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Verkehrsunfall zwischen wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer mit Vorfahrtsberechtigten

AG Hechingen – Az.: 6 C 233/18 – Urteil vom 13.03.2019

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.052,39 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.06.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 66,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.06.2018 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 61% und die Beklagten als Gesamtschuldner 39% zu tragen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.682,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 18.05.2018 auf der Schlossackerstraße in Hechingen.

Die Beklagte Ziff. 1 ist Haftpflichtversicherer des vom Beklagten Ziff. 2 gefahrenen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen. Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen. Der Verkehrsunfall ereignete sich innerhalb der Kreuzung der Schiller-/Stauffenberg- und Schloßackerstraße. An dieser Kreuzung gilt die Vorfahrtsregelung „rechts vor links. Der Beklagte Ziffer 2 hat die Schloßackerstraße befahren. Für ihn kam das Fahrzeug des Klägers, das vom Zeugen gefahren wurde, von rechts. In der Mitte der Kreuzung kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Die Beklagte Ziff. 1 hat bisher in Höhe von 4.183,14 € reguliert.

Der Kläger trägt vor, der Zeuge sei mit dem Kraftfahrzeug des Klägers auf der Schillerstraße in Richtung Stauffenbergstraße gefahren. Er habe sich der Kreuzung mit der Schloßackerstraße genähert und habe bereits sehen können, dass von rechts kein vorfahrtsberechtigter Verkehr komme. Der Beklagte Ziff. 2 habe das Kraftfahrzeug des Klägers übersehen. Die Nettoreparaturkosten betrügen abzüglich der Wertverbesserung 5.766,24 €, die Gutachterkosten 726,30 € netto.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.682,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2018 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten über 198,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2018 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, als der Beklagte Ziff. 2 die Schillerstraße erreicht habe, sei seine Sicht nach rechts durch eine Mauer und Pflanzenbewuchs deutlich eingeschränkt gewesen, er sei daher langsam in die Kreuzung eingefahren. Der Fahrer des Fahrzeugs des Klägers sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von rechts aus der Schillerstraße herangefahren und habe auf das die Kreuzung überquerende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 2 überhaupt nicht reagiert.

Die Beklagten meinen, der Beklagte Ziffer 2 trage eine Mitschuld, aber keinesfalls die Alleinschuld. Der Unfall sei für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs vermeidbar gewesen, wenn er mit angepasster Geschwindigkeit gefahren sei. Hinsichtlich der Schadenshöhe ergebe sich ein Reparaturkostenbetrag von 5.002,01 €.

Der Kläger trägt darauf vor, der Fahrer des Kraftfahrzeugs des Klägers sei nicht mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe auf das die Kreuzung überquerende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 2 nicht reagiert. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs des Klägers habe sofort eine Vollbremsung in die Wege geleitet, als er das Fahrzeug des Beklagten wahrgenommen habe und erkannt habe, dass der Beklagte Ziff. 2 seiner Wartepflicht nicht nachkomme.

Das Gericht hat durch Vernehmung des Zeugen sowie durch mündliches Sachverständigengutachten Beweis erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2019 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2019.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfall ein Schadensersatzanspruch nach den §§ 18 Abs.1 S. 1, 17 Abs. 2 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 VVG auf Zahlung von 1.052,39 € zu. Die Höhe des Anspruchs ergibt sich auf Grundlage einer Haftungsverteilung von 75 % zu 25 % zu Lasten der Beklagten.

1. Der Beklagte Ziff. 2 haftet dem Grunde nach, gemäß § 18 Abs. 1 StVG, als Führer eines Kraftfahrzeuges. Ein Ausschluss der Haftung nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG kommt nicht in Betracht, da den Beklagten Ziff. 2 als Fahrer ein Verschulden am Unfall trifft. Gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 VVG haftet die Beklagte Ziff. 1 als Haftpflichtversicherer unmittelbar. Der Kläger haftet als Halter. Der Kläger ist Eigentümer und Halter des unfallbeteiligten Lkw. Ein Ausschluss der Halterhaftung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor.

2. Eine Abwägung der Unfallbeiträge der Beteiligten gemäß § 17 Abs. 2 StVG führt zu einer Haftungsverteilung von 75 % zu 25 % zu Lasten der Beklagten. Bei der Abwägung sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Zum einen ist die Abwägung auf Grund aller festgestellten, d. h. unstrittigen, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesenen (vgl. BGH VersR 2005, 954, 956) Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH NJW-RR 2010, 839 (842)). Zum anderen muss ermittelt werden, in wie weit und in welcher Höhe ggf. noch die Betriebsgefahr eines jeden Fahrzeugs, vgl. § 7 Abs.1 StVG, mit in die Abwägung einzustellen ist. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 7 Abs. 1 StVG ist diese im Regelfall mit zu berücksichtigen. Diese kann nur in Ausnahmefällen gemäß §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG entfallen.

3. Die Beweislast für eine Haftung dem Grunde nach trifft die jeweils anspruchstellende Partei, wohingegen die Beweislast für die jeweiligen Unfallbeiträge, die die Haftungsquote der Gegenseite erhöhen, die Partei trägt, die diese behauptet. Bezüglich der Beweislast der Betriebsgefahr muss sich die jeweilige Partei gem. §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG entlasten.

Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten in Höhe von 75 %, da der Beklagte Ziff. 2 die Vorfahrt des Zeugen nicht beachtet hat, mithin den Beklagten Ziff. 2 ein überwiegendes Verschulden am Unfall trifft.

Demgegenüber haftet der Kläger mit 25 %.

Der Beklagte Ziff. 2 hat gegen §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StVO verstoßen. An Kreuzungen hat Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das Kläger Fahrzeug ist für den Kläger an der Kreuzung von rechts gekommen. Der Beklagte Ziff. 1 hat sich demnach nicht, wie von § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StVO gefordert, in einer Weise verhalten, dass nur weitergefahren werden darf, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Der Beklagte Ziff. 2 hätte sich notfalls, aufgrund der eingeschränkten Sicht, in die Kreuzung hereintasten müssen, gemäß § 8 Abs. 2 S.3 StVO. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei einem Hereintasten in den Kreuzungsbereich der Pkw Lenker den Lkw hätte erkennen können.

4. Dem Kläger ist letztlich ein Verschulden in Höhe von 25 % zu belassen. Ist der Vorfahrtberechtigte selbst gegenüber einem von rechts Kommenden wartepflichtig, darf er nur weiterfahren, wenn er sicher sein kann, dass der gegenüber ihm zu Vorfahrt Berechtigte nicht behindert oder gefährdet wird (§ 8 Abs. 2 S. 2 StVO). Er muss daher seine Geschwindigkeit herabsetzen, wenn und soweit die Kreuzung schwer einzusehen ist. Weil er damit einerseits vorfahrtsberechtigt und andererseits wartepflichtig ist, hat er nur „halbe“ Vorfahrt (KG DAR 88, 271; OLG Karlsruhe NZV 2012, 229). (Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil Haftpflichttatbestände 27. Kapitel. Haftung aus der Straßenverkehrs-Ordnung Rn. 235).

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Lkw, wie die Auswertung der Daten des ESG Kontrollgerätes ergeben habe, dass der Lkw mit einer Geschwindigkeit von etwa 27 km/h kollidiert sei. In Annäherung an die Kreuzung habe der Lkw eine annähernd konstante Geschwindigkeit zwischen 27 und 30 km/h eingehalten. Um dem aus Sicht des Klägers von rechts kommenden Verkehrs Vorfahrt zu gewähren, hätte der Lkw, um reagieren und vor dem Kreuzungsbereich anhalten zu können, eine Geschwindigkeit von 12 bis 14 km/h einhalten müssen. Der Kläger hat sich daher dem Kreuzungsbereich seinerseits zu schnell genähert.

5. Eine Entlastung gem. § 17 Abs. 3 StVG kommt auf Grund der festgestellten Verschuldensbeiträge beider Parteien nicht in Betracht. Wägt man die Unfallbeiträge gegeneinander ab, so ergibt sich hier eine Haftungsquote 75 % zu 25 % zu Lasten des Beklagten. Dem Kläger ist ein erheblich geringerer Verstoß anzulasten, da dieser sich lediglich nicht auf das verkehrswidrige Verhalten des Beklagten Ziff. 2 eingestellt hat und grundsätzlich auf sein Vorfahrtsrecht vertrauen durfte. Demgegenüber hat der Beklagten Ziff. 2 eine weit erhöhte Sorgfaltspflicht, der er nicht nachgekommen ist. Der weit überwiegende Unfallbeitrag liegt daher auf Seiten der Beklagten, weshalb ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 75 % besteht.

6. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote sowie der Einwendungen gegen die Schadenshöhe sind von den Beklagten noch 1.052,39 € zu bezahlen. Der Sachverständige hat zu den Reparaturkosten ausgeführt, dass alle aufgeführten Positionen innerhalb des Schadensgutachten plausibel und nachvollziehbar seien. Der Abzug „neu für alt“ für das Seitenteil vorne links sei aus Sicht des Sachverständigen ebenso nicht zu beanstanden und mit 30 % auch plausibel und nachvollziehbar.

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Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass hinsichtlich des Großabnehmerrabatts kein Kunde das Anrecht auf Rabattierung besäße. Es sei von Nutzfahrzeugwerkstatt zu Nutzfahrzeugwerkstatt unterschiedlich wie eine Rabattierung gehandhabt werde. Aus eigener Erfahrung gebe es Reparaturwerkstätten, die grundsätzlich keine Rabattierung für Kunden, sei es Klein- oder auch Großkunden, veranschlagten.

Unter Berücksichtigung des Stundenverrechnungssatzes von 110,75 € für die Karosserie und Mechanik und 155,35 € für die Lackierung inklusive Material, würden abzüglich des Abzugs „neu für alt“ Reparaturkosten in Höhe von 5.766,24 € ohne Mehrwertsteuer anfallen. Dem folgt die erkennende Richterin.

Hinzu kommen 726,30 € Gutachterkosten und 25,00 € Unfallpauschale. Von den 6.517,24 € hat die Beklagte Ziff. 1 vorgerichtlich 3.835,54 € bezahlt, sodass bei einer Mithaftung von 25% noch 1.052,39 € zu bezahlen sind.

II.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Hinsichtlich der Anwaltskosten hat die Beklagte Ziff. 1 vorgerichtlich 347,60 € bezahlt. Der Kläger kann eine 1,3 Gebühr aus bis zu 5.000,00 € geltend machen zuzüglich Auslagenpauschale von 20,00 €, sodass sich ein Betrag von 413,90 € ergibt abzüglich der bereits gezahlten 347,60 € bleiben 66,30 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S.1 Alt. 2 ZPO.

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