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Verkehrsunfall zwischen abbiegender Kehrmaschine und auffahrenden LKW

LG Düsseldorf – Az.: I-1 U 158/15 – Urteil vom 21.06.2016

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das am 28.08.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der in zweiter Instanz noch vom Kläger verfolgte Anspruch ist dem Grunde nach in einem Umfang von 2/3 gerechtfertigt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten der Berufung wird die Sache an die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichtes Wuppertal zurückverwiesen.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird zunächst auf die Darstellung des Tatbestandes im angefochtenen Urteil des Landgerichtes Bezug genommen.

Der Kläger begehrt die Zahlung von Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalls, welcher sich am 27.05.2011 auf der Autobahn A1 in Fahrtrichtung Dortmund kurz vor der Anschlussstelle Wuppertal-Ronsdorf ereignete.

Der Kläger ist Leasingnehmer des bei dem Unfall beschädigten Lastkraftwagens der Marke V., welcher das amtliche Kennzeichen trägt. Eigentümerin und Leasinggeberin ist die S. GmbH. Im Rahmen des Leasingverhältnisses ist der Kläger verpflichtet, Unfallschäden auf eigene Kosten fachgerecht in einer Vertragswerkstatt instand setzen zu lassen. Der LKW wurde am Unfalltag von dem Fahrer und Zeugen T. K. geführt.

Ebenfalls am Unfall beteiligt war ein von dem Beklagten zu 2) geführtes Straßenreinigungsfahrzeug („Kehrmaschine“) der Marke M. B. mit dem amtlichen Kennzeichen , dessen Halter der Beklagte zu 1) war; haftpflichtversichert war es bei der Beklagten zu 3).

Verkehrsunfall zwischen abbiegender Kehrmaschine und auffahrenden LKW
(Symbolfoto: Pensioner/Shutterstock.com)

Der Unfall ereignete sich im Bereich einer Baustelle. Für diese war schon mehrere hundert Meter vor dem Unfallort der rechte der drei auf der Autobahn zur Verfügung stehenden Fahrstreifen mit Leitbaken abgesperrt. Die beiden verbleibenden Fahrspuren (die linke und die mittlere) waren im Baustellenbereich durch eine neu aufgebrachte Fahrbahnmarkierung geändert. Im Baustellenbereich war die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h reduziert.

Der Beklagte zu 2) beabsichtigte, mit der von ihm geführten Kehrmaschine nach rechts in den Baustellenbereich abzubiegen, um dort seiner Arbeitstätigkeit nachzugehen. Für diese Zwecke stand eine Baustellenausfahrt zur Verfügung, welche man mehrere hundert Meter nach dem Beginn des Baustellenbereiches erreichen konnte. Da es wegen der Länge des Fahrzeugs notwendig war, in diese Einfahrt fast rechtwinklig abzubiegen, musste der Beklagte zu 2) das Tempo der Kehrmaschine stark reduzieren. Zu diesem Zwecke verlangsamte er zu Beginn des Baustellenbereiches sein Fahrzeug zunächst auf eine Geschwindigkeit von etwa 30 km/h und schaltete rechtzeitig davor die Warnblinklichtanlage und die gelbe Rundumleuchte der Kehrmaschine an, um den nachfolgenden Verkehr auf seine reduzierte Geschwindigkeit aufmerksam zu machen.

Der Zeuge K. befuhr mit dem Lkw des Klägers dieselbe Fahrspur und passte seine Geschwindigkeit dem Tempo der vor ihm her fahrenden Kehrmaschine an.

Die Kehrmaschine reduzierte schließlich ihr Tempo noch einmal deutlich und bog anschließend fast in einem rechten Winkel nach rechts in die Baustellenausfahrt ab. Anlässlich dieses Abbiege-Manövers kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, welche dabei jeweils erheblich beschädigt wurden. Der Lkw des Klägers prallte gegen den die hintere rechte Seite der Kehrmaschine, welche sich in dem Zeitpunkt des Zusammenstoßes schon mit mehr als der hälftigen Fahrzeuglänge im Baustellenbereich befand.

Für die Verbringung des beschädigten LKWs des Klägers von der Autobahn zum Betriebssitz der Abschleppfirma entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 751,64 Euro. Der – nicht fahrfähige – Lkw wurde dann später vom Kläger in Eigenregie zu einer Reparaturwerkstatt verbracht.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die im Baustellenbereich durch neue Markierungen auf der Fahrbahn geänderten Fahrspuren seien nicht verengt gewesen. Die Kehrmaschine sei einige Zeit nach Beginn der Baustelle auf die linke der beiden noch zur Verfügung stehenden Fahrspuren gewechselt. Etwas später habe sich der Zeuge K. entschlossen, an der Kehrmaschine auf der von ihm befahrenen rechten Fahrspur vorbeizufahren. Durch das weitere Reduzieren ihrer Geschwindigkeit habe die Kehrmaschine ihren Abstand zu seinem LKW sehr stark verkürzt, was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist. Damit, dass die Kehrmaschine dann plötzlich nach rechts fahren würde, um die rechte Fahrspur rechtwinklig zu überqueren und in den Baustellenbereich abzubiegen, habe der Zeuge K. weder rechnen können noch rechnen müssen. Denn die Kehrmaschine habe vor ihrem Abbiege-Manöver keinen Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Solches wäre wegen der weiterhin aktivierten Warnblinklichtanlage auch ohnehin nicht sichtbar gewesen.

Hinsichtlich der Schadenshöhe ist der Kläger von einer Haftung der Beklagten im Umfang einer Quote von 80% ausgegangen und hat daher jeweils 80% der ihm entstandenen Kosten geltend gemacht.

Nur in erster Instanz waren Kosten für die Reparatur des Fahrzeuges Gegenstand des Rechtsstreites (früherer Klageantrag zu 1).

Mit seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu 2) hat der Kläger 601,31 Euro geltend gemacht. Dies entspricht 80% der ihm entstandenen Abschleppkosten in Höhe von 751,64 Euro, welche er für das Verbringen des beschädigten LKWs von der Autobahn bis zum Betriebssitz der Abschleppfirma zahlen musste.

Als Klageantrag zu 3) hat er die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 640 Euro begehrt. Diesen Betrag könne er verlangen, weil er die weitere Verbringung des LKWs vom Betriebssitz der Abschleppfirma zu der Reparaturwerkstatt selbst übernommen habe. Dieser Aufwand entspreche einem Wert von 800 Euro, wovon ihm 80% (d.h. 640 Euro) zustehe.

Zudem hat der Kläger als Klageantrag zu 4) entgangenen Gewinn in Höhe von 3.424 Euro (100%: 4.280 Euro) geltend gemacht. Der beschädigte Lkw habe im Zeitraum vom Unfalltag bis zum Ende der Reparatur 20.06.2011 nicht für Erwerbszwecke eingesetzt werden können, was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist. Für die Berechnung seines entgangenen Gewinns hat der Kläger behauptet, er hätte in dieser Zeit von einem nicht genannten Auftraggeber eine Tagespauschale von 385 Euro netto erhalten. Abzüglich der ihm durch den Fahrzeugbetrieb entstehenden Kosten für Abnutzung des Fahrzeugs, für den Arbeitslohn des Fahrzeugführers und Treibstoff wäre ihm ein Gewinn von 251,80 Euro je Tag verblieben. Das Fahrzeug wäre ohne den Unfall an jedem einzelnen Werktag im Einsatz gewesen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Klägers wird ergänzend auf seine Klageschrift inhaltlich verwiesen (dort Seite 5, Bl. 11 GA).

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. und zudem den Beklagten zu 2) persönlich angehört. Es wird insoweit Bezug genommen auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 07.08.2015 (Bl. 99 GA).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Die gemäß § 17 StVG vorzunehmende Abwägung führe zu einer vollständigen Haftung des Klägers, da der Verkehrsverstoß des den LKW steuernden Zeugen K. die Betriebsgefahr der Kehrmaschine vollständig zurücktreten lasse.

Der Zeuge K. habe gegen § 1 StVO verstoßen, indem er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und deshalb auf die vor ihm abbremsende Kehrmaschine zu spät reagiert und nicht rechtzeitig gebremst habe. Für sein Verschulden streite ein Beweis des ersten Anscheins, da er auf die abbiegende Kehrmaschine ohne ersichtlichen Grund aufgefahren sei.

Hingegen lasse sich ein Verstoß des Beklagten zu 2) gegen seine Pflicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht feststellen. Zwar habe der Zeuge K. bekundet, ein Ausschalten der Warnblinklichtanlage nicht bemerkt zu haben, welche die Wahrnehmung eines Fahrtrichtungsanzeigers unmöglich gemacht hätte. Doch sei die Erinnerung des Zeugen unzuverlässig.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Mit dieser hält er seinen erstinstanzlichen Sachvortrag aufrecht, macht aber die Reparaturkosten in zweiter Instanz nicht mehr geltend (den bisherigen Klageantrag zu 1). Er greift die erstinstanzlichen Feststellungen an und rügt die vom Landgericht angenommene Haftungs-Quote.

Nach Ansicht des Klägers sei ein Verstoß des Beklagten zu 2) gegen seine Pflicht, ein Abbiegen rechtzeitig zu erkennen zu geben, erwiesen. Denn der Zeuge K. habe glaubhaft bekundet, dass die Warnblinklichtanlage der Kehrmaschine bis zum Unfallzeitpunkt aktiviert gewesen sei, mithin ein rechter Fahrtrichtungsanzeiger für die anderen Verkehrsteilnehmer nicht sichtbar gewesen wäre.

Darüber hinaus habe das Landgericht zu Unrecht einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Zeugen K. angenommen. Dem vorliegenden Sachverhalt fehle die Typizität für die Zugrundelegung eines Anscheinsbeweises, da der Lkw des Klägers nicht mit der gesamten Front auf die Heckpartie des vor ihm fahrenden Fahrzeugs aufgefahren sei, sondern lediglich ein seitlicher Kontakt mit dem quer stehenden Fahrzeug während dessen Abbiege-Manövers geschehen sei.

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Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichtes Wuppertal vom 28.08.2015 abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

1) an ihn 601,31 Euro (Abschleppkosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2011 zu zahlen;

2) an ihn 640 Euro (fiktive Abschleppkosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2011 zu zahlen;

3) an ihn 3.424 Euro (entgangenen Gewinn) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2011 zu zahlen;

4) an ihn 977,52 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und treten dem Berufungsvorbringen entgegen.

Die Bußgeldakte der Stadt Wuppertal (Az. 050041916), welche vorübergehend bei der StA Wuppertal zum Az. 922 Js 2957/11 geführt worden war, ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Ein Schadensersatzanspruch gegenüber den gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten steht dem Kläger dem Grunde nach im Umfang von 2/3 zu.

Im Übrigen war das Rechtsmittel zurückzuweisen, da die Klage im hierüber hinaus gehenden Umfang vom Landgericht zu Recht abgewiesen worden ist.

Die Haftungsquote von 2/3 ergibt sich im Rahmen der vorzunehmen Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 3 StVG: Einerseits ist dem Zeugen K. (als Führer des LKWs des Klägers) eine Missachtung des angemessenen Sicherheitsabstandes infolge eines Aufmerksamkeitsverschuldens vorzuwerfen, als er unachtsam zu dicht auf die vor ihm fahrende Kehrmaschine auffuhr. Doch war andererseits die Betriebsgefahr des nach rechts abbiegenden Reinigungsfahrzeuges durch einen kausalen Verkehrsverstoß seines Führers, des Beklagten zu 2), schwerwiegend erhöht. Letzterer hat nämlich gegen seine Pflichten aus § 9 Abs. 1 Satz 1 verstoßen, indem er in die Baustelleneinfahrt abgebogen ist, ohne dies vorher mit dem Fahrtrichtungsanzeiger anzuzeigen, wodurch der Zeuge K. von dem Abbiege-Manöver überrascht wurde. Ob der Baustellenbereich als „Grundstück“ anzusehen und das Fahrverhalten des Beklagten zu 2) daher zugleich als Verstoß gegen die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO zu werten ist, kann im vorliegenden Fall unentschieden bleiben. Denn im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 3 StVG führt der Meinungsstreit nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, weil das besondere Gefahrenpotential, das durch das überraschende Abbiegen in den Baustellenbereich geschaffen wurde, andernfalls als Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO gleicherwertig zu berücksichtigen wäre.

Auf den im Verhandlungstermin vom 07.06.2016 gestellten Antrag des Klägers hat der Senat unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des Verfahrens ein Grundurteil erlassen und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzanspruches an das Landgericht zurückverwiesen. Dies war hier gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO angezeigt, da das Landgericht eine nach Grund und Höhe streitige Klage abgewiesen hat und das weitere Verfahren noch nicht entscheidungsreif ist, zumal nach Erteilung eines erforderlichen rechtlichen Hinweises auch mit einer nicht nur unerheblichen Beweisaufnahme zu rechnen sein dürfte.

Im Einzelnen:

A.

Der Anspruch des Klägers gegenüber den Beklagten beruht auf den Regelungen der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

1. Nach § 7 Abs. 1 StVG hat der Halter dem Verletzten den Schaden zu ersetzen, der entsteht, wenn bei dem Betrieb seines Kraftfahrzeuges eine Sache beschädigt wird. Nach § 18 Abs. 1 StVG ist in diesem Fall auch der Führer des Fahrzeuges zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Geschädigte diese Ansprüche auch unmittelbar gegenüber der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend machen.

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:

a. Der Beklagte zu 1) war im Unfallzeitpunkt Halter seines von dem Beklagten zu 2) geführten und am Unfall beteiligten Fahrzeugs, welches bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war. Auch war der Unfall für die Beklagten kein unabwendbares Ereignis. Wie im Folgenden noch aufzuzeigen sein wird, ist dem Beklagten zu 2) im Gegenteil ein erheblicher Verkehrsverstoß vorzuwerfen.

b. Der Kläger ist für die Geltendmachung des Unfallschadens am LKW auch aktiv-legitimiert, obwohl er nicht Eigentümer des Fahrzeuges war.

„Verletzter“ im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG und damit Inhaber der aus einem Unfallereignis herrührenden Schadensersatzansprüche kann nämlich auch der berechtigte Besitzer eines Fahrzeuges sein (grundlegend BGH NJW 1981, 750), insbesondere der Leasingnehmer. Ihm gegenüber hat der Schädiger denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher durch den Eingriff in dessen Recht zum Besitz entstanden ist. Hierzu zählt in erster Linie der Nutzungsschaden; zu diesem zählen auch die Auslagenpauschale sowie die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Senat, Urteil vom 21.06.2011, I-1 U 157/10). Der Leasingnehmer kann auch den Substanz-Schaden im eigenen Namen geltend machen kann, sofern er dem Eigentümer gegenüber für die eingetretene Beschädigung einzustehen hat (Senat, Urteil vom 17.03.2015, I-1 U 78/14; Urteil vom 11.10.2004, I-1 U 46/04).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da der Kläger den durch den Unfall beschädigten LKW von der Eigentümerin geleast hat und im Rahmen des Leasingvertrages verpflichtet war, Beschädigungen des LKWs auf eigene Rechnung fachgerecht instandsetzten zu lassen. Die vom Kläger geltend gemachten Schäden sind entweder Substanz-Schäden oder Nutzungsschäden, mit denen seine Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwendung des LKW beeinträchtigt wurde. Hierzu zählt auch der eingeklagte Anspruch auf entgangenen Gewinn.

B.

Steht mithin die grundsätzliche Haftung der Beklagten fest, bestimmt sich das Ausmaß der Mithaftung des Klägers gemäß §§ 17 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 17 Abs. 1 StVG.

Die diesbezügliche Voraussetzung, dass auch der Kläger seinerseits kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ist gegeben. Diese seine Haftung beruht ebenfalls auf § 7 Abs. 1 StVG. Denn der Lastkraftwagen, dessen Halter der Kläger ist, war bei der Kollision der Fahrzeuge beteiligt, wodurch auch das Fahrzeug des Beklagten zu 1) beschädigt worden ist.

Der Unfall war für den Kläger auch nicht unabwendbar. Im Gegenteil ist dem Führer seines Fahrzeugs, dem Zeugen K., ein Verkehrsverstoß vorzuwerfen, wie noch auszuführen sein wird.

C.

Bei der nun vorzunehmenden Abwägung nach § 17 StVG kommt es nach dem Gesetz insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei ist nach diesen Vorschriften in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten bzw. deren Fahrzeuge zur Schadensentstehung beigetragen haben, wobei das auf der einen oder anderen Seite vorhandene individuelle Verschulden der Fahrzeuglenker nur einen Faktor der Abwägung darstellt (BGH NJW 2013, 3235; NJW-RR 2008, 335; Senat, Urteil vom 10.05.2016, I-1 U 47/15).

Im Rahmen dieser Bewertung sind nur unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 506; Senat, Urteil vom 01.03.2016, I-1 U 108/15; Urteil vom 08.10.2011, I-1 U 17/11; KG Berlin NZV 2003, 201). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Nachteil gereichen und aus denen er die nach der Abwägung günstigen Rechtsfolgen für sich herleiten will (BGH NZV 1996, 231; Senat, Urteil vom 17.05.2016, I-1 U 148/15).

1. Hinsichtlich des Klägers sind die nachfolgenden Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen:

a. Zunächst einmal ist die von dem LKW des Klägers ausgehende allgemeine Betriebsgefahr in Rechnung zu stellen.

b. Ein Verstoß gegen § 38 Abs. 3 StVO ist nicht gegeben.

Diese Vorschrift regelt zwar, dass bestimmte Fahrzeuge gelbes Blinklicht verwenden dürfen und auf diese Weise vor bestimmten Gefahren gewarnt werden kann. Gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO darf gelbes Blinklicht auch von Kehrmaschinen verwandt werden. Doch auch wenn diese Vorschrift die anderen Verkehrsteilnehmer zu besonderer Vorsicht mahnt, gewährt sie doch kein von anderen Verkehrsteilnehmern zu beachtendes Vorrecht (OLG Koblenz VRS 105, 414; Hentschel/König/Dauer, 43. Auflage 2015, § 38 StVO Rdn 13; vgl. auch BGH NJW 2005, 1940).

c. Ein Verstoß des Zeugen K. gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 StVO, welche das Überholen auf der linken Seite anordnet, ist nicht gegeben.

Zwar hat der Kläger in erster Instanz noch behauptet, dass der Zeuge kurz vor dem Unfall begonnen habe, die Kehrmaschine auf der rechten Seite zu überholen. In zweiter Instanz hat er seinen Sachvortrag dahingehend abgeändert, dass der Zeuge einen Überholvorgang zwar begonnen und zu der Kehrmaschine aufgeschlossen, dann aber wieder davon abgesehen habe (Seite 2 der Berufungsbegründung, Bl. 157 GA). Der Zeuge K. hat diesen Sachvortrag des Klägers in seiner Vernehmung aber glaubhaft widerlegt. Ein Überhol-Manöver hatte der Zeuge zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, da die beiden im Baustellenbereich zur Verfügung stehenden Fahrspuren von vornherein nicht bereit genug gewesen seien, um mit dem LKW an der Kehrmaschine vorbei zu kommen (Seite 4 des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 07.08.2015, Bl. 100R GA).

d. Doch ist dem Zeugen K. sowohl ein Abstandsverstoß (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO) als auch ein Aufmerksamkeitsverschulden (§ 1 StVO) vorzuwerfen, was sich in dem Unfall auch aktualisiert hat.

(1) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO muss ein Fahrzeugführer auf einen genügend großen Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug achten, um auch dann hinter jenem anhalten zu können, wenn dieses ein plötzliches Bremsmanöver vornehmen sollte.

(2) Gemäß § 1 Abs. 2 StVO besteht zudem für jeden Verkehrsteilnehmer die Pflicht, sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt oder gefährdet wird. Dies wird ergänzt durch die in § 1 Abs. 1 StVO normierte Pflicht, am Straßenverkehr nur unter ständiger Vorsicht teilzunehmen. Ein jeder Fahrzeugführer muss daher das Verkehrsgeschehen aufmerksam beobachten, um auf etwaige Gefahrensituationen rechtzeitig reagieren und diesen durch Bremsen oder Ausweichen begegnen zu können (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, Kapitel 27 Rdn 18; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 1 StVO, Rdn 27).

(3) Diesen Anforderungen ist der Zeuge K. damals nicht gerecht geworden.

Allerdings hatte er sich zunächst richtig verhalten, nämlich zu der Kehrmaschine, welche ihr Tempo im Baustellenbereich bereits erheblich reduziert hatte, anfangs einen angemessenen Abstand eingehalten. Der Zeuge K. selbst hat insoweit glaubhaft bekundet, zunächst mit einem Tempo von „25 bis 30 km/h“ hinter der Kehrmaschine in einem Abstand von „circa 15 bis 20 m“ her gefahren zu sein (Seite 5 des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 07.08.2015, Bl. 101 GA).

Als die Kehrmaschine dann ihre Geschwindigkeit im Zuge ihres Abbiege-Manöver noch einmal – unstreitig – messbar herabsetzen musste, hätte der Zeuge K. ebenfalls abbremsen müssen, um einen genügenden Sicherheitsabstand aufrecht zu erhalten. Dass er dies getan hätte, wird vom Kläger selbst nicht behauptet, der im Gegenteil einräumt, dass sich der Abstand zwischen dem LKW und der Kehrmaschine durch deren Verlangsamung verringert habe, bis der LKW fast „auf gleicher Höhe aufgeschlossen“ sei (Seite 2 unten der Berufungsbegründung, Bl. 157 GA). Der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen habe „nur noch wenige Meter“ betragen (Seite 3 oben der Begründung, Bl. 158 GA). Dies war für den Unfall ursächlich, weil der Zeuge K. so auf das Abbiege-Manöver nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte.

Der Zeuge K. ist dabei offenbar unachtsam gewesen, indem er die Kehrmaschine nicht genügend im Auge behalten hat und dadurch von der Verringerung der Geschwindigkeit im Zuge ihres Abbiege-Manöver überrascht werden konnte. Für diese Feststellung bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens. Anders lässt es sich nämlich nicht erklären, dass der Zeuge trotz freier Sicht am hellen Tag auf die wegen ihrer Größe nicht zu übersehene und besonders langsam fahrende Kehrmaschine vor ihm aufgefahren ist. Insbesondere war der Zeuge K. auch nicht etwa im Zuge eines vom Kläger behaupteten Überholmanövers näher an die Kehrmaschine herangefahren (siehe bereits oben). Die damalige Unaufmerksamkeit des Zeugen, der offenbar erst gegen Ende deren Abbiege-Manövers wieder auf die Kehrmaschine geachtet hat, ergibt sich auch anschaulich aus dessen eigener Aussage: „Auf einmal stand die Kehrmaschine dann mit 90 … vor mir [ … ]“ (Seite 4 des Protokolls vom 07.08.2015, Bl. 100R GA).

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass die Kehrmaschine vor dem Abbiege-Manöver zunächst vollständig auf die linke Fahrspur gezogen sei. Denn selbst wenn dies zuträfe, wäre hierdurch weder das Abstandsgebot nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO noch die Pflicht zur besonderen Aufmerksamkeit (§ 1 StVO) für den Zeugen K. aufgehoben oder auch nur relativiert worden. Die von dem LKW des Klägers befahrene rechte Fahrspur wäre dadurch nämlich nicht etwa frei geworden. Wegen der Breite der Kehrmaschine wäre die rechte Fahrspur auch in dem Fall weiterhin von dieser besetzt gewesen. Dies hat selbst der vom Kläger benannte Zeuge K. bestätigt, der bekundet hat: „Die Kehrmaschine vor mir zog dann auf die Pkw-Spur rüber, sie passte aber nicht auf die linke Spur, sondern war auch auf der rechten Spur.“ (Seite 4 des Protokolls, Bl. 100R GA).

Andere Anknüpfungs-Tatsachen, die als zureichende Grundlage für eine sachverständige Untersuchung der Vorgänge vor der Kollision geeignet wären, zeigt der Kläger nicht auf. Solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

(4) Der Zeuge K. hat sich insoweit fahrlässig verhalten.

Auf einen Beweis des ersten Anscheins muss dafür nicht einmal zurückgegriffen werden.

Seine Pflichten, zu der Kehrmaschine einen angemessenen Sicherheitsabstand einzuhalten und diese während der Fahrt im Auge zu behalten, mussten dem Zeugen bewusst gewesen sein. Es war auch vorhersehbar, dass Unaufmerksamkeit oder dichtes Auffahren zu einem Unfall mit der voraus fahrenden Kehrmaschine führen konnte.

(5) Im vorliegenden Fall ist in dem Pflichtverstoß des Zeugen K. auch eine nicht unerhebliche Fahrlässigkeit zu erblicken:

Denn dem Zeugen war zuvor sowohl durch die Warnblinklichtanlage der Kehrmaschine als auch durch deren aktivierte gelbe Rundumleuchte in Erinnerung gerufen worden, dass er von der Kehrmaschine Gefahren zu vergegenwärtigen hatte, die seine Wachsamkeit erforderten.

2. Auf der Seite der Beklagten sind folgende Verursachungsbeiträge in Rechnung zu stellen:

a. Zunächst einmal ist die von der Kehrmaschine des Beklagten zu 1) ausgehende allgemeine Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Die Kehrmaschine war zwar durch ihr großes Gewicht geeignet, erhebliche Schäden zu verursachen. Zudem ist die Möglichkeit ihres Fahrers, die Fahrbahn einzusehen, erschwert durch ihre Größe und die Steuerung von der rechten Seite. Soweit deshalb schon die einfache von der Kehrmaschine ausgehende Betriebsgefahr nicht unerheblich ist (siehe schon Senat, Urteil vom 21.05.1979, 1 U 192/78, abgedruckt in: VersR 1980, 633), wirkt sich dies vorliegend allerdings nicht messbar aus: Denn die Betriebsgefahr des schweren Lastkraftwagens des Klägers fiel jedenfalls nicht deutlich geringer aus.

b. Dem Beklagten zu 2) ist kein Verstoß gegen die Vorschriften der § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO bzw. § 2 Abs. 2 StVO vorzuwerfen.

(1) Zwar verlangt § 2 Abs. 2 StVO, dass eine Straße stets möglichst weit rechts befahren wird, während § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO ein Einordnen auf der rechten Fahrbahnseite bei einem Abbiegen nach rechts anordnet.

(2) Auch hat der Beklagte zu 2) die von ihm geführte Kehrmaschine im Zuge des Abbiege-Manövers zunächst im Gegenteil nach links gezogen und die linke der beiden im Baustellenbereich zur Verfügung stehenden Fahrspuren zumindest teilweise in Anspruch genommen. Hiervon ist das Gericht nach der Beweisaufnahme überzeugt. So hat der Beklagte zu 2) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bekundet: „Ich habe mich dann mittig auf die 2 Spuren gesetzt [ … ]“ (Seite 2 des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 07.08.2015, Bl. 99R GA). Dies hat auch der Zeuge K. bestätigt, der bekundet hat: „Die Kehrmaschine vor mir zog dann auf die Pkw-Spur rüber, sie passte aber nicht auf die linke Spur, sondern war auch auf der rechten Spur.“ (Seite 4 des Protokolls, Bl. 100R GA).

(3) Doch war dies im vorliegenden Fall erlaubt, da ein Abbiegen damals nicht anders möglich war (dazu Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 9 StVO, Rdn 25). Denn in die schmale Baustellen-Ausfahrt konnte die Kehrmaschine wegen ihrer Länge praktisch nur in einem rechten Winkel einfahren. Dies zu erreichen war nur durch eine Inanspruchnahme der linken Fahrspur möglich. Die Berechtigung zu diesem Fahr-Manöver ergibt sich zudem aus § 35 Abs. 6 StVO: Nach dieser Sondervorschrift war der Kehrmaschine ein Befahren von allen Straßenteilen gestattet, soweit dies erforderlich war, um zu ihrem Einsatzort zu gelangen.

c. Auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO kann dem Beklagten zu 2) nicht vorgeworfen werden.

(1) Zwar darf nach dieser Vorschrift ein Fahrstreifen nur dann gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hierdurch ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 5 Satz 1 StVO). Auch muss ein solcher Wechsel rechtzeitig mit dem Fahrtrichtungsanzeiger angekündigt werden (§ 7 Abs. 5 Satz 2 StVO). Ein Spurwechsel ist dabei gegeben, sobald die Fahrbahnmarkierung überfahren wird (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 7 Rdn 18).

(2) Doch unabhängig davon, ob das damalige Fahrmanöver der Kehrmaschine überhaupt als Spurwechsel einzustufen ist, wäre ein solcher jedenfalls im Verhältnis zu dem Zeugen K. nicht Ursache des Unfalls gewesen. Denn dem LKW des Zeugen stand von vornherein keine freie Fahrspur vor sich zur Verfügung, in welche die Kehrmaschine mit einem Spurwechsel hätte einfahren können. Die Kehrmaschine war nämlich von ihrer Bauart her so breit, dass sie ohnehin ständig mehr als eine Spurbreite in Anspruch nehmen musste und anderen Fahrzeugen, zumindest aber dem LKW des Klägers, ein Überholen daher von vornherein unmöglich war. Dies hat der Zeuge K. im Rahmen seiner Vernehmung glaubhaft bekundet: „[ … ] sie passte aber nicht auf die linke Spur, sondern war auch auf der rechten Spur. Ich wäre da rechts nicht vorbeigegangen [ … ]“ (Seite 4 des Sitzungsprotokolls vom 07.08.2015, Bl. 100R GA). Während die damals im Baustellenbereich bereit gestellte linke Pkw-Fahrspur 2 Meter maß, war die Kehrmaschine 2,50 m breit (vgl. Anhörung des Beklagten zu 2) auf Seite 2 des Sitzungsprotokolls, Bl. 99R GA sowie übereinstimmende Bekundung des Zeugen K. auf Seite 4 des Protokolls, Bl. 100R GA).

d. Ungeachtet dessen hat der Beklagte zu 2) bei dem Abbiege-Manöver gegen seine Pflichten aus § 9 Abs. 1 Satz 1 verstoßen.

(1) Derjenige Verkehrsteilnehmer, der mit seinem Fahrzeug abbiegen möchte, muss dies gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO unter Verwendung der Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig und deutlich ankündigen. Wenn die Betätigung des seitlichen Fahrtrichtungsanzeiger von anderen Verkehrsteilnehmern nicht wahrgenommen werden kann, weil die Warnblinklichtanlage des Fahrzeugs eingeschaltet ist, dann entbindet dies trotzdem nicht von der Pflicht, die beabsichtigte Richtungsänderung des Fahrzeugs den anderen Verkehrsteilnehmern deutlich zu machen (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 15a Rdn 4; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 15a StVO Rdn 2). Richtigerweise ist die Warnblinklichtanlage zu diesem Zweck für die Zeit des Abbiege-Vorgangs auszuschalten (ebenso OLG Hamm NJW-RR 2011, 1666).

(2) Dieser Pflicht ist der Beklagte zu 2) damals nicht gerecht geworden. Dass er mit der Kehrmaschine von der Autobahn überraschend auf die Baustelle auffahren werde, hat er dem hinter ihm fahrenden Zeugen K. nicht deutlich gemacht. Denn er hat vor seinem Abbiege-Manöver die zuvor unstreitig aktivierte Warnblinklichtanlage nicht ausgeschaltet, wodurch das von ihm beabsichtigte Abbiegen in den Baustellenbereich für den nachfolgenden Verkehr nicht erkennbar wurde.

Hiervon ist der Senat nach der Beweisaufnahme überzeugt:

Zwar hat der Beklagte zu 2) dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung geleugnet und angegeben, er habe die Warnblinklichtanlage schon etwa 400 Meter vor der Baustelleneinfahrt ausgeschaltet und den rechten Blinker betätigt (Seite 2 des Protokolls vom 07.08.2015, Bl. 99R GA).

Im Gegensatz dazu hat der Zeuge K. bekundet: Ihm sei „[…] nicht aufgefallen, dass die Rundumleuchte oder Warnblinklichtanlage ausgeschaltet wurde, sondern die waren durchgängig dann eingeschaltet bis zum Unfall.“ (Seite 5 des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 07.08.2015, Bl. 101 GA).

Dies dürfte der Wahrheit entsprechen, weil der Beklagte zu 2) von dem angeblichen Ausschalten der Warnblinklichtanlage tatsächlich erstmals im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht gesprochen hat. Im Gegensatz dazu hat er dies gegenüber den Polizeibeamten am Unfallort mit keinem Wort erwähnt, sondern nur davon gesprochen, dass er sein Warnblinklicht und seine gelbe Warnleuchte eingeschaltet hatte (vgl. deren Unfallanzeige auf Bl. 5 der beigezogenen Bußgeldakte der Stadt Wuppertal, Aktenzeichen 050041916). Gerade solch“ spontanen und daher regelmäßig unverfälschten Äußerungen eines Unfallbeteiligten am Unfallort kommt im Rahmen der Beweiswürdigung erhebliche indizielle Bedeutung zu (Senat, Urteil vom 07.06.2016, I-1 U 149/15; Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 104/10; Urteil vom 09.02.2010, I-1 U 71/09; KG Berlin NZV 2004, 526).

Letzte Zweifel werden dadurch ausgeräumt, dass der Beklagte zu 2) danach im Rahmen des anschließenden Bußgeldverfahrens bei dieser Darstellung geblieben ist. Auch in seiner schriftlichen und detaillierten Zeugenaussage vom 27.05.2011 kommt ihm nicht die Idee, dass er die Warnblinklichtanlage ausgeschaltet haben könnte (Bl. 14 der Bußgeldakte der Stadt Wuppertal, Aktenzeichen 050041916). Im Gegenteil wird aus dieser schriftlichen Zeugenaussage deutlich, dass der Beklagte zu 2) die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers überhaupt nicht für nötig gehalten hat. Denn „um den nachfolgenden Verkehr darauf aufmerksam zu machen, dass ich in die Baustelle einfahren möchte, schaltete ich meine Rundumleuchte und die Warnblinklichtanlage ein.“ (a.a.O.).

e. Ob der Beklagte zu 2) mit dem Abbiegen in den Baustellenbereich auch gegen die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO und damit gegen eine Gesetzesregelung verstoßen hat, die an den Abbiegenden mit dem geforderten Ausschluss einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer die höchsten Sorgfaltsanforderungen stellt, kann hier unentschieden bleiben.

Dies hängt davon ab, ob dem Begriff „Grundstück“ im Sinne des Gesetzes nur alle nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten, privaten Flächen unterfallen oder ob dazu schlicht alle Verkehrsflächen zählen, die nicht dem fließenden Verkehr dienen (stellvertretend zum Ganzen: Burmann in: Burmann/Heß u.a., Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 9 Rdn 53 m.w.N.) Der Vergleich mit § 10 StVO, in dem das Gesetz zwischen Grundstücken und anderen Straßenteilen unterscheidet, spricht einerseits für ein Begriffsverständnis, das Straßenteile, die dem fließenden Verkehr entzogen sind, wie Parkplätze, Parkstreifen, Parktaschen oder abgesperrte Fahrbahnen, dem Grundstücksbegriff in § 9 StVO nicht zurechnet (so OLG Hamm, Urteil v. 08.11.2013 – I-9 U 88/13 , NZV 2014, 262; eben Senat, Urteil vom 12.07.2004, I-1 U 39/04; Urteil vom 24.11.1997, 1 U 55/97; Urteil vom 17.09.2001, 1 U 26/01). Andererseits scheint die Gefährdungslage in diesen Fällen jeweils vergleichbar. Das Abbiegen eines Fahrzeuges auf eine solche Fläche ist hier nämlich für den nachfolgenden Verkehr gleichermaßen überraschend und weist daher auch dasselbe Gefahrenpotential für den Straßenverkehr auf. Es erscheint auch nicht ohne Weiteres einsichtig, weshalb ein Verkehrsteilnehmer, der aus dem fließenden Verkehr in eine private Zufahrt einbiegt, geringeren Sorgfaltsanforderungen unterliegen sollte, als derjenige, der aus dem fließenden Verkehr auf einen Parkplatz oder auf eine Tankstelle abbiegt (so auch Senat, Urteil vom 29.11.2004, I-1 U 111/04 sowie Urteil vom 13.10.2003, I-1 U 235/02). Nach Auffassung des Senats darf in diesen Fällen die rechtliche Einordnung an der Gewichtung des Verkehrsverstoßes nichts ändern. Auch wenn das Abbiegen in einen anderen Straßenteil dem Tatbestand des § 9 Abs. 5 StVO nicht zuzuordnen sein mag, so verlangt das Gebot des § 1 Abs. 2 StVO in diesen Fällen von dem Abbiegenden doch eine besondere Rücksichtnahme auf den nachfolgenden Verkehr, die den Erwartungen, die § 9 Abs. 5 StVO an ihn richtet, gleichkommt. Daher ist im vorliegenden Falle jedenfalls von einem gravierenden Verstoß gegen die Pflichten des Abbiegenden auszugehen, während es einer abschließenden Entscheidung des Meinungsstreites nicht bedarf (so schon Senat, Urteil vom 26.01.2016, I-1 U 44/15; in dem Sinne auch OLG Hamm a.a.O., NZV 2014, 262; Freymann in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, Kapitel 27, Rdn 292).

D.

Bei der Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine überwiegende Haftung der Beklagten im Umfang von 2/3 gerechtfertigt ist.

Dies rechtfertigt sich auf Grund des gravierenden Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 2) beim Abbiegen in den Baustellenbereich, einerlei ob man diesen nun § 9 Abs. 5 StVO oder § 1 Abs. 2 StVO zuordnet (siehe ausführlich oben). Denn derjenige, der beim Abbiegen in ein Grundstück seine Pflichten verletzt, trägt regelmäßig die Haftung allein oder doch jedenfalls zum größten Teil (vgl. nur Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, Kapitel 27 Rdn 15, 293, 296 mit weiteren Nachweisen und Fundstellen aus der Rechtsprechung; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 9 StVO Rdn 55).

Auf der anderen Seite muss aber berücksichtigt werden, dass der Zeuge K. infolge eines Aufmerksamkeitsverschuldens einen Abstandsverstoß begangen hat, obwohl ihn die Warnsignale, insbesondere die gelbe Rundumleuchte, sogar zu erhöhter Vorsicht ermahnt hatten. Dies rechtfertigt hier eine Mithaftung des Klägers im Umfang von 1/3.

III.

Für das weitere Verfahren wird dem Kläger der rechtliche Hinweis erteilt, dass sein Sachvortrag zu dem angeblich entgangenen Gewinn bislang unsubstantiiert ist. Denn er trägt trotz Bestreitens der Beklagten nicht im Einzelnen vor, für welchen angeblichen Auftrag er den beschädigten LKW überhaupt hätte einsetzen können und mangels anderer freier Fahrzeuge auch gebraucht hätte. Die Vernehmung der von ihm in der Berufungsinstanz hierzu benannten Ehefrau als Zeugin (Bl. 161 GA) wäre derzeit ein unzulässiger Ausforschungsbeweis.

IV.

Eine Entscheidung über die Rechtsmittelkosten war nicht veranlasst; das Erstgericht hat im Rahmen des Schlussurteils einheitlich über die Kosten des gesamten Rechtsstreites zu entscheiden (OLG München MDR 2016, 202). Der Senat sieht keine zureichenden Gründe für eine Niederschlagung der Kosten des Berufungsverfahrens im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.665,31 Euro.

 

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