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Verkehrsunfall – Hinweispflicht auf fehlende Geldmittel

LG Saarbrücken

Az: 13 S 157/09

Urteil vom 10.07.2009


1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 5.3.2009 – 5 C 738/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt nach einem Verkehrsunfall mit einem ausländischen Unfallgegner vom 16.4.2008, für deren Folgen die Beklagte voll einstandspflichtig ist, den Ersatz restlicher Mietwagenkosten sowie eine Nutzungsausfallentschädigung. Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug in einer Fachwerkstatt reparieren. Dort mietete sie sich vom 16.4.2008 bis zum 13.5.2008 für 575,- EUR ein Ersatzfahrzeug an. Die Reparatur ihres Fahrzeuges war spätestens am 6.5.2008 abgeschlossen, was sie dem Schadensregulierer der Beklagten mit Schreiben vom 6.5.2008 mitteilte und ihn darin zugleich aufforderte, der Werkstatt eine Reparaturkostenübernahmebestätigung zukommen zu lassen, damit das Fahrzeug wieder an sie herausgegeben werden könne. Mit Schreiben vom 14.5.2008 lehnte der Schadensregulierer der Beklagten ein Tätigwerden ab, solange er keine Deckungszusage der ausländischen Haftpflichtversicherung erhalte und wies die Klägerin darauf hin, dass sie wegen der Reparaturkosten in Vorleistung treten müsse, notfalls unter Zuhilfenahme eines Kredites, dessen Zinsen sie bei ihm dann geltend machen könne. Nachdem der Schadensregulierer der Beklagten sodann am 24.6.2008 mitteilte, die Reparaturrechnung über 3.295,90 EUR zu begleichen, erhielt die Klägerin ihr Fahrzeug am 27.6.2008 aus der Werkstatt zurück. Neben weiteren Ersatzleistungen wurden auch die Anwaltskosten der Klägerin auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 4.291,57 EUR beglichen.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin den Ersatz der nicht gezahlten Mietwagenkosten (50,- EUR), eine Nutzungsausfallentschädigung von täglich 25,- EUR für die Zeit vom 14.6.2008 bis zum 27.6.2008 (zusammen: 1.575,- EUR) sowie den Ersatz weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 5.916,57 EUR (= 100,56 EUR).

Sie hat behauptet, sie sei mangels ausreichenden eigenen Einkommens und wegen einer bereits bestehenden Überziehung ihres Girokontos finanziell nicht in der Lage gewesen, mit den Reparaturkosten in Vorlage zu treten, so dass sie ihr Fahrzeug nicht früher habe zurückerhalten können. Auch verfüge sie über kein Sparguthaben und trotz ihres Miteigentums an einem Hausgrundstück habe im Hinblick auf dessen Belastung keine Möglichkeit zur Kreditaufnahme bestanden.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der angefochtenen Entscheidung vom 5.3.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat der Erstrichter ausgeführt, dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, wegen der sich abzeichnenden längeren Dauer der Schadensregulierung mit den Reparaturkosten in Vorleistung zu treten, um ihr Fahrzeug früher wieder aus der Werkstatt zurück zu erhalten. Dass sie hierzu finanziell nicht in der Lage gewesen sei, habe sie nicht hinreichend dargetan, weil sie weder vorgetragen habe, welchen Überziehungsrahmen sie von ihrer Bank eingeräumt bekommen hatte, noch weshalb eine darüber hinausgehende Überziehung nicht möglich gewesen sei und wie hoch der Wert und die Belastungen des Hausanwesens gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter verfolgt. Das Amtsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sie als Geschädigte grundsätzlich verpflichtet gewesen sei, einen Kredit aufzunehmen, um die Werkstattrechnung vorab zu bezahlen. Sie habe zudem mit Schreiben ihres Anwalts vom 6.5.2008 gegenüber dem Schadensregulierer der Beklagten mitgeteilt, dass sie kein Geld habe, um die Reparaturkosten zu bezahlen. Es sei im übrigen Aufgabe des Schädigers darzulegen und nachzuweisen, dass ihr ausnahmsweise eine Kreditaufnahme möglich und zumutbar gewesen sei. Jedenfalls habe sie gegenüber dem Amtsgericht hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie keinen Kredit hätte aufnehmen können.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg, weil die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

1. Dass die Beklagte gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 und 3 StVG i.V.m. § 115 VVG und § 6 AuslPflVG der Klägerin dem Grunde nach vollen Ersatz für ihre unfallbedingten Schäden schuldet, steht zwischen den Parteien außer Streit. Gleichwohl kann die Klägerin nicht den Ersatz der begehrten weitergehenden Mietwagenkosten sowie die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung wegen der Ausfallzeit ihres Fahrzeuges bis zum 27.6.2008 verlangen.

a) Zu dem Herstellungsaufwand, der bei Beschädigung oder Zerstörung einer Sache nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzen ist, gehören zwar grundsätzlich die Kosten der Miete einer Ersatzsache, die dem Geschädigten eine vergleichbare Nutzungsmöglichkeit gewährt (vgl. Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 25. Auflage, Kap. 3 Rdn. 68). Auch kann der Geschädigte, der sich keinen Ersatzwagen anmietet, unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung für den unfallbedingten Nutzungsausfall begehren (vgl. Geigel/Knerr, aaO., Rdn. 95).

b) Sowohl die Kosten für die Miete einer Ersatzsache als auch eine Nutzungsausfallentschädigung kann aber im Allgemeinen nur für die Zeit verlangt werden, in der die Reparatur des beschädigten oder die Ersatzbeschaffung des zerstörten Fahrtzeuges andauert (Böhme/Biela, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 23. Auflage, Kap. D Rdn. 75). Die Dauer des zu entschädigenden Nutzungsausfalls verlängert sich jedoch dann, wenn der Geschädigte die Reparatur mittelbedingt nicht bezahlen kann und das Fahrzeug vom Reparaturbetrieb nicht zurückerhält (vgl. Geigel/Knerr, aaO. Rdn. 98). Wie die Berufung zurecht vorbringt, ist es nämlich grundsätzlich die Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren (vgl. BGH NJW 1989, 290; NJW 2002, 2553; NJW-RR 2006, 394). Mit eigenen Mitteln die Reparaturkosten vorab zu bezahlen, ist für den Geschädigten nur dann zumutbar, sofern ihm das ohne besondere Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist (vgl. Böhme/Biela, aaO., Kap. E Rdn. 9). Ein Geschädigter ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann im Rahmen des § 254 BGB allenfalls dann und auch nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse belastet wird (BGH NJW-RR 2006, 394).

c) Ob der Klägerin hiernach ein Verstoß gegen ihre Pflicht zur Geringhaltung des Schadens anzulasten ist, weil es ihr zumutbar und möglich gewesen wäre, die Reparaturkosten entweder aus eigenen Mitteln oder kreditfinanziert zu bezahlen, um ihr spätestens am 6.5.2008 repariertes Fahrzeug sodann wieder nutzen zu können, bedarf indessen keiner Entscheidung. Die weiteren Ausfallzeiten, für die sie noch restlichen Ersatz der Mietwagenkosten und eine Nutzungsausfallentschädigung verlangt, hat sie selbst dann zu verantworten, wenn ihr eine Finanzierung der Werkstattrechnung nicht möglich gewesen wäre.

aa) Dem Haftplichtversicherer des Unfallgegners steht ein bestimmter Prüfungszeitraum für seine Regulierungsentscheidung zu (vgl. Böhme/Biela, aaO., Kap. H, Rdn. 6). Dies beruht auf den besonderen Verhältnissen beim Haftpflichtversicherer, bei dem zahlreiche Schadensfälle zusammen kommen und der über den einzelnen Unfall aus eigenem Wissen nicht informiert ist, sondern sich in erster Linie darauf verlassen muss, was sein Versicherungsnehmer ihm an Informationen an die Hand gibt (vgl. OLG Rostock MDR 2001, 935 m.w.Nw). Hinzu kommt, dass die Schadensfälle bei einer Versicherung über einen größeren Büroapparat abgewickelt werden müssen, was ebenfalls gewisse Mindestverzögerungen zur Folge hat (vgl. OLG Rostock aaO.). Schließlich liegt eine angemessene Ermittlungsfrist im Interesse der Gesamtheit aller pflichtversicherten KfZ-Halter, die über ihre Prämienleistungen die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben (OLG Rostock aaO.). Daher muss von einem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten mehr Geduld gegenüber dem Versicherer erwartet werden, als im Falle einer Inanspruchnahme des unmittelbaren Schädigers (vgl. OLG Rostock aaO.).

bb) Vor Ablauf der Prüfungsfrist, für die bei Verkehrsunfällen, in denen – wie hier – ein ausländischer Schädiger beteiligt ist, ein Zeitraum von bis zu zwei Monaten angemessen sein dürfte (vgl. AG Neuwied aaO.), kann der Versicherer wegen einer unterlassenen Schadensregulierung nicht in Verzug geraten, weil ihm dahin gehend kein Verschulden anzulasten ist (vgl. Böhme/Biela aaO.). Mithin darf der Geschädigte vor Ablauf der Prüfungsfrist auch nicht auf eine vorzeitige Ersatzleistung des Versicherers vertrauen; der Versicherer darf vielmehr davon ausgehen, seine Prüfungsfrist ausschöpfen zu können, ohne dass weitere Nachteile zu befürchten sind. Droht gleichwohl eine Erhöhung des Schadens, weil dem Geschädigten ausreichende Mittel zur Einlösung des Fahrzeuges nicht zur Verfügung stehen, hat der Geschädigte den gegnerischen Haftpflichtversicherer hierauf hinzuweisen (vgl. Böhme/Biela, aaO., Kap. D Rdn. 78). Ansonsten handelt er seiner Schadensminderungspflicht zuwider (vgl. OLG Celle VersR 1980, 633; LG Halle Schaden-Praxis 2000, 386; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage 2008, § 254 Rn. 38).

cc) Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall vor, weil es die Klägerin unterlassen hat, den Schadensregulierer der Beklagten rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass ihr eine Reparaturkostenzahlung nicht möglich sein werde. Ein solcher Hinweis war entgegen der Berufung auch nicht in dem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 6.5.2008 enthalten. In diesem Schreiben wurde der Schadensregulierer der Beklagten zwar aufgefordert, eine Reparaturkostenübernahmeerklärung gegenüber der Werkstatt zu erklären, damit das Fahrzeug an die Klägerin ausgeliefert werden könne. Eine solche allgemein gehaltene Aufforderung reicht jedoch nicht aus, um darauf hinzuweisen, dass anderenfalls weitere Ausfallzeiten entstehen würden (vgl. OLG Celle aaO.). Die Klägerin hätte vielmehr konkret darlegen müssen, dass ihr eine Zahlung der Werkstattrechnung nicht möglich sei, da davon auszugehen ist, dass der Schadensregulierer der Beklagten dann Vorkehrungen getroffen hätte, um der Klägerin die Abholung ihres Fahrzeuges nach der Beendigung der Reparaturarbeiten zu ermöglichen (vgl. OLG Celle aaO.), etwa durch eine überobligatorisch zügige Schadensregulierung, die Einräumung einer Zwischenfinanzierung oder sonstige geeignete Maßnahmen.

2. Fehlt es damit an einem weitergehenden Ersatzanspruch der Klägerin, kommt auch ein Anspruch auf die Erstattung weiterer Rechtsanwaltsgebühren nicht in Betracht. Denn die Ersatzpflicht der Beklagten auf die vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten beschränkt sich darauf, was bei einem Gegenstandswert in Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung (hier 4.291,57 EUR ) an Kosten entstanden wäre – Kosten, die insoweit von der Beklagten gegenüber der Klägerin aber bereits erstattet worden sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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