: dem entgangenen Verdienst über mehrere Jahre, den Kosten für eine Haushaltshilfe und einem Ausgleich für den angeblich gesunkenen Wert seiner Praxis.
Das Landgericht sprach dem Zahnarzt in erster Instanz rund 172.000 Euro zu, wies den Rest der Forderung aber ab. Die Richter waren überzeugt, dass dem Zahnarzt durch den Unfall ein erheblicher Verdienstausfall entstanden war. Die Forderung nach einem Ausgleich für den Praxiswert lehnten sie jedoch ab. Mit diesem Ergebnis waren beide Seiten unzufrieden. Der Zahnarzt legte Berufung ein, was bedeutet, dass er das nächsthöhere Gericht – in diesem Fall das Oberlandesgericht – bat, die Entscheidung zu überprüfen. Er wollte mehr Geld. Gleichzeitig legten auch die Beklagten eine sogenannte Anschlussberufung ein. Das ist eine Art Gegen-Berufung, mit der sie erreichen wollten, die bereits zugesprochene Summe doch nicht oder nur in geringerem Umfang zahlen zu müssen.
Die zentralen Streitpunkte: Worum ging es vor dem Oberlandesgericht?
Das Oberlandesgericht musste nun mehrere komplizierte Fragen klären, die im Zentrum des Streits standen. Wie konnte es zu so unterschiedlichen Vorstellungen über die richtige Entschädigung kommen? Um das zu verstehen, müssen wir uns die Knackpunkte genau ansehen:
- Der Verdienstausfall: Hatte der Zahnarzt Anspruch auf noch mehr Geld für entgangene Einnahmen, insbesondere für die Zeit, in der er schon fast 75 Jahre alt war?
- Der Praxiswert: Musste die Versicherung den Wertverlust der Praxis ersetzen, obwohl diese noch gar nicht verkauft war?
- Die Zinsen: Standen dem Zahnarzt Zinsen zu, weil die Versicherung seiner Meinung nach zu spät gezahlt hatte?
- Andere Krankheiten: Hatten die Beklagten recht mit ihrer Behauptung, der Zahnarzt hätte wegen anderer, unfallunabhängiger Erkrankungen ohnehin weniger arbeiten können?
Die Entscheidung des Gerichts: Ein Teilerfolg für den Zahnarzt
Das Oberlandesgericht fällte ein differenziertes Urteil. Es bestätigte die vom Landgericht zugesprochene Summe von rund 172.000 Euro. In diesem Punkt bekam der Zahnarzt also nicht mehr Geld. Allerdings gaben ihm die Richter in einem anderen Punkt recht: Er erhielt zusätzlich Zinsen für den Zeitraum, in dem die Versicherung mit der Zahlung im Verzug war. Die Anschlussberufung der Beklagten, mit der sie ihre Zahlungspflicht verringern wollten, wurde vollständig zurückgewiesen. Der Zahnarzt trug am Ende einen Teil der Verfahrenskosten, die Beklagten als Gesamtschuldner (das heißt, jeder von ihnen haftet für die volle Summe, der Zahnarzt kann sich aber aussuchen, von wem er das Geld fordert) den größeren Teil.
Die Begründung im Detail: Warum entschied das Gericht genau so?
Die eigentliche juristische Arbeit steckt in der Begründung des Urteils. Das Gericht nahm sich jeden einzelnen Streitpunkt vor und erklärte seine Entscheidung Schritt für Schritt.
Frage 1: Der Verdienstausfall – Warum gab es nicht mehr Geld?
Wie berechnet man das Einkommen, das jemandem entgangen ist? Das Gesetz verlangt eine Prognose: Das Gericht muss schätzen, wie sich die finanzielle Situation des Zahnarztes ohne den Unfall entwickelt hätte. Dafür schaute es sich die Jahre vor dem Unfall an. Doch hier kam das fortgeschrittene Alter des Zahnarztes ins Spiel.
Das Gericht argumentierte mit der allgemeinen Lebenserfahrung. Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass jemand mit fast 75 Jahren noch mit der gleichen vollen Kraft und dem gleichen Engagement arbeitet wie mit Mitte 60. Zwar gibt es für Freiberufler wie Ärzte keine feste Altersgrenze für den Ruhestand, aber das Gericht fand konkrete Anzeichen dafür, dass der Zahnarzt seine Tätigkeit ohnehin zurückfahren wollte. So hatte er schon vor dem Unfall nach einem Nachfolger für seine Praxis gesucht, später auf den Einsatz von Vertretungsärzten verzichtet und schließlich zum 30. Juni 2021 alle seine Mitarbeiter entlassen. Für die Richter waren das klare Hinweise darauf, dass er nicht mehr auf maximalen Umsatz abzielte. Daher konnten sie nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen, dass er ohne den Unfall tatsächlich mehr verdient hätte als vom Landgericht bereits berechnet.
Frage 2: Der Wert der Praxis – Warum wurde der Schaden nicht ersetzt?
Der Zahnarzt argumentierte, seine Praxis sei durch seine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit und die geringeren Umsätze weniger wert. Diesen Wertverlust wollte er ersetzt bekommen. Das Gericht lehnte dies jedoch entschieden ab und sprach von einem fiktiven Schaden, also einem Schaden, der nur in der Theorie existiert.
Um das zu verstehen, hilft ein Alltagsvergleich: Stellen Sie sich vor, Ihr Oldtimer bekommt bei einem Unfall einen Kratzer. Sie lassen ihn aber nicht reparieren und verkaufen ihn auch nicht. Können Sie nun vom Unfallverursacher den Betrag verlangen, den das Auto bei einem zukünftigen Verkauf möglicherweise weniger wert sein wird? Die klare Antwort der Gerichte ist: Nein. Ein Schaden entsteht erst dann wirklich, wenn er sich konkret auswirkt – also wenn Sie das Auto tatsächlich für weniger Geld verkaufen.
Genauso sahen es die Richter hier. Da der Zahnarzt seine Praxis noch nicht verkauft hatte, war der Wertverlust noch nicht eingetreten. Es war eine reine Annahme. Doch das Gericht ging noch einen Schritt weiter. Es erklärte, dass dieser Schaden auch in Zukunft nicht mehr eintreten könne. Der Wert einer Arztpraxis, insbesondere der sogenannte Goodwill (der ideelle Wert, der sich aus dem Patientenstamm und dem guten Ruf ergibt), wird üblicherweise anhand der Umsätze der letzten drei Jahre vor dem Verkauf berechnet. Da der Unfall schon viele Jahre zurückliegt, wären bei einem zukünftigen Verkauf ganz andere, aktuellere Jahre für die Berechnung relevant. Die unfallbedingten Umsatzeinbußen von 2016 bis 2021 würden dann keine Rolle mehr spielen.
Frage 3: Die Zinsen – Warum gab es hier plötzlich mehr Geld?
Hier war der Zahnarzt erfolgreich. Der Grund liegt im Konzept des Verzugs. Wenn jemand eine Rechnung oder eine Zahlungsaufforderung mit einer klaren Frist erhält und diese nicht einhält, gerät er in Verzug. Ab diesem Zeitpunkt muss er auf die geschuldete Summe Zinsen zahlen.
Der Zahnarzt hatte der Versicherung im November 2020 ein Schreiben geschickt und eine bestimmte Summe für seinen Verdienstausfall bis zu einer Frist im Dezember 2020 gefordert. Die Versicherung zahlte nicht. Damit war sie im Verzug. Die Richter stellten klar: Es spielt keine Rolle, dass der Zahnarzt in seinem Schreiben eine etwas höhere Summe gefordert hatte, als ihm am Ende zugesprochen wurde. Die Versicherung hätte erkennen müssen, dass sie zur Zahlung der berechtigten Forderung verpflichtet war und konnte die Mahnung nicht einfach ignorieren. Ein zweites Mahnschreiben aus dem Jahr 2021 funktionierte hingegen nicht, da es eher wie ein Vergleichsangebot formuliert war und die geforderte Summe so unrealistisch hoch war, dass es keinen Verzug auslösen konnte. Das Gericht rechnete daher ganz genau aus, ab wann und für welche Teilbeträge Zinsen fällig waren.
Frage 4: Die anderen Krankheiten – Warum scheiterte der Einwand der Versicherung?
Die Beklagten versuchten, ihre Zahlungspflicht zu mindern, indem sie behaupteten, der Zahnarzt habe auch andere, unfallunabhängige Gesundheitsprobleme gehabt, die seine Arbeitsfähigkeit ohnehin eingeschränkt hätten. Hier gilt im deutschen Recht eine klare Regel zur Beweislast: Wer etwas behauptet, das für ihn günstig ist, muss es auch beweisen.
Die Beklagten konnten aber keine stichhaltigen Beweise für ihre Behauptung vorlegen. Sie wiesen zwar auf einige Einträge in ärztlichen Rechnungen hin, doch diese belegten keine ernsthaften Erkrankungen, die die Arbeit des Zahnarztes hätten beeinträchtigen können. Das Gericht folgte der Einschätzung eines Sachverständigen und stellte fest: Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Ohne konkrete Beweise gehen die Richter davon aus, dass der Zahnarzt ohne den Unfall voll arbeitsfähig gewesen wäre. Der Versuch der Beklagten, sich aus der Verantwortung zu ziehen, scheiterte daher vollständig.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass auch Freiberufler im Rentenalter nach einem unverschuldeten Unfall Anspruch auf Verdienstausfall haben, allerdings müssen Gerichte das fortgeschrittene Alter und eine natürliche Reduzierung der Berufstätigkeit bei der Schadensberechnung berücksichtigen. Ein wichtiger Punkt ist, dass reine Wertverluste bei Praxen oder Unternehmen nur dann ersetzt werden, wenn sie sich konkret auswirken – theoretische Schäden reichen nicht aus. Versicherungen können nicht einfach berechtigte Forderungen ignorieren, auch wenn diese etwas zu hoch angesetzt sind, da sie sonst Verzugszinsen zahlen müssen. Die Kernbotschaft lautet: Unfallverursacher müssen den tatsächlich entstandenen Schaden vollständig ersetzen, können sich aber nicht durch unbewiesene Behauptungen über andere Krankheiten aus der Verantwortung ziehen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie wird mein Verdienstausfall berechnet, wenn ich als Freiberufler nach einem Unfall nicht mehr arbeiten kann, insbesondere im höheren Alter?
Wenn Sie als Freiberufler oder Selbstständiger nach einem Unfall nicht mehr arbeiten können, wird Ihr Verdienstausfall anders berechnet als bei Angestellten. Während bei Angestellten meist ein festes Gehalt zugrunde liegt, müssen Gerichte bei Selbstständigen eine individuelle Zukunftsprognose erstellen. Es wird also nicht nur rückblickend geschaut, was Sie verdient haben, sondern vor allem, was Sie ohne den Unfall voraussichtlich verdient hätten.
Die Basis der Berechnung: Ihre frühere Einkommenssituation
Der wichtigste Ausgangspunkt für die Berechnung ist Ihr bisheriges Einkommen. Hierfür werden in der Regel die Einnahmen und Gewinne der letzten Jahre vor dem Unfall betrachtet, oft der letzten ein bis drei Jahre. Dies dient als Basis, um eine realistische Annahme über Ihre zukünftige Erwerbstätigkeit zu treffen. Gerichte berücksichtigen dabei aber auch, ob Ihr Geschäft sich im Aufwind befand oder eher rückläufig war. Es geht darum, den entgangenen Gewinn zu ermitteln, also jenen Gewinn, der Ihnen durch den Unfall entgangen ist (§ 252 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB).
Besondere Aspekte im höheren Alter
Gerade im höheren Alter, wenn Sie möglicherweise über das reguläre Rentenalter hinaus tätig waren, wird die individuelle Lebenssituation besonders genau geprüft. Hierbei spielt es eine Rolle, ob Sie vor dem Unfall möglicherweise geplant hatten, Ihre Arbeitszeit zu reduzieren, weniger Aufträge anzunehmen oder sich schrittweise aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Auch konkrete Überlegungen oder Schritte zur Übergabe Ihres Geschäfts an einen Nachfolger können die Annahme über Ihre künftige Tätigkeit beeinflussen. Die natürliche Entwicklung im Alter, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken könnte, wird ebenfalls bedacht. Es geht darum, realistisch einzuschätzen, wie lange und in welchem Umfang Sie ohne den Unfall noch tätig gewesen wären.
Wie Gerichte den Verdienstausfall festlegen
Weil eine exakte Berechnung des Verdienstausfalls in der Zukunft oft unmöglich ist, erlaubt das Gesetz dem Gericht, den Schaden zu schätzen (§ 287 Zivilprozessordnung, ZPO). Das Gericht wird alle relevanten Umstände und Beweismittel sorgfältig prüfen, um eine möglichst realistische Annahme darüber zu treffen, wie Ihr beruflicher und finanzieller Weg ohne den Unfall verlaufen wäre. Dazu gehören zum Beispiel Ihre früheren Steuererklärungen, Geschäftsbücher, aber auch Aussagen zu Ihren Zukunftsplänen. Diese individuelle Einschätzung stellt sicher, dass Ihre persönlichen Umstände und Pläne bei der Berechnung des Verdienstausfalls berücksichtigt werden und nicht einfach eine pauschale Methode angewendet wird.
Welche Arten von Schäden kann ich als Selbstständiger nach einem Unfall geltend machen und wann werden diese tatsächlich ersetzt?
Als Selbstständiger können Sie nach einem Unfall verschiedene Arten von Schäden geltend machen, sofern der Unfall durch eine andere Person verursacht wurde und diese dafür haftet. Der zentrale Punkt für eine Entschädigung ist immer, dass ein Schaden konkret nachgewiesen werden kann.
Welche Schäden können Selbstständige geltend machen?
Die Schäden, die Sie als Selbstständiger nach einem Unfall geltend machen können, lassen sich grob in folgende Kategorien einteilen:
- Heilungskosten: Dazu gehören alle medizinisch notwendigen Aufwendungen, die durch den Unfall entstanden sind, wie Arztbesuche, Medikamente, Therapien, Krankenhausaufenthalte oder Rehabilitationsmaßnahmen. Auch Fahrtkosten zu diesen Terminen zählen dazu.
- Sachschaden: Wenn Ihr Eigentum durch den Unfall beschädigt wurde, etwa Ihr Fahrzeug, Ihre Arbeitsgeräte oder andere Gegenstände, die für Ihre selbstständige Tätigkeit notwendig sind.
- Erwerbsschaden (Verdienstausfall): Dies ist für Selbstständige oft der wichtigste Punkt. Wenn Sie wegen Ihrer Verletzungen nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können, entgeht Ihnen Gewinn. Dieser entgangene Gewinn muss konkret berechnet und nachgewiesen werden. Dabei wird verglichen, welchen Gewinn Sie ohne den Unfall erzielt hätten und welchen Gewinn Sie tatsächlich erzielt haben.
- Mehrbedarfsschaden: Das sind zusätzliche Ausgaben, die Ihnen durch die Verletzung entstehen, wie zum Beispiel Kosten für eine Haushaltshilfe, spezielle Hilfsmittel oder notwendige Umbauten in Ihrer Wohnung oder Praxis, die durch die unfallbedingte Beeinträchtigung nötig werden.
- Schmerzensgeld: Hierbei handelt es sich um eine Entschädigung für nicht-materielle Schäden, also für die erlittenen Schmerzen, das Leiden und die Beeinträchtigungen der Lebensqualität, die durch die Verletzungen verursacht wurden.
Wann werden Schäden tatsächlich ersetzt?
Ein Schaden wird grundsätzlich dann ersetzt, wenn er kausal (ursächlich) auf den Unfall zurückzuführen ist und die andere Partei dafür haftet. Entscheidend ist dabei immer der konkrete Nachweis des Schadens.
Der Unterschied zwischen konkretem und theoretischem Schaden
Nicht jeder theoretisch denkbare oder vermutete Schaden wird sofort oder überhaupt ersetzt. Es muss sich um einen konkreten Schaden handeln, der sich bereits finanziell ausgewirkt hat oder dessen zukünftiges Eintreten mit hoher Sicherheit feststeht und bezifferbar ist.
- Konkreter Schaden: Dies sind tatsächlich entstandene und belegbare finanzielle Einbußen oder Ausgaben. Wenn Sie beispielsweise Rechnungen für Therapien haben oder durch Ihre Arbeitsunfähigkeit nachweislich weniger Umsatz und Gewinn erzielt haben, handelt es sich um einen konkreten Schaden. Sie legen Belege vor oder zeigen anhand Ihrer Einnahmen und Ausgaben, wie Ihr Gewinn gesunken ist.
- Theoretischer oder „fiktiver“ Schaden (im Sinne der Praxiswertermittlung): Stellen Sie sich vor, der Wert Ihrer Praxis sinkt theoretisch nach einem Unfall, weil Sie eine Zeit lang nicht voll leistungsfähig waren. Dieser potenzielle Praxiswertverlust wird nicht allein ersetzt, weil der Wert theoretisch gesunken sein könnte. Er wird erst dann relevant, wenn sich dieser Wertverlust konkret in einem finanziellen Nachteil niederschlägt. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Sie die Praxis aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen verkaufen müssen und nachweislich einen geringeren Preis erzielen, als es ohne den Unfall der Fall gewesen wäre. Hier muss der finanzielle Nachteil tatsächlich realisiert und nachgewiesen werden, nicht nur vermutet.
Für Sie bedeutet das: Um eine Entschädigung zu erhalten, müssen Sie den entstandenen Schaden in der Regel durch Belege, Berechnungen oder Sachverständigengutachten klar und nachvollziehbar beweisen. Reine Vermutungen oder lediglich „gefühlte“ Einbußen reichen hierfür nicht aus.
Was kann ich tun, wenn die gegnerische Versicherung behauptet, meine gesundheitlichen Probleme und die Arbeitsunfähigkeit kämen von anderen Ursachen und nicht vom Unfall?
Wenn eine gegnerische Versicherung nach einem Unfall behauptet, Ihre gesundheitlichen Probleme oder Ihre Arbeitsunfähigkeit seien nicht die Folge des Unfalls, sondern hätten andere Ursachen, ist dies eine häufige Situation für Unfallopfer. Solche Einwände dienen oft dazu, die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes zu mindern oder Ansprüche ganz abzuwehren.
Der Grundsatz der Beweislast
Im deutschen Recht gilt ein wichtiger Grundsatz: Wer etwas behauptet, muss es auch beweisen. Wenn Sie als Unfallopfer einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen, müssen Sie zunächst den Nachweis erbringen, dass der Unfall die Ursache für Ihre Beschwerden ist. Diesen Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsproblemen nennt man Kausalität. Dazu können Sie in der Regel medizinische Unterlagen und Berichte vorlegen.
Behauptet die gegnerische Versicherung nun ihrerseits, Ihre Beschwerden kämen von anderen Ursachen – etwa von einer Vorerkrankung, einem früheren Ereignis oder einer später aufgetretenen Krankheit –, dann muss die Versicherung diese Behauptung auch beweisen. Sie muss also konkrete und überzeugende Nachweise erbringen, dass es tatsächlich eine alternative Ursache gibt, die für Ihre Probleme verantwortlich ist.
Anforderungen an den Beweis seitens der Versicherung
Bloße Vermutungen, allgemeine Hinweise auf mögliche Vorerkrankungen oder unklare ärztliche Andeutungen reichen für die Versicherung nicht aus, um Ihre Ansprüche abzuwehren. Die Versicherung muss konkrete und stichhaltige Beweise vorlegen, die eindeutig zeigen, dass Ihre Beschwerden nicht auf den Unfall zurückzuführen sind. Dies kann beispielsweise durch detaillierte medizinische Gutachten geschehen, die eine klare, unabhängige Ursache benennen und den Zusammenhang zum Unfall ausschließen können.
Für Sie als Unfallopfer bedeutet das: Sie müssen nicht beweisen, dass die Behauptungen der Versicherung falsch sind. Stattdessen muss die Versicherung beweisen, dass ihre Behauptungen richtig sind. Erst wenn der Versicherung dieser Nachweis gelingt, könnten Ihre Ansprüche wegen dieser spezifischen Probleme gemindert oder abgelehnt werden. Es ist dabei für Sie wichtig, Ihre eigenen medizinischen Unterlagen, Behandlungen und den Heilungsverlauf sorgfältig zu dokumentieren, um den Zusammenhang zwischen dem Unfall und Ihren gesundheitlichen Problemen klar darzulegen.
Stehen mir Zinsen zu, wenn die gegnerische Versicherung meine berechtigten Forderungen nicht rechtzeitig bezahlt?
Ja, grundsätzlich können Ihnen Verzugszinsen zustehen, wenn die gegnerische Versicherung eine berechtigte Forderung nicht fristgerecht begleicht. Diese Zinsen sollen den finanziellen Nachteil ausgleichen, der Ihnen durch die verzögerte Zahlung entsteht, beispielsweise weil Ihnen das Geld für andere Zwecke fehlt.
Wann gerät eine Versicherung in „Verzug“?
Eine Versicherung gerät in Verzug, wenn sie eine fällige und berechtigte Forderung nicht zum vereinbarten oder gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt bezahlt. Das ist der Moment, ab dem die Verzögerung rechtliche Konsequenzen hat. Für Sie bedeutet das: Die Versicherung muss nicht nur den ursprünglichen Betrag zahlen, sondern zusätzlich die Verzugszinsen.
Ein wichtiger Schritt, damit eine Versicherung in Verzug gerät, ist in der Regel eine Mahnung. Eine Mahnung ist eine deutliche Aufforderung zur Zahlung. Sie sollte klar zum Ausdruck bringen, dass die Forderung offen ist und eine Zahlung erwartet wird, oft verbunden mit einer Fristsetzung (z.B. „Bitte zahlen Sie den Betrag innerhalb von 14 Tagen“).
Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht unbedingt die exakte Höhe der Forderung von Anfang an feststehen muss, damit eine Mahnung wirksam ist und Verzug eintritt. Entscheidend ist, dass ein objektiv begründeter Anspruch besteht. Wenn Sie also einen plausiblen Anspruch haben und diesen geltend machen, kann eine Mahnung Verzug auslösen, auch wenn über die genaue Höhe der Forderung später noch verhandelt wird oder diese sich erst noch präzise ermitteln lässt.
Voraussetzungen für Verzugszinsen
Damit Sie Verzugszinsen geltend machen können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Fälligkeit der Forderung: Die Zahlung muss grundsätzlich fällig sein, das heißt, der Zeitpunkt zur Begleichung der Forderung ist erreicht oder überschritten.
- Berechtigte Forderung: Die von Ihnen gestellte Forderung muss tatsächlich bestehen und begründet sein. Eine unberechtigte Forderung kann keinen Verzug auslösen.
- Mahnung: In den meisten Fällen ist eine Mahnung der Versicherung erforderlich. Durch die Mahnung wird die Versicherung aufgefordert, die Zahlung zu leisten, und der Verzug beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem die gesetzte Frist abläuft oder die Mahnung zugeht.
- Ausnahmen von der Mahnung: In bestimmten Fällen ist eine Mahnung nicht notwendig, damit Verzug eintritt. Das kann der Fall sein, wenn zum Beispiel ein konkreter Zahlungstermin kalendermäßig bestimmt ist (z.B. „Zahlbar bis zum 31. Dezember“), oder wenn die Versicherung die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert hat.
Höhe der Verzugszinsen
Die Höhe der Verzugszinsen ist gesetzlich geregelt. Für Forderungen von Verbrauchern gegen Unternehmen, wie es bei Versicherungsleistungen oft der Fall ist, setzt sich der Verzugszinssatz aus dem jeweiligen Basiszinssatz und einem Aufschlag von fünf Prozentpunkten zusammen.
Verzugszinssatz = Basiszinssatz + 5 Prozentpunkte
Der Basiszinssatz wird halbjährlich von der Deutschen Bundesbank angepasst. Für Sie bedeutet das, dass die Höhe der Zinsen variieren kann.
Das Konzept des Verzugs dient dazu, sicherzustellen, dass berechtigte Forderungen nicht unnötig lange von Versicherungen zurückgehalten werden und Sie als Anspruchsteller nicht durch solche Verzögerungen benachteiligt werden.
Welche Schritte sollte ich nach einem Unfall als Selbstständiger unternehmen, um meine Ansprüche auf Schadensersatz zu sichern?
Als Selbstständiger können die Folgen eines Unfalls über reine Sachschäden und körperliche Verletzungen hinaus auch Ihren Verdienst betreffen. Um mögliche Ansprüche auf Schadensersatz zu sichern, ist eine umfassende und sorgfältige Dokumentation aller relevanten Umstände und Schäden entscheidend.
Unmittelbare Maßnahmen am Unfallort
Direkt nach einem Unfall ist es wichtig, den Unfallhergang so genau wie möglich festzuhalten. Sammeln Sie alle relevanten Informationen:
- Kontakt- und Versicherungsdaten aller am Unfall beteiligten Personen und potenzieller Zeugen.
- Umfassende Fotos oder Videos vom Unfallort. Dokumentieren Sie die Positionen der Fahrzeuge, die entstandenen Schäden und wichtige Details der Umgebung, wie beispielsweise den Straßenzustand oder mögliche Bremsspuren.
- Lassen Sie bei Bedarf die Polizei den Unfall aufnehmen. Das erhaltene Aktenzeichen oder die Unfallnummer sind wichtige Referenzen.
- Erstellen Sie ein detailliertes eigenes Unfallprotokoll, in dem Sie den Hergang aus Ihrer Perspektive festhalten, solange die Erinnerung frisch ist.
Dokumentation von Verletzungen und Behandlungen
Ihre Gesundheit hat nach einem Unfall stets Vorrang. Suchen Sie auch bei scheinbar geringfügigen Beschwerden unverzüglich einen Arzt auf. Eine lückenlose medizinische Dokumentation ist von großer Bedeutung:
- Lassen Sie alle Verletzungen, Schmerzen und Symptome umfassend und präzise von den behandelnden Ärzten erfassen.
- Bewahren Sie sämtliche ärztlichen Atteste, Befunde, Diagnosen, Rezepte und Bescheinigungen über Behandlungen, Therapien sowie Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (AU-Bescheinigungen) sorgfältig auf. Diese Unterlagen dienen als Nachweis für Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die daraus resultierenden Kosten.
Sicherung von Belegen für Verdienstausfälle
Der Verdienstausfall ist für Selbstständige ein zentraler Bestandteil des möglichen Schadensersatzes. Für eine erfolgreiche Geltendmachung ist ein transparenter Nachweis des entgangenen Gewinns unerlässlich:
- Finanzunterlagen: Halten Sie Ihre geschäftlichen Finanzunterlagen wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Einnahmen-Überschuss-Rechnungen (EÜR) und Steuererklärungen der letzten Jahre bereit. Diese geben Aufschluss über Ihr durchschnittliches Einkommen vor dem Unfall.
- Nachweis konkreter Auftragsverluste: Dokumentieren Sie präzise, welche spezifischen Aufträge, Projekte oder Termine Sie aufgrund des Unfalls nicht wahrnehmen oder abschließen konnten. Dies kann durch abgesagte Kundenkommunikation, entgangene Vertragsabschlüsse oder nicht erbrachte Leistungen belegt werden.
- Zusätzliche Kosten: Führen Sie alle zusätzlichen Ausgaben auf, die Ihnen direkt durch den Unfall entstanden sind, wie beispielsweise Kosten für notwendiges Ersatzpersonal, Fahrtkosten zu Arzt- oder Therapieterminen oder den Erwerb spezieller Hilfsmittel.
- Korrespondenz: Bewahren Sie relevante Kommunikation (z.B. E-Mails) mit Kunden oder Geschäftspartnern auf, die belegt, dass Sie aufgrund Ihrer unfallbedingten Einschränkungen nicht wie gewohnt tätig sein konnten.
Schadensmeldung und Zusammenstellung der Unterlagen
Informieren Sie die beteiligten Versicherungen des Unfallverursachers zeitnah über den Unfall und die entstandenen Schäden. Stellen Sie alle gesammelten Unterlagen geordnet zusammen, um Ihre Ansprüche umfassend und nachvollziehbar darzulegen. Ein gut dokumentierter Sachverhalt ist die Grundlage für eine effiziente Schadensregulierung.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Berufung
Die Berufung ist ein Rechtsmittel im Zivilprozess, mit dem eine Partei die Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts überprüft und eine Korrektur oder Aufhebung des Urteils durch ein höheres Gericht beantragt (§§ 511 ff. Zivilprozessordnung, ZPO). Sie dient dazu, Fehler in der Rechtsanwendung oder Tatsachenbewertung zu rügen und eine neue Entscheidung zu erwirken. Im Fall des Zahnarztes hat dieser durch die Berufung das Oberlandesgericht angerufen, um eine höhere Schadensersatzzahlung zu erlangen.
Beispiel: Ein Mieter ist mit der Entscheidung des Amtsgerichts unzufrieden und legt Berufung ein, damit das Landgericht den Fall erneut prüft und eine andere Entscheidung trifft.
Anschlussberufung
Die Anschlussberufung ist ein spezielles Rechtsmittel, das die andere Partei (hier die Beklagten) einlegen kann, nachdem der Gegner Berufung eingelegt hat (§ 522, 523 ZPO). Mit ihr kann die anschließende Berufungsinstanz nicht nur über die Berufungsanträge der ersten Partei entscheiden, sondern auch die Entscheidung zu eigenen Gunsten ändern. Im geschilderten Fall wollten die Beklagten durch die Anschlussberufung erreichen, dass die bereits zugesprochene Zahlung gekürzt oder ganz aufgehoben wird.
Beispiel: Wenn der Vermieter Berufung gegen ein Urteil einlegt und der Mieter später Anschlussberufung einlegt, kann das Berufungsgericht über beide Forderungen entscheiden und gegebenenfalls das Urteil zu Gunsten des Mieters ändern.
Verdienstausfall
Verdienstausfall bezeichnet den entgangenen Gewinn oder das Einkommen, das einem Geschädigten aufgrund seiner eingeschränkten Arbeitsfähigkeit infolge eines Schadensereignisses verloren geht (§ 252 BGB). Es handelt sich um den Betrag, den der Betroffene ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich verdient hätte. Bei Selbstständigen wie dem Zahnarzt wird hierfür eine Prognose darüber erstellt, wie sich das Einkommen in der Zukunft entwickelt hätte, was insbesondere im hohen Alter und bei beruflicher Änderung schwierig ist.
Beispiel: Ein Handwerker kann nach einem Unfall mehrere Monate nicht arbeiten und erhält deshalb keine Aufträge, wodurch sein Einkommen sinkt – dieser Verdienstausfall ist ersatzfähig.
Fiktiver Schaden
Ein fiktiver Schaden ist ein theoretischer, nicht tatsächlich eingetretener Schaden, der nur vermutet oder prognostiziert wird, ohne dass es einen konkreten finanziellen Nachteil gibt. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein solcher Schaden nicht ersetzt werden, solange der Schaden nicht realisiert ist und nachgewiesen wird. Im Fall des Zahnarztes wurde der Wertverlust der Praxis abgelehnt, weil sich dieser nur voraussichtlich ergeben könnte, aber nicht tatsächlich benannt oder eingetreten war.
Beispiel: Ein beschädigtes Auto wird nicht repariert und noch nicht verkauft; die vermutete Minderung seines Verkaufswerts ist ein fiktiver Schaden, der erst bei einem tatsächlichen Verkauf als Verlust relevant wird.
Verzug
Verzug liegt vor, wenn eine fällige und berechtigte Geldforderung trotz Mahnung oder Fristsetzung nicht rechtzeitig beglichen wird (§§ 286, 288 BGB). Ab diesem Zeitpunkt muss der Schuldner zusätzlich Verzugszinsen zahlen, um den Nachteil der verspäteten Zahlung auszugleichen. Im Text wurde festgestellt, dass die Versicherung durch die verspätete Zahlung in Verzug geraten ist, weil sie trotz klarer Zahlungsaufforderung nicht gezahlt hat.
Beispiel: Sie stellen einem Kunden eine Rechnung mit Zahlungsziel 30 Tage. Zahlen Sie nicht bis dahin und erhalten eine Mahnung, befindet sich der Kunde im Verzug und muss Ihnen Zinsen zahlen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 249 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph regelt den Grundsatz, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, was die Ersatzpflicht für Vermögensschäden begründet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Zahnarzt verlangt Schadensersatz für seinen Verdienstausfall und andere Schäden, die durch den Verkehrsunfall verursacht wurden.
- § 287 ZPO (Beweiswürdigung durch Schätzung): Das Gericht darf Schadenshöhen schätzen, wenn exakte Beweismittel fehlen, wobei eine realistische Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung maßgeblich ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gerichte mussten den zukünftigen Verdienstausfall des Zahnarztes schätzen, wobei insbesondere sein fortgeschrittenes Alter und die beruflichen Pläne berücksichtigt wurden.
- § 286 BGB (Verzug des Schuldners): Beginnt die Verzugslage, wenn auf eine fällige Forderung trotz Mahnung nicht gezahlt wird, wodurch Verzugszinsen und Schadensersatzansprüche entstehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung geriet mit der Zahlung in Verzug, sodass dem Zahnarzt Zinsen auf die zugesprochene Schadenssumme zustehen.
- § 280 Abs. 1 BGB (Verletzung von Pflichten und Schadensersatz): Wer eine vertragliche Pflicht verletzt, haftet dem Geschädigten für den daraus entstandenen Schaden, wobei die Beweislast beim Anspruchsteller liegt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagten konnten ihren Minderungsanspruch nicht beweisen, dass andere Krankheiten des Zahnarztes den Verdienstausfall mitverursacht hätten, weshalb kein Abzug erfolgte.
- Rechtsprechung zum fiktiven Schadensersatz (insbesondere Praxiswert und Goodwill): Ein Schaden muss konkret eingetreten oder zumindest unmittelbar bevorstehend sein, fiktive Schäden werden nicht ersetzt, insbesondere wenn ein Schaden später nicht mehr mit ursächlichem Bezug realisierbar ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte den Anspruch auf Praxiswertminderung ab, da ein tatsächlicher Verkauf nicht erfolgt ist und der Wertverlust aus früheren Jahren bei einem späteren Verkauf keine Rolle spielen würde.
- § 421 BGB (Haftungsprivileg für Gesamtschuldner): Mehrere Schuldner haften gemeinsam, sodass der Gläubiger die gesamte Leistung von jedem einzelnen verlangen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Zahnarzt kann die vollständige Schadensersatzzahlung von einem der Beklagten verlangen, die dann intern die Kosten aufteilen müssen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 3 U 6/24 – Urteil vom 17.01.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz