Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Verkehrsunfall: Schadensersatz und Wiederbeschaffungswert im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet eine Restwert-Differenzklage nach einem Verkehrsunfall?
- Welche Pflichten haben Leasingnehmer bei der Verwertung eines Unfallfahrzeugs?
- Wie wird der Restwert eines Unfallfahrzeugs rechtlich korrekt ermittelt?
- Welche Bedeutung haben regionale und überregionale Restwertangebote?
- Wann gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Restwertermittlung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Deggendorf
- Datum: k.A.
- Aktenzeichen: 23 O 168/19
- Verfahrensart: Schadensersatzklage nach Verkehrsunfall
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Verkehrsunfallrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Leasingnehmerin des bei einem Unfall beschädigten Fahrzeugs Audi A6. Sie fordert Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls und möchte die Differenz zwischen dem von ihrem Sachverständigen ermittelten Restwert und einem höheren, von der Gegenseite vorgeschlagenen Restwert verlangen.
- Beklagter: Fahrer eines Mercedes, der für den Unfall aufgrund eines Vorfahrtsverstoßes verantwortlich ist. Das Fahrzeug war bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert. Sie argumentieren, dass der höhere Restwert angesetzt werden sollte, da die Klägerin als Leasingnehmerin verpflichtet gewesen wäre, im Interesse der Wirtschaftlichkeit weitere Restwertangebote einzuholen.
- Nebenintervenientin: Streithelferin auf Klägerseite, die sich den klägerischen Anträgen angeschlossen hat.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Bei einem Verkehrsunfall am 08.02.2019 wurde das Fahrzeug der Klägerin beschädigt. Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug zum vom Sachverständigen ermittelten Restwert. Nachträglich erhielt die Versicherung des Beklagten ein höheres Restwertangebot. Die Klägerin fordert die Differenz als Schadensersatz.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Klägerin als Leasingnehmerin verpflichtet ist, für die Schadensabwicklung wirtschaftlich optimal zu handeln und auch überregionale Restwertangebote einzuholen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage der Klägerin wurde abgewiesen. Sie hat keinen Anspruch auf die Zahlung des zusätzlich geforderten Schadensersatzes in Höhe von 9.803,36 Euro.
- Begründung: Die Klägerin bzw. die Leasinggeberin hat gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, indem sie keinen höheren Restwert am Markt ermittelt hat. Bei Leasinggesellschaften ist eine besonders wirtschaftlich orientierte Entscheidungspflicht in der Schadensabwicklung zu beachten, und die zumutbaren Restwertangebote aus dem Internet oder überregionalen Markt sollten berücksichtigt werden.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil verdeutlicht die besondere Sorgfaltspflicht von Leasinggesellschaften in der Schadensabwicklung, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung wirtschaftlicher Marktangebote bei der Restwertermittlung.
Verkehrsunfall: Schadensersatz und Wiederbeschaffungswert im Fokus
Ein Verkehrsunfall kann erhebliche finanzielle Folgen für die Beteiligten haben, insbesondere wenn es um die Schadensersatzforderungen gegenüber der Kfz-Versicherung geht. In vielen Fällen stellt sich die Frage nach dem Wiederbeschaffungswert eines Fahrzeugs, was den Betrag bezeichnet, der benötigt wird, um ein vergleichbares Fahrzeug auf dem Markt zu erwerben. Besonders bei Leasingfahrzeugen spielt hierbei die Restwertrecherche eine zentrale Rolle, da oft zusätzlich auch der Restwert eines beschädigten Fahrzeugs bei der Schadensbewertung berücksichtigt werden muss.
Die richtige Bewertung des Unfallschadens, einschließlich der möglichen Reparaturkosten und der Wertminderung des Fahrzeugs, ist entscheidend für die Unfallabwicklung und die Sicherstellung eines angemessenen Versicherungsanspruchs. Bei Leasingverträgen können diese Aspekte komplexer sein, da sie besondere Anforderungen an die Fahrzeugbewertung und die Entschädigung beinhalten. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese Thematik eingehend beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Leasingnehmerin scheitert mit Restwert-Klage nach Verkehrsunfall
Bei einem Verkehrsunfall am 8. Februar 2019 auf der Staatsstraße 2 bei Bodenmais kollidierte ein Mercedes-Fahrer beim Einbiegen in die übergeordnete Straße mit einem von links kommenden Audi A6. Der Unfall war ausschließlich auf den Vorfahrtsverstoß des Mercedes-Fahrers zurückzuführen.
Schäden am geleasten Fahrzeug übersteigen Reparaturwert
Der geleaste Audi A6 wurde bei dem Unfall erheblich beschädigt. Ein Gutachten der Firma Plöchinger bezifferte die Reparaturkosten auf 64.114,47 Euro brutto. Der Wiederbeschaffungswert wurde mit 90.000 Euro brutto ermittelt. Das Gutachten wies drei regionale Restwertangebote aus, wobei das höchste bei 25.000 Euro brutto von der Firma AVP Autoland lag.
Streit um Höhe des anzusetzenden Restwerts
Die Leasingnehmerin verkaufte das beschädigte Fahrzeug noch am Tag des Gutachtens zum höchsten der dort genannten Restwerte an AVP Autoland. Die gegnerische Versicherung präsentierte später deutlich höhere überregionale Restwertangebote von bis zu 36.690 Euro brutto. Sie setzte bei ihrer Schadensregulierung einen Restwert von 30.811,76 Euro netto an.
Gericht sieht Verstoß gegen Wirtschaftlichkeitsgebot
Das Landgericht Deggendorf wies die Klage der Leasingnehmerin auf Zahlung der Restwertdifferenz ab. Zwar sei die Klägerin durch die Leasing-Bedingungen grundsätzlich berechtigt, Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Auch habe die Leasinggeberin den Verkauf des Fahrzeugs genehmigt.
Das Gericht stellte jedoch fest, dass bei einem Leasingunternehmen als Geschädigtem besondere Maßstäbe gelten. Als Unternehmen, das sich mit dem An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen befasst, hätte die Leasinggesellschaft auch überregionale Restwertangebote und Internetbörsen berücksichtigen müssen. Die deutlich höheren Angebote der Versicherung seien weder unverbindlich noch unseriös gewesen.
Leasingnehmerin muss sich Wirtschaftlichkeitsverstoß zurechnen lassen
Dass die Leasinggeberin die Schadensregulierung der Leasingnehmerin überlassen hatte, ändere nichts an dieser Verpflichtung. Die Klägerin müsse sich den Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zurechnen lassen. Eine andere Sichtweise würde laut Gericht zu einer ungerechtfertigten Übervorteilung der Leasinggeberin auf Kosten des Haftpflichtversicherers führen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Leasingunternehmen müssen bei der Verwertung von Unfallfahrzeugen überregionale Restwertangebote und Internetbörsen berücksichtigen, da sie als professionelle Marktteilnehmer dem Wirtschaftlichkeitsgebot in besonderem Maße unterliegen. Diese Pflicht kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Schadensregulierung dem Leasingnehmer überlassen wird. Ein Leasingnehmer kann daher keine höhere Entschädigung verlangen, wenn die Versicherung nachweislich bessere Restwertangebote vorlegen kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Leasingnehmer einen Unfall haben, müssen Sie bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs besonders vorsichtig sein. Verkaufen Sie das Unfallfahrzeug nicht vorschnell nur auf Basis regionaler Angebote – die Versicherung könnte später höhere überregionale Angebote nachweisen und Ihre Entschädigung entsprechend kürzen. Holen Sie sich am besten vorab die Zustimmung der Leasinggesellschaft zur geplanten Verwertung ein und prüfen Sie gemeinsam auch überregionale Restwertangebote. Nur so können Sie sicher sein, dass Sie später nicht auf einem Teil des Schadens sitzen bleiben.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet eine Restwert-Differenzklage nach einem Verkehrsunfall?
Eine Restwert-Differenzklage ist ein rechtliches Instrument, mit dem ein Unfallgeschädigter die Differenz zwischen dem von der Versicherung angesetzten Restwert und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös seines Unfallfahrzeugs geltend macht.
Entstehung der Differenz
Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden ermittelt zunächst ein Sachverständiger den Restwert des beschädigten Fahrzeugs anhand von drei Angeboten auf dem regionalen Markt. Die gegnerische Versicherung kann jedoch häufig durch überregionale Restwertbörsen höhere Ankaufspreise nachweisen. Verkauft der Geschädigte sein Fahrzeug dann zu dem niedrigeren, vom Gutachter ermittelten Preis, entsteht eine Differenz.
Rechtliche Grundlagen
Nach dem aktuellen BGH-Urteil vom 02.07.2024 muss der Restwert grundsätzlich auf Basis des regionalen Marktes ermittelt werden. Der Geschädigte darf sein Fahrzeug ohne Rücksprache mit der Versicherung zum gutachterlich ermittelten Restwert verkaufen, wenn das Gutachten eine korrekte Restwertermittlung erkennen lässt.
Voraussetzungen für die Klage
Eine Restwert-Differenzklage kommt in Betracht, wenn:
- Ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt
- Der Geschädigte das Fahrzeug zu einem niedrigeren als dem von der Versicherung angesetzten Restwert verkauft hat
- Die Versicherung die Zahlung der Differenz ablehnt
Bei der Weiternutzung des beschädigten Fahrzeugs gilt eine Besonderheit: Wird das Fahrzeug trotz Totalschadens repariert und weitergenutzt, ist bei der Abrechnung der im Sachverständigengutachten ermittelte regionale Restwert maßgeblich. Die Versicherung kann in diesem Fall nicht auf höhere Restwertangebote aus Internetbörsen verweisen.
Welche Pflichten haben Leasingnehmer bei der Verwertung eines Unfallfahrzeugs?
Als Leasingnehmer haben Sie bei der Verwertung eines Unfallfahrzeugs keine eigenständigen Verwertungsrechte. Das Fahrzeug gehört rechtlich dem Leasinggeber, der als Eigentümer die alleinige Entscheidungsgewalt über die Verwertung besitzt.
Grundlegende Pflichten
Bei einem Unfall mit dem Leasingfahrzeug müssen Sie unverzüglich den Leasinggeber informieren. Ohne dessen ausdrückliche Freigabe dürfen Sie weder Reparaturen durchführen lassen noch das Fahrzeug verwerten.
Verwertungsablauf
Der Verwertungsprozess läuft in folgenden Schritten ab:
- Die Reparaturfreigabe muss zwingend vom Leasinggeber eingeholt werden.
- Die Verwertung des Fahrzeugs muss mit dem Leasinggeber abgestimmt werden.
- Bei einem Totalschaden ist die Abwicklung üblicherweise Sache des Leasinggebers.
Besondere Verpflichtungen
Sie bleiben als Leasingnehmer zur Zahlung der Leasingraten verpflichtet, auch wenn das Fahrzeug nicht mehr nutzbar ist. Bei einem Totalschaden besteht jedoch meist die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrags.
Teilweise definieren Leasingverträge bestimmte Wertgrenzen, ab denen ein Totalschaden vorliegt. In diesem Fall übernimmt der Versicherer den Wiederbeschaffungswert. Eine eigenständige Restwertermittlung oder Verwertung durch Sie als Leasingnehmer ist vertragswidrig.
Wie wird der Restwert eines Unfallfahrzeugs rechtlich korrekt ermittelt?
Ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger muss den Restwert des Unfallfahrzeugs durch konkrete Marktforschung ermitteln. Dabei kontaktiert er regionale Aufkäufer oder Restwertbörsen, um seriöse Ankaufspreise für das unreparierte Fahrzeug zu erhalten. Das höchste verbindliche Gebot wird dann als Restwert im Gutachten festgehalten.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen für die Restwertermittlung ausschließlich Gebote von seriösen Händlern aus einem Umkreis von 100 Kilometern berücksichtigt werden. Der Geschädigte darf sich auf das Schadensgutachten verlassen und sein Fahrzeug zum dort ermittelten Restwert verkaufen.
Besonderheiten bei der Abwicklung
Wenn die Versicherung des Unfallverursachers ein höheres Restwertangebot vorlegt, muss der Geschädigte dieses nur dann berücksichtigen, wenn er sein Fahrzeug noch nicht verkauft hat. Hat der Geschädigte das Fahrzeug bereits zum gutachtlich ermittelten Restwert veräußert, kann die Versicherung keine höheren Restwertangebote mehr geltend machen.
Berechnung des Restwertes
Der Restwert wird bei einem wirtschaftlichen Totalschaden relevant, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Position | Betrag |
---|---|
Wiederbeschaffungswert | 5.000 € |
Reparaturkosten | 6.000 € |
Restwert laut Gutachten | 1.000 € |
In diesem Fall liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Der Geschädigte erhält als Entschädigung die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert.
Welche Bedeutung haben regionale und überregionale Restwertangebote?
Bei der Ermittlung des Restwerts eines Unfallfahrzeugs unterscheidet die Rechtsprechung grundsätzlich zwischen dem regionalen Markt und überregionalen Restwertangeboten.
Regionale Restwertangebote
Der regionale Markt umfasst die Angebote von Händlern und Werkstätten in der näheren Umgebung des Unfallorts. Nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung ist bei der Schadensabrechnung grundsätzlich der auf dem regionalen Markt ermittelte Restwert maßgeblich. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie Ihr beschädigtes, aber noch fahrtüchtiges Fahrzeug weiter nutzen möchten.
Überregionale Restwertangebote
Überregionale Restwertangebote stammen häufig von spezialisierten Händlern oder werden über Restwertbörsen im Internet ermittelt. Diese Angebote sind meist höher als die regionalen Angebote. Die Versicherungen versuchen oft, diese höheren überregionalen Restwerte bei der Schadensregulierung anzusetzen.
Sonderfall Leasingfahrzeuge
Für Leasingfahrzeuge gelten besondere Regelungen. Nach dem aktuellen BGH-Urteil vom 02.07.2024 müssen Leasinggesellschaften den Restwert über Restwertbörsen ermitteln. Dies liegt daran, dass Leasinggesellschaften als gewerbliche Anbieter eingestuft werden, die sich mit dem An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen befassen.
Praktische Bedeutung
Wenn Sie als privater Fahrzeughalter einen Unfall haben, können Sie sich auf den vom Sachverständigen ermittelten regionalen Restwert verlassen. Sie müssen nicht auf höhere überregionale Angebote der Versicherung warten oder diese akzeptieren. Der Sachverständige kann sich bei der Ermittlung sogar auf das jeweilige Bundesland beschränken, in dem sich das Fahrzeug nach dem Unfall befindet.
Wann gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Restwertermittlung?
Das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Restwertermittlung nach einem Verkehrsunfall richtet sich nach der individuellen Situation des Geschädigten. Für Privatpersonen gilt dabei ein anderer Maßstab als für gewerbliche Geschädigte.
Privatpersonen als Geschädigte
Wenn Sie als Privatperson von einem Verkehrsunfall betroffen sind, genügt es, wenn Sie Ihr beschädigtes Fahrzeug zu dem Restwert verkaufen, den ein von Ihnen beauftragter Sachverständiger ermittelt hat. Der Sachverständige muss dabei nur den regionalen Markt berücksichtigen. Sie müssen weder Angebote von weiter entfernten Interessenten einholen noch spezielle Internetbörsen oder Restwertaufkäufer berücksichtigen.
Gewerbliche Geschädigte
Für Unternehmen gelten strengere Anforderungen. Handelt es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen, das sich mit dem An- und Verkauf von Fahrzeugen befasst, muss es auch Angebote aus dem überregionalen Restwertmarkt und Internetbörsen berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für:
- Autohäuser
- Leasinggesellschaften
- Fahrzeughändler
Besonderheiten bei Leasingfahrzeugen
Bei Leasingfahrzeugen hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 02.07.2024 eine wichtige Klarstellung getroffen: Leasingunternehmen müssen als gewerbliche Anbieter den Restwert unter Berücksichtigung des Sondermarktes im Internet ermitteln lassen. Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt noch verleast war.
Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots
Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nicht grenzenlos. Es ist nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren anzuwenden. Die Zumutbarkeit bemisst sich dabei nach den individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten. Dabei steht der Haftpflichtversicherer des Schädigers in einer besonderen Position: Je höher der erzielte Restwert ausfällt, desto geringer ist seine Zahlungsverpflichtung.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Wirtschaftlichkeitsgebot
Ein rechtlicher Grundsatz, der besagt, dass bei der Schadensregulierung wirtschaftlich angemessen gehandelt werden muss. Geschädigte müssen den Schaden möglichst gering halten und sind verpflichtet, verschiedene Angebote einzuholen und zu vergleichen. Dies gilt besonders bei der Verwertung von Unfallfahrzeugen. Geregelt ist dies in § 254 BGB (Mitverschulden). Ein Verstoß liegt beispielsweise vor, wenn ein Unfallfahrzeug deutlich unter Wert verkauft wird, obwohl höhere Angebote hätten eingeholt werden können.
Wiederbeschaffungswert
Der Geldbetrag, der erforderlich ist, um ein gleichwertiges Fahrzeug (gleicher Typ, Alter, Zustand, Laufleistung) auf dem regionalen Markt zu erwerben. Bei der Schadensregulierung nach einem Unfall ist dieser Wert die Obergrenze des Schadensersatzes gemäß § 249 BGB. Beispiel: Ein drei Jahre alter VW Golf mit 50.000 km hat einen Wiederbeschaffungswert von 15.000 Euro – dies ist der Betrag, den die Versicherung maximal für ein Ersatzfahrzeug zahlen muss.
Restwert
Der Wert eines unfallbeschädigten Fahrzeugs, der durch Verkauf noch erzielt werden kann. Bei der Schadensregulierung wird dieser Betrag vom Wiederbeschaffungswert abgezogen. Gemäß der BGH-Rechtsprechung muss der Geschädigte grundsätzlich nur regionale Restwertangebote berücksichtigen, während gewerbliche Händler auch überregionale Angebote einholen müssen. Beispiel: Ein Unfallfahrzeug mit Wiederbeschaffungswert 20.000 Euro hat einen Restwert von 5.000 Euro – die Versicherung zahlt dann 15.000 Euro.
Totalschaden
Ein Fahrzeugschaden, bei dem die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts übersteigen oder mehr als 130% des Wiederbeschaffungswerts betragen würden. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt dann ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Die Versicherung muss in diesem Fall nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts ersetzen. Geregelt in § 249 BGB zur Art und zum Umfang des Schadensersatzes.
Schadensregulierung
Der gesamte Prozess der Abwicklung eines Schadensfalls zwischen Geschädigtem und Versicherung. Dies umfasst die Schadensmeldung, Begutachtung, Wertermittlung und Kostenerstattung. Die rechtliche Grundlage bilden die §§ 249 ff. BGB zum Schadensersatzrecht. Dabei muss der Geschädigte aktiv am Regulierungsprozess mitwirken und seiner Schadensminderungspflicht nachkommen. Ein Verstoß kann zur Kürzung des Schadensersatzes führen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Anspruchsgrundlage für Schadensersatzforderungen aus unerlaubter Handlung. Demnach ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig einen anderen in seinen Rechten verletzt, verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im vorliegenden Fall ist der Beklagte 1) wegen seines Vorfahrtsverstoßes verantwortlich für den Unfall und damit für den entstandenen der Klägerin.
- § 249 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Nach diesem Paragraphen ist der Geschädigte so zu stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Demnach sind die Kosten für die Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs (Reparaturkosten) sowie der Verlustwert (Restwert) bei der Schadensregulierung zu berücksichtigen. Die Klägerin beruft sich auf diesen Paragraphen, um den vollen Schadensersatz, einschließlich der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert, geltend zu machen.
- § 254 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph behandelt die Mitverursachung von Schäden und die Verpflichtung zur Schadensminderung. Wenn ein Geschädigter sein Verhalten nicht anpasst und dadurch den Schaden erhöht, kann dies zu einer Minderung des Schadensersatzes führen. Die Argumentation der Beklagten könnte hier ansetzen, sollte die Klägerin jedoch nachweisen, dass sie die richtigen Schritte unternommen hat, bleibt der Anspruch auf den vollen Schadensersatz bestehen.
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Das VVG regelt die Pflichten von Versicherungsnehmern und Versicherern in Bezug auf Haftpflichtversicherungen. In diesem Fall ist die Beklagte zu 2) haftpflichtversichert, was bedeutet, dass sie für den Schaden, den ihr Versicherungsnehmer (Beklagter zu 1) verursacht hat, aufkommen muss. Diese Grundlage stellt sicher, dass die Klägerin gegebenenfalls Ansprüche gegen die Versicherung der Beklagten geltend machen kann.
- Leasingbedingungen der Audi Leasing GmbH: Gemäß den Leasingbedingungen der Audi Leasing hat die Klägerin das Recht und die Verpflichtung, fahrzeugbezogene Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Dies ist entscheidend, da es der Klägerin ermöglicht, als Leasingnehmerin für den Leasinggegenstand eine Schadensersatzforderung gegenüber den Beklagten zu erheben, was ihre Rechtsstellung im Schadensfall stärkt.
Das vorliegende Urteil
LG Deggendorf – Az.: 23 O 168/19 –
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