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Verkehrsunfall – Vertrauensgrundsatz – Abbiegevorgang durch Setzen Blinker

LG Bonn – Az.: 1 O 205/18 – Urteil vom 25.01.2019

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

1. an die Klägerin 2.941,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;

2. vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 150,00 EUR an die Klägerin und in Höhe von 217,47 EUR an die S AG, E-Straße, ##### Y, zur Schadennummer #-##-######## zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreites tragen die Klägerin zu 48% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 52%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils für die Beklagten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am Morgen des 23.10.2017 in A im Einmündungsbereich der N-Straße auf die bevorrechtigte C-Straße (vgl. Übersichtsfoto Bl.64 d.A.) ereignete.

Am Unfalltag befuhr die Klägerin mit ihrem Pkw O, amtliches Kennzeichen ##-##-####, die N-Straße in Fahrtrichtung C-Straße. Vor der Einmündung in die C-Straße befindet sich auf der N-Straße das Vorschriftszeichen 205 („Vorfahrt gewähren“) der Anlage 2 zu § 41 Abs.1 StVO. Die Klägerin, die von der N-Straße nach links auf die C-Straße einbiegen wollte, hielt ihr Fahrzeug im Einmündungsbereich an.

Auf der C-Straße näherte sich in Fahrtrichtung X Straße, aus Sicht der Klägerin von links kommend, der Beklagte zu 1. mit dem Pkw M, amtliches Kennzeichen ###-##-###. Die Beklagte zu 2. ist die Halterin, die Beklagte zu 3. der Haftpflichtversicherer dieses Fahrzeuges. Der Beklagte zu 1., der in die N-Straße einbiegen wollte, betätigte vor dem Erreichen des Einmündungsbereichs den rechten Blinker, verringerte die Geschwindigkeit und lenkte das Fahrzeug nach rechts ein. Da der Beklagte zu 1. aber auf der N-Straße einen an der Bushaltestelle haltenden Bus als Hindernis auf der Fahrbahn erkannte, entschloss er sich dazu, seine Fahrt auf der C-Straße fortzusetzen. Wie weit das Beklagtenfahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits die C-Straße verlassen hatte und sich auf der N-Straße befand, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin, die nach dem Anhalten ihres Fahrzeuges das nach rechts blinkende Beklagtenfahrzeug und dessen Einlenken nach rechts wahrgenommen hatte, orientierte sich sodann betreffend die von rechts querenden Fahrzeuge. Nachdem sich von dort kein Fahrzeug näherte, fuhr sie an. Im Einmündungsbereich kam es zur Kollision des Klägerfahrzeuges mit dem die C-Straße befahrenden Beklagtenfahrzeug.

Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen (Kreispolizeibehörde F, Aktenzeichen ######-######-##/#), das gegen die Klägerin eingeleitete Bußgeldverfahren eingestellt (Landrat des F, Aktenzeichen ##.##-####.#######.####).

Das Fahrzeug der Klägerin erlitt durch die Kollision einen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungsaufwand beträgt 6.460,00 EUR. Das Fahrzeug musste nach dem Unfall abgeschleppt werden, wofür die Klägerin 507,24 EUR zahlte.

Die Klägerin erlitt bei dem Unfall Prellungen und Verbrennungen ersten Grades an dem Handgelenk beziehungsweise der Hand sowie eine Verstauchung des oberen Sprunggelenks. Sie wurde per RTW in das V Klinikum eingeliefert (ärztlicher Bericht vom 23.10.2017 = Bl.34 – 35 d.A.) und war 5 Tage arbeitsunfähig.

Die Beklagte zu 3. zahlte vorgerichtlich auf der Basis einer Haftungsquote der Beklagten von 30% an die Klägerin 2.224,17 EUR. Hiervon entfielen 1.938,00 EUR auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, 152,17 EUR auf die Abschleppkosten, 9,00 EUR auf eine Kostenpauschale und 125,00 EUR auf ein Schmerzensgeld (vgl. Abrechnungsschreiben vom 16.11.2017 = Bl.12 d.A.).

Die Klägerin behauptet unter Vorlage einer von ihr gefertigten Skizze (Bl.11 d.A.), der Beklagte zu 1. sei zunächst in die N-Straße abgebogen. Als sie angefahren sei, sei der Beklagte zu 1. plötzlich von links wieder aus der N-Straße herausgefahren und habe sich letztlich somit auch entgegen der Fahrtrichtung bewegt (S.4 der Klageschrift). Sie behauptet ferner, ihr sei ein Nutzungsausfall von 11 Tagen entstanden, ein Ersatzfahrzeug am 03.11.2017 zugelassen worden. Für die Zulassung des neuen Kfz habe sie 60,70 EUR aufwenden müssen.

Die Klägerin macht mit dem Klageantrag zu 1. folgende Schäden geltend:

Wiederbeschaffungsaufwand 6.460,00 EUR

Zulassungskosten 60,70 EUR

Nutzungsausfallentschädigung (11 Tage á 35,00 EUR)   385,00 EUR

Abschleppkosten 507,24 EUR

Unkostenpauschale 25,00 EUR

Hiervon bringt sie den vorgerichtlich gezahlten Betrag von 2.099,17 EUR in Abzug (S.8 der Klageschrift).

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.338,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie über den gezahlten Betrag von 125,00 EUR hinaus ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber weitere 375,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;

3.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 604,16 EUR zu zahlen, davon einen Betrag in Höhe von 150,00 EUR an sie und einen Betrag in Höhe von 454,16 EUR zu Händen der S-AG, E-Straße, ##### X, zur Schadennummer #-##-########.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten unter Vorlage der polizeilichen Verkehrsunfallskizze (Anlage BLD1 = Bl.54 d.A.), der Beklagte zu 1. habe die bevorrechtigte C-Straße zu keinem Zeitpunkt vollständig verlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2018 (Sitzungsprotokoll Bl.70 – 71R d.A.), die zu den Akten gereichten Unterlagen und Lichtbilder sowie den Inhalt der beigezogen Akten des Ordnungswidrigkeitenverfahrens des F – ##.##-####.#######.#### – Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Verkehrsunfall – Vertrauensgrundsatz - Abbiegevorgang durch Setzen Blinker
(Symbolfoto: Von Vach cameraman/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von 2.941,12 EUR und weiterer 150,00 EUR sowie Zahlung von 217,47 EUR an ihre Rechtsschutzversicherung aus den §§ 18 Abs.1 Satz 1, 7 Abs.1, 11 Satz 2 StVG in Verbindung mit den §§ 249 Abs.1 und Abs.2 Satz 1, 251 Abs.1, 253 Abs.2 BGB und § 115 Abs.1 Satz 1 Ziffer 1. VVG.

Denn der streitgegenständliche Verkehrsunfall ist ausweislich des wechselseitigen substantiierten und in den rechtserheblichen Einzelheiten unstreitigen Parteivorbringens überwiegend durch ein Verschulden des Beklagten zu 1. in Form eines Verstoßes gegen die in § 1 Abs.1 und Abs.2 StVO niedergelegten Grundregeln für die Teilnahme am Straßenverkehr sowie den sich aus diesen Grundregeln zugunsten der Klägerin ergebenden Vertrauensgrundsatz (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2015 – 1 U 168/14 = DAR 2016, 648 = BeckRS 2016, 13739 Rd.16 und Rd.37f.; OLG Dresden VersR 1995, 234f.: „Vertrauensschutz“; insgesamt zum Vertrauensgrundsatz: Freymann/Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27.Aufl. 2015, 27.Kapitel, Rd.12ff.) verursacht worden. Dieser Verursachungsbeitrag überwiegt den gleichzeitig die Klägerin wegen § 8 Abs.2 Satz 2 StVO treffenden Sorgfaltspflichtenverstoß, was gemäß § 17 Abs.1 und Abs.2 StVG zu einer Haftungsquote der Klägerin von 1/3 und einer Haftungsquote der Beklagten von 2/3 führt (vgl. auch Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 15.Aufl. 2017, Rd.10 m.w.N.). Im Einzelnen:

1. Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 18 Abs.1 Satz 1, 7 Abs. 1 StVG gegen die Beklagten zu 1. und 2. liegen vor, da das Fahrzeug der Klägerin sowohl bei dem Betrieb des Fahrzeuges der Beklagtenseite als auch nicht ohne Verschulden des Beklagten zu 1. als Fahrer (arg. § 18 Abs.1 Satz 2 StVG) beschädigt worden ist.

a) Ein Fall höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs.2 StVG liegt infolge des Unfallgeschehens im fließenden Verkehr nicht vor. Der Unfall war auch weder für die Klägerin noch für den Beklagten zu 1. unabwendbar im Sinne von § 17 Abs.3 StVG.

Denn die Unabwendbarkeit setzt voraus, dass der Unfall auch unter Einhaltung aller nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls möglichen Sorgfaltspflichten beider Fahrzeugführer nicht zu vermeiden gewesen wäre (arg. § 17 Abs.3 Satz 2 StVG). Dies setzt voraus, dass sich der jeweils auf eine Unabwendbarkeit berufende Verkehrsteilnehmer in der konkreten Situation wie ein Idealfahrer verhalten hat (BGH NJW 2006, 896, 898), wobei darüber hinaus zu prüfen ist, ob ein derartiger Idealfahrer überhaupt in die zur Diskussion stehende Gefahrenlage im Straßenverkehr geraten wäre. Denn ein sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnder Unfall wird nicht dadurch unabwendbar im Sinne von § 17 Abs.3 StVG, dass sich der beteiligte Fahrzeugführer nunmehr in der bestehenden Gefahrenlage – und deshalb im haftungsrechtlichen Sinne zu spät – „ideal“ verhält (BGH NJW 2006, 896, 898).

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Für die Klägerin war der Unfall schon deshalb nicht unabwendbar, weil sie den Unfall hätte vermeiden können, wenn sie vor dem An- und Auffahren auf die C-Straße noch einmal nach links geblickt hätte. Denn dann hätte sie das entgegen seiner zunächst beabsichtigten Fahrweise in die N-Straße durchgeführte Fahrmanöver des Beklagten zu 1., stattdessen die Fahrt auf der C-Straße fortzusetzen, wahrnehmen können. Dass die Klägerin diese – zudem nach § 8 Abs.2 Satz 2 StVO gebotene – Vorsichtsmaßregel unterlassen hat, ergibt sich aus ihrer eigenen Schilderung in der mündlichen Verhandlung (S.1 und S.2 des Sitzungsprotokolls).

Dass der Unfall für den Beklagten zu 1. nicht unabwendbar war, folgt daraus, dass er die Kollision unschwer dadurch hätte vermeiden können, dass er sich vor der Weiterfahrt auf der beziehungsweise auf die C-Straße über die Reaktion der durch seine Fahrweise zumindest irritierten Klägerin vergewissert hätte. Denn die Klägerin wurde durch das Setzen des rechten Blinkers in Verbindung mit der Verringerung seiner Fahrtgeschwindigkeit und in Verbindung mit dem Einlenken des Beklagtenfahrzeuges nach rechts durch den Beklagten zu 1. in den Glauben versetzt, dieser würde seine Fahrt in die N-Straße hinein fortsetzen. Dass die Klägerin deshalb noch kurz vor der Kollision (subjektiv) davon ausgehen würde, sie könne gemäß § 8 Abs.2 Satz 2 StVO ohne die Gefährdung des vorfahrtberechtigten Beklagten zu 1. auf die C-Straße einfahren, lag wegen der von der Fahrweise des Beklagten zu 1. ausgehenden Signalwirkung (arg. § 9 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 StVO) auf der Hand.

Bei dieser Würdigung ist zu berücksichtigen, dass die Frage der Unabwendbarkeit anhand des Maßstabes eines Idealfahrers nicht nur eine allgemein übliche, sondern vielmehr die Einhaltung der äußerst möglichen Sorgfalt voraussetzt (vgl. Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25.Aufl. 2018, § 17 StVG Rd.8). Dieser Maßstab verlangt von dem Fahrzeugführer überobligatorische Vorsichtsmaßnahmen, der sich folglich auch auf nicht unerhebliche Fahrfehler anderer Verkehrsteilnehmer zumindest einrichten muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2016 – 1 U 79/15 = juris Rd.29 m.w.N.).

b) Die deshalb gemäß § 17 Abs.2 und Abs.1 StVG erforderliche Abwägung der Verursachungsbeiträge der Parteien führt zu einer Haftungsquote der Klägerin von 1/3 und einer Haftungsquote der Beklagten zu 2/3.

Hierbei ist grundsätzlich an die Bewertung der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge anzuknüpfen, die sich jedoch durch das Verhalten des Fahrzeugführers und/oder Halters erhöhen kann (Scholten in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 17 StVG Rd.19).

aa) Ganz erheblich zu Lasten des Beklagten zu 1. wirkt sich im Rahmen dieser Abwägung aus, dass der Beklagte zu 1. mit seinem unter 1.a) beschriebenen Fahrmanöver entgegen § 1 Abs.1 und Abs.2 StVO eine besondere Gefahrenlage geschaffen hat, die sich dadurch auszeichnet, dass die Klägerin davon ausgegangen ist und – entsprechend dem Vertrauensgrundsatz – davon ausgehen durfte, dass der Beklagte zu 1. den Abbiegevorgang in die N-Straße hinein fortsetzen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2015 – 1 U 168/14, aaO., Rd.37f.; OLG Dresden, aaO.; Geigel/Freymann, aaO., Rd.12 und Rd.14 jeweils m.w.N.).

Dabei bedarf die Frage, wie viele Meter der Beklagte zu 1. mit dem von ihm gesteuerten Fahrzeug bereits in die N-Straße hineingefahren war, keiner Vertiefung. Denn der Beklagte zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass er mindestens mit dem rechten Vorderrad schon in die N-Straße hineingefahren war (S.3 unten des Sitzungsprotokolls). Berücksichtigt man ferner die sich aus der Lichtbildmappe der beigezogenen Akten des F – ##.##-####.#######.#### – ergebenden örtlichen Verhältnisse, so begründet bereits dieses „nur“ mit dem rechten Vorderrad in die N-Straße einbiegende Fahrverhalten des Beklagten zu 1. im hier vorliegenden Fall eine überwiegende Haftung, weil die Fahrweise des Beklagten zu 1. infolge des nur kurzen Abstandes zwischen der rechten Einmündung in die N-Straße und der Unfallstelle besonders gefahrenträchtig erscheint.

bb) Zu Lasten der Klägerin ist in diese Abwägung ein Verstoß gegen die ihr als wartepflichtige Verkehrsteilnehmerin obliegenden Verhaltens- und Sorgfaltsanforderungen aus § 8 Abs.2 Satz 2 StVO einzustellen.

Dabei formuliert § 8 Abs.2 Satz 2 StVO nicht nur gesteigerte Sorgfaltspflichten, vielmehr muss der Wartpflichtige im Grundsatz auch mit einem Fehlverhalten des vorfahrtberechtigten Verkehrsteilnehmers rechnen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2015 – 1 U 168/14, aaO., Rd.38). Oblag es aber danach der Klägerin, das An- und Auffahren auf die C-Straße so durchzuführen, dass eine Gefährdung des Beklagten zu 1. ausgeschlossen war, so muss sich dies auch in einer entsprechenden Haftungsbeteiligung niederschlagen.

Der ursprüngliche Klägervortrag eines plötzlich wieder aus der N-Straße herausfahrenden Beklagtenfahrzeuges (so S.4 der Klageschrift) ist ausweislich der in den Akten des F – ##.##-####.#######.#### – lichtbildlich dokumentierten Örtlichkeiten an der Unfallstelle und der dort abgebildeten Endstellung der Fahrzeuge nach der Kollision widerlegt. Denn diese nahezu rechtwinklige Endstellung ist – wie sie auch auf der Verkehrsunfallskizze (Bl.6 der Beiakten; Anlage BLD1 = Bl.54 d.A.) zutreffend eingezeichnet worden ist – bei einem vollständigen Ein- und Ausfahren in die N-Straße infolge der sich dann ergebenden Winkel nicht zu erklären. Dies gilt erst recht in Anbetracht der zutreffenden Äußerung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dieser Frage, wonach die eingezeichnete Fahrlinie des Beklagtenfahrzeuges in der von ihr gefertigten und mit der Klageschrift eingereichten Skizze (Bl.11 d.A.) etwas übertrieben gezeichnet worden ist (S.2 des Sitzungsprotokolls).

cc) Bei der Abwägung dieser Verursachungsbeiträge, fällt der die Klägerin nach 1.b)bb) treffende Beitrag gegenüber dem Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1. nach 1.b)aa) geringer ins Gewicht. Aus der erforderlichen Gesamtschau der Weg-Zeit- und Mitwirkungszusammenhänge erscheint der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1. in seinem Gewicht und Gefährdungspotential vielmehr doppelt so hoch wie der Beitrag der Klägerin, woraus sich eine Haftungsquotelung von 2/3 zu Lasten der Beklagten ergibt. Halter und Fahrer bilden insoweit eine Zurechnungseinheit (vgl. Heß, aaO., § 17 StVG Rd.5).

2. Der Klägerin hat im Anschluss hieran dem Grunde nach gemäß § 11 Satz 2 StVG und § 253 Abs.2 BGB gegen die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner auch einen Anspruch auf Zahlung einer billigen Entschädigung in Geld für die von ihr bei dem Verkehrsunfall unstreitig erlittenen Verletzungen.

3.  Die gesamtschuldnerische Mithaftung der Beklagten zu 3. (§ 421 BGB) folgt im Anschluss an die Ausführungen unter 1. und 2. aus § 115 Abs.1 Satz 1 Ziffer 1. und Satz 4 VVG.

4. Der Höhe nach ergeben sich daraus folgende Ansprüche gegen die Beklagten:

a) Der Klageantrag zu 1. auf Zahlung von 5.338,76 EUR beinhaltet den nach § 249 Abs.1 und Abs.2 Satz 1 BGB ersatzfähigen Wiederbeschaffungsaufwand von 6.460,00 EUR wie in dem Sachverständigengutachten T vom 26.10.2017 (Bl.19ff. d.A.) ausgewiesen und insoweit zwischen den Parteien unstreitig (§ 138 Abs.3 ZPO).

Dieser gutachterlich geschätzte Aufwand kann im Wege der fiktiven Schadensabrechnung verlangt werden (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77.Aufl. 2018, § 249 Rd.14), wenn ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Dies ist hier unstreitig der Fall.

Ferner sind die Kosten in Höhe von 60,70 EUR für die Zulassung des unfallbedingt erworbenen Ersatzfahrzeugs zu erstatten (arg. § 249 Abs.1 BGB; vgl. Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 249 BGB Rd.266). Zwar haben die Beklagten diese Kosten unter Hinweis auf die grundsätzliche Übernahme durch den Händler bestritten (S.3 der Klageerwiderung). Indes ergeben sich diese Kosten aus dem mit der Klageschrift eingereichten Beleg (Bl.32 d.A.), wohingegen die Fahrzeugrechnung vom 03.11.2017 (Bl.31 d.A.) keine Übernahme dieser Kosten händlerseits ausweist. Die Rechnung vom 03.11.2017 belegt gleichsam die Anschaffung des Ersatzfahrzeuges.

Soweit die Klägerin einen Nutzungsausfall von 11 Tagen geltend macht, ist diese Position nur in Höhe von 245,00 EUR ersatzfähig.

Zwar stellt der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kfz einen ersatzfähigen Schaden dar, soweit der Geschädigte zur Nutzung des Kfz willens und fähig gewesen wäre (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 249 Rd.40 ff.). Indes hat die Klägerin in Anbetracht ihrer fünftägigen Arbeitsunfähigkeit eine derartige Nutzungsmöglichkeit erst ab dem 28.10.2017 schlüssig dargetan. Mit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges am 03.11.2017 endete dieser Nutzungsausfallschaden, so dass ein ersatzfähiger Zeitraum von sieben Tagen verbleibt. Multipliziert mit dem zwischen den Parteien unstreitigen Tagessatz von 35,00 EUR ergibt sich der zugesprochene Teilbetrag.

Die Klägerin kann auch die unstreitigen Kosten in Höhe von 507,24 EUR für den erforderlichen Abschleppvorgang ersetzt verlangen (Kuhnert in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2.Aufl. 2017, § 249 BGB Rd.101).

Zuzüglich einer Schadenspauschale von 25,00 EUR ergibt sich ein Betrag von 7.297,94 EUR, wovon der Klägerin 2/3, mithin 4.865,29 EUR zustehen. Abzüglich der hierauf bereits vorprozessual gezahlten 2.099,17 EUR verbleibt zugunsten der Klägerin ein materieller Schadensersatz von 2.766,12 EUR.

b) Das mit dem Klageantrag zu 2. begehrte Schmerzensgeld war nur in Höhe weiterer 175,00 EUR zuzusprechend, wodurch sich der in Ziffer 1. des Tenors ausgeurteilte Zahlungsbetrag auf insgesamt 2.941,12 EUR erhöht.

Als der Klägerin zustehende Entschädigung (oben unter 2.) ist ein Gesamtbetrag in Höhe von 300,00 EUR angemessen, auf den die Beklagte zu 3. bereits 125,00 EUR gezahlt hat.

Dieser Betrag rechtfertigt sich in Anlehnung an vergleichbare Fälle, in denen für die der Klägerin attestierten Verletzungen an dem Handgelenk beziehungsweise der Hand  Schmerzensgeldbeträge zwischen 150,00 EUR und 500,00 EUR  zugesprochen worden sind  (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Slizyk, Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, 15.Aufl. 2019 = IMMDAT beck-online, jeweils unter dem Stichwort „Handgelenkverletzungen“ und „Handverletzungen“; etwa AG Köln, Urteil vom 20.07.2001 – 261 C 107/00 -: 357,90 EUR bei entsprechenden Prellungen).

Bei der Bemessung dieses Betrages waren die folgenden Faktoren zu berücksichtigen:

– das Ausmaß der erlittenen Verletzungen insgesamt, einschließlich der am Sprunggelenk,

– die Intensität und die Dauer der medizinisch indizierten Behandlungsmaßnahmen,

– keine verbleibenden Dauerfolgen,

– die Dauer der Arbeitsunfähigkeit,

– die eingangs unter 1. begründete Mitverursachung des Unfallereignisses durch die Klägerin.

5. Die mit dem Klageantrag zu 3. begehrten Rechtsverfolgungskosten von 604,16 EUR beruhen auf der mit der Klageschrift zu den Akten gereichten Kostennote der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30.05.2018 (Bl.38 d.A.).

Indes ist der dort bezifferte Gegenstandswert von 5.713,76 EUR aus den Gründen zu 1. und 4. auf einen Wert bis 3.000,00 EUR zu reduzieren. Hieraus ergibt sich eine 1,3 Geschäftsgebühr von 261,30 EUR zuzüglich 20,00 EUR Pauschale sowie der unstreitigen weiteren Pauschalen (15,50 EUR und 12,00 EUR) nebst 19% Umsatzsteuer, mithin 367,47 EUR.

Hiervon entfallen der Selbstbehalt von 150,00 EUR auf die Klägerin, die weiteren 217,47 EUR auf die Rechtsschutzversicherung. Da diese Ersatzforderung ihrem weiteren Inhalt nach zwischen den Parteien nicht in Streit steht (§ 138 Abs.3 ZPO), bestehen gegen die Prozessführungsbefugnis der Klägerin keine Bedenken. Denn obwohl diese Forderung mit dem Ausgleich der Kosten durch die Rechtsschutzversicherung der Klägerin gemäß § 86 Abs.1 Satz 1 VVG auf diese übergegangen wäre, kann die Klägerin diese Forderung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2017 – 12 U 196/15 = juris Rd.68; im Ergebnis auch OLG Koblenz, Urteil vom 26.05.2014 – 12 U 13/12 = juris Rd.18). Die entsprechende Ermächtigung ergibt sich aus dem Schreiben der Rechtsschutzversicherung vom 06.06.2018 (Bl.39 d.A.).

6. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB. Die Mahnung und Fristsetzung gegenüber der Beklagten zu 3. vom 15.03.2018 (Bl.13 – 15 d.A.) wirkt hier auch gegenüber den Beklagten zu 1. und 2. verzugsbegründend (Palandt/Grüneberg, aaO., § 425 Rd.3).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1, 92 Abs.1, 100 Abs.4 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO einerseits und den §§ 708 Ziffer 11., 711 ZPO andererseits.

Streitwert:  5.713,76 EUR.

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