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Verkehrsunfall – Vernehmung des behandelnden Arztes als sachverständigen Zeugen

OLG Köln – Az.: 15 U 194/16 – Urteil vom 28.05.2019

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.11.2016 – 1 O 629/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 16.06.2016 – 1 O 629/09 – wird abgeändert und wie folgt neu gefasst: Unter Klageabweisung im Übrigen werden die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 17.500,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.09.2013, die Beklagte zu 1) darüber hinaus allein in gleicher Höhe seit dem 21.03.2010.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 7/8 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/8. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz mit Ausnahme der Kosten der Säumnis tragen der Kläger zu 89 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 11 %. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten ihrer Säumnis.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, des in erster Instanz gegen die Beklagte zu 1) erlassenen Versäumnisurteils vom 16.06.2016 sowie der erstinstanzlichen Sachanträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Aachen (Bl. 784  ff. d. A.) Bezug genommen. Ergänzt sei, dass der Schriftsatz des Klägers vom 16.08.2012 mit einer Klageerweiterung um einen Feststellungsantrag betreffend „sämtliche materiellen Gegenstände“ nicht förmlich zugestellt worden ist.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 11.11.2016 unter Teilaufhebung und Neufassung des Versäumnisurteils vom 16.06.2016 die Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. weiteren 7.500 EUR nebst Zinsen zu zahlen.  Zur Begründung hat es – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – im Wesentlichen angeführt, dass mit Blick auf den Antrag zu 5) (Schmerzensgeld) neben den (unstreitigen) direkten Unfallschäden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine unfallbedingte Nervenschädigung an der Hand (nur) mit Gefühlsminderungen nachweisbar sei, aber keine unfallbedingte Wirbelsäulenproblematik – zu deren weiterer Abklärung kein biomechanisches Gutachten einzuholen sei. Als unfallbedingte psychische Folge sei nur für eine Dauer von 24 Monaten eine Anpassungsstörung nachweisbar, nicht jedoch die klägerseits behauptete posttraumatische Belastungsstörung (im Folgenden: PTBS), zumal es unmittelbar nach dem Unfall an Indizien dafür fehle und keinerlei belastbare Dokumentationen vorliege, sei auch die psychische Verarbeitung der Unfallfolgen aufgrund einer erhöhten psychischen Vulnerabilität sicherlich erschwert gewesen. Verbliebene psychische Beeinträchtigungen des Klägers nach Ablauf der Anpassungsstörungen seien zu unspezifisch und nicht mehr als unfallbedingt zu bewerten. Die feststellbare emotionale Verbitterung und Enttäuschung des Klägers sei vor allem auf das Scheitern seiner Fußballkarriere und nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen und auf die ausgeprägte Einschränkung des Klägers, eigenpsychisches Erleben und Empfinden differenziert zu verstehen, zu erfassen und zu schildern. Persönlichkeitsimmanente Lebenskonflikte seien im Verlauf der Zeit in den Vordergrund getreten und der Wunsch nach Kompensation und Entschädigung habe sich stark verselbständigt. Bei der Schmerzensgeldbemessung seien in der Gesamtschau dann 10.000 EUR (abzüglich der erfolgten Zahlung von 2.500 EUR) zum Ausgleich der erlittenen Beeinträchtigung erforderlich, aber auch ausreichend. Es sei u.a. die psychische Prädisposition des Klägers, die zu einer erschwerten Verarbeitung geführt habe, zu berücksichtigen. Zwar habe ein Schädiger keinen Anspruch auf einen gesunden Geschädigten, doch sei die Vorkonstitution ein Bemessungskriterium zu Lasten des Geschädigten. Der Schmerzensgeldanspruch sei – weil der von Anfang an verfolgte unbezifferte Schmerzensgeldanspruch zur Hemmung der Verjährung im Ganzen führe – nicht verjährt, hinsichtlich der Beklagten zu 2) wegen § 115 Abs. 1 S. 4 VVG. Die Anträge zu 1), 3) und 4) wegen der BAföG-Darlehen und der Finanzierung stünden dem Kläger nicht zu, weil es sich um eine Kompensation des Erwerbsausfallschadens beim Vater und mithin um einen Unterhaltsschaden handele, der nur in den Fällen der hier nicht weit auszulegenden bzw. analog anwendbaren § 10 Abs. 2 StVG, § 844 BGB ersatzfähig sei. Es sei allenfalls ein Zinsschaden/Rückzahlungsschaden ersatzfähig, nicht jedoch in Höhe der vollen Raten. Hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2) verfolgten BaFöG-Kosten für den Studienwechsel gehe es zwar um einen eigenen Schaden des Klägers, aber es fehle am substantiierten Vortrag. Der Anspruch scheitere zudem am fehlenden Nachweis einer PTBS. Zu dem mit dem Antrag zu 7) verfolgten Verdienstausfallschaden fehle ebenfalls substantiierter Vortrag zur vorherigen Tätigkeit und zu den nach dem Unfall angeblich nicht mehr möglichen Nebenverdienstmöglichkeiten. Keinesfalls sei pauschaler Verdienstausfall zuzusprechen. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil die Möglichkeit weiterer materieller/immaterieller Schäden nicht dargelegt sei, zumal die Anpassungsstörung abgeschlossen und eine PTBS nicht nachgewiesen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 784 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren hinsichtlich der Klageanträge zu 5) [Schmerzensgeld] und 6) [Feststellung] weiter sowie als neuen Antrag zu 3) – rechnerisch zusammengefasst – die bisherigen Anträge zu 3) und 4) wegen eines Verdienstausfalls. Ausweislich S. 5 der Berufungsbegründung (Bl. 849 d.A.) sei der „Verdienstausfall resp. … Kompensationskosten in Form eines Studien- und eines Bildungskredits zu Unrecht abgewiesen“ worden. Der Kläger rügt insbesondere, dass die Gutachten des gerichtlich bestellten und nicht ausreichend traumapsychologisch spezialisierten Sachverständigen Dr. A methodisch wie fachlich nicht überzeugten, u.a. weil traumaspezifische Tests zur Diagnose einer PTBS fehlten, keine weiteren Behandlungsunterlagen beigezogen worden seien und eine Auseinandersetzung mit den klägerseits vorgelegten Attesten und dem mit solchen spezifischen Testbefunden argumentierenden Privatgutachten Dr. B nicht ausreichend erfolgt sei. Daher hätte das Landgericht nach § 412 Abs. 1 ZPO verfahren müssen. Dies gelte auch mit Blick auf die weiterlaufende ärztliche Behandlung des Klägers ausweislich der Atteste vom 26.01.2017 (Bl. 856 d.A.) und vom 20.02.2017 (Bl. 857 d.A.). Es sei fachlich nicht haltbar, dass eine PTBS unmittelbar einsetzen müsse und alle Beschwerden dann – auch angesichts der fortdauernden Behandlungen – nach zwei Jahren abgeklungen sein müssten. Der Sachverständige habe die Diagnose verwechselt mit einer akuten Belastungsreaktion direkt nach einem solchen Ereignis. Soweit die Sachverständigen Dr. A und Dr. C zuletzt – ersichtlich voreingenommen und nur um die Verteidigung vermeintlicher Erkenntnisse aus erster Instanz bemüht – von den wenigen dem Kläger günstigen Feststellungen dann noch abzurücken versuchten, sei das noch weniger nachvollziehbar und es würden bei der Anamnese falsche Angaben aufgelistet. Die massive seelische Verletzung des Klägers in Form einer Depression wegen einer Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens, die nicht mit Zeitablauf verblasse, sondern zu einer tiefgreifenden Wesensstörung beim Kläger geführt habe, werde grundlegend verkannt. Soweit die Sachverständigen letztlich auch nur die Möglichkeiten zur Vollbeweisführung verneinen würden, sei eine solche bei einer Sekundärverletzung letztlich auch nicht geboten. Die Ausführungen zu einer angeblichen Begehrensneurose des Klägers blieben haltlos und jedenfalls bis ins Jahr 2015 sei auch nach den Ausführungen des Sachverständigen C eine abnorme Erlebnisreaktion in Form einer psychischen Fehlverarbeitung festzustellen. Das Landgericht habe zudem die klägerseits angebotene Vernehmung des als Zeugen benannten Arztes Dr. D als Erstbehandler ab 17.07.2008 verfahrensfehlerhaft übergangen.

Der Feststellungsantrag habe schließlich wegen der festgestellten Nervenschädigung an der Hand nicht abgewiesen werden dürfen; überdies sei klar, dass ein Dauerschaden mit der Unwägbarkeit der Verschlechterung die Berufswahl einschränken und zu Einkommensverlusten führen könne; gleiches gelte für den verzögerten Eintritt ins Studium.

Der Zahlungsantrag, der ausweislich S. 8 der Berufungsbegründung (Bl. 852 d.A.) der Höhe nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu 3) und 4) entspreche, sei dann ebenfalls begründet. Die Aufnahme des Bildungs- und Studienkredits seien erforderlich gewesen, weil neben der vom Vater zugesagten Unterstützung in Höhe der BAföG-Leistungen der Kläger unfallfolgebedingt seinen früheren Minijob (400 EUR bzw. ab Januar 2013 430 EUR monatlich) nicht mehr habe ausüben können. Dazu legt der Kläger erstmals eine Bescheinigung seines früheren Arbeitgebers vom 07.03.2014 vor, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 855 d.A. Bezug genommen wird. Er habe nach Abklingen der gröbsten körperlichen Verletzungsfolgen versucht, in einem griechischen Restaurant bzw. in einem Imbiss zu arbeiten, was aufgrund seines psychischen Zustandes und aufgrund von Problemen mit der Hand aber ebenfalls gescheitert sei. Die weiterhin eingeklagten 36.000 EUR entsprächen demjenigen, was an Nebeneinnahmen während des unfallfolgenbedingt verlängerten Studiums – erzielt worden wäre. Die Verlängerung der Studienzeit sei wiederum durch die stationären Aufenthalte und Behandlungen wegen der psychischen Unfallfolgen notwendig geworden. Es gehe bei dem Klageantrag mithin nicht um einen Unterhaltsschaden, sondern um – neben den Unterhaltsleistungen des Vaters – entgangene eigene Einkünfte.

Hinsichtlich der HWS-/LWS-Symptomatik behauptet der Kläger zudem erstmals, dass das Röntgen vor dem Unfall nur zur Klärung eines Problems mit dem Ischias (Schmerzen im Oberschenkel im Bereich des in der Hosentasche getragenen Portemonnaies) erfolgt sei, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf S. 10 f. der Berufungsbegründung (Bl. 854 d.A.) Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrages wird zudem auf die Berufungsbegründung (Bl. 845 ff. d. A.) sowie die Schriftsätze vom 13.06.2017 (Bl. 887 ff. d.A.), vom 05.07.2017 (Bl. 898 d.A.), vom 09.04.2018 (Bl. 963 d.A.), vom 07.05.2018 (Bl. 968 ff. d.A.) und vom 12.11.2018 (Bl. 1005 f. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), unter Aufhebung des am 17.11.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Aachen – 1 O 629/09 – das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 16.06.2010 – 1 O 629/09 – aufrechtzuerhalten und im Übrigen

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes weiteres Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Kläger von sämtlichen zukünftigen Schäden freizustellen, die sich als Folge des Verkehrsunfalles vom 05.06.2007 noch ergeben werden, soweit diese Ansprüche nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 36.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angegriffene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden, insbesondere seien die behandelnden Ärzte nicht als Zeugen zu vernehmen gewesen und die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO hätten nicht vorgelegen, zumal auch alle klägerseits vorgelegten Unterlagen ausgewertet worden seien. Letztlich sei – wie die weitere Begutachtung gezeigt habe – sogar im Rückblick die Annahme einer 24monatigen Anpassungsstörung durch das Landgericht eher fraglich. Hinsichtlich des Feststellungsantrages fehle jedenfalls auch konkreter Vortrag zur Möglichkeit von Zukunftsschäden. Der neue (bestrittene) Vortrag zu den Minijob und zur Studienzeitverlängerung – der im Übrigen widersprüchlich zum Vorbringen in erster Instanz sei – sei nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen; es fehlten insofern auch Ausführungen zur angeblichen Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Das weitere Vorbringen des Klägers zur angeblich unfallbedingt verpassten Fußballerkarriere sei insgesamt auch nicht glaubhaft. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrages wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 879 ff. d.A.) und die Schriftsätze vom 06.07.2017 (Bl. 896 f. d.A.), vom  05.04.2018 (Bl. 959 f. d.A.) und vom 14.11.2018 (Bl. 1110 f. d.A.) verwiesen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben auf Basis der Beweisbeschlüsse vom 27.07.2017 (Bl. 900 ff. d.A.) und vom 08.06.2018 (Bl. 972 d.A.) durch Einholung von weiteren Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Dr. A und Dr. C. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. C vom 07.02.2018 (Bl. 918 ff. d.A.) und vom 19.09.2018 (Bl. 984 ff. d.A.) sowie die Gutachten des Sachverständigen Dr. A vom 06.03.2018 (Bl. 927 ff. d.A.) und vom 10.10.2018 (Bl. 994 ff. d.A.) verwiesen. Wegen des Ergebnisses einer weiteren Anhörung des Klägers persönlich wird zudem auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2017 (Bl. 890 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat in tenoriertem Umfang Erfolg.

1. Die Berufung ist – auch mit Blick auf den Antrag zu 3) – zulässig. Der Senat hat keine durchgreifenden prozessualen Bedenken hinsichtlich der Umstellung der Klageanträge (§§ 533 ff. ZPO). Der Berufungsantrag zu 3) ist allerdings dabei nicht nur eine reine Klarstellung unter Addition der erstinstanzlichen Klageanträge zu 3) und 4), sondern wechselt in zweiter Instanz insofern den Klagegrund für den behaupteten materiellen Ausfallschaden aus: Statt eines Ersatzes von Kreditierungskosten wird (angeblich) entgangener Arbeitslohn in gleicher Höhe als Erwerbsausfallschaden verlangt, womit letztlich auch eher der erstinstanzlich abgewiesene „Pauschal“-Verdienstausfallschaden nunmehr auf eine konkrete Berechnungsbasis umgestellt und in dieser Form weiterverfolgt wird. Soweit der Antrag zu 3) ausweislich S. 8 der Berufungsbegründung (Bl. 852 d.A.) der Höhe nach auf den erstinstanzlichen Klageanträge zu 3) und 4) aufbaut und ausweislich S. 9 der Berufungsbegründung (Bl. 853 d.A.) u.a. darauf gestützt wird, dass der Kläger keinen freiwilligen Unterhalt vom Vater mehr bekommen konnte und sich daher um die finanzielle Absicherung seines Studiums kümmern musste, sind die Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO aber dann noch gewahrt. Die Berufung setzt sich zwar – was die Berufungserwiderung auf S. 5 (Bl. 883 d.A.) zu Recht rügt – nicht näher mit den Erwägungen des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung zum Unterhaltschaden auseinander, doch stellt die Berufungsbegründung wie am Rande das Vorbringen in erster Instanz (Schriftsatz vom 10.03.2014 auf S. 6 ff. = Bl. 426 ff. d.A.) gerade auf unfallbedingte Mindereinnahmen des Klägers selbst ab, was letztlich für die Zulässigkeit genügt. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 533 ZPO hat der Senat dann mit Blick auf die Sachdienlichkeit der Anträge letztlich auch keine Bedenken.

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2. Die Berufung hat jedoch in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

a) Hinsichtlich des neuen Berufungsantrages zu 3) hat das Landgericht bei Abweisung des auf (pauschale) Einkommensausfälle gestützten erstinstanzlichen Klageantrages auf S. 18 der angegriffenen Entscheidung zu Recht ausreichend substantiierten Vortrag und Beweisantritt des Klägers zu seinen konkreten Einkünften vor dem Unfall sowie zur Unmöglichkeit anderweitiger gleichwertiger Tätigkeiten als Voraussetzungen für einen auf dieses Basis zu schätzenden Erwerbsausfallschaden (§§ 252 BGB, 287 ZPO) vermisst. Insbesondere der Klägervortrag auf S. 7/9 des Schriftsatzes vom 10.03.2014 zum „Kistenschleppen“ (Bl. 427/429 d.A.) genügte ersichtlich nicht, zumal dort nur mit der später gerade folgenlos ausgeheilten Unterarmverletzung argumentiert worden war. Diese wird  auch jetzt wieder in der Bescheinigung des Onkels vom 07.03.2014 (Bl. 859 d.A.) als Grund für die Ausfälle genannt, was gleichsam nicht tragen kann. Soweit auf S. 8 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 852 ff. d.A.) ansonsten erstmals weiter vorgetragen wird, ist weder nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO vorgetragen noch sonst ersichtlich, weswegen der – weiterhin bestrittene – Vortrag trotz § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sein soll. Letztlich kommt es darauf, wie im letzten Termin erörtert, aber auch nicht an: Wie seitens der Beklagten auf S. 1 des Schriftsatzes vom 05.02.2014 zumindest den Umständen nach gegen materiellen Ersatzansprüche eingewandt (Bl. 375 d.A.) und nach Erörterung vor dem Senat auch bekräftigt, ist Verjährung eingetreten und die Beklagten berufen sich insofern zu Recht auf die Einrede der Verjährung. In unverjährter Zeit ist nach dem Unfall vom 05.06.2007 zunächst nur Schmerzensgeld eingeklagt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Materielle Ansprüche spielten keine Rolle und wurden dann erstmals im August 2012 in einem – wenig klaren – Feststellungsantrag im Schriftsatz vom 16.08.2012 (Bl. 196 ff. d.A.) angesprochen, also schon nach Verjährungseintritt. Dass die in erster Instanz behaupteten Kreditauszahlungen an den Kläger offenbar teils zeitlich etwas versetzt erfolgt sein mögen, ist unbeachtlich, zumal zuletzt – wie gezeigt – auf den eigenen Verdienstausfallschaden des Klägers abgestellt wird. Ein solcher eigener Schaden ist aber – weil der Kläger sogleich nach dem Unfall gesundheitliche Probleme gehabt haben will und er schon damals zumutbar hätte Feststellungsklage einreichen können – spätestens 2008 „entstanden“ und mithin zum 31.12.2011 verjährt. Daher bedarf auch keiner weiteren Vertiefung, ob der eingeklagte Betrag von 36.000 EUR als Verdienstausfallschaden rechnerisch so überhaupt schlüssig vorgetragen worden ist. Dass – wie noch auszuführen ist – zudem eine unfallbedingte langfristige psychische Folgeerkrankung des Klägers auch nicht feststellbar ist und der Klageantrag auch daran scheitert, tritt nur noch zusätzlich hinzu.

b) Hinsichtlich des Berufungsantrages zu 1) (Schmerzensgeld) ist mangels Anschlussberufung der Beklagten prozessual (nur) zu prüfen, ob dem Kläger ein Zahlungsanspruch über den vom Landgericht bereits (rechtskräftig) zuerkannten Betrag von weiteren 7.500 EUR neben den außergerichtlich bereits gezahlten 2.500 EUR zusteht. Dies ist nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme durch den Senat (nur) in tenoriertem Umfang zu bejahen.

aa) Beanstandungsfrei sind dabei zunächst die Feststellungen des Landgerichts zu den direkten Unfallfolgen auf S. 9 des angegriffenen Urteils (Radiusschaft-Fraktur links, Knie-, Thorax und Beckenprellung; Operationen mit Einsetzen und Entfernen einer Metallplatte, 14 cm lange Narbe am Unterarm und der unfallbedingt eingetretenen dauerhaften Nervschädigung an der Hand mit einer Gefühlsminderung nach Läsion aufgrund sensibler Teilschädigung des Ramus superficialis der nervus radialis ICD-10, G 58.9 G). Soweit die Berufungsbegründung auf S. 3 (Bl. 847 d.A.) am Rande nochmals aufgreift, dass der gesamte Nervenast am linken Daumen unfallbedingt ausgefallen sei und dort gar kein Gefühl mehr vorhanden sei, hat das Landgericht derartige Beeinträchtigungen als Unfallfolge nicht feststellen können. Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, da insofern nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Weder aus den Attesten noch aus den vorgelegten Gutachten der erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen ergibt sich ein vollständiger Ausfall des Nervenapparats an der Stelle. Die Berufungsbegründung zeigt auch nicht konkret auf, woraus sich etwas anderes ergeben soll. Das vorgelegte Attest vom 02.12.2008 (Bl. 51 d.A. = Bl. 167 d.A.) zwingt ebenfalls zu keiner anderen Sichtweise und streitet nicht für die Annahme eines vollständigen Nervendefekts, also eines Schadens über die vom Landgericht festgestellte Schädigung hinaus. Diese wird auch in den Attesten vom 30.10.2007 (Bl. 166 d.A.), 26.09.2008 (Bl. 168 d.A.) und 02.12.2008 (Bl. 167 d.A. 761 d.A) genauso von den behandelnden Ärzten bestätigt.

Als erwiesen anzusehen ist – wozu sich das Landgericht nicht explizit verhalten hat -, allerdings, dass der Kläger unfallbedingt für das Maschinenschreiben am PC kein 10-Finger-System mehr erlernen und einsetzen kann (S. 15 des Schriftsatzes vom 02.09.2013, Bl. 320 d.A.). Der entsprechende Vortrag ist schon wegen der beschriebenen Sensibilitätsstörung in der Hand auf S. 9 des Schriftsatzes vom 15.10.2013 (Bl.353 d.A.) beklagtenseits nur unsubstantiiert bestritten und damit prozessual als unstreitig zu behandeln. Der Umstand ist jedoch für die Schmerzensgeldbemessung vernachlässigenswert, da angesichts der Möglichkeiten moderner PC-Technik die Bedeutung der direkten Schreibeingabe jedenfalls zurückgegangen ist und die PC-Nutzung im Übrigen dem Kläger unstreitig ohne Hinderung möglich ist.

Soweit auf S. 4 f. des Schriftsatzes vom 16.01.2014 (Bl. 365 f. d.A.) am Ende noch vorgetragen worden ist, dass die Nervenschädigung am Daumen ansonsten auch Probleme an der HWS verursachen soll, ist das mangels erläuternder Angaben nicht nachvollziehbar.

bb) Sofern das Landgericht auf S. 10 des Urteils die angeblichen unfallbedingten LWS-/HWS-Probleme des Klägers – mit angeblichen Ausstrahlungen in die Beine hinein und Kraftminderungen in den Armen – als nicht erwiesen angesehen hat, ist der Senat ebenfalls nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts gebunden. Auch hier begründen nicht etwa konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen und gebieten deshalb eine erneute Feststellung durch den Senat. Die erstinstanzlichen Feststellungen, wonach allein unfallunabhängige Beschwerden muskulären Ursprungs bestehen dürften, beruhen auf einer plausiblen Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. E vom 24.01.2012 (Bl. 109 ff. d.A.) und vom 25.09.2012 (Bl. 204 ff. d.A.), des Sachverständigen Dr. F vom 12.06.2012 (Bl. 142 ff. d.A.) und vom 25.04.2013 (Bl. 263 ff. d.A.) sowie dem Untersuchungsbefund vom 28.11.2011 (Bl. 101 f. d.A.). Auch aus dem vorgelegten Attest der Unfallklinik G v. 29.08.2013 (Bl. 396 d.A.) ergibt sich kein dem Kläger günstigerer Befund. Nichts anderes folgt auch daraus, dass er tatsächlich wegen attestierter Beschwerden behandelt worden sein mag ausweislich der dazu vorgelegten Unterlagen, denn auch damit lässt sich jedenfalls die Unfallkausalität keinesfalls nachweisen. Gegen die Annahme einer Unfallkausalität mag sogar zusätzlich noch streiten, dass der Kläger ausweislich der vorgelegten Unterlagen und seiner Angaben bei der Anamnese nach der Verheilung der Frakturen im Jahr 2008 den Versuch gestartet hat, erneut Fußball zu spielen und es offenbar dabei dann erst zu verstärkten Wirbelsäulenproblemen und Schmerzausstrahlungen gekommen zu sein scheint.

Von der Einholung eines biomechanischen Gutachtens gemäß dem Beweisantritt insbesondere auf S. 10 des Schriftsatzes vom 02.09.2013 (Bl. 315 d.A.) hat das Landgericht – was mit der Berufungsbegründung auch nicht mehr konkret gerügt wird – zu Recht abgesehen, zumal die technischen Unfallbelastungen im Nachgang u.a. an die Vorlage des Kurzgutachtens H (Bl. 171 ff. d.A.) unstreitig waren und die gerichtlich bestellten Sachverständigen sich damit hatten befassen können. Die spätere Vorlage der Bilder vom Unfallfahrzeug (Anlage K 1, Bl. 387 ff. d.A.) rechtfertigt auch keine andere Sichtweise, zumal der äußere Zustand eine Unfallfahrzeugs wenig zu den genauen Unfallfolgen für die Insassen auszusagen vermag mag.

Soweit sich „Zweifel“ i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO allerdings auch aus etwaigen zulässig vorgetragenen neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ergeben können, kann sich der Kläger darauf in diesem Punkt ebenfalls nicht mit Erfolg stützen: Zwar wird auf S. 10 f. der Berufungsbegründung (Bl. 854 f. d.A.) mit Blick auf die angeblichen unfallbedingten LWS-/HWS-Probleme erstmals näher zu den Hintergründen der aus den Unterlagen ersichtlichen Röntgenuntersuchung vor dem Unfallgeschehen vorgetragen, die in das Attest vom 08.03.2007 (Anlage B4, Bl. 40 d.A. = Bl. 170 d.A.) eingeflossen sein sollen, doch ist weder nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO vorgetragen noch sonst ersichtlich, weswegen dieser neue Vortrag trotz § 531 Abs. 2 ZPO noch zuzulassen sein soll. Das Fehlen solchen Vorbringens zur Röntgenindikation war nämlich nicht nur in den erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. E (Erstgutachten S. 10 = Bl. 118 d.A., Zweitgutachten S. 3 f. = Bl. 206 f. d.A.) angemerkt, sondern die Beklagten haben auf S. 3 der Einspruchsschrift (Bl. 34 d.A.), auf S. 2 f. des Schriftsatzes vom 30.01.2013 (Bl. 233 f. d.A.) sowie auf S. 5 f. des Schriftsatzes vom 15.10.2013 (Bl. 349 f. d.A.) unfallunabhängige Vorerkrankungen an der LWS/BWS ausdrücklich gerügt. Deswegen ist das nunmehrige Vorbringen auch nicht etwa als unstreitig anzusehen und deswegen trotz § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

Als „Minus“ ist zugleich dann auch eine unfallbedingte „Vermehrung“ von unfallunabhängigen LWS/HWS-Vorerkrankungen nicht – auch unter Zuhilfenahme des § 287 ZPO – abgrenzbar dargetan, so dass auch daraus nichts zu Gunsten des Klägers abzuleiten ist. Gegen die Annahme von „Zweifeln“ i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO streitet insofern zudem auch, dass auf S. 11 f. des Schriftsatzes vom 02.09.2013 (Bl. 316 f. d.A.) als eine der angeblichen Unfallfolgen angeführt worden ist, dass der Kläger seine Geldbörse nicht mehr in der hinteren Hosentasche tragen könne. Solche Schmerzausstrahlungen sollen ausweislich S. 10 der Berufungsbegründung (Bl. 854 d.A.) aber gerade Auslöser der Untersuchungen vor dem Unfall gewesen sein soll und können mithin sachlogisch ebenfalls kaum unfallbedingt entstanden sein.

cc) Soweit der Kläger in erster Instanz vage unfallbedingte Augenprobleme angedeutet hat (S. 14 des Schriftsatzes vom 02.09.2013, Bl. 319 d.A.), war der Vortrag unsubstantiiert, so dass das Landgericht dazu zu Recht nichts weiter ausgeführt hat; die Berufung verhält sich dazu ebenfalls nicht.

dd) Schließlich kann der Kläger sich aber auch nicht auf weitere unfallbedingte psychische Folgen über die vom Landgericht auf S. 10 ff. des Urteils festgestellte 24monatige Anpassungsstörung hinaus berufen.

(1) Der Berücksichtigung solcher psychischer Schäden bei der Bemessung des Schmerzensgeldes steht allerdings nicht schon im Ansatz die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede (§ 214 BGB) entgegen. Richtig ist zwar, dass die in unverjährter Zeit erhobene Klage nur auf die Nervenschädigung an der Hand, die vermeintlichen HWS-/LWS-Probleme sowie die unmittelbaren Verletzungsfolgen abgestellt und ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 15.000 EUR eingefordert hat. Erstmals am 19.10.2011 ist im Schriftsatz vom 18.10.2011 (Bl. 97 d.A.) unter Vorlage eines Attestes eine angebliche PTBS als Behauptung in das gerichtliche Verfahren eingeführt worden unter Berufung auf das Bedürfnis eines höheren Schmerzensgeldes (ohne Mindestangabe). Noch später wurden entsprechende Sachanträge gestellt im Nachgang an den wenig klaren Feststellungsantrag im Schriftsatz vom 16.08.2012 (Bl. 196 f. d.A.). Das Landgericht ist jedoch dennoch hier zu Recht davon ausgegangen, dass die in unverjährter Zeit erhobene unbezifferte Schmerzensgeldklage ungeachtet des genauen Prozessvortrages zu den tatsächlichen Grundlagen und ungeachtet der Tatsache, dass sie zunächst eher andere Unfallfolgen benannt haben mag, zur Unterbrechung der Verjährung insgesamt geführt hat. Der BGH (v. 13.05.1974 – III ZR 35/72, NJW 1974, 1551) hat schon früh einer unbezifferten Schmerzensgeldklage umfassende verjährungsunterbrechende Wirkung zugesprochen und dies wird im Schrifttum heute weitgehend ebenfalls so befürwortet (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 7. Aufl. 2018, § 253 Rn. 24; BeckOK-BGB/Spindler, Ed. 49, § 253 Rn. 79; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl. 2017, § 204 Rn. 8; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, Stand: 01.03.2019, § 204 Rn. 71; MüKo-BGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, § 204 Rn. 22; siehe zudem auch OLG Köln v. 20.12.1984 – 7 U 40/84, BeckRS 1984, 27 21; ohne klare Aussage indes BGH v. 10.10.2002 – III ZR 205/0, r + s 2003, 80). Zwar war im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch wenig gesichert, ob bei unbezifferten Klagen zumindest Angaben zur Mindestbemessung geboten sind (krit. daher etwa auch Dunz, NJW 1984, 1734, 1737 f.) und zwar wird vereinzelt die Entscheidung auch weiterhin nur eher so verstanden, als müssten die tatsächlichen Umstände, die für die Höhe der Schmerzensgeldbemessung wesentlich sind (wie z.B. Ausmaß und Umfang der Verletzungen, bleibende Behinderungen) ebenfalls konkret vorgetragen sein (so wohl Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 7. Kap. Rn. 29), doch geht dies mit Blick auf die sog. Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs zu weit. Der Umfang der Hemmung wird bei § 204 BGB grundsätzlich durch den Streitgegenstand bestimmt (st. Rspr., vgl. BGH v. 21.10.2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145). Aus der ständigen Rechtsprechung zur Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes ergibt sich jedoch im fraglichen Kontext ein eher weiter Streitgegenstandsbegriff. Verlangt ein Kläger für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt Schmerzensgeld, werden durch einen daraufhin zuerkannten Betrag anerkanntermaßen alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (st. Rspr, vgl. BGH v. 20.01.2015 – VI ZR 27/14, NJW 2015, 1252 Tz. 8; v. 14.02.2006 – VI ZR 322/04, NJW-RR 2006, 712). Dieser Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet es folgerichtig aber auch, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs auf Grund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen. Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch gar nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, werden von der vom Gericht ausgesprochenen Folge nicht umfasst und können bei späterem Auftreten noch Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld sein. Daraus folgt im Gegenzug jedoch auch, dass alle in diesem Sinne vorhersehbaren Schäden zwangsläufig vom einheitlichen Schmerzensgeldbegehren miterfasst sind, so dass folgerichtig auch die Verjährungsfrage einheitlich zu entscheiden sein muss, zumal der Kläger selbst schon ab 2008 mit psychischen Unfallfolgen gekämpft haben will.

(2) Soweit das Landgericht – wie auch immer gelagerte – weitere psychische Folgeschäden über eine 24monatige Anpassungsstörung hinaus dann als nicht erwiesen angesehen hat, war der Senat zwar insofern nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (auch) an diese Feststellungen gebunden. Denn es bestanden deswegen jedenfalls zunächst Zweifel des Senats an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen, weil ein Schädiger – was in erster Instanz möglicherweise zunächst nicht ausreichend bedacht worden war – auch für psychische Fehlverarbeitungen eines Unfallgeschehens aufgrund einer abnormen Veranlagung des Geschädigten im Grundsatz einzustehen hat, was der Senat – worauf zur Meidung von unnötigen Wiederholungen hier Bezug genommen wird – im Beschluss vom 27.07.2017 (Bl. 900 ff. d.A.) im Detail ausgeführt hat. Auslöser war vor allem, dass der Sachverständige Dr. A seine Feststellungen u.a. darauf gestützt hatte, dass ein „wesentlicher Punkt“ in der Betrachtung das Ende der vom Kläger erhofften Fußballkarriere gewesen sei und es sich dabei eben nur um „sekundäre Folgen“ des Unfalls gehandelt habe (S. 3 der Anhörung des Sachverständigen Dr. A vom 19.09.2016, Bl. 724 d.A.). Diese Sichtweise, die das Landgericht auf S. 13 der angegriffenen Entscheidung übernommen hat, war so im Ansatz nicht überzeugend, weil die zum Abbruch des angesetzten Probetrainings (und damit zum Ende der erhofften Fußballkarriere) führenden Frakturen des Klägers natürlich als solche geradezu primäre Unfallfolgen waren und mithin auch das sich daraus unmittelbar entwickelnde Folgegeschehen Unfallfolge war, auch wenn es nur Anlass für eine psychische Fehlverarbeitung beim Kläger geboten hätte.

(3) Doch auch die damit nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebotenen erneuten Feststellungen des Senats führen zu keiner der Kläger günstigeren Sichtweise.

(a) Eine Zurechnung konnte dabei allerdings nicht – wie der Senat im o.a. Beschluss ausgeführt hat – schon allein deswegen verneint werden, weil der Kläger den Unfall in neurotischem Streben nach Versorgung und Sicherheit zum Anlass genommen haben soll, den Schwierigkeiten des Berufs- und Erwerbslebens auszuweichen. Auch wenn die gerichtlich bestellten Sachverständigen – möglicherweise in dem Bestreben, ihren gutachterlichen Ausführungen dadurch noch weiteren Nachdruck zu verleihen – recht deutliche Andeutungen in diese Richtung gemacht haben (vor allem Gutachten des Sachverständigen Dr. A vom 06.03.2018, S. 23 = Bl. 951 d.A.), fehlt dem unter dem Strich doch jede auch nur halbwegs belastbare Tatsachengrundlage. Der Senat sieht – wie im Termin auch betont – bis zuletzt keinerlei greifbaren Anhaltspunkte für eine solche sog. „Begehrensneurose“ beim Kläger, der sich immerhin um den Abschluss seines Studiums und um seine Gesundheitsfürsorge durchaus bemüht hat und weiter bemüht und der keinesfalls hat Anzeichen dafür erkennen lassen, dass er sich nur dauerhaft vom Versicherer „versorgen“ lassen möchte.

(b) Nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme durch den Senat steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats im Sinne des § 286 ZPO und auch noch nicht einmal mit dem geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 287 ZPO fest, dass weitere unfallbedingte psychische Beschwerden im Sinn der Ausführungen des Senats (a.a.O.) aufgetreten sind und dies ggf. (auch) nur auf eine in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers als Vorveranlagung liegende Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens und seiner Folgen zurückzuführen ist.

(aa) Soweit der Kläger – bis zuletzt – eine fortdauernde posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge geltend macht, kann eine solche vom Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als unfallbedingte Folge erkannt werden. Letztlich kann dazu im Kern schon auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 11 ff. des angegriffenen Urteils Bezug genommen werden. Nach anerkannter medizinischer Definition wird ein posttraumatisches Belastungssyndrom (ICD10: F43.1) durch ein schwerwiegendes traumatisches Erleben ausgelöst. Es handelt sich um eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (BGH v. 10.02.2015 – VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246 Tz. 20). Der Sachverständige Dr. A hat auch für den Senat überzeugend ausgeführt, dass sich das vom Kläger im unmittelbaren Unfallzusammenhang erlebte Geschehen jedoch nicht als derart schwerwiegendes traumatisches Erleben darstellen lässt und insbesondere die dazu beschriebenen Symptome jedenfalls so zu unspezifisch waren, um eine solche Diagnose wirklich tragen zu können. Soweit der Kläger eine erneute Begutachtung nach §§ 525 S. 1, 412 Abs. 1 ZPO durch einen anderen sachverständigen einfordert, sieht der Senat dazu keinen Anlass, da die Ausführungen gerade nicht ungenügend, sondern überzeugend sind.

Mit dem Landgericht war insofern auch – zumal der Klägervertreter rügelos Anträge gestellt hat, nachdem das Landgericht die Beweisaufnahme schon erkennbar geschlossen hatte, so dass ohnehin von einem stillschweigenden Verzicht auf den Zeugen i.S.d. § 399 ZPO auszugehen ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 04.02.2016 – IX ZR 133/15, CR 2016, 356 Rn. 4; v. 02.11.1993 – VI ZR 227/92, NJW 1994, 329, 330) und eine erneute Benennung an § 531 Abs. 2 ZPO scheitern muss, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, warum eine Benennung in zweiter Instanz noch zuzulassen sein sollte – der erstbehandelnde Arzt D nicht noch als (sachverständiger) Zeuge zu vernehmen. Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist ohnehin entbehrlich, wenn – wie hier – das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom gerichtlich bestellten Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von solchen Zeugen an (BGH v. 03.06.2008 – VI ZR 235/07, NZV 2008, 502 Rn. 11).

Dies betrifft im vorliegenden Fall in ähnlicher Form auch die weiteren benannten Zeugen. Die (erneute) Benennung des Zeugen D war schließlich auch nicht deswegen zuzulassen, weil dieser dem Sachverständigen Dr. A keine weiteren Behandlungsunterlagen vorgelegt hat – zumal dies auch vor dem Senat nach dem erkennbaren Schließen der Beweisaufnahme auch durch den Senat keinesfalls noch beantragt worden ist, so dass das oben Gesagte entsprechend gilt. Es hätte dem Kläger schon in erster Instanz im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes oblegen, auch selbst alle weiteren angeblich relevanten Behandlungsunterlagen vorzulegen, nachdem der Sachverständige die Probleme beim Beiziehen der Unterlagen offengelegt hatte.

Auch die eine angeblich unfallbedingte PTBS diagnostizierenden Atteste des Dr. Eich vom 17.10.2011 (Bl. 98 d.A. = Bl. 199 d.A. = Bl. 759 d.A.), des Dr. D v. 02.07.2010 (Bl. 198 d.A.), v. 04.06.2010 (Bl. 760 d.A.), v. 01.04.2015 (Bl. 614 d.A. = Bl. 757 d.A.) und vom 01.02.2016 (Bl. 661a d.A.), des Dr. I v.  04.06.2013 (Bl. 391 d.A. = Bl. 752 d.A.), v. 18.06.,2013 (Bl. 392 d.A. = Bl. 753 d.A.) und v. 16.03.2015 (Bl. 755 d.A.), der Frau J v. 15.10.2013 (Bl. 393 d.A. = Bl. 750 d.A.), der K v. 05.03.2014 (Bl. 749 d.A.= Bl. 860 d.A.) und v. 18.03.2014 (Bl. 473 d.A.), der Klinik L v. 07.08.2014 (Bl. 495 f. d.A./748 d.A./863 d.A.) und vom 12.11.2014 (Bl. 629 ff. d.A.) , des Dr. M vom 12.06.2015 (Bl. 747 d.A.= Bl. 865 d.A.) und vom 20.02.2017 (Bl. 857 f. d.A.) und der Frau Dr. N v. 26.01.2017 (Bl. 856 d.A.) tragen – trotz ihrer Masse – keine andere Sichtweise: Der Sachverständige Dr. A hat vor allem bei seiner Anhörung vom 15.06.2015 (S. 2 f. des Protokolls = Bl. 624 R f. d.A.) überzeugend und plausibel ausgeführt, dass die ihm vorliegenden Unterlagen insbesondere auf Basis von Selbstbeurteilungsskalen erstellt worden sind und typische Merkmale einer PTBS nicht feststellbar und vor allem nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sind. Auch aus dem mit Schriftsatz vom 08.08.2016 (Bl. 718 d.A.) überreichten Gutachten Dr. B vom 07.06.2016 (AH II) folgt nichts anderes. Der Sachverständige Dr. A hat sich auch damit schon bei seiner Anhörung in erster Instanz vom 19.09.2016 (Bl. 722 ff. d.A.) überzeugend auseinandergesetzt und das Fehlen der typischen Kriterien ebenso plastisch erläutert wie die Bedeutung eines durchaus zielgerichteten Handelns des Klägers direkt nach dem Unfallgeschehen. Insofern konnte er auch eine (ohnehin eher seltene) spätere Manifestation solcher Symptome als (nachgelagerte) Unfallfolge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im konkreten Fall ausschließen (S. 4 der Anhörung vom 19.09. 2016 = Bl. 725 d.A.). Warum diese Einschätzung fehlerhaft gewesen sein soll, vermochte der Kläger aber bis zuletzt nicht aufzuzeigen. Vielmehr hat der Sachverständige auf S. 13 ff. des Gutachtens vom 06.03.2018 (Bl. 941 ff. d.A.) nochmals deutlich gemacht, dass das Fehlen jedweder konkreter Befunde aus der Zeit 2007/2008 und die geringe damalige Behandlungsdichte (zweimalig im Jahr 2010) angesichts der geschilderten Symptome ebenfalls deutlich gegen die Annahme einer unfallbedingten PTBS streiten. Der Sachverständige hat auch gut nachvollziehbar ausgeführt, dass weitere aussagekräftige Unterlagen nicht beizuziehen waren und das vorgelegte Gutachten Dr. B im Wesentlichen auf Eigenangaben des Klägers bei der Anamnese basiert, weswegen ihm keine besondere Überzeugungskraft zukommen kann. Das alles erscheint auch dem Senat überzeugend, zumal eine ausreichende Schwere eines traumatischen Ereignisses als Auslöser einer PTBS – sei es nur in einem Ursachenbündel – letztlich hier eher in Zweifel zu ziehen sein dürfte, mag auch die Verletzung des Vaters für den Kläger einschneidend gewesen sein. Zudem hat der Sachverständige auch anhand der Befunde der K auf S. 17 f. des Gutachtens vom 06.03.2018 (Bl. 945 ff. d.A.) ergänzend aufgezeigt, dass und warum auch damit der Befund einer unfallbedingten PTBS keinesfalls zu stützen ist.

(bb) Auch eine anderweitige (mildere) Form einer psychischen Störung beim Kläger, etwa in Form einer (nicht über ICD definierten und deswegen letztlich atypischen) längerfristigen Anpassungsstörung (= mehr als 24 Monate) und/oder in Form einer schweren Depression als Unfallfolge, ggf. auch wiederum nur ausgelöst in einem Ursachenbündel aufgrund einer Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens, ist im konkreten Fall für den Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 287 ZPO und erst recht nicht mit dem Beweismaß des § 286 ZPO festzustellen.

(1) Zwar klangen zumindest Teile der Ausführungen auf S. 29 f. des Erstgutachtens des Sachverständigen Dr. A (Bl. 545 ff. d.A.) und auch dessen Anhörung am 15.06.2015 (Bl. 624 f. d.A.) auf den ersten Blick eher so, als sei nur eine „klassische“ PTBS beim Kläger als Unfallfolge nicht festzustellen, weswegen man eben eine mit der „Komplexität des psychischen Störungserlebens“ des Klägers zu beschreibende Anpassungsstörung zu diagnostizieren habe, die aber dann per ICD-Definition auf maximal 24 Monate „beschränkt“ sei. Das wäre aus Sicht des Senats wenig überzeugend gewesen, wenn die nachweislichen Beschwerden des Klägers insofern tatsächlich länger als 24 Monate angedauert hätten – was auch das Privatgutachten des Dr. B (AH II) auf S. 63 bemängelt und zur Anerkennung einer (sei es atypischen) PTBS veranlasst zu haben scheint. Für eine solche Sichtweise mag tendenziell auch angeführt werden, dass der Sachverständige Dr. C bei seiner Erstuntersuchung ebenfalls noch gewisse Konzentrationsschwierigkeiten und Einschränkungen beim Kläger feststellen konnte (S. 7 Erstgutachten = Bl. 556 d.A.). Er hat auf Basis seiner Tests ein ausgeprägtes psychisches Störungserleben mit einer chronifizierten Fehlentwicklung in unterschiedlichen persönlichkeitsbezogenen Bereichen des Erlebens, Empfindens und Verhaltens und mit insgesamt komplexen Wechselwirkungen der unterschiedlichen psychischen Auffälligkeiten des Klägers diagnostiziert (S. 22 f./24 Erstgutachten = Bl. 571 f./573 d.A.). Das hat den Sachverständigen zumindest damals zu der Annahme verleitet, dass die festgestellten kombinierten Persönlichkeitsakzentuierungen des Klägers auf eine erhöhte prämorbide Vulnerabilität im Persönlichkeitsgefüge verweisen und Einfluss auf die Bewältigung von ereignis- und erlebnisassoziierten psychischen Reaktionen genommen hätten, so dass „unverändert“ ein psychiatrischer und psychologischer Behandlungsbedarf beim Kläger bestehe (S. 33 Erstgutachten = Bl. 582 d.A.).

(2) Nach dem Ergebnis der  weiteren Beweisaufnahme hat sich dieser Befund so aber nicht bestätigt.

Schon nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers im Termin vom 22.06.2017 – was versehentlich nicht protokolliert, im Beweisbeschluss (a.a.O.) aber unwidersprochen ausgeführt ist – war für den Senat eher befremdlich, dass der Kläger das nach dem Unfall versäumte Fußball-Probetraining für den Zweitligisten in der Türkei plötzlich nur noch als „peanuts“ bezeichnete, während dieser Punkt vom Sachverständigen Dr. A – wie oben ausgeführt – zuvor gerade noch als „wesentlicher“ Punkt behandelt worden war. Auch soweit der Kläger im Termin vom 25.04.2019 zuletzt nochmals betont hat, dass er das alles so gegenüber den Ärzten so gar nicht gesagt habe und das Fußball-Thema für ihn nur eine von den Entscheidungen der Trainer abhängige „Chance“, gewesen sei, auf die er damals für seine Planung nicht gesetzt habe, war dies insgesamt wenig überzeugend. Denn das Thema klingt durchaus auch in anderen ärztlichen Unterlagen an (Anamnese des Sachverständigen Dr. E, S. 5 Erstgutachten = Bl. 113 d.A., Attest Dr. I v. 18.06.2013, Bl. 392 d.A., Erstgutachen Dr. A, S. 11/12/22 f./29 f. = Bl. 527/528/538 f./545 f.  d.A.[„Welt zusammengebrochen“] und Attest der Klinik L, Bl. 629 d.A.; siehe auch S. 3 des Schriftsatzes vom 18.07.2012, Bl. 165 d.A.]. Der Sachverständige Der. A hat im Erstgutachten (S. 26 = Bl. 542 d.A.) die von ihm beschriebene dysfunktionelle psychische Verarbeitung des Unfallgeschehens durch den Kläger mit seinen Folgen nach eingehender Anamnese mit einer Projektion einer Vielzahl von Ängsten und Beschwerden gerade auf die früh antizipierten Auswirkungen auf eine gewünschte Karriere im Profifußball als „irrationale Kognition, getriggert durch Angst und psychodynamisch durch Projektion entstanden“ bezeichnet, zumal die „unbewusst vorgenommene Verknüpfung“ im tradierten männlichen Selbstverständnis und Rollenbild“ ei ne akzeptable Erklärung für die aufgetretenen Beschwerden ermöglicht habe (S. 27 Erstgutachten = Bl. 543 d.A.) und sich dann zunehmend auf eine monokausale Betrachtungsweise beim Kläger versteift habe. Diese Ausführungen sind seinerzeit auch nicht gerügt oder in Zweifel gezogen worden. Wieso diese Thematik für den Kläger nunmehr plötzlich ohne jede Bedeutung gewesen sein soll, ist dem Senat daher nicht verständlich und auch insgesamt bleiben die diesbezüglichen Bekundungen des Klägers bei seiner Anhörung eher farblos und wenig überzeugend.

Die so begründeten Zweifel verstärkten sich dann bei der weiteren Begutachtung durch die beiden Sachverständigen Dr. C und Dr. A: Beide Sachverständige haben plastisch ausgeführt, dass und warum den Schilderungen des Klägers zum angeblichen Belastungserleben und seinen psychischen Folgen jedwede affektive Untermalung fehlt, alles demonstrativ sowie wenig different wirkt und deswegen eher „scriptlastig“ sowie insgesamt nicht authentisch. Der Sachverständige Dr. A hat auf S. 16 f./19/23 des Gutachtens vom 06.03.2018  (Bl. 944 f./947/951 d.A.) überdeutlich auch seine Verwunderung über die veränderte Bewertung der verpassten Chancen der Fußballkarriere durch den Kläger zum Ausdruck gebracht. Er hat auf S. 18 (Bl. 946 d.A.) ausgeführt, dass und warum die Kränkung, die Verbitterung und die juristische Auseinandersetzung heute daher wohl einen wesentlichen Anteil der Psychodynamik auszumachen scheinen, so dass keine kombinierte Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert über reine Persönlichkeitsakzentuierungen beim Kläger hinaus und/oder eine unbewusste Kompensation innerer Konflikte durch den Kläger als Unfallfolge feststellbar sei, die ggf. eine weitere Diskussion über eine sog. Konversionsneurose auch nur eröffnet hätte. Es könne allenfalls noch eine sog. posttraumatische Verbitterungsstörung angedacht werden (S. 22 f. des Gutachtens vom 06.03.2018, Bl. 950 f. d.A.), die jedoch keinen echten Krankheitswert habe.

Soweit das Fußball-Thema ansonsten bei der erneuten Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. C (S. 6 des Gutachtens vom 07.02.2018, Bl. 923 d.A., S. 3 des Gutachtens vom 19.09.2018, Bl. 986 d.A.) ebenfalls angesprochen worden ist, hat der Kläger zwar – wie gezeigt – die Bedeutung zuletzt zu relativieren gesucht und sich so in den aufgezeigten Widerspruch zu seinen früheren Angaben gesetzt. Die daraus fließenden Zweifel an den Schilderungen des Klägers haben sich aus Sicht des Senats aber dann nochmals dadurch verstärkt, dass auch andere Fragen – die sonst in den vorgelegten Unterlagen immer wieder einmal angesprochen waren – zuletzt kein Thema mehr waren wie etwa angebliche „flashbacks“ und Alpträume/Tagträume sowie Schuldgefühle, welche auch auf S. 7 des Gutachtens Dr. C vom 07.02.2018 (Bl. 924 d.A.) allesamt verneint werden.

Angesichts dessen hält der Senat es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt für wahrscheinlicher, dass psychische Vorbelastungen des Klägers diesem zwar die Bewältigung der Unfallfolgen erschwert und zu der auch vom Landgericht festgestellten 24monatigen Anpassungsstörung jedenfalls bis zum Beginn des Studiums des Klägers geführt haben, mit Studienbeginn aber – wie der Sachverständige Dr. A ausgeführt hat – letztlich dann doch eine Verschiebung der Wesensgrundlage stattgefunden hat und ab dann eben nur persönlichkeitsimmanente Lebenskonflikte in den Vordergrund getreten sind, was für eine Zurechnung auch unter Berücksichtigung der vom Senat a.a.O. zur Zurechnung gemachten Ausführungen allein eben nicht genügt. Eine „Verknüpfung“ dieser Entwicklungen über die (jedenfalls subjektiv unfallbedingt vereitelte) „Fußball-Karrierenchance“, die u.U. dann dennoch eine Zurechnung zum Schädiger erlaubt hätte, ist – wie ausgeführt –  nicht festzustellen gewesen.

(cc) Schließlich ist dann auch eine – wie auch immer gelagerte – „Verlängerung“ der vom Landgericht festgestellten Anpassungsstörung noch über 24 Monate – als atypische Störung über die ICD-Definition hinaus – etwa bis ins Jahr 2015 – wie sie im Schriftsatz vom 12.11.2018 (Bl. 1005 f. d.A.) zuletzt anklingt –  aus ähnlichem Grund jedenfalls nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit für den Senat als Unfallfolge feststellbar. Der Kläger rügt zwar nicht ganz ohne Anhalt, dass der Sachverständige Dr. C bei der Erstbegutachtung immerhin noch von einer gewissen Behandlungsbedürftigkeit ausgegangen ist, wobei schon dunkel blieb, ob er dies als Unfallfolge oder Folge der persönlichkeitsimmanenten Merkmale ansah. Auch im Gutachten vom 19.09.2018 (S. 6 ff. = Bl. 989 ff. d.A.) hat der Sachverständige aufgezeigt, dass er jedenfalls damals psychische Auffälligkeiten festgestellt hatte, die er heute aber so weitgehend nicht mehr erkennen konnte. Der Sachverständige hat jedoch dabei deutlich gemacht, dass das kein Widerspruch ist, sondern Ausprägungen der Persönlichkeitszüge des Klägers abbildet, mag eine erhöhte prämorbide Vulnerabilität im Persönlichkeitsgefüge auch Einfluss auf die Bewältigung der Unfallfolgen genommen haben. Insofern fehlen aber auch unter Zugrundelegung dessen letztlich ausreichende Anhaltspunkte – selbst unter Berücksichtigung des Maßstabes in § 287 ZPO für die haftungsausfüllende Kausalität – dass hier auch nach Studienbeginn fortdauerndes psychisches Erleben – sei es in einem Ursachenbündel – noch auf den Unfall zurückzuführen ist und nicht nur auf die zunehmende Verbitterung über die vermeintlich unzureichende juristische Aufarbeitung etc.

ee) Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen zu den Unfallfolgen war die Schmerzensgeldbemessung des Landgerichts – die der Senat trotz § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in an Umfang voll zu überprüfen hat – nach oben zu korrigieren.

(1) Da der Verletzte nur einen Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld nach § 253 BGB hat, für dessen Festsetzung wiederum Billigkeitsgesichtspunkte maßgebend sind, kann nach ständiger Rechtsprechung – die das Landgericht hier herangezogen hat – bei der Bemessung der Höhe eines Schmerzensgeldes geboten sein, zu berücksichtigen, dass die zum Schaden führende Handlung des Schädigers nur eine bereits vorhandene Schadensbereitschaft in der Konstitution des Geschädigten ausgelöst hat und die Gesundheitsbeeinträchtigungen somit auch Auswirkungen dieser Schadensanfälligkeit sind; das gilt gerade für seelische Fehlreaktionen, die durch eine entsprechende psychische Prädisposition des Verletzten mitbedingt sind (st. Rspr., vgl. BGH v. 05.11.1996 – VI ZR 275/95, VersR 1997, 122; v. 30.04.1996 – VI ZR 55/95, NZV 1996, 353; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 12. Aufl. 2016, Rn. 276, 278; siehe auch OLG Frankfurt v. 06.11.1993 – 17 U 72/88, NZV 1993, 67). Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles hat das Landgericht dennoch neben den unmittelbaren Unfallfolgen und der Nervenschädigung der immerhin 24monatigen Anpassungsstörung beim Kläger letztlich zu wenig Gewicht beigemessen.

(2) Das vom Landgericht festgesetzte Schmerzensgeld von insgesamt 10.000 EUR wäre zwar ausreichend gewesen, eher einfache psychische Beeinträchtigungen auszugleichen (wie im Fall OLG Frankfurt v. 03.06.2015 – 17 U 216/14, Beck´sche Schmerzensgeldtabelle Nr. 5180), hier waren jedoch zumindest längerfristige, 24monatige unfallkausale Anpassungsstörungen feststellbar, die den noch recht jugendlichen Kläger in seiner Lebensplanung in einem wichtigen Abschnitt der Weichenstellungen ganz nennenswert zurückgeworfen haben. Dem Senat erscheint in Anlehnung an die Fälle LG Berlin v. 08.09.2010 – 24 O 523/10, ADAC-Schmerzensgeldtabelle 33.3079; LG Bayreuth v. 10.05.2011 – 32 O 849/19, ADAC-Schmerzensgeldtabelle 33.897 daher insofern ein höheres Schmerzensgeld von 20.000 EUR als angemessen, aber – gerade mit Blick auf die psychische Vorveranlagung beim Kläger und das oben dazu Gesagte – auch als ausreichend, um die erlittene immaterielle Beeinträchtigung auszugleichen.

Ein noch höheres Schmerzensgeld – etwa in Anlehnung an OLG Oldenburg v. 16.05.2007 – 5 U 163/04, ADAC-Schmerzensgeldtabelle 33.1297 oder OLG Saarbrücken v. 26.02.2015 – 4 U 26/14, Beck´sche Schmerzensgeldtabelle Nr. 4982; OLG Schleswig v. 15.01.2009 – 7 U 76/07, NZV 2010, 96 – erscheint demgegenüber dem Senat nicht geboten, insbesondere mit Blick darauf, dass auch kein besonders schweres Verschulden bei dem Unfall feststellbar war und die Frakturen des Klägers usw. auch nicht so gravierend waren wie etwa im Fall OLG Saarbrücken a.a.O.. Ferner war der Eindruck in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat insgesamt so, dass der Kläger sich arrangiert hat und durchaus wieder Fuß zu fassen in der Lage scheint. Auch kann der Beklagten nicht ohne weiteres ein (die Haftung ggf. verschärfendes) zögerliches Regulierungsverhalten vorgeworfen werden, da die eingetretenen Verwerfungen insgesamt eher auf die damalige anwaltliche Vertretung des Klägers und deren wenig zielführende prozessuale Vorgehensweise zurückgehen dürften.

c) Der Feststellungantrag hat daneben dann keinen Erfolg. Ungeachtet der Frage, ob und wie eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Schadensfolge zu erwarten ist (dazu Zöller/Greger ZPO, 32. Aufl. 2018, § 256 Rn. 9), ist schon ein Feststellungsinteresse zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen (BGH v. 09.01.2007 – VI ZR 133/06, MDR 2007, 792; v. 20.03.2001 – VI ZR 325/99, MDR 2001, 764). Dafür ist – wie das Landgericht zutreffend ausführt – hier trotz Hinweises aber bis zuletzt nichts vorgetragen und/oder ersichtlich, zumal eine noch andauernde unfallbedingte psychische Erkrankung – wie ausgeführt – nicht feststellbar ist. Soweit die Berufungsbegründung (auch) allein an die Nervenschädigung an der Hand anknüpft, ist ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich, welche weiteren Schäden sich daraus entwickeln können sollen. Auch mit Blick auf den einheitlichen Schmerzensgeldanspruch bedarf es – zumal alle vorhersehbaren immateriellen Schäden ohnehin davon erfasst sind – keines weiteren Ausspruchs.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 4, 344 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

4. Die Revision war nicht nach § 543 ZPO zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Berufungsstreitwert: 81.000 EUR (= 40.000 EUR weiteres Schmerzensgeld + 5.000 Feststellungsantrag + 36.000 EUR Zahlungsantrag)

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