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Verkehrsunfall – Blinkersetzen und Weiterfahrt

 LANDGERICHT AURICH

Az.: 1 S 137/10

Urteil vom 10.12.2010


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2010 am 10.12.2010 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wir die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Norden vom 28.05.2010 abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2.) und 3.) als Gesamtschuldner unter Abweisung der Widerklage im Übrigen verurteilt, an die Beklagte zu 1.) 339,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2009 sowie weitere 120,67 EUR zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin ¾ und die Klägerin sowie die Widerbeklagten zu 2.) und 3.) als Gesamtschuldner ¼ zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert wird auf 1.542,24 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Haftungsquote aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12.12.2008 gegen 07.10 Uhr in Hage ereignete.

Der Widerbeklagte zu 2.) … befuhr mit einem von der Klägerin gehaltenen und bei der Widerbeklagten zu 3.) haftpflichtversicherten PKW vom Typ Toyota Kastenwagen, amtliches Kennzeichen … am 12.12.2008 die Straße „Am Edenhof“ in Hage in Richtung „Hilgenbur“. Er beabsichtigte, die vorfahrtberechtigte Halbemonder Straße zu überqueren um in die gegenüberliegende Straße Hilgenbur einzufahren. Die Beklagte zu 2.) befuhr als zweites Fahrzeug einer sich von links nähernden Fahrzeugkolonne mit dem von der Beklagten zu 1.) gehaltenen und bei der Beklagten zu 3.) haftpflichtversicherten PKW des Typs VW Polo, amtliches Kennzeichen …, die Halbemonder Straße in Richtung Hauptstraße. Als die Beklagte zu 2.) nach rechts blinkte, setzte der Widerbeklagte zu 2.) dazu an, die Halbemonder Straße zu überqueren, um in die Straße „Hilgenbur“ einzufahren. Dabei stieß er mit dem von der Beklagten zu 2.) gelenkten VW Polo zusammen, der nicht nach recht abbog, sondern seine Fahrt in Geradeausrichtung fortsetzen wollte.

Der Klägerin entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 3.760,31 EUR. Die Beklagte zu 3.) hat den Schaden nach einer Quote von 50 % reguliert und an die Klägerin 1.880,31 EUR gezahlt.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 2.) habe während des Blinkens auch ihre Fahrt stark verlangsamt. Erst im letzten Moment habe sie wieder Gas gegeben und versucht, ihre Fahrt geradeaus fortzusetzen.

Die Klägerin meint, die Beklagten treffe deshalb eine Haftungsquote von 80 %. Mit ihrer Klage verfolgen sie ihre noch nicht regulierten, restlichen Schadensersatzansprüche in Höhe von 1.190,31 EUR. Davon entfallen 310,62 EUR auf die Kosten des Schadensgutachtens, welche die Klägerin zu 100 % ersetzt verlangt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.190,31 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.04.2009 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 130,50 EUR zu zahlen-

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, dass die Beklagte zu 2.) während des Blinkvorgangs die Geschwindigkeit des Wagens stark verlangsamt haben soll. Sie meinen, der Widerbeklagte zu 2.) habe sich grob verkehrsordnungswidrig verhalten, als er versuchte, vor dem rechts blinkenden gegnerischen Wagen durch die fahrende Kolonne hindurch die vorfahrtsberechtigte Halbemonder Straße zu überfahren. Deshalb sei eine Haftungsquote von 50 % angemessen, so dass der Schaden der Klägerin bereits vollständig reguliert sei.

Die Beklagten haben widerklagend beantragt,

die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2.) und 3.) im Wege der Widerklage als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte zu 1.) 346,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2009 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 120,67 EUR zu zahlen.

Der Beklagten zu 1.) sei ein Gesamtschaden in Höhe von 1.293,60 EUR entstanden, wovon sie auf Totalschadenbasis 50 %, abzüglich bereits am 29.09.2009 gezahlter 300,00 EUR, mithin 346,80 EUR geltend macht.

Die Klägerin und Widerbeklagten haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie meinen, den Beklagten stünde allenfalls ein Anspruch auf Ersatz ihrer unfallbedingten Schäden in Höhe von 20 % zu, so dass aufgrund der bereits gezahlten 300,00 EUR überzahlt sei.

Das Amtsgericht hat die den Unfall betreffende Ermittlungsakte des Landkreises Aurich II/323 -UB- 5900157 beigezogen, informatorisch verwertet und die Beklagten ausgehend von einer Haftungsquote von 80 % antragsgemäß verurteilt, die Widerklage indes bis auf 5,13 EUR abgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ohne weitere Begründung ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass die Beklagte zu 2.) ihr Fahrzeug während des Blinkens deutlich verlangsamt habe, weshalb sie eine Haftungsquote von 80 %, die Klägerin hingegen nur ihre Betriebsgefahr treffe.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung und beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 28.05.2010 abzuändern und

1. die Klage abzuweisen und

2. auf die Widerklage die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2.) und 3.) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte zu 1.) weitere 346,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2009 sowie weitere 120,67 EUR zu zahlen.

Die Klägerin und die Widerbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen. Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 23.09.2010 Beweis durch Vernehmung der Zeugen A… und J… erhoben und die Beklagten zu 1.) und 2.) sowie den Widerbeklagten zu 2.) persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2010 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und weitestgehend begründet, die Widerklage mit Ausnahme einer Forderung über 15,00 EUR begründet. Im Einzelnen:

1.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht kein weiterer Schadensersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall gegen die Beklagten zu. Die Beklagte zu 3.) hat die Schadensersatzansprüche der Klägerin zutreffend nach einer Mithaftungsquote in Höhe von 50 % bereits vollständig reguliert. Die Kammer legt bei der Beurteilung der Quote Folgendes zu Grunde:

Setzt der Vorfahrtsberechtigte vor einer Kreuzung oder Einmündung den (rechten) Fahrtrichtungsanzeiger, um sodann doch geradeaus weiterzufahren, kommt in der Regel seine Mithaftung von mindestens 50 % in Betracht; verlangsamt er darüber hinaus auch noch seine Geschwindigkeit, ist unter Umständen sogar von einer Alleinhaftung auszugehen.

Hier ist von einer Mithaftung von 50 % auszugehen. Der beweisbelasteten Klägerin ist es nicht gelungen, zu beweisen, dass die Beklagte zu 2.) während des Rechts-Blinkens ihre Geschwindigkeit auch deutlich verlangsamt hat. Die Beweisaufnahme ist unergiebig geblieben. Weder der Zeuge … noch der Zeuge … konnten zum unmittelbaren Unfallgeschehen etwas aussagen. Allein auf die Angaben der persönlich angehörten Beklagten zu 1.) und 2.) sowie des Widerbeklagten zu 2.) vermag die Kammer keine sichere Überzeugung vom Unfallhergang zu stützen.

Die Klägerin trifft daher nicht nur die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs. Vielmehr muss sie sich gefahrerhöhend auch das Verhalten des Widerbeklagten zu 2.) zurechnen lassen.

Dieser hat sich verkehrsordnungswidrig verhalten, als er versuchte, vor dem rechts blinkenden gegnerischen Wagen durch die fahrende Kolonne hindurch die vorfahrtberechtigte Halbermonder Straße zu überqueren. Zumindest hat er dabei gegen die Vorfahrtsregelung des § 8 Abs. 2 S. 2 StVO an der Unfallkreuzung verstoßen. Zudem ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon auszugehen, dass der unfallgegnerische Wagen seine Geschwindigkeit während des Rechtsblinkens verlangsamt hat. Nach alledem erscheint eine Mithaftung der Klägerin von 50 % angemessen.

Auch die Gutachtenkosten sind nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten lediglich entsprechend der Mithaftungsquote in Höhe von 50 % zu erstatten. Jeder hat seinen Schaden zu tragen, soweit er ihn verursacht hat. Auch die Beteiligung des Anspruchstellers am Unfall ist ursächlich für die Entstehung der Gutachtenkosten.

Da die Beklagte zu 3.) unstreitig bereits 50 % des Schadens der Klägerin reguliert hat, war das amtsgerichtliche Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

2.

Die Widerklage ist weitestgehend begründet.

Ausgehend von einer Mithaftungsquote von 50 % stehen der Beklagten zu 1.) und Widerklägerin aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall noch restliche Schadensersatzansprüche in Höhe von 339,30 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 120,67 EUR gegen die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2.) und 3.) als Gesamtschuldner zu.

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Der Beklagten zu 1.) ist ein Gesamtschaden in Höhe von 1.278,60 EUR entstanden, wovon auf Totalschadenbasis 50 %, abzüglich bereits am 29.09.2009 gezahlter 300,00 EUR, mithin noch 339,30 EUR zu zahlen sind.

Der Anspruch errechnet sich wie folgt:

– Wiederbeschaffungswert 900,00 EUR abzgl. Restwert 30,00 EUR = 870,00 EUR

– Nutzungsausfall für die Wiederbeschaffungszeit von 14 Tagen

laut Gutachten = 14 x 27,00 EUR = 378,00 EUR

– dem Geschädigten steht grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz für den Entzug der Nutzungsmöglichkeiten des beschädigten Fahrzeugs zu. Wird – wie hier – auf Totalschadenbasis abgerechnet, so besteht die zu ersetzende Ausfallzeit in der Frist zu Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Der Unfall ereignete sich am 12.12.2008. Die Klägerin hat sich mit Zulassung vom 16.01.2009 ein Ersatzfahrzeug beschafft. Laut des von der Widerbeklagten zu 3.) eingeholten Gutachtens des Sachverständigen … vom 09.07.2009 betrug die Wiederbeschaffungszeit für ein gleichwertiges oder ähnliches Fahrzeug ca. 14 Kalendertage. Ein Schadensersatzanspruch von 14 x 27,00 EUR ist daher angemessen –

– Stilllegungskosten 5,60 EUR

– Auslagenpauschale nach § 287 ZPO geschätzt 25,00 EUR

insgesamt 1.278,60 EUR.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten beträgt – unabhängig davon, ob der Gegenstandswert, wie geltend gemacht, 646,80 EUR oder tatsächlich nur 639,30 EUR beträgt – insgesamt 120,67 EUR. Ein Gebührensprung ergibt sich durch die nur geringfügig differierenden Gegenstandwerte nicht. Der Anspruch berechnet sich wie folgt:

Gegenstandswert: 636,80 EUR

1,3 Geschäftsgebühr nach Ziff. 2300 VV RVG 84,50 EUR

Auslagenpauschale nach Ziff. 7002 VV RVG 16,90 EUR

Zwischensumme 101,40 EUR

Zzgl. 19 % Mehrwertsteuer nach Ziff. 7008 VV RVG 19,27 EUR

Endsumme 120,67 EUR

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

 

 

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