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Verkehrsunfall – Zweifel an der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage

LG Kiel, Az.: 1 S 128/14, Urteil vom 29.04.2016

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 23.04.2014, Az. 119 C 75/12, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

– abgekürzt nach §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO –

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat Erfolg.

Der Kläger konnte die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1, 2 Pflichtversicherungsgesetz nicht beweisen.

Verkehrsunfall - Zweifel an der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage
Symbolfoto: Kasia Bialasiewicz/Bigstock

Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers und der Vernehmung des Zeugen D. ist die Kammer im Gegensatz zum Amtsgericht nicht davon überzeugt, dass die Beschädigungen an dem Pkw Seat Leon, die im Gutachten der DEKRA vom 25.08.2011 dokumentiert sind, tatsächlich auf einen vom Zeugen D. am 19.08.2011 verursachten Unfall zurückzuführen sind. Der Kläger, der für einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges i. S. d. § 7 Abs. 1 StVG beweispflichtig ist, ist insoweit beweisfällig geblieben.

Allerdings hat der Zeuge D. ausgesagt, er habe am 19.08.2011 mit seinem Pkw Renault Twingo vor einem vor dem Betriebsgelände des Klägers abgestellten Fahrzeug einparken wollen und sei dabei versehentlich an dem abgestellten Fahrzeug entlanggeschrammt. Er sei parallel daran vorbeigefahren. Von der Richtigkeit dieser Aussage ist die Kammer aber nicht mit einer für eine Verurteilung der Beklagten hinreichenden Sicherheit überzeugt.

So war die Aussage des Zeugen im Kerngeschehen eher detailarm. Er konnte Einzelheiten des Unfallgeschehens nicht schildern und auch keinen Grund dafür nennen, warum ihm ein derart gravierender Fahrfehler unterlaufen sein soll. Auch wenn der Vorgang zum Zeitpunkt seiner Vernehmung weit zurücklag, so wäre angesichts dessen, dass es sich hier um einen sehr ungewöhnlichen Unfallhergang handelte und zudem das Fahrzeug eines guten Bekannten beschädigt wurde, zu erwarten gewesen, dass sich der Zeuge noch genauer erinnerte. Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen D. ergeben sich für die Kammer auch daraus, dass weder der Kläger noch der Zeuge im Anschluss an den angeblichen Unfall Fotos der beschädigten Fahrzeuge gemacht haben. Dies hätte gerade angesichts dessen, dass keine Polizei zur Unfallaufnahme herbeigezogen wurde, auf der Hand gelegen. Weiter hat die Kammer bei der Würdigung der Aussage des Zeugen den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger und der Zeuge D. sich schon aus der Schule und vom gemeinsamen Fußballspielen kannten, der Zeuge D. diese Bekanntschaft aber in seiner Aussage eher heruntergespielt hat. So hat er ausgesagt, die ehemals bestehende Freundschaft, in die auch die jeweiligen Ehefrauen einbezogen gewesen seien, sei zu dem Zeitpunkt abgebrochen gewesen, es habe sich nur noch um eine lose Bekanntschaft gehandelt, der Kontakt sei damals abgerissen gewesen. Der Kläger dagegen, der vorgerichtlich zunächst eine Bekanntschaft sogar verneint und dann erst eingeräumt hat, es sei möglich, dass man sich aus der Schulzeit kenne, hat anlässlich seiner Anhörung angegeben, man habe etwa alle 2-3 Wochen miteinander telefoniert. Wenn sich das Unfallgeschehen tatsächlich so wie geschildert ereignet hätte, hätte es keinen Anlass dafür gegeben, die Bekanntschaft wie geschehen herunterzuspielen.

Die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen D. verstärken sich weiter, weil er nicht plausibel erklären konnte, aus welchen Gründen er morgens gegen 8.30 Uhr gerade vor dem Betriebsgelände des Klägers parken wollte. Soweit er angegeben hat, er habe die ca. 280 m entfernte Zoohandlung W. aufsuchen wollen, ist unstreitig, dass diese bereits seit 2009 geschlossen war. Dennoch hat der Zeuge vor dem Amtsgericht ausgesagt, die Zoohandlung habe es kurze Zeit, bevor er an dem Unfalltag dorthin gefahren sei, noch gegeben. Er habe dort früher öfter eingekauft. Soweit er auf Vorhalt dieses Teils seiner erstinstanzlichen Aussage ausgesagt hat, er habe sich „schlecht ausgedrückt“, überzeugt die Kammer diese Erklärung nicht. Der Zeuge konnte sich nach dem Eindruck der Kammer durchaus sehr präzise ausdrücken.

Weiter hält es die Kammer nicht für plausibel, dass der Zeuge ausgerechnet vor dem Betriebsgelände des Klägers parken wollte, wenn er tatsächlich die Zoohandlung aufsuchen wollte. Zum einen dürfte es an einem frühen Vormittag durchaus möglich sein, in diesem Bereich der Hofholzallee einen näher an der ehemaligen Zoohandlung gelegenen Parkplatz zu finden. Zum anderen verfügte die Zoohandlung selbst über mindestens zwei Besucherparkplätze direkt vor dem Eingang und zudem über einen größeren Parkplatz hinter dem Haus. Die Kammer nimmt dem Zeugen nicht ab, dass ihm der Parkplatz hinter dem Haus nicht bekannt gewesen sein soll, wenn er auf der anderen Seite ausgesagt hat, er habe früher häufiger in der Zoohandlung eingekauft. Zudem leuchtet nicht im Ansatz ein, warum der Zeuge nicht zunächst versucht haben will, einen der Parkplätze vor der (ehemaligen) Zoohandlung zu bekommen. Denn um 8.30 Uhr war nicht mit einem stärkeren Besucherandrang zu rechnen.

Soweit der Zeuge erstinstanzlich zur Begründung dafür, warum er ausgerechnet vor dem Betriebsgelände des Klägers parken wollte, angegeben hat, die Hofholzallee „sei sehr nervig wegen der vielen Grundstückseinfahrten, da wisse man nie, ob die Fahrzeuge, die die Grundstücke befahren oder verlassen, um die geparkten Fahrzeuge immer noch so richtig herumkommen“, überzeugt auch diese Erklärung die Kammer nicht. Denn gerade auch vor dem Bereich, in dem er sein Fahrzeug angeblich abstellen wollte, befindet sich eine Grundstückszufahrt. Der Kläger hat auf Vorhalt des Bildes 4 aus dem Gutachten des Sachverständigen M. vom 14.08.2013 erklärt, der Seat habe etwa dort gestanden, wo auf diesem Bild das schwarze Fahrzeug stehe. Wenn der Zeuge D. dann noch davor hätte einparken wollen, hätte gerade die Gefahr bestanden, dass er die davor befindliche Grundstückszufahrt behinderte.

Auch das vom Zeugen D. geschilderte Fahrverhalten erscheint der Kammer nicht plausibel. Bei dem Renault Twingo, den der Zeuge zum Unfallzeitpunkt gefahren haben will, handelt es sich um ein durchaus übersichtliches Fahrzeug. Es erscheint der Kammer eher unwahrscheinlich, dass ein erfahrener Fahrzeugführer, der längsseits vor einem abgestellten Pkw einparken will, sich diesem so eng von hinten nähert, dass es zur Berührung und anschließendem Vorbeistreifen kommt. Dass sich der Zeuge D. derart verschätzt haben will, nimmt ihm die Kammer nicht ab. In der konkreten Situation hätte es für einen Fahrzeugführer auch eher nahe gelegen, an dem stehenden Fahrzeug vorbeizufahren und rückwärts einzuparken.

Verstärkt werden die Zweifel der Kammer an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen D. durch die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. Michael M.. Dieser hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 14.08.2013 zwar nicht ausschließen können, dass jedenfalls ein großer Teil der Schäden am Pkw Seat von dem vorbeistreifenden Renault Twingo verursacht worden sein könnte. Er hat aber nach sorgfältiger Auswertung der Fotos der beiden beschädigten Fahrzeuge auch keine Spuren mit Einmaligkeitscharakter festgestellt, die auf eine sichere Verursachung der Schäden am Pkw Seat Leon durch den Pkw Renault Twingo hinwiesen. Zudem hat er Vorschäden am linken Außenschweller und im Flanken-/Eckbereich des vorderen Stoßfängers festgestellt, die nicht durch ein längsachsenparalleles Vorbeistreifen, wie es der Zeuge D. geschildert hat, entstanden sein konnten. Dies gelte auch für die angrenzenden Anstreifspuren im vorderen Bereich des linken Vorderkotflügels und die Beschädigungen am linken Hauptscheinwerfer (Seite 2 des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen vom 12.11.2013). Der Kläger hat demgegenüber wiederholt angegeben, das Fahrzeug habe keine Vorschäden gehabt. Soweit der Sachverständige weiter erläutert hat, eine Zuordnung zu dem Unfall komme dann in Betracht, wenn der Zeuge D. im Anschluss an das Vorbeistreifen an dem Pkw Seat eine Rechtsbogenfahrt gemacht habe, hat der Zeuge D. einen solchen Unfallhergang gerade nicht geschildert. Auch der Kläger hat anlässlich seiner Anhörung angegeben, nach dem Unfall habe das Fahrzeug des Zeugen D. parallel zur Straße gestanden. Dies lässt für die Kammer nur den Schluss zu, dass die Schäden an dem Pkw Seat entweder insgesamt durch ein anderes Unfallgeschehen verursacht wurden oder aber ein bereits vorhandener Vorschaden „überdeckt“ werden sollte. Soweit dem Kläger anlässlich seiner Anhörung im Termin die Fotos aus dem Gutachten des Sachverständigen M. vorgehalten wurden, die die Vorschäden am Pkw Seat zeigen, hat er hierzu zwar erklärt, es möge sein, dass das Fahrzeug vorher Lackschäden hatte, dies sei aber für ihn kein Unfallfahrzeug. Auch diese Erklärung überzeugt die Kammer jedoch nicht. Die im Gutachten des Sachverständigen M. enthaltenen Schadensbilder zeigen in diesem Bereich einen deutlich größeren Schaden als einen bloße „Lackschäden“, wie etwa einige kleine Kratzer, und deuten auf einen nicht unerheblichen Vorschaden hin. Dass der Kläger als Autohändler dies nicht erkannt hätte, erscheint der Kammer fernliegend.

Wenn der Kläger dennoch an seiner Behauptung festgehalten hat, das Fahrzeug habe keinen Vorschaden gehabt, so begründet auch dies Zweifel daran, dass das behauptete Unfallgeschehen stattgefunden hat und hier nicht ein etwaiger Vorschaden überdeckt werden sollte.

Nach alldem ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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