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Verkehrsunfall auf Autobahn mit Pannenfahrzeug

 Oberlandesgericht Brandenburg

Az: 12 U 13/10

Urteil vom 08.07.2010


Die Berufung des Klägers gegen das am 02.12.2009 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 281/09, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten als „Quasi“-Haftpflichtversicherer eines in Polen zugelas-senen VW-T4 auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 14.04.2008 auf der Autobahn . .. hinter dem Kreuz .… in Richtung Dreieck .… in Anspruch. Der Kläger, der mit seinem PKW Passat auf der linken Fahrspur fuhr, nahm in Höhe der Autobahnbrücke .… ca. 300 – 400 m vor sich die Warnblinkleuchten von Fahrzeugen wahr, die vor ihm in der linken und mittleren Spur fuhren. Er reduzierte seine Geschwindigkeit auf ca. 70 km/h, überfuhr im folgenden zunächst einen auf der Fahrbahn befindlichen Gegenstand und fuhr sodann – nach eigenen Angaben ca. 150 bis 200 m dahinter – auf einen auf der linken Fahrspur stehenden Anhänger auf. Dieser war zuvor von seinem Zugfahrzeug, einem in Polen zugelassenen Mercedes Sprinter, dadurch getrennt worden, dass der Fahrer des über den Beklagten versicherten VW-T4 auf ihn aufgefahren war. Die Art des überfahrenen Gegenstandes, die zwischen Erst- und Zweitunfall verstrichene Zeitdauer, die Sicherung der Erstunfallstelle und die Lichtverhältnisse im Unfallzeitpunkt sind zwischen den Parteien streitig. Das Fahrzeug des Klägers erlitt durch das Auffahren auf den Hänger einen Totalschaden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Dieser ist dahingehend zu berichtigen, dass der Kläger unstreitig Eigentümer des von ihm zum Unfallzeitpunkt gefahrenen PKW Passat war.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.12.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe für den von ihm behaupteten Unfallhergang keinen geeigneten Beweis angeboten. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung habe der Kläger den Unfallhergang widersprüchlich und zum Teil nicht nachvollziehbar geschildert. So habe der Kläger schriftsätzlich behauptet, er habe sich nach Herabsetzen der Geschwindigkeit angesichts der von ihm wahrgenommenen Warnblinkleuchten nach einem Überholvorgang wieder auf die mittlere Fahrspur eingeordnet. In seiner Anhörung habe der Kläger jedoch angegeben, er habe den Überholvorgang abgebrochen. Die erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Kläger abgegebene Erklärung, der Unfall habe bereits etwa um 05:45 Uhr stattgefunden, stehe im Widerspruch zu den Angaben zur Unfallzeit in der Verkehrsunfallanzeige vom 15.04.2008. Darüber hinaus hätten, wenn der Vortrag des Klägers zum Standort des Anhängers und des Kleintransporters sowie seine Behauptungen über die von ihm wahrgenommenen Warnblinkleuchten an fahrenden Fahrzeugen zutreffend seien, diese Fahrzeuge in die in ihren Fahrspuren stehenden Kleintransporter bzw. Hänger fahren müssen, was unstreitig nicht der Fall gewesen sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17.12.2009 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam mit bei Gericht am Montag, dem 18.01.2010 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 16.02.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, das Landgericht habe die Klage wegen fehlerhafter Bewertung des Sachverhalts abgewiesen. Er, der Kläger, habe den Unfall in der mündlichen Verhandlung plausibel und nachvollziehbar geschildert. Nachvollziehbar sei auch, dass die Polizei möglicherweise um 06:35 Uhr den Unfall aufgenommen und fälschlicherweise diese Zeit als Unfallzeitpunkt angenommen habe. Er habe keine widersprüchlichen Angaben zum Unfallhergang gemacht. Sowohl aus seinem schriftsätzlichen Vortrag als auch aus seinen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ergäbe sich, dass er, der Kläger, nur einen Lkw überholt habe und hinter einem zweiten Lkw einscheren wollte, wozu es wegen des Überfahrens der Hängerkupplung/Deichsel nicht mehr gekommen sei. Vorausfahrende Fahrzeuge mit Warnblinkanlage habe er, der Kläger, in der Tat auch auf der linken und der mittleren Fahrspur wahrgenommen. Möglicherweise hätten diese noch nicht ausweichen müssen, weil das bei dem Beklagten versicherte Fahrzeug noch nicht auf diesen Fahrspuren gestanden habe, sondern lediglich geschlingert habe; dieses entziehe sich aber seiner Kenntnis. Hinsichtlich der Uhrzeit des Unfalls beantrage er erneut die Beiziehung der Unfallakte und die Befragung der von ihm angebotenen Zeugen, wann sie den Auftrag erhielten, an die Unfallstelle zu fahren. Der Unfall sei deutlich vor 06:00 Uhr passiert. Aufgrund des zu dieser Zeit fehlenden Tageslichts habe er den auf der Autobahn befindlichen Gegenstand nicht sehen und deshalb nicht rechtzeitig ausweichen können. Durch das Überfahren sei der Reifen geplatzt, wodurch er mit seinem Pkw nicht mehr die Spur habe halten und dem plötzlich vor ihm auftauchenden Anhänger nicht mehr habe ausweichen können.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 02.12.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 281/09, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.787,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2009 zu zahlen und den Beklagten zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der Kläger habe gegen die Regelung des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen, da er trotz Erkennens der Warnblinkleuchten der Fahrzeuge vor sich seine Geschwindigkeit nicht erheblich unter 70 km/h reduziert habe. Der Kläger habe erstinstanzlich nicht bestritten, dass 15 Minuten zwischen den beiden Unfällen gelegen hätten. Unter dieser Voraussetzung sei es nicht ersichtlich, wie es zum behaupteten Unfall des Klägers gekommen sei. Auch die Entfernungsangaben des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Es sei nicht plausibel, dass der Kläger mit geplatztem Reifen und wohl von ihm vorgenommener Bremsung noch 150 m – 200 m zwischen dem Punkt, wo er den Gegenstand überfahren haben wolle, und der Unfallstelle zurückgelegt habe, da er dafür bei 70 km/h 7,7 – 10,28 Sekunden benötigt hätte.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Begründung der Berufung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger beruft sich darauf, dass die vom Landgericht getroffenen Feststellungen eine andere rechtliche Beurteilung als die im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene gebieten (§§ 513, 546 ZPO). Darüber hinaus beruft sich der Kläger darauf, dass das Landgericht seinen Beweisantritten nicht nachgegangen sei, obwohl dies geboten gewesen sei, und stützt seine Berufung insoweit auf eine unzureichende Tatsachenfeststellung (§ 513 Abs. 1, § 529 Abs. 1 ZPO). Auf beiden vorgeworfenen Fehlern kann das Urteil jeweils auch beruhen.

2. In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz des von ihm aufgrund des Unfalls am 14.04.2008 erlittenen Schadens gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, 115 VVG, 6 Abs. 1 AuslPflVG bzw. §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 115 VVG, 6 Abs. 1 AuslPflVG i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 1 Abs. 2 StVO.

a) Der Beklagte ist für die geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 1 AuslpflVG in Verbindung mit den Vereinbarungen der KfZ-Haftpflichtversicherer der Länder untereinander, die, wie Deutschland und Polen, am sog. Grüne-Karte-System beteiligt sind (Prölls-Martin, VVG, 27. Aufl, § 3 PflVG Rn 3).

b) Auch liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG für eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach vor. Das klägerische Fahrzeug ist bei Betrieb des bei dem Beklagten (quasi-) versicherten polnischen VW-T4 beschädigt worden. Nach dem Schutzzweck des § 7 StVG ist ein Schaden beim Betrieb eines Fahrzeugs entstanden, wenn er durch die dem Kfz- oder Anhängerbetrieb typisch innewohnende Gefährlichkeit adäquat verursacht worden ist. Es genügt ein naher zeitlicher oder örtlicher ursächlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz (König in Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 40. Aufl., § 7 StVG Rn. 4 m.w.N.), wobei bei durch den Betrieb geschaffener fortbestehender Gefahrenlage ein auf dieser beruhender Unfall auch dann „beim Betrieb“ verursacht worden ist, wenn ein naher zeitlicher Zusammenhang nicht gegeben ist; bei Vorliegen eines derartigen rechtlichen Zurechnungszusammenhangs ist eine mittelbare Verursachung hinreichend (König in Hentschel/König/Dauer a.a.O., § 7 StVG, Rn. 10, 11 m.w.N.). Eine solche mittelbare Verursachung liegt vor. Da unstreitig der Fahrer des VW T4 den Erstunfall durch Auffahren auf den Hänger verursacht hat, ist die in dem auf dem linken Fahrstreifen liegengebliebenen Hänger bestehende Gefahrenlage bei dem Betrieb des VW T4 entstanden. Diese Gefahrenlage wiederum hat den Auffahrunfall des Klägers zumindest mitverursacht. Ob der Kläger mit seinem Fahrzeug zuvor über ein bei dem Erstunfall abgerissenes Fahrzeugteil gefahren ist, ist insoweit unerheblich.

c) Der Kläger kann jedoch keinen Ausgleich seines Unfallschadens verlangen, da im Rahmen der internen Ausgleichspflicht des § 17 StVG sein eigener schuldhafter Verursachungsanteil an dem Unfall so stark überwiegt, dass die Betriebsgefahr des über den Beklagten versicherten Fahrzeugs demgegenüber nicht ins Gewicht fällt.

Die Verursachungsbeiträge der Beteiligten sind nach § 17 Abs. 1, 2 StVG gegeneinander abzuwägen, da keine Partei für sich ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG in Anspruch nehmen kann. Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn es durch die äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann, wobei ein schuldhaftes Fehlverhalten ein unabwendbares Ereignis ausschließt; darlegungs- und beweisbelastet ist derjenige, der sich auf die Unabwendbarkeit beruft (König in Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 17 StVG Rn. 22 f m.w.N.). Der Kläger hat bereits keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben würde, dass es auch bei äußerster möglicher Sorgfalt durch entsprechend stärkere Drosselung der Geschwindigkeit nach Wahrnehmen der Warnblinklichter nicht möglich gewesen wäre, den Unfall zu verhindern. Auf Beklagtenseite ist ein unabwendbares Ereignis ausgeschlossen, da der Fahrer des bei dem Beklagten versicherten Fahrzeugs bei Beachtung der äußersten möglichen Sorgfalt den Vorunfall hätte verhindern können. Dieser Umstand ist auch im Rahmen der Unabwendbarkeitsprüfung für den im Streit stehenden Unfall zu berücksichtigen, denn er war für den Schaden des Klägers mitursächlich (vgl. König in: Hentschel u.a. a.a.O., § 17 StVG Rn 22).

Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge der Beteiligten gem. § 17 Abs. 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 506; KG NZV 1999, 512, NZV 2003, 291). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, 231).

(1) Dem Beklagten ist als Verursachungsbeitrag seines Versicherungsnehmers lediglich die Verursachung des Vorunfalls und das dadurch bewirkte Hindernis auf der Autobahn in Gestalt des unfallbedingt liegengebliebenen Hängers nebst des ebenfalls unfallbedingt davor auf der Fahrbahn befindlichen Gegenstandes – sei es ein abgesprengtes Fahrzeugteil, sei es ein wegen des Erstunfalls aufgestelltes Warndreieck – zur Last zu legen. Da der Versicherungsnehmer des Beklagten auf den Hänger aufgefahren ist, spricht hinsichtlich des Vorunfalls der Anschein dafür, dass er gegen § 4 Abs. 1 StVO verstoßen und den Erstunfall schuldhaft verursacht hat (vgl. König in: Hentschel u.a. a.a.O., § 4 StVO Rn 18). Umstände, die die Typizität der Unfallkonstellation des Erstunfalls erschüttern würden und der Annahme eines entsprechenden Anscheinsbeweises entgegenstehen würden, hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Im Hinblick auf den im Streit stehenden Unfall ist dem Fahrer des über den Beklagten versicherten VW-T4 dagegen kein unmittelbarer Verschuldensvorwurf zu machen. Ein Verstoß gegen § 15 StVO liegt nicht vor. Zum einen wäre nicht der Fahrer des VW-T4 zur Sicherung des Anhängers gemäß § 15 StVO verpflichtet gewesen, sondern der Fahrer des Zugfahrzeugs. Zum anderen hat der Kläger keinen Beweis dafür angetreten, dass die Erstunfallstelle nicht, wie der Beklagte behauptet, mit Warndreieck und Warnblinklicht gesichert war.

(2) Demgegenüber ist dem Kläger ein grob verkehrswidriges Verhalten, welches zum Unfall geführt hat, vorzuwerfen.

Der Kläger hat gegen das Sichtfahrgebot und das Gebot einer der Verkehrssituation angepassten Geschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 1 S. 2, S. 4 StVO verstoßen. Der Sichtgrundsatz besagt, dass ein Fahrer seine Geschwindigkeit grundsätzlich so einzurichten hat, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann (König in: Hentschel u.a. a.a.O. § 3 StVO Rn 14 m.w.N.). Allerdings darf der Fahrer nicht in jeder Verkehrssituation den dadurch eröffneten Geschwindigkeitsrahmen ausschöpfen, vielmehr ist insbesondere eine Verringerung der Sichtfahrgeschwindigkeit geboten, wenn eine unklare Verkehrslage besteht und der Fahrer die vor ihm liegende Entwicklung des Verkehrs nicht sicher beurteilen kann. Insbesondere ist bei Anzeichen eines Unfallgeschehens eine deutliche situationsangemessene Verlangsamung der Geschwindigkeit angezeigt, damit der Fahrer notfalls sofort anhalten kann. Die Geschwindigkeit ist dabei umso stärker einzuschränken, je größer die drohende Gefahr erscheint. In Anbe-tracht der Tatsache, dass Unfälle auf Autobahnen nicht selten schwerste Schäden verursachen, ist der Fahrer bei unklarer Verkehrslage auf Autobahnen zur Einhaltung der äußersten Sorgfalt verpflichtet (Saarländisches OLG, MDR 2006, 89, m.w.N.).

Diese Anforderungen hat der Kläger nicht beachtet. Der Kläger selbst gibt an, die Warnblinkleuchten anderer, vor ihm fahrender Fahrzeuge auf der linken und mittleren Fahrspur wahrgenommen und sein Fahrzeug auf etwa 70 km/h abgebremst zu haben. Aufgrund der Warnblinkleuchten bestand aus der Sicht des Klägers vor ihm eine unklare Verkehrslage. Er musste damit rechnen, dass vor ihm ein Hindernis, ein Unfall oder sonstige Gefahren auftauchen würden, und zwar angesichts der auf dem linken und mittleren Fahrstreifen ihre Warnblinkleuchten betätigenden Fahrzeuge mit erheblicher Wahrscheinlichkeit gerade auf diesen Fahrspuren. Der Kläger konnte daher nicht damit rechnen, auf diesen Fahrstreifen ohne weiteres weiterfahren zu können, und wäre deshalb verpflichtet gewesen, seine Geschwindigkeit beim Heranfahren soweit zu reduzieren, dass ihm ein gefahrloses Anhalten jederzeit möglich war. Die vom Kläger vorgenommene (jedenfalls in der Berufungsinstanz unstreitige) Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h war unter diesen Umständen nicht ausreichend. Gerade wenn es, wie der Kläger behauptet, noch dunkel gewesen sein sollte, musste er sein Fahrverhalten angesichts der Warnblinkleuchten vor sich in ganz verstärktem Maße darauf ausrichten, dass er auf plötzliche, auch schwer erkennbare Hindernisse oder ungesichert liegengebliebene Fahrzeuge stoßen könnte. Denn bereits ohne das Vorhandensein entsprechender Warnzeichen muss ein Kraftfahrer grundsätzlich mit plötzlichen Hindernissen Tag und Nacht auch auf der Autobahn rechnen (König in Hentschel u.a. a.a.O., § 3 StVO Rn. 27; OLG Braunschweig NZV 2002, 176; OLG Koblenz NJW-RR 2005, 970) und muss seine Fahrweise so einrichten, dass er auch in der Dunkelheit vor ungesichert und unbeleuchtet liegengebliebenen Fahrzeugen rechtzeitig anhalten kann (BGH NJW-RR 1987, 1235). Hat ein Fahrer wie vorliegend der Kläger aufgrund der warnblinkenden Fahrzeuge vor sich einen konkreten Anlass, von einer unklaren Verkehrslage auszugehen, verschärfen sich diese allgemeinen Pflichten. Ein eingeschaltetes Warnblinklicht hat nicht nur die Funktion, Kollisionen des nachfolgenden Verkehrs mit diesem Fahrzeug zu vermeiden, sondern warnt auch vor Gefahren im Straßenverkehr, die nicht von diesem Fahrzeug ausgehen. Der nachfolgende Verkehr muss aufgrund dessen seine Geschwindigkeit sogleich so weit herabsetzen, dass er einer plötzlich auftretenden Fahrtbehinderung wirksam begegnen kann (OLG Köln, Schadenpraxis 1996, 307). Kollidiert unter diesen Umständen ein Fahrzeug mit einem vor ihm auftauchenden Hindernis, so spricht dies regelmäßig für einen Verstoß des Auffahrenden gegen das Sichtfahrgebot und eine nicht hinreichend den besonderen Umständen angepasste Geschwindigkeit (vgl. OLG Schleswig VersR 1995, 476). Wenn ein Fahrer aufgrund einer unklaren Verkehrslage seine Geschwindigkeit soweit herabsetzen muss, dass er jederzeit vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis halten können muss, dann ist, wenn er vor einem Hindernis nicht mehr halten kann, der Rückschluss darauf, dass er seine Geschwindigkeit nicht hinreichend herabgesetzt hat, jedenfalls in dem Falle zwingend, dass keine anderen Gründe dafür ersichtlich sind. Andere Gründe hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere steht der Vortrag des Klägers, er sei über die beim Erstunfall abgerissene Anhängerkupplung des Mercedes Sprinter gefahren, daraufhin sei sein Reifen geplatzt und sein Fahrzeug sei für ihn nicht mehr beherrschbar gewesen, dem Rückschluss auf seine nicht angepasste Geschwindigkeit nicht entgegen.

Zum einen ist dem Kläger bereits vorzuwerfen, dass er so schnell gefahren ist, dass er nicht mehr vor dem auf der Fahrbahn befindlichen Gegenstand bremsen konnte. Bei einer unklaren Verkehrslage mit konkreter Warnung durch Warnblinkleuchten – wie vorliegend – findet der Grundsatz, dass das Nichterkennen ungewöhnlich schwer sichtbarer Hindernisse, auf die nichts hindeutet, nicht vorwerfbar ist (König in Hentschel u.a. a.a.O., § 3 StVO Rn. 25 m.w.N.), keine Anwendung. Der Kläger war gerade durch die Warnblinkleuchten gewarnt, die (auch) auf derartige ungewöhnlich schwer erkennbare Hindernisse hindeuten konnten . Bei hinreichend reduzierter Geschwindigkeit hätte der Kläger, der selbst nicht behauptet, den Gegenstand – seinem Vortrag nach die abgerissene Kupplung des Anhängers – überhaupt nicht, sondern lediglich, zu spät gesehen zu haben, noch vor diesem bremsen oder ihm ggf. ausweichen können. Zum anderen ist unbeschadet der Vorwerfbarkeit bereits des Überfahrens des Gegenstandes aus dem klägerischen Vortrag nicht ersichtlich, warum dieses das Auffahren auf den Hänger zur Folge gehabt haben soll. Die Schilderung des Klägers ist insoweit nicht frei von Widersprüchen. So steht der schriftsätzliche Vortrag des Klägers, ein Reifen sei geplatzt, in Widerspruch sowohl zu den eingereichten Unterlagen als auch zu seiner eigenen Einlassung im Rahmen seiner Anhörung im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung, denn weder in der Verkehrsunfallanzeige noch im Schadengutachten noch in seiner persönlichen Unfallschilderung findet ein geplatzter Reifen Erwähnung. Entsprechendes gilt für den Vortrag, er sei über eine Anhängerkupplung gefahren; in der Verkehrsunfallanzeige ist demgegenüber von einer Deichsel die Rede. Aber selbst wenn man unbeschadet dieser Widersprüchlichkeiten den klägerischen Vortrag, dass der Reifen platzte, und er deshalb das Fahrzeug nicht mehr beherrschen und die Spur nicht mehr halten konnte, unterstellt, erklärt dies nicht ausreichend, warum der Kläger etwa 150 – 200 m hinter dem überfahrenen Gegenstand so heftig auf den – auf gleicher Spur befindliche – Anhänger auffuhr, dass dies zum Totalschaden seines Fahrzeugs führte. Wäre der Kläger zuvor mit angemessen reduzierter Geschwindigkeit gefahren, hätte er angesichts dieses beträchtlichen Abstands zwischen überfahrenem Gegenstand und liegengebliebenem Anhänger noch bremsen können, zumal er selbst nicht vorträgt, durch das Überfahren des Gegenstandes und das Platzen des Reifens am Bremsen gehindert gewesen zu sein.

Entgegen der vom Kläger in der Berufung vertretenen Auffassung ist es für die verkehrsrechtliche Bewertung seiner Fahrweise und Fahrtgeschwindigkeit unerheblich, ob es im Unfallzeitpunkt noch dunkel oder, wie es in der Verkehrsunfallanzeige vermerkt ist, bereits hell (Tages-licht) war. Gerade wenn es noch dunkel gewesen sein sollte, trifft den Kläger die Pflicht, auf Sicht und mit der Verkehrssituation – einschließlich der Lichtverhältnisse – angepasster Geschwindigkeit zu fahren, sowie die aufgrund der Warnblinkleuchten bestehende besondere Sorgfaltspflicht (s.o., §§ 3 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO). § 18 Abs. 6 StVO kommt dem Kläger insoweit nicht zugute, da er bereits nicht vorgetragen hat, sich an den Schlussleuchten eines vor ihm fahrenden Fahrzeugs orientiert zu haben. Die Einvernahme der vom Kläger als Zeugen für den Zeitpunkt der Unfallmeldung benannten Polizeibeamten war daher nicht geboten.

(3) Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt hinter den schuldhaften Verstoß des Klägers gegen das Sichtfahrgebot und das Gebot einer der Verkehrssituation angepassten Fahrweise vollständig zurück. Das Zurücktreten eines Verursachungsbeitrags setzt in der Regel eine nicht erheblich ins Gewicht fallende mitursächliche (unter Umständen selbst erhöhte) Betriebsgefahr auf der einen Seite und ein bezogen auf den Unfallverlauf grobes Verschulden auf der anderen Seite voraus (König in: Hentschel u.a. a.a.O., § 17 StVG Rn 16 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat grob fahrlässig die Warnung, die von den vor ihm fahrenden und ihre Warnblinkleuchten betätigenden Fahrzeugen ausging, missachtet, und seine Fahrtgeschwindigkeit der Warnung nicht angepasst. Aufgrund der auf der linken und der mittleren Spur ihre Warnblinkleuchten betätigenden Fahrzeuge hätte der Kläger mit einer besonderen, für ihn nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahrenlage beim Weiterfahren rechnen müssen. Jedem hinreichend vorsichtigen Verkehrsteilnehmer musste einleuchten, dass in einer solchen Situation die Fahrtgeschwindigkeit auch auf der Autobahn auf eine Geschwindigkeit deutlich unter den 70 km/h, auf die der Kläger seine Geschwindigkeit herabsetzte, reduziert werden musste. Indem der Kläger dies nicht tat, hat er in besonderem Maße gegen die rechtlich gebotene Sorgfalt verstoßen. Dies ergibt sich auch daraus, dass andere Fahrzeuge die Erstunfallstelle unbeschadet passiert haben müssen. Die vom Kläger wahrgenommenen Warnblinkleuchten bei fahrenden Fahrzeugen auf der linken und mittleren Spur sind nur so erklärlich, dass diese Fahrzeuge dem verunfallten Hänger und einem vor diesem auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand erfolgreich ausgewichen sein müssen. Wäre dies nicht der Fall, hätten sie, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, in den Hänger bzw. den nach den Angaben des Klägers auf der mittleren Spur stehenden Mercedes Sprinter fahren müssen. Die vom Kläger insoweit angebotene Erklärung, die von ihm wahrgenommenen Fahrzeuge könnten ihre Warnblinkleuchten bereits betätigt haben, während die zuvor verunfallten Fahrzeuge noch nicht auf ihrer nach dem Unfall eingenommenen Endposition angekommen seien, sondern noch schlingerten, entbehrt jeder Plausibilität. Neben den Erstunfallfahrzeugen können sich auf der linken und mittleren Spur nicht an diesem Unfall nicht beteiligte Fahrzeuge befunden haben, denn die Unfallfahrzeuge müssten gerade über diese Spuren geschlingert sein, so dass dort befindliche Fahrzeuge in den Erstunfall verwickelt worden wären. Dass sich vor den Erstunfallfahrzeugen Fahrzeuge befunden haben sollen, deren Fahrer das entsprechende Unfallgeschehen hinter sich wahrnahmen und daraufhin ihre Warnblinkleuchten einschalteten, ist ebenfalls nicht mit den unstreitigen bzw. den vom Kläger geschilderten weiteren Umständen in Einklang zu bringen. Es ist bereits zweifelhaft, ob in Fahrzeugen davor befindliche Fahrer das Erstunfallgeschehen hinter sich überhaupt wahrnehmen konnten, zumal es nach dem Klagevorbringen noch dunkel gewesen sein soll. Soweit solche Fahrer einen Unfall hinter sich wahrgenommen haben sollten, gab es für sie keinen ersichtlichen Grund, deswegen ihr Warnblinklicht zu betätigen, da sie sich aufgrund ihrer Fahrtrichtung zwangsläufig vom Unfallort entfernten und in ihrer Fahrtrichtung vor der Unfallstelle kein Bedarf für eine Warnung anderer Fahrzeuge bestand. Schließlich wäre nicht erklärlich, warum in diesem Falle der Kläger den Erstunfall nicht beobachtet hat, da sich dieser dann unmittelbar zwischen den vom Kläger in ca. 300 – 400 m Entfernung wahrgenommenen warnblinkenden Fahrzeugen und dem Kläger hätte abspielen müssen.

Gegenüber dem groben Verschulden des Klägers fällt die Mitverursachung des im Streit stehenden Unfalls durch die Verursachung des zum Liegenbleiben des Hängers führenden Erstunfalls nicht ins Gewicht. Der Hergang des im Streit stehenden Unfalls sowie der dadurch am klägerischen Fahrzeug bewirkte Totalschaden sind nur dadurch erklärlich, dass der Kläger mit einer nicht der Situation angemessenen überhöhten Geschwindigkeit unterwegs war und/oder er es an der situationsbedingt notwendigen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen. Unter diesen Umständen wäre der Kläger auch auf jedes andere auf der Autobahn befindliche Hindernis aufgefahren. Der Verursachung des Erstunfalls kommt dabei keine wesentliche Bedeutung für den Zweitunfall mehr zu.

d) Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 115 VVG, 6 Abs. 1 AuslPflVG i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 1 Abs. 2 StVO, da er sich auch insoweit sein eigenes Mitverschulden nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 StVG, der als Spezialvorschrift § 254 BGB insoweit verdrängt, anrechnen lassen muss (König in: Hentschel u.a. a.a.O, § 17 StVG Rn 1) und diese Anrechnung aus den unter Ziff. 2. c) dargelegten Gründen dazu führt, dass er keinen Ausgleich seines Schadens erhält.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft und nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 GKG auf 9.787,66 Euro festgesetzt.

 

 

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