AG Frankenthal – Az.: 3a C 308/16 – Urteil vom 24.11.2016
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 VVG, da die Klägerin als wartepflichtige Fahrzeugführerin, nicht den nach § 8 StVO gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis der schuldhaften Vorfahrtsverletzung zu widerlegen vermochte. Die Beklagte zu 1. hat durch das behauptete Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers rechts ihr Vorfahrtsrecht nicht verloren. Nach einer Auffassung kann das Setzen eines Fahrtrichtungsanzeigers durch den Vorfahrtsberechtigten dessen Vorfahrtsrecht generell nicht aufheben, sondern allenfalls ein Vertrauen des Wartepflichtigen begründen, dass im Rahmen der konkreten Abwägung damit Verursachungs- und Verschuldensanteile zu berücksichtigen ist (so KG NZV 1990, 155, OLG München, DAR 1998, 474 m.w.N.). Nach einer anderen Auffassung ist ein berechtigtes Vertrauen des Wartepflichtigen in die Abbiegeabsicht des Vorfahrtsberechtigten grundsätzlich geeignet, eine Vorfahrtsverletzung entfallen zu lassen (so OLG Saarbrücken, NJW RR 2008, 1611, ähnlich OLG Hamm, NJW RR 2003, 975). Es kann auch nach dieser Auffassung vorliegend ein Vorfahrtsverstoß der Klägerin nicht verneint werden, da diese nicht auf einem Vorfahrtsverzicht der Beklagten zu 1. vertrauen durfte.
Im Einzelnen ist umstritten, ob der nach § 8 StVO Wartepflichtige auf ein angekündigtes Abbiegen des Vorfahrtsberechtigten bereits dann vertrauen darf, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte die Abbiegeabsicht in Zweifel ziehen (OLG München, DAR 1938, 474 KG NZV 1990, 155 Burmann/Heß/Jahnke/Janka, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 8 StVO Rn. 63), oder ob der Wartepflichtige trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchter des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen darf, wenn sich dieses in der Gesamtschau der Fahrsituation – sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selbst – zweifelsfrei manifestiert (so OLG Saarbrücken, NJW RR 2008, 1611, OLG Hamm, NJW RR 2003, 975, OLG Karlsruhe, DAR 2001, 128 m.w.N.). Diese letztere Auffassung verdient indes den Vorzug, denn nach § 8 StVO trifft den Wartepflichtigen eine gesteigerte Sorgfaltspflicht mit der Folge, dass sich der Wartepflichtige nur eingeschränkt auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. Er darf zwar in der Regel auf das Unterbleiben atypischer grober Verkehrsverstöße des Vorfahrtsberechtigten vertrauen, muss jedoch die Möglichkeit sonstiger Verkehrsverstöße des Vorfahrtsberechtigten in Betracht ziehen (OLG Saarbrücken, NJW RR 2008, 1611).
Ein Vertrauen des Wartepflichtigen ist danach erst dann begründet, wenn die Abbiegeabsicht zweifelsfrei feststeht. Die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers „rechts“ unterstellt, folgt aus den Angaben der Parteien jedoch nicht, dass eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit oder gar der Beginn des Abbiegens selbst manifestiert waren, wofür die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet ist. Zwar hat die Klägerin bei ihrer Anhörung erklärt, dass die Beklagte zu 1) ihren Blinker rechts gesetzt hatte, als sie das Beklagtenfahrzeug, das verlangsamt habe mit einer Geschwindigkeit zwischen 30 – 40 Km/h, in Höhe der „Landbeize“ erstmals wahrgenommen habe. Die Beklagte zu 1) hat hingegen angegeben, sie sei mit gleichmäßiger Geschwindigkeit von ca 30 Km/h auf dem Neumayerring gefahren, den Blinker rechts jedoch nicht gesetzt, sie habe an der Bushaltestelle nach der Ackerstraße halten wollen. Angesichts der durch die Klägerin selbst geschilderten kurzen Distanz zwischen der Einmündung der Ackerstraße und der „Landbeize“ und der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast einer den Anscheinsbeweis erschütternden Tatsachen genügt das zu ihren Gunsten unterstellte Setzen des Blinkzeichengebers durch die Beklagte zu 1) nicht, um den Anscheinsbeweis der schuldhaften Vorfahrtverletzung zu erschüttern.
Nach dem Vorgenannten besteht bereits dem Grunde nach kein gesamtschuldnerischer Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz der Klägerin gegen die Beklagten, so dass daneben offen bleiben kann, ob der Tatsachenvortrag der Klägerin zur Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Wiederherstellungskosten hinreichend substantiiert ist, insbesondere ob ein solcher auf Grundlage eines wirtschaftlichen Totalschadens oder aber nach den Grundsätzen eine Abrechnung auf Grundlage eines Schadensgutachtens gegeben ist (vgl. Knerr/Geigel Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 3. Kapitel, Rn. 30 ff m.w.N.) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.