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Verkehrsunfall – verschuldensunabhängige Pedelecfahrerhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG?

Schmerzensgeld nach Pedelec-Unfall: Verschuldensunabhängige Haftung?

Das Landgericht Detmold hat in seinem Urteil entschieden, dass der Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatzleistungen an die Klägerin verpflichtet ist. Dies erfolgt aufgrund einer teilweisen Haftung für die Folgen eines Verkehrsunfalls. Die Mitverursachung des Unfalls durch die Klägerin führte zu einer Reduzierung des Anspruchs. Zudem wurden die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen ab einem bestimmten Datum festgelegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 S 43/15 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Schmerzensgeldzahlung: Der Beklagte muss 1.000 EUR Schmerzensgeld an die Klägerin zahlen.
  2. Weiterer Schadensersatz: Zusätzlich sind 682,43 EUR als weiterer Schadensersatz zu leisten.
  3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: Der Beklagte ist verpflichtet, 255,85 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
  4. Haftungsbeteiligung: Der Beklagte haftet zu mindestens 50 % für die Folgen des Unfalls.
  5. Mitverursachung durch Klägerin: Die Klägerin hat den Unfall durch ihr Fahrverhalten mitverursacht, was zu einer Reduzierung des Anspruchs führte.
  6. Keine vollständige Haftung des Beklagten: Der Beklagte haftet nicht vollständig, da auch die Klägerin eine Teilschuld trägt.
  7. Zinsen ab Verzugseintritt: Zinsen auf die zu zahlenden Beträge sind ab dem 20.05.2014 fällig.
  8. Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit: Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben; dasUrteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Unfall und seine Folgen: Verkehrsunfall und Pedelecfahrerhaftung

Pedelec
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Bei einem Verkehrsunfall im September 2013 war die Klägerin, eine Pedelecfahrerin, involviert. Der Beklagte, ein anderer Verkehrsteilnehmer, wurde für die Unfallfolgen teilweise haftbar gemacht. Die rechtliche Auseinandersetzung konzentrierte sich auf die Frage der Haftung und des Schadensausgleichs. Im Kern ging es um die Klärung, inwieweit der Beklagte für die Unfallfolgen verantwortlich ist und welche Schadensersatzleistungen angemessen sind. Der Fall wirft ein Licht auf die Komplexität von Verkehrsunfällen, bei denen die Schuldfrage nicht eindeutig ist und Pedelecfahrer beteiligt sind.

Juristische Bewertung: Schadensersatz und Schmerzensgeld

Das Landgericht Detmold befasste sich mit der Berufung des Beklagten gegen ein früheres Urteil. Das Gericht bestätigte, dass der Beklagte zu einem Anteil von 50 % haftet und verurteilte ihn zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 EUR sowie weiteren Schadensersatz in Höhe von 682,43 EUR. Interessant ist die rechtliche Begründung, die auf § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht) und § 253 Abs. 2 BGB (Schmerzensgeldanspruch) basiert. Die Entscheidung berücksichtigte auch die Mitverursachung des Unfalls durch die Klägerin, was zu einer Reduzierung der Anspruchshöhe führte.

Die Rolle der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten

Ein wesentlicher Aspekt des Urteils betrifft die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Hier entschied das Gericht, dass die Klägerin Anspruch auf Ersatz dieser Kosten hat, allerdings basierend auf dem Teil ihres Anspruchs, der berechtigt war. Dies führt zu einer spezifischen Berechnung der ersatzfähigen Beträge, die sich auf einen Streitwert von 1.682,43 EUR belaufen. Die detaillierte Berechnung umfasst eine 1,3-Geschäftsgebühr und eine Auslagenpauschale, zuzüglich der Umsatzsteuer, was insgesamt 255,85 EUR ergibt. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der genauen Bewertung der Ansprüche und die daraus resultierenden finanziellen Verpflichtungen im Rahmen eines Rechtsstreits. Sie zeigt auch die Wichtigkeit einer fundierten juristischen Einschätzung bei der Geltendmachung von Ansprüchen.

Zinsen, Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit

In einem weiteren wesentlichen Urteilsteil wurde festgelegt, dass die zu zahlenden Beträge und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ab dem 20.05.2014 zu verzinsen sind. Dies resultiert daraus, dass der Beklagte in Verzug geraten war. Die Entscheidung zur Kostenverteilung und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils basiert auf verschiedenen Paragraphen der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese regeln detailliert, wie mit den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen umzugehen ist und setzen den Rahmen für die Durchsetzung des Urteils. Die Festsetzung des Streitwerts für die zweite Instanz rundet das Urteil ab und gibt einen Einblick in die finanzielle Dimension des Falls.

Das Urteil des Landgerichts Detmold im Fall des Verkehrsunfalls mit Pedelecfahrer-Beteiligung stellt einen wichtigen Bezugspunkt in der rechtlichen Bewertung solcher Fälle dar. Es beleuchtet die Komplexität der Haftungsfrage bei Verkehrsunfällen und die Bedeutung einer ausgewogenen Schadensbewertung. Die Entscheidung zeigt auf, wie das deutsche Rechtssystem mit der Beteiligung von Pedelecfahrern an Verkehrsunfällen und den damit verbundenen Ansprüchen umgeht. Sie dient somit als Orientierung für ähnliche Fälle in der Zukunft.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet „verschuldensunabhängige Haftung“ im Kontext des Straßenverkehrsgesetzes?

Die „verschuldensunabhängige Haftung“ im Kontext des Straßenverkehrsgesetzes bezieht sich auf die Haftung, die unabhängig von einem Verschulden besteht. Dies bedeutet, dass eine Person haftbar gemacht werden kann, auch wenn sie nicht direkt für einen Unfall oder Schaden verantwortlich ist. Im Kontext des Straßenverkehrs ist dies oft auf die sogenannte „Betriebsgefahr“ bezogen, die von einem Fahrzeug ausgeht.

Gemäß § 7 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die durch sein Fahrzeug verursacht werden. Dies gilt auch dann, wenn der Halter das Fahrzeug nicht selbst gefahren hat. Die Haftung ist an die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs geknüpft, die sich aus der Gefahr ergibt, dass ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr betrieben wird.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt. Beispielsweise ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Höhere Gewalt ist ein von außen kommendes, unvorhersehbares Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhindert werden kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die verschuldensunabhängige Haftung nicht bedeutet, dass der Halter immer automatisch haftet. Die Gegenseite muss die Voraussetzungen der Betriebsgefahr darlegen und beweisen.

Die verschuldensunabhängige Haftung dient dem Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer und gewährleistet eine angemessene und in der Regel zügige Schadensregulierung.


Das vorliegende Urteil

LG Detmold – Az.: 10 S 43/15 – Urteil vom 15.07.2015

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10.02.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lemgo abgeändert:

Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,– EUR, weitere 682,43 EUR sowie 255,85 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20.05.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist – soweit sie nach der teilweisen Rücknahme im Termin am 15.07.2015 noch weiterverfolgt wird – überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten in der Hauptsache nur einen Anspruch auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 1.000,– EUR sowie weiteren Schadensersatzes i.H.v. 682,43 EUR aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.

a) Dass der Beklagte zumindest zu einem Anteil von 50 % für die Folgen des Unfalls vom 03.09.2013 haftet, steht nach der teilweisen Rücknahme der Berufung nicht mehr im Streit.

b) Der Beklagte haftet jedoch nicht zu mehr als 50 %, da die Klägerin den Unfall durch ihr Fahrverhalten mitverursacht hat. Insofern nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Prozesskostenhilfebeschluss vom 29.06.2015 Bezug.

Soweit der Klägervertreter im Anschluss an diesen Beschluss zutreffend darauf hinweist, dass das Rechtsfahrgebot aus § 2 Abs. 2 StVO nicht dem Schutz des einbiegenden Verkehrs dient, führt dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Bewertung, weil das Verhalten der Klägerin auch einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 1 StVO darstellt. Insofern hätte die Klägerin – ebenso wie der Beklagte – die Möglichkeit gehabt, den Unfall dadurch zu vermeiden, dass sie auf der für sie rechten Seite der Fahrradstraße gefahren wäre.

Die Mitverursachung des Unfalls ist bei der Schmerzensgeldbemessung als ein wesentlicher Bewertungsfaktor zu berücksichtigen (Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 253 Rn. 20) und führt bzgl. der übrigen Schadenspositionen zu einer Kürzung des Anspruchs gemäß § 254 Abs. 1 BGB.

c) Da die einzelnen vom Amtsgericht angenommenen Schadenspositionen der Höhe nach mit der Berufung nicht angegriffen werden, ergeben sich die aus dem Tenor ersichtlichen Beträge.

2. Ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin dem Grunde nach ebenfalls gemäß § 823 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen.

Die Höhe des ersatzfähigen Betrages berechnet sich dabei nicht unter Zugrundelegung des ursprünglichen Streitwerts und anschließender Kürzung der Gesamtkosten um den Mitverursachungsanteil. Vielmehr sind die Kosten zu ersetzen, die für die Geltendmachung des berechtigten Teils der Hauptforderung angefallen wäre. Dies sind auf der Basis eines Streitwertes i.H.v. 1.682,43 EUR:

1,3-Geschäftsgebühr 195,00 EUR

Auslagenpauschale   20,00 EUR

= netto 215,00 EUR

zzgl. USt.   40,85 EUR

= 255,85 EUR

Soweit der Beklagte eine weitergehende Reduzierung dieser Kosten begehrt, ist seine Berufung unbegründet.

3. Die in der Hauptsache zu zahlenden Beträge und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind ab dem 20.05.2014 zu verzinsen, weil der Beklagte durch das Verstreichenlassen der im Schreiben vom 05.05.2014 gesetzten Zahlungsfrist bis zum 19.05.2014 in Verzug geraten ist (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB).

4. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

5. Der Streitwert für die II. Instanz wird

für die Zeit bis zum Termin am 15.07.2014 auf 3.364,85 EUR

und für die Folgezeit auf 1.682,43 EUR festgesetzt.

Rechtliche Einordnung der relevanten Rechtsbereiche

  1. Verkehrsrecht: Das Urteil befasst sich mit einem Verkehrsunfall zwischen einer Fahrradfahrerin und einem Beklagten, wobei die Fahrradfahrerin ein Pedelec nutzte. Es geht um die Frage, ob die verschuldensunabhängige Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG anzuwenden ist.
  2. Versicherungsrecht: Der Unfall betrifft die Haftung des Beklagten, welche durch eine Haftpflichtversicherung abgedeckt sein kann. Das Urteil beinhaltet auch die Zahlung von Schmerzensgeld an die verletzte Klägerin.
  3. Deliktsrecht: Die verschuldensunabhängige Haftung des Beklagten wird im Hinblick auf § 823 Abs. 1 BGB geprüft, da der Unfall zu Schmerzensgeldansprüchen der Klägerin führt.
  4. Schadensersatzrecht: Das Urteil beinhaltet die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch den Beklagten an die Klägerin, wobei die Höhe der Zahlungen aufgrund der Mitverursachung des Unfalls durch die Klägerin gemindert wird.
  5. Zivilprozessrecht: Das Urteil wurde in zwei Instanzen erlassen, wobei die Berufung des Beklagten in der Berufungsinstanz überwiegend erfolgreich war. Es beinhaltet auch die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.
  6. Bürgerliches Recht: Das Urteil beinhaltet die Auslegung und Anwendung verschiedener zivilrechtlicher Vorschriften, wie Mithaftung (§ 254 BGB), Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB), und Verzug (§§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

 

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