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Verkehrsunfall – Verweisung auf weit entfernte markenungebundene Werkstatt

LG Duisburg – Az.: 7 S 109/19 – Urteil vom 08.01.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil das Amtsgerichts Duisburg-Hamborn (Az. 9 C 459/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 186 ff. GA). Im Übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner kein über den bereits geleisteten Betrag in Höhe von 1.197,03 EUR hinausgehender Anspruch auf Zahlung von Reparaturkosten gemäß der §§ 7, 17, 18 StVG, hinsichtlich der Beklagten zu 3) in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, zu.

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts war es dem Kläger aber zumutbar, sich auf die aufgezeigte, um 907,49 EUR günstigere Reparaturmöglichkeit in der Firma T verweisen zu lassen.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (BGH, Urteil vom 23.02.2010 – VI ZR 91/09, Rn. 8, zitiert nach juris). Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2010 – VI ZR 91/09, Rn. 8, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2015 – I-1 U 57/15, Rn. 31, zitiert nach juris). Dies gilt auch bei einer fiktiven Schadensberechnung. Der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten besteht zudem unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGH, Urteil vom 25.09.2018 – VI ZR 65/18, Rn. 6, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 15.07.2014 – VI ZR 313/13, Rn. 8 m.w.N., zitiert nach juris). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.2018 – VI ZR 65/18, Rn. 6, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 15.07.2014 – VI ZR 313/13, Rn. 8 m.w.N., zitiert nach juris; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2015 – I-1 U 57/15, Rn. 32, zitiert nach juris).

Dabei ist erforderlich, dass der Ersatzpflichtige dem Geschädigten konkrete, die Gleichwertigkeit betreffende Angaben zukommen lässt. Maßgeblich sind die Kriterien, ob es sich etwa um eine Meisterwerkstatt handelt, ob diese zertifiziert ist, ob dort Originalersatzteile Verwendung finden, über welche Erfahrung man bei der Reparatur von Unfallfahrzeugen verfügt und dergleichen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2012 – I-1 U 139/11, Rn. 57 m.w.N., zitiert nach juris).

Den genannten Anforderungen an die Darlegung sind die Beklagten nachgekommen. Sie haben dem Kläger mit Schreiben vom 08.03.2018 (Bl. 32 f. GA) unter Vorlage eines Prüfberichts (Bl. 29 ff. GA) die 17,4 km von dem Kläger entfernt liegende Firma T unter Hinweis auf den Qualitätsstandard der dortigen Reparatur („höchste Anforderungen an Ausstattung und Qualifikation“, „qualitativ hochwertige Reparatur nach den Herstellerrichtlinien“, regelmäßige Überprüfung durch einen Verband oder eine Zertifizierungsstelle als „Eurogarant-Fachbetrieb“, „ZKF-Fachbetrieb“ und zertifizierter Kfz-Fachbetrieb), den kostenlosen Hol- und Bringdienst, die Verwendung von Originalersatzteilen sowie die 3-jährige Garantie benannt. Weiter haben sie angegeben, dass es sich bei den in Ansatz gebrachten Stundenverrechnungssätzen um allgemeine Aushanglöhne handele. Die Reparatur könne dort aufgrund geringer Arbeitslohn-, Lackier- und Ersatzteilkosten um 907,49 EUR günstiger durchgeführt werden. Im Schriftsatz vom 10.12.2018 haben die Beklagten ergänzt, dass die vorliegend zu erbringende Unfallinstandsetzung mangels Richtarbeiten oder Karosseriebauarbeiten sehr einfach sei und in der benannten auf Lackiererei spezialisierten Firma, die hochmodern eingerichtet sei und auch für Markenwerkstätten Lackierarbeiten durchführe, sehr gut durchgeführt werden könne. Zudem stammten auch die Lacke, die verwendet würden, von den gleichen Herstellern wie die, die in den Werken und bei markengebundenen Fachwerkstätten eingesetzt würden.

Verkehrsunfall - Verweisung auf weit entfernte markenungebundene Werkstatt
(Symbolfoto:
Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Da der Kläger die Gleichwertigkeit der Reparatur in der Firma T bestritten hat, hat die Kammer ein Gutachten des erfahrenen und der Kammer hinsichtlich seiner Sachkunde aus anderen Verfahren bekannten Sachverständigen E2 N2 eingeholt, welches dieser unter dem 29.09.2020 erstattet hat. Danach ist die Kammer davon überzeugt, dass die Firma T im hiesigen Fall eine einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertige Reparatur durchführen kann. Es ist unstreitig, dass zur Reparatur an dem klägerischen Fahrzeug Teile (Radvollblende hinten rechts, Reifenventil hinten rechts) auszutauschen, die „Schwellerleiste hinten rechts“, die „Tür hinten rechts“ sowie die „Seitenwand hinten rechts“ zu lackieren und eine elektronische Fahrwerksvermessung durchzuführen ist. Diese Arbeiten können nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen E2 N2 in der Firma T, bei der es sich um einen markenungebundenen Reparatur- und Lackierbetrieb handelt, der sowohl als Eurogarant-Betrieb als auch als I-Partnerwerkstatt zertifiziert ist, gleichwertig durchgeführt werden. Die Firma T ist – wie der Sachverständige im Rahmen einer Besichtigung festgestellt hat – überdurchschnittlich gut ausgestattet. Sie verfügt nicht nur über Original C2-Diagnosegeräte, sondern auch über ein elektronisches Vierrad-Achsmesssystem von C sowie eine Farbmischanlage der Firma T2, deren Farben auch beim Hersteller C2 verwendet werden. Zudem sind sämtliche Reparatur- und Lackierarbeiten, die der Sachverständige bei seiner Besichtigung in der Firma T überprüfen konnte und auf die die Firma T drei Jahre Garantie gewährt, sach- und fachgerecht ausgeführt gewesen.

Konkrete Umstände, die es dem Kläger gleichwohl unzumutbar machten, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, vermochte die Kammer nicht festzustellen.

Soweit der Kläger behauptet, die Firma T könne allgemein Dumping-Preise anbieten, weil Sonderkonditionen mit Versicherern bestünden, begründet dies eine Unzumutbarkeit nicht. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. Andernfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und ihn davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen (m.w.N. BGH, Urteil vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14, Rn. 10, zitiert nach juris). Hier ist aber weder ersichtlich noch dargetan, dass der Kläger die von der Firma T angebotenen Preise nicht für sich hätte in Anspruch nehmen können. Dass es der Firma T gegebenenfalls möglich ist, niedrigere Preise anzubieten, weil aufgrund vertraglicher Verbindungen mit Versicherungen gewisse Sicherheiten bestehen und Skaleneffekte realisiert werden können, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich insoweit nämlich gerade nicht um eine Sonderkondition nur für eine Versicherung, sondern um einen jedermann zugänglichen niedrigen Preis. Dass die technisch gleichwertige Reparatur zu dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte zu 2) dem Kläger den Schaden ersetzt hat, in der Firma T zu einem Preis von 1.122,03 EUR netto möglich war, ergibt sich auch aus den Feststellungen des Sachverständigen E2 N2 in seinem Gutachten vom 29.09.2020. Die Beklagte zu 2) hat mit Schreiben vom 08.03.2018 (Bl. 32 f. GA) die Zahlung angeboten. Mangels anderweitiger Angaben ist davon auszugehen, dass die Zahlung sodann – wie in dem Schreiben angekündigt – zeitnah erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Stundenverrechnungssätze nach den Erkenntnissen des Sachverständigen E2 N2 in der Firma T für Mechanik-, Elektrik- und Karosseriearbeiten 102,50 EUR netto und für Lacklohn inkl. Lackmaterial 133,30 EUR netto. Wie in dem von den Beklagten dem Kläger vorgelegten Prüfbericht angegeben, war eine Reparatur daher zum damaligen Zeitpunkt zu einem Preis von 1.122,03 EUR netto technisch gleichwertig möglich.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung auf die technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit ergibt sich – entgegen der Annahme des Amtsgerichts – auch nicht, weil die Firma T 17,4 km von dem Wohnort des Klägers entfernt liegt und es eine nähergelegene Fachwerkstatt in E3 gibt. Zutreffend hat das Amtsgericht zwar darauf abgestellt, dass die Entfernung zwischen dem Wohnort des Geschädigten und einer markengebundenen Fachwerkstatt einen Anhaltspunkt für eine Unzumutbarkeit sein kann, ebenso wie der zusätzliche Zeitaufwand für einen Transport und die Gefahr zusätzlicher Schäden bei längeren Transportstrecken (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14, Rn. 14, zitiert nach juris). Es ist aber weder ersichtlich noch dargetan, weshalb dem Kläger im konkreten Fall eine Verbringung in die Werkstatt der Firma T nicht ohne weiteres möglich sein sollte oder selbige mühevoller sein sollte als eine Verbringung in die im amtsgerichtlichen Urteil genannte Fachwerkstatt P, deren Entfernung zum Wohnort des Kläger nicht festgestellt worden ist. Eine Entfernung von 17,4 km kann mit einem Kraftfahrzeug in relativ geringer Zeit zurückgelegt werden. Zudem hat der Sachverständigen E2 N2 in seinem Gutachten vom 29.09.2020 bestätigt, dass die Firma T – wie von den Beklagten vorgetragen – einen kostenlosen Hol- und Bringservice anbietet, so dass einem Geschädigten durch die Verbringung keine zusätzlichen Mühen entstehen. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich schließlich auch nicht, weil die Firma T nicht im Bereich der Stadt E3 liegt. Die oben genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zeigt, dass die Entfernung und der Aufwand eines Transportes eine Unzumutbarkeit begründen können. Weshalb dem Kläger eine Verbringung – die ohnehin kostenlos angeboten wird – jedoch mühevoller sein soll, weil sich die Werkstatt im Gebiet der Stadt Voerde und nicht im Gebiet der Stadt Duisburg befindet, ist weder ersichtlich noch dargetan.

Da es dem Kläger bereits zumutbar war, sich auf die technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit in der Firma T verweisen zu lassen, kann dahinstehen, ob dies – wofür aus Sicht der Kammer Einiges spricht – auch für die Reparaturmöglichkeit in der Firma Lewandowski GmbH anzunehmen gewesen wäre.

Ein Zinsanspruch ist mangels eines Hauptanspruchs nicht gegeben.

 

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