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Verkehrsunfall – Verstoß gegen Rechtsfahrgebot

LG Arnsberg – Az.: 1 O 292/17 – Teilurteil vom 28.06.2018

Die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage wird – soweit nicht mit Teilanerkenntnisurteil vom 18.05.2018 anerkannt – abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1).

Die Kostenentscheidung bleibt im Übrigen dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist wegen des Ausspruchs der vorgerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 21.11.2014 auf der L ### zwischen O1 und O2 ereignet hat. Dabei war sie Insassin auf der Rückbank rechts des verunfallten Fahrzeuges Pkw VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen ####, das von Herrn P1 gesteuert wurde. Bei dem Beklagten zu 1) handelt es sich um den Fahrer des im Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) versicherten unfallgegnerischen Fahrzeuges. Die Beklagte zu 3) ist der Kfz-Haftpflichtversicherer des VW Passat.

Herr P1 befuhr mit seinem Fahrzeug die L ### von O2 kommend in Richtung O1. Auf der Fahrbahn befand sich kein Mittelstreifen. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung bestand zum Unfallzeitpunkt im Bereich der Unfallörtlichkeit nicht. Die Außentemperatur betrug zum Unfallzeitpunkt -1°C. Es schien die Sonne.

Der Beklagte zu 1) befuhr die Straße mit dem bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug, einem Sprinter des Herstellers Daimler mit dem amtlichen Kennzeichen #### in entgegenkommender Richtung.

Der Unfall ereignete sich im Bereich einer aus Sicht von Herrn P1 folgenden Rechtskurve durch Kollision beider Fahrzeuge.

Die Parteien streiten darum, wessen Fahrzeug dabei in die Gegenfahrbahn geraten ist.

Jedenfalls wurde das von Herrn P1 gesteuerte Fahrzeug durch die Wucht der Kollision beinahe um 180° gedreht. Sämtliche Fahrzeuginsassen wurden verletzt. Die Klägerin wurde vom Unfallort mit einem Rettungshubschrauber in das F1-Krankenhaus verbracht. Dort befand sie sich bis zum 04.12.2014 in stationärer Behandlung.

Wegen der erlittenen Verletzungen und Beschwerden wird auf Seite 3 ff. der Klageschrift Bezug genommen.

Im Rahmen des gegen Herrn P1 geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Arnsberg (Aktenzeichen 191 Js 1495/14) wurde seitens der Kreispolizeibehörde ein Unfallrekonstruktionsgutachten der DEKRA Automobil GmbH Hamm durch den P2 in Auftrag gegeben. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass Herr P1 im Bereich einer Rechtskurve auf die linke Fahrbahnhälfte geriet und dort mit dem am äußersten rechten Fahrstreifenrand fahrenden Lkw des entgegenkommenden Beklagten zu 1) kollidierte. Die Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw von Herrn P1 lag hiernach im Bereich von 45 km/h bis 53 km/h, die Kollisionsgeschwindigkeit des Lkw des Beklagten zu 1) lag im Bereich von 57 km/h bis 67 km/h. Nach dem Ergebnis der Begutachtung im Ermittlungsverfahren war das gegenständliche Kollisionsgeschehen für Herrn P1 durch Einhaltung seiner Fahrbahnhälfte vermeidbar. Technische Gründe, die das Verlassen der rechten Fahrbahnhälfte und schließlich zur Kollision geführt haben könnten, lagen nicht vor. Für den Beklagten zu 1) gab es hiernach keine Möglichkeit, das gegenständliche Kollisionsgeschehen zu vermeiden. Konkrete Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen P2 vom 16.12.2014, das der Klägerin bekannt ist, sind seitens der Klägerin nicht erhoben worden.

Gleichwohl behauptet die Klägerin, der Beklagte zu 1) sei bei der Annäherung an die Unfallstelle abgelenkt gewesen, er habe ein weißes Gerät in seiner linken Hand gehalten. Der Beklagte zu 1) sei es gewesen, der in die Gegenfahrbahn geraten sei.

Die Beklagten haben ihre Haftung zu 50 % anerkannt, weswegen das Gericht sie unter dem 18.05.2018 im Wege des Teilanerkenntnisurteils dahingehend verurteilt hat, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin 50 % sämtlicher bereits entstandener und noch entstehender materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 21.11.2014 um ca. 9.15 Uhr auf der L ### zwischen O1 und O2 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Nach Klageerweiterung beantragt die Klägerin nunmehr, soweit noch nicht anerkannt,

1.die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag in Höhe von weiteren 30.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche bereits entstandenen und noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 21.11.2014 um ca. 9.15 Uhr auf der L ### zwischen O1 und O2 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

3.die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von weiteren 896, 31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen – soweit nicht teilweise anerkannt-,  die Klage abzuweisen.

Sie rügen, dass sich die Klägerin mit dem Gutachten der DEKRA nicht auseinandergesetzt habe, obwohl es ihr bekannt sei und behaupten, die Klägerin sei nicht angeschnallt gewesen. Bei ordnungsgemäßem Anlegen des Sicherheitsgurts seien die Verletzungen teilweise nicht eingetreten. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Bl. 3 der Klageerwiderung. Bl. 71 GA Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachvortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akte der Staatsanwaltschaft Arnsberg 191 Js 1495/14 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, während die gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichteten Klagen noch der Beweiserhebung bedürfen, weswegen das Gericht im Wege des Teilurteils gemäß § 301 Abs. 1 ZPO entschieden hat.

Denn die Klägerin ist der Darstellung des Beklagten zu 1), wonach er den Unfall nicht verschuldet hat, nicht in hinreichender Weise entgegengetreten.

Gemäß §§ 7, 18 StVG haftet der Fahrzeugführer neben dem Halter eines Kraftfahrzeuges für einen bei dem Betrieb eines Kfz eingetretenen Körperschaden. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Fahrzeugführers verursacht wurde.

Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen P2 vom 16.12.2014 (Bl. 80 der Beiakte), auf das sich der Beklagte zu 1)  zur Entlastung von dem Verschuldensvorwurf beruft, hat Herr P1 den Unfall allein verursacht, indem er im Bereich der Rechtskurve auf die linke Fahrbahnhälfte geraten ist und dort mit dem am äußersten rechten Fahrstreifenrand fahrenden Lkw des entgegenkommenden Beklagten zu 1) kollidiert ist.

Für den Beklagten zu 1) gab es hiernach keine Möglichkeit, das gegenständliche Kollisionsgeschehen zu vermeiden.

Hiernach hat Herr P1 gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO verstoßen. In dieser Konstellation eines erheblichen schuldhaften Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 StVO haftet der Unfallverursacher alleine (BGH VersR 1974, 753; OLG Frankfurt VersR 1980, 196). Der Beklagte zu 1) hat den Unfall hiernach nicht verschuldet.

Zwar konnte das Gutachten des Sachverständigen P2 in diesem Verfahren nicht gem. § 411 a ZPO verwertet werden, da es nicht, wie von § 411 a ZPO gefordert, durch ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist. Auftraggeber war vorliegend die Kreispolizeibehörde.

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Allerdings ist maßgeblich, dass es zu einem hinreichenden Vortrag der Klägern im vorliegenden Zivilprozess gehört, vorzutragen, aus welchen Gründen die plausiblen und nachvollziehbaren Feststellungen des erfahrenen Gutachters der DEKRA unrichtig sein sollen. So hat Herr P1 das Ergebnis des Gutachtens der DEKRA im Strafprozess auch akzeptiert und die Klägerin im vorliegenden Verfahren keine Gründe mitgeteilt, warum dies fehlerhaft sein soll, obwohl ihr dieses Gutachten nach entsprechender ausdrücklicher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bekannt war. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens zur weiteren Sachaufklärung im vorliegenden Verfahren nicht für geboten. Allein die Behauptung des Herrn P1, er sei immer noch überzeugt, selbst rechts gefahren zu sein, rechtfertigt dies aus Sicht des Gerichts nicht. Vielmehr hätte die Klägerin dem Gutachten zu einem hinreichend qualifizierten Bestreiten substantiiert entgegentreten müssen.

Hiernach war die Klage gegen den Beklagten zu 1) bereits wegen fehlenden Haftungsgrundes abzuweisen.

II. Die Kostentscheidung beruht – soweit sie jetzt schon getroffen werden konnte – auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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