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Verkehrsunfall – Verstoßes des Vorbeifahrenden gegen die Abstandsregelung des § 6 StVO

Wenn ein Unimog rangiert, wird der Zentimeter zum Zankapfel. Einmal zu wenig Abstand – schon kracht es. Doch wer muss für den Blechschaden geradestehen? Ein Urteil macht deutlich: Beim Rangieren mit dem Großfahrzeug zählt jeder Millimeter.

Zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 21/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Hamm
  • Datum: 21.12.2021
  • Aktenzeichen: I-7 U 21/20
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Klägerin, die Berufung eingelegt hatte. Ihre Klage war teilweise erfolgreich.
  • Beklagte: Mindestens zwei Beklagte. Eine(r) der Beklagten legte ebenfalls Berufung ein und wurde zur Zahlung an die Klägerin verurteilt. Ein(e) andere(r) Beklagte(r) war offenbar erfolgreich, da die Klägerin dessen Kosten tragen muss.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das vorherige Urteil des Landgerichts Arnsberg wurde teilweise geändert. Eine(r) der Beklagten muss an die Klägerin 6.221,44 Euro zuzüglich Zinsen zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden auf die Klägerin und die zur Zahlung verurteilte Beklagte verteilt; die Klägerin muss zudem die Kosten des anderen Beklagten tragen.
  • Folgen: Die zur Zahlung verurteilte Beklagte muss den Betrag an die Klägerin zahlen. Die Parteien müssen die festgelegten Kostenanteile tragen. Das Urteil kann sofort vollstreckt werden.

Der Fall vor Gericht


Streit um Unfallhaftung nach Begegnung mit Unimog entschieden

Unimog parkt. PKW zu dicht, Abstandsunterschreitung §6 StVO. Kollisionsgefahr! Verkehrsrecht.Unimog parkt. PKW zu dicht, Abstandsunterschreitung §6 StVO. Kollisionsgefahr! Verkehrsrecht.
Unfallhaftung wegen Abstandsverletzung beim Rangieren | Symbolbild: KI-generiertes BildUnfallhaftung wegen Abstandsverletzung beim Rangieren | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem Berufungsverfahren über die Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem Unimog geurteilt. Die Entscheidung vom 21. Dezember 2021 (Az.: I-7 U 21/20) korrigiert ein früheres Urteil des Landgerichts Arnsberg und weist dem Unimog-Fahrer bzw. dessen Halter die alleinige Verantwortung für den Unfall zu.

Die Ausgangslage: Unfall beim Rangieren

Der Fall drehte sich um einen Vorfall, bei dem das Fahrzeug der Klägerin beschädigt wurde. Beteiligt war ein Unimog, der vom Beklagten zu 1) gefahren wurde und dessen Halterin die Beklagte zu 2) ist. Entscheidend war, dass der Unimog zum Unfallzeitpunkt nicht als reine Arbeitsmaschine, sondern aktiv im Straßenverkehr beim Rangieren eingesetzt wurde.

Das erstinstanzliche Urteil und die Berufungen

Das Landgericht Arnsberg hatte zuvor entschieden, dass die Klägerin eine Mitschuld am Unfall trage und ihre Ansprüche daher um 25 % gekürzt werden müssten. Sowohl die Klägerin, die eine vollständige Entschädigung anstrebte, als auch die Beklagte zu 2), die vermutlich eine Bestätigung oder Erhöhung der Mithaftungsquote erreichen wollte, legten gegen dieses Urteil Berufung beim OLG Hamm ein.

Die Entscheidung des OLG Hamm: Alleinige Haftung des Unimog-Halters

Das OLG Hamm änderte das Urteil des Landgerichts maßgeblich ab. Es verurteilte die Beklagte zu 2) zur Zahlung von weiterem Schadensersatz in Höhe von 6.221,44 Euro nebst Zinsen an die Klägerin. Crucial für die Klägerin: Das Gericht verneinte eine Mithaftung ihrerseits vollständig. Die Klage gegen den Fahrer des Unimogs (Beklagter zu 1)) wurde jedoch abgewiesen, was in solchen Fällen nicht ungewöhnlich ist, da sich Ansprüche oft primär gegen den Halter bzw. dessen Versicherung richten.

Juristische Kernpunkte der Entscheidung

Das OLG stützte seine Entscheidung auf mehrere rechtliche Erwägungen, die für das Verständnis des Falls zentral sind.

Haftungsgrundlage nach StVG

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 7 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Diese Norm begründet die sogenannte Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters. Das bedeutet, dass der Halter bereits dafür haftet, dass von seinem Fahrzeug im Betrieb eine Gefahr ausgeht, unabhängig von einem direkten Verschulden. Das Gericht stellte klar, dass der Unimog sich im „Betrieb“ im Sinne des Gesetzes befand, da er auf der Straße rangierte.

Kein Ausschluss durch Amtshaftung oder höhere Gewalt

Das Gericht prüfte auch, ob besondere Umstände die Haftung ausschließen könnten. Höhere Gewalt lag nicht vor. Ebenso wenig verdrängt eine mögliche Amtshaftung (nach § 839 BGB, Art. 34 GG), die bei Fahrzeugen im öffentlichen Dienst relevant sein kann, die Haftung nach dem StVG. Beide Haftungsformen können nebeneinander bestehen.

Kein unabwendbares Ereignis

Beide Seiten konnten sich nicht auf ein sogenanntes Unabwendbares Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 StVG berufen. Ein solches liegt nur vor, wenn der Unfall auch bei Anwendung äußerster, über das normale Maß hinausgehender Sorgfalt – dem Verhalten eines „Idealfahrers“ – nicht hätte verhindert werden können. Dieses extrem hohe Maß an Sorgfalt sah das Gericht auf keiner Seite als erfüllt an.

Verstoß gegen Abstandsregeln entscheidend (§ 6 StVO)

Obwohl der genaue Unfallhergang im vorliegenden Auszug nicht detailliert beschrieben wird, lässt der ursprüngliche Titel des Urteils („Verstoßes des Vorbeifahrenden gegen die Abstandsregelung des § 6 StVO“) auf den entscheidenden Punkt schließen: Das OLG sah offenbar einen Verstoß des Unimog-Fahrers gegen § 6 StVO als unfallursächlich an. Diese Vorschrift regelt das Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen, Hindernissen oder Engstellen und fordert einen ausreichenden Seitenabstand.

Das OLG Hamm kam im Gegensatz zum Landgericht zu dem Schluss, dass der Fahrer des Unimogs diesen notwendigen Sicherheitsabstand beim Manövrieren oder Vorbeifahren nicht eingehalten hat. Dieser Verstoß wiegt nach Ansicht des OLG so schwer, dass er die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs vollständig zurücktreten lässt. Daher wurde der Klägerin keine Mithaftung angelastet.

Finanzielle Konsequenzen und Kostenverteilung

Die Beklagte zu 2) muss nun zusätzlich zu bereits vorgerichtlich gezahlten Beträgen die Summe von 6.221,44 Euro zahlen. Die Kosten des Verfahrens wurden neu verteilt: Die Klägerin trägt die Kosten bezüglich des erfolglos verklagten Fahrers (Beklagter zu 1)). Die Kosten zwischen Klägerin und Beklagter zu 2) werden für beide Instanzen nach Quoten aufgeteilt, wobei die Beklagte zu 2) aufgrund ihrer nun vollen Haftung für den Schaden den größeren Anteil trägt.

Bedeutung für Betroffene

Für Fahrzeugführer und Halter (insbesondere von Großfahrzeugen)

Das Urteil unterstreicht die hohe Sorgfaltspflicht beim Vorbeifahren und Rangieren, insbesondere mit großen oder sperrigen Fahrzeugen wie einem Unimog. Die Einhaltung eines ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstands (§ 6 StVO) ist essenziell. Ein Verstoß hiergegen kann zur Alleinhaftung führen, selbst wenn das andere Fahrzeug nur durch seine bloße Anwesenheit (Betriebsgefahr) zum Unfallgeschehen beiträgt. Halter haften über die Gefährdungshaftung auch ohne eigenes Verschulden für Fehler ihrer Fahrer.

Für Unfallgeschädigte

Für Geschädigte zeigt das Urteil, dass es sich lohnen kann, eine erstinstanzliche Entscheidung mit einer Mithaftungsquote anzufechten, wenn der Unfallgegner klare Verkehrsregeln verletzt hat. Insbesondere bei Verstößen gegen Abstandsregeln oder Vorfahrtsregeln durch den Unfallgegner besteht die Chance, trotz der grundsätzlichen Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs eine volle Entschädigung durchzusetzen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Betriebsgefahr des „passiven“ Unfallbeteiligten hinter einem groben Fehler des aktiv Fahrenden zurücktreten kann.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass bei Verkehrsunfällen die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs hinter schwerwiegenden Verkehrsregelverstößen des Unfallgegners vollständig zurücktreten kann. Bei der Abwägung nach § 17 StVG werden nicht nur die Verkehrsregelverstöße, sondern auch die unterschiedliche Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge (hier: normales Fahrzeug vs. Arbeitsfahrzeug Unimog) berücksichtigt. Zudem verdeutlicht das Urteil, dass ein Haftungsausschluss wegen „unabwendbaren Ereignisses“ sehr hohe Anforderungen stellt – ein „Idealfahrer“ müsste alle möglichen Gefahrmomente und fremde Fahrfehler berücksichtigen und entsprechend handeln.

Benötigen Sie Hilfe?

Wurden Sie beim Rangieren in einen Unfall verwickelt?

Gerade beim Rangieren oder Vorbeifahren in engen Situationen kommt es häufig zu unklaren Haftungsfragen nach einem Unfall. Oftmals wird eine Mitschuld angenommen, selbst wenn der Unfallgegner möglicherweise gegen Abstandsregeln verstoßen hat. Die Frage, wer letztendlich für den Schaden aufkommt, kann daher komplex sein.

In solchen Fällen ist eine genaue rechtliche Prüfung unerlässlich. Wir analysieren Ihren Fall gründlich, bewerten die Schuldfrage und setzen Ihre Ansprüche gegenüber der gegnerischen Versicherung durch. Unser Ziel ist es, für Sie eine gerechte Entschädigung zu erzielen.

Ersteinschätzung anfragen

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Gefährdungshaftung für Fahrzeughalter nach einem Unfall beim Rangieren?

Wenn Sie Halter eines Fahrzeugs sind, tragen Sie eine besondere Verantwortung, die als Gefährdungshaftung bezeichnet wird. Das bedeutet: Sie können auch dann für Schäden verantwortlich sein, die durch Ihr Fahrzeug verursacht werden, wenn Sie selbst oder der Fahrer den Unfall nicht verschuldet haben.

Grundlage hierfür ist die sogenannte Betriebsgefahr, die von jedem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr ausgeht. Allein dadurch, dass ein Fahrzeug betrieben wird, stellt es eine potenzielle Gefahrenquelle dar. Für diese Gefahr haftet der Halter grundsätzlich.

Warum haftet der Halter auch ohne eigenes Verschulden?

Die Idee hinter der Gefährdungshaftung ist, dass derjenige, der die Vorteile aus dem Betrieb eines Fahrzeugs zieht (also der Halter), auch für die damit verbundenen unvermeidbaren Gefahren einstehen soll.

  • Kein Verschulden nötig: Anders als bei der normalen Verschuldenshaftung, bei der jemand nur haftet, wenn er einen Fehler gemacht hat (z.B. Vorfahrt missachtet), kommt es bei der Gefährdungshaftung nicht auf ein Verschulden an. Es reicht aus, dass der Schaden beim Betrieb des Fahrzeugs entstanden ist.
  • Betriebsgefahr: Diese Gefahr besteht immer, wenn das Fahrzeug im Verkehr bewegt wird oder in verkehrsbeeinflussender Weise ruht. Selbst bei geringer Geschwindigkeit, wie beim Rangieren, geht von einem Fahrzeug eine Betriebsgefahr aus.

Was bedeutet das konkret beim Rangieren?

Gerade beim Rangieren auf Parkplätzen, in Einfahrten oder auf engem Raum passieren häufig Unfälle. Auch wenn der Fahrer dabei vorsichtig war, kann der Halter des rangierenden Fahrzeugs aufgrund der Gefährdungshaftung für entstandene Schäden haftbar gemacht werden.

Stellen Sie sich vor, jemand rangiert auf einem Parkplatz aus einer Parklücke und stößt dabei gegen ein anderes, korrekt geparktes Fahrzeug. Selbst wenn der Fahrer langsam und umsichtig war, kann der Halter des rangierenden Fahrzeugs für den Schaden am anderen Auto haften, weil der Unfall „beim Betrieb“ seines Fahrzeugs passiert ist. Die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs hat sich in dem Unfall verwirklicht.

Die Art des Fahrzeugs (z.B. ein großer LKW hat eine höhere Betriebsgefahr als ein kleiner PKW) und der Einsatzbereich (z.B. Rangieren auf einem engen Betriebshof) können bei der Bewertung der Situation eine Rolle spielen, ändern aber nichts am Grundprinzip der Gefährdungshaftung.

Gibt es Fälle, in denen der Halter nicht oder nur teilweise haftet?

Ja, die Gefährdungshaftung ist nicht grenzenlos. Es gibt Situationen, in denen die Haftung des Halters eingeschränkt sein oder ganz entfallen kann:

  • Höhere Gewalt: Wenn der Unfall durch ein völlig unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis von außen verursacht wird (z.B. ein schweres Naturereignis wie ein Blitzschlag direkt ins Fahrzeug), kann die Haftung ausgeschlossen sein. Dies ist in der Praxis sehr selten.
  • Unabwendbares Ereignis: Der Halter haftet nicht, wenn der Unfall auch durch die äußerste mögliche Sorgfalt eines Idealfahrers nicht hätte vermieden werden können (§ 17 Abs. 3 StVG). Dies ist schwer nachzuweisen. Beim Rangieren wird dies oft nicht der Fall sein, da hier besondere Vorsicht geboten ist.
  • Mitverschulden des Geschädigten: Hat der Geschädigte selbst zum Unfall beigetragen (z.B. durch eine eigene Unachtsamkeit oder eine eigene Abstandsverletzung beim Rangieren), wird sein Mitverschulden berücksichtigt. Die Haftung wird dann zwischen den Beteiligten aufgeteilt (§ 17 StVG). Je größer das Mitverschulden des anderen, desto geringer ist der Anteil, den der Halter tragen muss. Im Extremfall kann die Haftung des Halters sogar ganz entfallen, wenn das Verschulden des anderen überwiegt.

Die Gefährdungshaftung sorgt also dafür, dass der Halter eines Fahrzeugs grundsätzlich für Schäden einsteht, die durch die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs verursacht werden, insbesondere auch bei typischen Rangiervorgängen. Eine mögliche Mithaftung anderer Beteiligter kann diese Haftung jedoch mindern.


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Wann gilt ein Fahrzeug beim Rangieren als „im Betrieb“ im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes?

Ein Fahrzeug gilt als „im Betrieb“, sobald es sich im öffentlichen Verkehrsraum bewegt oder in einer Weise auf den Verkehr einwirkt, die typisch für ein Fahrzeug ist. Das ist der entscheidende Punkt, ab dem die sogenannte Gefährdungshaftung nach § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) greifen kann. Diese Haftung bedeutet, dass der Halter eines Fahrzeugs für Schäden haftbar sein kann, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen, auch wenn ihn kein direktes Verschulden trifft.

Was genau bedeutet „im Betrieb“?

Der Begriff „Betrieb“ wird von Gerichten weit ausgelegt. Es geht nicht nur um das reine Fahren auf der Straße. Ein Fahrzeug ist bereits dann „im Betrieb“, wenn:

  • Der Motor läuft, um loszufahren, auch wenn es noch steht.
  • Das Fahrzeug rollt, auch wenn der Motor aus ist (z.B. bergab).
  • Es aktiv am Verkehr teilnimmt, also fährt, anfährt, anhält oder im fließenden Verkehr ist.
  • Es in einer Weise abgestellt ist, die eine Gefahr für den Verkehr darstellt (z.B. ungesichert an einer abschüssigen Straße).

Entscheidend ist, dass das Fahrzeug durch seine Funktion als Fortbewegungsmittel oder durch seine Anwesenheit im Verkehrsraum eine potenzielle Gefahr darstellt.

Rangieren ist Betrieb

Beim Rangieren ist ein Fahrzeug grundsätzlich immer „im Betrieb“. Rangieren bedeutet ja gerade, das Fahrzeug gezielt zu bewegen, um es zum Beispiel einzuparken, zu wenden, zu beladen oder zu entladen.

  • Bewegung: Sobald Sie Ihr Fahrzeug bewegen – egal ob vorwärts, rückwärts, mit laufendem Motor oder durch Rollenlassen – ist es „im Betrieb“.
  • Verkehrsbezogener Vorgang: Das Ein- oder Ausparken, das Zurechtrücken in einer Parklücke oder das Wenden sind typische verkehrsbezogene Vorgänge. Das Fahrzeug nimmt aktiv (wenn auch vielleicht nur auf einem Parkplatz oder in einer Einfahrt) am Geschehen teil und kann dabei andere gefährden oder schädigen.

Für das Verständnis ist wichtig: Die besonderen Pflichten und Haftungsregeln des Straßenverkehrsrechts gelten somit auch bei Rangiervorgängen.

Abgrenzung zum reinen Abstellen

Der „Betrieb“ endet erst, wenn das Fahrzeug ordnungsgemäß und sicher abgestellt ist und keine Gefahr mehr für den Verkehr darstellt. Das bedeutet:

  • Der Motor ist aus.
  • Das Fahrzeug ist gegen Wegrollen gesichert (Handbremse, ggf. Gang eingelegt).
  • Es steht so, dass es den Verkehr nicht behindert oder gefährdet.

Ein ruhendes, korrekt geparktes Fahrzeug ist nicht mehr „im Betrieb“. Wenn von diesem Fahrzeug dann eine Gefahr ausgeht (z.B. weil sich unvorhergesehen ein Teil löst und auf die Straße fällt), greift die spezielle Gefährdungshaftung aus dem „Betrieb“ des Fahrzeugs in der Regel nicht mehr. Anders sieht es aus, wenn das Fahrzeug z.B. ungesichert an einem Hang abgestellt wird und dann wegrollt – hier kann der „Betrieb“ noch andauern oder wieder aufleben, weil die Gefahr gerade aus der typischen Funktion des Fahrzeugs (Beweglichkeit) resultiert.

Im Kontext der Frage zur Unfallhaftung beim Rangieren bedeutet dies: Findet ein Unfall während des Rangiervorgangs statt, ereignet er sich während des „Betriebs“ des Fahrzeugs, was die Anwendung der entsprechenden Haftungsregeln, einschließlich der Gefährdungshaftung, ermöglicht.


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Was ist ein „ausreichender Seitenabstand“ gemäß § 6 StVO und wie wirkt sich ein Verstoß darauf aus?

Ein „ausreichender Seitenabstand“ ist ein flexibler Begriff aus der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Er bedeutet, dass beim Vorbeifahren oder Überholen – aber auch generell, wenn man sich seitlich an anderen Verkehrsteilnehmern oder Hindernissen vorbeibewegt, wie beim Rangieren – genügend Platz gelassen werden muss, um eine Gefährdung anderer sicher auszuschließen.

Das Gesetz schreibt keine exakte Meterzahl für alle Situationen vor, da der „ausreichende“ Abstand immer von den konkreten Umständen abhängt. Ziel ist es, zu verhindern, dass es durch zu geringen Abstand zu einer Berührung oder einem Unfall kommt, selbst wenn der andere Verkehrsteilnehmer leicht schwankt oder eine unerwartete kleine Bewegung macht.

Wovon hängt der „ausreichende“ Abstand ab?

Mehrere Faktoren bestimmen, wie groß der Seitenabstand im Einzelfall sein muss:

  • Art der beteiligten Fahrzeuge/Personen: Zu Fußgängern, Radfahrern oder E-Scooter-Fahrern müssen Sie deutlich mehr Abstand halten als zu einem Auto oder LKW. Diese sind weniger geschützt und können leichter unerwartete Bewegungen machen.
  • Geschwindigkeit: Je schneller Sie fahren, desto größer muss der Seitenabstand sein. Das gilt auch bei niedrigen Geschwindigkeiten beim Rangieren – auch hier kann ein geringer Abstand schnell zur Kollision führen.
  • Verkehrssituation und Fahrbahn: Auf engen Straßen, in Kurven, bei unebener Fahrbahn oder schlechter Sicht ist mehr Vorsicht und somit mehr Abstand geboten.
  • Wetterbedingungen: Nässe, Glätte, Schnee oder starker Wind erhöhen das Risiko und erfordern einen größeren Sicherheitsabstand.
  • Erkennbare Umstände: Sehen Sie Kinder, ältere Menschen, unsicher wirkende Radfahrer oder Personen mit Behinderungen, müssen Sie besonders vorsichtig sein und mehr Abstand halten.

Wie groß sollte der Abstand sein?

Obwohl es keine feste gesetzliche Regel für alle Fälle gibt, haben Gerichte Richtwerte entwickelt, die als Orientierung dienen. Besonders wichtig sind die seit einiger Zeit gesetzlich verankerten Mindestabstände beim Überholen (§ 5 Abs. 4 StVO), die aber auch eine gute Orientierung für das generelle Vorbeifahren geben:

  • Zu Fußgängern, Radfahrern und E-Scooter-Fahrern: mindestens 1,5 Meter innerorts und mindestens 2 Meter außerorts.
  • Zu Autos und LKW (mehrspurige Fahrzeuge): In der Regel wird mindestens 1 Meter als ausreichend angesehen.
  • Zu wartenden Linien- und Schulbussen (an Haltestellen): mindestens 2 Meter.

Wichtig: Dies sind Mindestwerte! Je nach Situation (hohe Geschwindigkeit, schlechtes Wetter, unsicherer Verkehrsteilnehmer) muss der Abstand deutlich größer sein. Beim Rangieren gilt dasselbe Prinzip: Es muss immer so viel Platz sein, dass niemand gefährdet wird.

Was passiert bei zu geringem Seitenabstand?

Ein zu geringer Seitenabstand ist nicht nur gefährlich, sondern kann auch rechtliche Folgen haben:

  • Ordnungswidrigkeit: Halten Sie nicht genügend Seitenabstand ein, kann dies als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Bei einer Gefährdung anderer können auch Punkte in Flensburg hinzukommen.
  • Haftung bei einem Unfall: Kommt es zu einem Unfall, weil der Seitenabstand zu gering war, trägt derjenige, der den Abstand unterschritten hat, in der Regel eine erhebliche Mitschuld oder sogar die Alleinschuld am Unfall. Das bedeutet, dass Sie für den entstandenen Schaden (z.B. Reparaturkosten des anderen Fahrzeugs, Schmerzensgeld) haften müssen. Gerade beim Rangieren gilt eine besonders hohe Sorgfaltspflicht. Hier muss eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden (§ 9 Abs. 5 StVO). Ein Unfall wegen zu geringen Seitenabstands beim Rangieren führt daher sehr oft zur vollen Haftung des Rangierenden.

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Was bedeutet es, wenn die „Betriebsgefahr“ eines Fahrzeugs hinter dem Fehlverhalten des Unfallgegners zurücktritt?

Grundsätzlich trägt jedes Fahrzeug, das am Straßenverkehr teilnimmt, allein durch seinen Betrieb eine gewisse Gefahr in sich. Das ist die sogenannte Betriebsgefahr. Wenn es zu einem Unfall kommt, wird bei der Klärung der Haftung normalerweise geprüft, welchen Anteil die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge und ein eventuelles Fehlverhalten (Verschulden) der Fahrer am Unfall hatten.

Die Aussage, dass die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs „zurücktritt“, bedeutet: Das Fehlverhalten des Unfallgegners war so schwerwiegend, dass die normale, vom eigenen Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr im Vergleich dazu keine Rolle mehr spielt.

Die grundsätzliche Gefahr: Betriebsgefahr verstehen

Stellen Sie sich vor: Allein dadurch, dass Sie ein Auto fahren – selbst wenn Sie absolut vorschriftsmäßig unterwegs sind – stellt Ihr Fahrzeug eine potenzielle Gefahrenquelle dar. Diese abstrakte Gefahr nennt man Betriebsgefahr. Sie ist bei schweren Fahrzeugen tendenziell höher als bei leichten und bei höheren Geschwindigkeiten größer als bei niedrigen. Bei einem Unfall wird diese Betriebsgefahr üblicherweise bei der Verteilung der Haftung mitberücksichtigt, auch wenn Sie selbst keinen Fahrfehler gemacht haben. Das führt oft zu einer Haftungsquote (z.B. 20% oder 30%), obwohl Sie keine Schuld trifft.

Wenn Fehlverhalten überwiegt: Das Zurücktreten der Betriebsgefahr

Es gibt jedoch Unfallsituationen, in denen ein Verkehrsteilnehmer einen so gravierenden Fehler macht, dass dieser Fehler als die alleinige oder zumindest ganz überwiegende Ursache für den Unfall angesehen wird. Das Fehlverhalten wiegt dann so schwer, dass die einfache Betriebsgefahr des anderen beteiligten Fahrzeugs daneben unbedeutend erscheint. In solchen Fällen sagen Juristen: Die Betriebsgefahr tritt vollständig zurück.

Wann ist ein Fehlverhalten „grob“ genug?

Ein Fehlverhalten muss eindeutig und schwerwiegend sein, damit die Betriebsgefahr des Unfallgegners dahinter zurücktritt. Gerichte sehen dies beispielsweise oft in folgenden Fällen:

  • Ein Fahrer missachtet grob eine rote Ampel oder ein Stoppschild.
  • Ein Fahrer nimmt einem anderen eindeutig die Vorfahrt.
  • Ein Fahrer fährt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit in die Unfallstelle.
  • Ein Fahrer verursacht den Unfall unter erheblichem Alkoholeinfluss.
  • Ein Fahrer begeht einen besonders groben Abstandsverstoß, etwa wenn er ungebremst und ohne ersichtlichen Grund auf ein stehendes oder sehr langsam fahrendes/rangierendes Fahrzeug auffährt.

Im Kontext eines Unfalls beim Rangieren bedeutet dies: Wenn jemand sehr vorsichtig rangiert und ein anderer Verkehrsteilnehmer beispielsweise aufgrund massiv zu geringen Abstands oder völlig unangepasster Geschwindigkeit auffährt, kann das Fehlverhalten des Auffahrenden so schwer wiegen, dass die Betriebsgefahr des rangierenden Fahrzeugs keine Rolle mehr für die Haftung spielt.

Die Folge: Alleinhaftung des Verursachers

Wenn die Betriebsgefahr Ihres Fahrzeugs hinter dem groben Verschulden des Unfallgegners vollständig zurücktritt, hat das eine klare Konsequenz für die Haftung: Der Unfallgegner muss den gesamten Schaden alleine tragen. Sie haften in diesem Fall nicht für den Unfall, da die Ursache ausschließlich im schwerwiegenden Fehlverhalten des anderen lag.


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Welche Rolle spielt es bei der Haftungsfrage, ob ein Unimog als Arbeitsmaschine oder als reguläres Fahrzeug im Straßenverkehr eingesetzt wird?

Ob ein Unimog zum Zeitpunkt eines Unfalls als Arbeitsmaschine oder als normales Fahrzeug im Straßenverkehr unterwegs war, spielt eine entscheidende Rolle für die Frage, wer haftet und nach welchen Regeln. Die Haftung kann unterschiedlich streng sein, je nachdem, wie der Unimog genutzt wurde.

Der Unterschied: Betriebsgefahr vs. Verschulden

Für Unfälle im Straßenverkehr gilt für Kraftfahrzeuge wie den Unimog eine besondere Haftungsregel: die sogenannte Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz (§ 7 StVG). Das bedeutet: Der Halter des Fahrzeugs haftet oft schon allein deshalb, weil das Fahrzeug in Betrieb war und dadurch eine potenzielle Gefahr darstellt („Betriebsgefahr“). Ein eigenes Verschulden des Fahrers muss hier nicht immer nachgewiesen werden. Diese Regel gilt typischerweise, wenn der Unimog am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt, also beispielsweise von einem Ort zum anderen fährt.

Wird der Unimog jedoch hauptsächlich als Arbeitsmaschine eingesetzt und ereignet sich der Unfall während dieser Arbeitstätigkeit (z.B. beim Mähen auf einem Feld, beim Beladen auf einer Baustelle), kann die Situation anders sein. Dann greift unter Umständen nicht die strenge Gefährdungshaftung des StVG, sondern die allgemeine Verschuldenshaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 823 BGB). Hier haftet jemand nur dann, wenn ihm ein konkretes Verschulden nachgewiesen werden kann – also wenn er zum Beispiel unvorsichtig oder unaufmerksam war.

Wann ist ein Unimog eine Arbeitsmaschine, wann ein Fahrzeug?

Die entscheidende Frage ist, ob der Unimog zum Unfallzeitpunkt „im Betrieb“ im Sinne des Straßenverkehrsrechts war oder ob seine Funktion als Arbeitsgerät im Vordergrund stand. Gerichte prüfen hierbei verschiedene Kriterien:

  • Zweck der Handlung: Diente die Fahrt oder Bewegung des Unimogs primär der Fortbewegung im Verkehr (z.B. Fahrt zur Baustelle) oder der eigentlichen Arbeitsverrichtung (z.B. langsames Fahren beim Graben schneiden)?
  • Verkehrsbezug: Fand der Vorgang im öffentlichen Verkehrsraum statt und war er Teil des allgemeinen Verkehrsgeschehens? Oder geschah es auf einem abgeschlossenen Gelände (Baustelle, Feld) und diente rein der Arbeit?
  • Bewegung als Teil der Arbeit: War die Bewegung des Unimogs selbst Teil des Arbeitsprozesses (z.B. das Vorwärtskommen beim Mähen einer Böschung)?

Stellen Sie sich vor, ein Unimog fährt auf einer Landstraße und verursacht einen Unfall – hier greift sehr wahrscheinlich die Gefährdungshaftung. Steht derselbe Unimog aber auf einer Wiese und sein Kranarm beschädigt etwas, während er Material hebt, steht eher die Funktion als Arbeitsmaschine und damit die Verschuldenshaftung im Raum.

Was bedeutet das konkret beim Rangieren?

Gerade beim Rangieren kommt es sehr auf den Einzelfall an:

  • Rangieren als Verkehrsteilnahme: Wenn der Unimog im öffentlichen Straßenraum rangiert, um beispielsweise einzuparken, zu wenden oder sich in den fließenden Verkehr einzuordnen, wird dies meist als „Betrieb“ im Sinne des StVG gewertet. Bei einem Unfall wegen zu geringen Abstands würde dann die strengere Gefährdungshaftung gelten.
  • Rangieren als Arbeitsprozess: Rangiert der Unimog hingegen auf einem Betriebsgelände, einer Baustelle oder einem Feld, um etwa in die richtige Position für Ladearbeiten oder Mäharbeiten zu kommen, kann dies als Teil des Arbeitseinsatzes gesehen werden. Verletzt er dabei den Abstand zu einem anderen Objekt oder Fahrzeug, käme es für die Haftung eher auf ein nachweisbares Verschulden des Fahrers an.

Die genaue Einordnung hängt stark von den Umständen des jeweiligen Unfalls ab und wie der Unimog konkret eingesetzt wurde.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Halter

Halter eines Fahrzeugs ist die Person, die das Fahrzeug für eigene Rechnung gebraucht (also die Kosten trägt) und die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber hat (also bestimmen kann, wer es wann nutzt). Dies ist oft, aber nicht immer, der Eigentümer oder die im Fahrzeugschein eingetragene Person. Nach § 7 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) haftet der Halter für Schäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, auch ohne eigenes Verschulden (siehe Gefährdungshaftung). Im Text ist die Beklagte zu 2) die Halterin des Unimogs und wurde deshalb zur Zahlung verurteilt, während die Klage gegen den Fahrer (Beklagter zu 1)) abgewiesen wurde.

Beispiel: Wenn Sie ein Auto langfristig leasen und alle Kosten tragen sowie entscheiden, wer damit fährt, sind Sie in der Regel der Halter, auch wenn die Leasinggesellschaft Eigentümerin bleibt.


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Gefährdungshaftung

Die Gefährdungshaftung ist eine spezielle Form der Haftung im deutschen Recht, die unabhängig von einem Verschulden eintritt. Sie knüpft daran an, dass jemand eine erlaubte, aber potenziell gefährliche Tätigkeit ausübt oder eine gefährliche Sache betreibt. Nach § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs bereits deshalb für Schäden, weil der Betrieb eines Fahrzeugs im Straßenverkehr eine abstrakte Gefahr darstellt. Es muss also nicht nachgewiesen werden, dass der Halter selbst einen Fehler gemacht hat.

Beispiel: Rollt Ihr ordnungsgemäß geparktes Auto aufgrund eines unvorhersehbaren technischen Defekts weg und beschädigt ein anderes Fahrzeug, haften Sie als Halter aus Gefährdungshaftung, auch wenn Sie persönlich keine Schuld trifft.


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Betrieb (eines Fahrzeugs)

Der „Betrieb“ eines Fahrzeugs im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (§ 7 Abs. 1 StVG) ist weit auszulegen und umfasst mehr als nur das Fahren. Ein Fahrzeug befindet sich bereits dann im Betrieb, wenn es sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet und sich die von ihm ausgehenden spezifischen Gefahren auswirken können. Dazu zählen neben dem Fahren auch das Anhalten, Parken, Ein- und Aussteigen, Be- und Entladen sowie das Rangieren, wie es der Unimog im beschriebenen Fall tat. Die Gefährdungshaftung des Halters setzt also voraus, dass sich der Schaden „bei Betrieb“ ereignet hat.

Beispiel: Öffnen Sie unachtsam die Tür Ihres am Straßenrand geparkten Autos und ein vorbeifahrender Radfahrer kollidiert damit, ereignet sich der Unfall „bei Betrieb“ Ihres Fahrzeugs.


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Unabwendbares Ereignis

Ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG ist ein Unfall, der auch bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können. Der Maßstab ist hier das Verhalten eines fiktiven „Idealfahrers“, der überdurchschnittlich aufmerksam, geistesgegenwärtig und reaktionsschnell ist und mögliche Fehler anderer Verkehrsteilnehmer einkalkuliert. Nur wenn nachgewiesen wird, dass selbst dieser Idealfahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können, entfällt die Haftung aus der Betriebsgefahr vollständig. Im Text wurde ein unabwendbares Ereignis für beide Seiten verneint, da der Unfall bei idealer Fahrweise vermeidbar gewesen wäre.

Beispiel: Ein plötzlicher, nicht vorhersehbarer Felssturz auf die Fahrbahn direkt vor dem Fahrzeug könnte ein unabwendbares Ereignis darstellen. Das plötzliche Betreten der Fahrbahn durch ein Kind hinter einem Sichthindernis ist es hingegen oft nicht, da ein Idealfahrer mit so etwas rechnen muss.


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Ausreichender Seitenabstand (§ 6 StVO)

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) fordert in § 6 beim Vorbeifahren (z.B. an haltenden Fahrzeugen, Hindernissen, Engstellen oder auch an anderen fahrenden Fahrzeugen auf Nebenspuren) die Einhaltung eines ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstands. Die konkrete erforderliche Weite dieses Abstands ist nicht fest definiert, sondern hängt von den Umständen ab (u.a. Geschwindigkeit, Fahrzeugarten, Fahrbahnbreite, Wetter). Der Abstand muss aber stets so groß sein, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall sah das OLG den entscheidenden Fehler des Unimog-Fahrers darin, diesen Abstand nicht eingehalten zu haben.

Beispiel: Beim Überholen eines Radfahrers gilt innerorts in der Regel ein Mindestseitenabstand von 1,5 Metern als ausreichend, außerorts sogar 2 Meter.


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Betriebsgefahr

Die Betriebsgefahr bezeichnet die grundsätzliche, abstrakte Gefahr, die von jedem Kraftfahrzeug ausgeht, allein weil es am Verkehr teilnimmt. Sie resultiert aus der Kombination von Masse, Geschwindigkeit und der potenziellen Unberechenbarkeit im Verkehrsgeschehen und ist die Rechtfertigung für die Gefährdungshaftung des Halters (§ 7 StVG). Bei einem Unfall ohne klares Verschulden oder bei Verschulden beider Seiten wird die Haftung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG anhand der jeweiligen Verursachungsbeiträge abgewogen, wobei die Betriebsgefahr eine Rolle spielt. Im Text trat die (geringere) Betriebsgefahr des Pkw der Klägerin vollständig hinter dem schwerwiegenden Verstoß des Unimog-Fahrers (Nichteinhalten des Seitenabstands) zurück.

Beispiel: Stoßen zwei Autos auf einer Kreuzung zusammen, wobei beide Fahrer bei Grün gefahren sein wollen und der Hergang unklar bleibt, kann die Haftung aufgrund der jeweiligen Betriebsgefahr der Fahrzeuge (z.B. 50:50) aufgeteilt werden.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Abs. 1 StVG (Gefährdungshaftung): Diese Norm begründet eine Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, unabhängig von Verschulden. Es geht darum, dass von Fahrzeugen eine Gefahr ausgeht und der Halter dafür einstehen muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte zu 2) als Halterin des Unimog haftet grundsätzlich für den Schaden der Klägerin, da der Unfall beim Betrieb des Unimog geschah.
  • § 17 Abs. 1, 2 StVG (Haftungsverteilung bei mehreren Beteiligten): Sind an einem Unfall mehrere Fahrzeuge beteiligt, hängt die Schadensteilung davon ab, inwieweit jeder Beteiligte zum Unfall beigetragen hat. Es wird eine Abwägung der Verursachungsbeiträge vorgenommen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste prüfen, ob und inwieweit die Klägerin eine Mithaftung an dem Unfall trägt und wie der Schaden zwischen ihr und der Beklagten zu 2) aufzuteilen ist.
  • § 17 Abs. 3 StVG (Unabwendbares Ereignis): Eine Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Unfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht. Dies ist ein Ereignis, das auch bei äußerster Sorgfalt nicht verhindert werden kann, wobei sehr hohe Anforderungen an die Sorgfalt gestellt werden („Ideal Fahrer“). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat geprüft, ob für eine der Parteien ein unabwendbares Ereignis vorlag, dies aber für keine der beiden Seiten festgestellt, womit diese Ausnahme von der Haftung nicht griff.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Verkehrsteilnehmer, die in Unfälle beim Rangieren verwickelt sind bei/zum Thema Haftung bei Unfällen während des Rangierens

Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit beim Rückwärtsfahren, Wenden oder Einparken – und schon ist es passiert. Gerade wenn große Fahrzeuge wie Transporter, LKW oder Wohnmobile beteiligt sind, kann das Rangieren schnell zu Schäden führen. Die Frage, wer für den Schaden aufkommen muss, ist dann oft entscheidend.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.


Tipp 1: Höchste Sorgfaltspflicht beim Rangieren beachten
Wer ein Fahrzeug zurücksetzt, wendet oder rangiert, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer absolut ausgeschlossen ist. Das bedeutet: Sie müssen äußerste Vorsicht walten lassen und im Zweifel sofort anhalten. Gelingt der Nachweis nicht, dass Sie alles getan haben, um einen Unfall zu vermeiden, haften Sie in der Regel für den entstandenen Schaden.

⚠️ ACHTUNG: Gerade bei großen oder unübersichtlichen Fahrzeugen (wie Transportern, LKW, Unimogs, Wohnmobilen) reicht der Blick in die Spiegel oft nicht aus. Im Zweifel müssen Sie sich durch eine andere Person einweisen lassen. Die Rechtsprechung legt hier einen sehr strengen Maßstab an – oft wird dem Rangierenden die Alleinhaftung zugewiesen.


Tipp 2: Schaden durch rangierendes Fahrzeug? Dokumentieren Sie alles!
Wurde Ihr Fahrzeug durch ein anderes Fahrzeug beschädigt, das gerade rangiert hat (rückwärtsgefahren ist, gewendet hat etc.), stehen Ihre Chancen auf vollständigen Schadensersatz oft gut. Dokumentieren Sie den Unfallhergang und die Schäden so genau wie möglich: Machen Sie Fotos von der Unfallsituation, den beteiligten Fahrzeugen und den Schäden. Notieren Sie sich Namen und Adressen von Zeugen und rufen Sie bei unklarer Lage oder größeren Schäden die Polizei hinzu.


Tipp 3: Rechtliche Einschätzung frühzeitig einholen
Die Haftungsfrage bei Rangierunfällen kann komplex sein, auch wenn die Grundregel streng ist. Oft wird über den genauen Hergang oder die Höhe des Schadens gestritten. Holen Sie frühzeitig juristischen Rat ein, um Ihre Ansprüche korrekt geltend zu machen oder unberechtigte Forderungen abzuwehren. Eine spezialisierte Kanzlei kann den Fall prüfen und Ihre Rechte optimal vertreten.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Ein wichtiger Punkt bei Rangierunfällen ist der sogenannte Anscheinsbeweis. Dieser spricht in der Regel zulasten desjenigen, der rangiert hat. Das bedeutet: Es wird zunächst vermutet, dass der Rangierende den Unfall schuldhaft verursacht hat. Er muss dann beweisen, dass er die äußerste Sorgfalt beachtet hat oder der Unfall auch ohne sein Verschulden passiert wäre, was oft schwierig ist.


Checkliste: Rangierunfall

  • Wer hat rangiert? Klären Sie eindeutig, welches Fahrzeug zurückgesetzt, gewendet oder eingeparkt hat.
  • Gefährdung ausgeschlossen? Konnte der Fahrer des rangierenden Fahrzeugs sicherstellen, dass niemand gefährdet wird (z. B. durch Einweiser)?
  • Beweise sichern: Fotos von Endstellung, Schäden, Umfeld gemacht? Zeugen notiert? Unfallbericht erstellt/Polizei gerufen?
  • Schaden melden: Informieren Sie umgehend Ihre bzw. die gegnerische Versicherung über den Vorfall.
  • Rechtsrat einholen: Bei Unklarheiten, hohem Schaden oder Streit über die Schuldfrage Anwalt kontaktieren.

Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: I-7 U 21/20 – Urteil vom 21.12.2021


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